eine teilweise Verständigung der liberalen Parteien einige Stimmen einbüßen, vollkommen, um mit der größten Wut gegen das liberale Zusammengehen, das ihr in der Bei fassungsfrage doppelt und dreifach willkommen sein müßte, loszufahren l Dieselbe Rück­ficht auf das parleiegoistische Interesse muß es auch erklären, warum die Sozialdemokratie in der Ver- fassuvgsfrage nicht nur ihre eigenen Wege geht und damit geht die ganze Bewegung gegen die Erste Kammer ungeheuer schädigt, sondern sogar in der rüpelhaftesten Weise, Wider besseres Wissen, über diejenigen her­fällt, die die Parteilichkeitsinteressen hintanstellten, um dem Lande einen Fortschritt zu erreichen. Er­gänzend kommen dazu noch Persönliche Eiklärungs- gründe. Man darf nur den Dialekt eines großen Teils, der soz dem Agitatoren und Agitatorinnen hören, und man hat schon einen lebhaften Begriff davon, welch gute Nichtschwaben diese Herren und Damen find, ebenso gute als gewisse Mitglieder der Standesherrenkammer. Diesefliegenden Holländer", will sagen: fliegende Agitatoren und Agitatorinnen der Sozialdemokratie sind nicht dazu nach Württem- berg gesandt worden oder nach Württemberg gekommen, um den Schwaben eine Verfassungsrevision zu bringen. Dafür werden sie auch nichtmit den Arbeitergroschen" honoriert. Ihre Hauptaufgabe ist nicht die Förderung des Landes, sondern die Förderung der Sozial­demokratie ! Darin liegt auch ein Stück Erklärungs­und Enrschuldigungsgrund. Jedenfalls können diese .fremdländischen" Agitatoren nicht das große Interesse an den württemb. Geschicken haben, wie schwäbische Männer, die seit Jahrzehnten mitten in der württ. Politik stehen und seither nach einer besseren Ver­fassung streben."

Stuttgart, 10. Nov. Als Mahnung zur Vor­sicht gibt die Generaldirektion ihrem Personal die in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1904 beim Betrieb der württ. Staatseisenbahnen vorgekommenen Unfälle bekannt. Hiernach sind dem Fahr-, Stations­und Streckevpersonal in dem genannten Vierteljahr 9 Unfälle, worunter 3 mit rötlichem Ausgang, zuge­flossen, welche auf Nichtbeachtung der Schutzvor­schriften zurückzuführen sind.

Herrenberg, 15. Novbr. Minister Freiherr v. Soden war vergangenen Donnerstag hier zur Festsetzung der Führung der Eisenbahnlinie Haren­berg Tübingen. Die Linie soll jetzt nicht über Neusten, sondern über Entringen geführt werden.

Ravensburg, 13. Novbr. Deutsche Partei, Volkspartei, fozialdem. Partei, evang. Männerverein stellten Sladtschultheiß Harrer in Schramberg als ihren Kandidaten für die Stadtvorstandswahl auf.

Freudenstadt, 14. Nov. Die gestern unter dem Vorsitz des Bezirksobmanns, Rektor Haug hier, zum Zweck der Gründung eines Bezirkskrieger- Verbands im Gasthaus zumLamm" abgehaltene Versammlung der Vorstände der Kriegervereine des hiesigen Bezirks war zahlreich besucht, es waren 25 Vereine mit 44 Stimmen vertreten. Nach Durchbe­ratung der Satzungen, die nach dem Entwurf des Präsidiums des württ. Kriegerbundes mit einigen kleinen Abänderungen angenommen wurden, wurde als Stellvertreter des Bezirksobmanns Oberförster Frhr. v. Süßkind in Dornstetten gewählt.

Großsachsenheim, 14. Nov. Am Samstag abend zwischen 9 und 10 Uhr wurde der verheiratete Fabrikarbeiter Schofer aus Sersheim bei Vaihingen a./E. auf dem Wege zwischen Oberriexingen und Sersheim von einem aus Großsachsenheim gebürtigen jungen Menschen namens Mcrgenthaler totgeschlagen und seines Geldes im Betrage von etwa 40 ^ beraubt. Der Täter, welcher gestern verhaftet wurde, hat bereits ein Geständnis seiner ruchlosen Tat abgelegt

Tübingen, 14. Nov. Ein tragikomisches Er­eignis erlebten gestern abend die mit dem 6 Uhrzug hier abreisenden Fahrgäste. Einige Kilometer vor Kirchentellinsfurt blieb der Zug auf freiem Felde plötzlich stehen. Als die Fahrgäste angstvoll nach der Ursache sahen, war an dem Zug keine Lokomotive mehr zu entdecken. Dieselbe harte sich von dem mit Menschen überfüllten Zug losgerissen und war in Kirchentellinsfurt ohne Wagen eingetroffen. Vom Stationsmeistcr darauf aufmerksam gemacht, kehrte sie wieder um und holte die angsterfüllten Fahr­gäste ab.

Binsdorf, 11. Nov. In Binsdorf sind alle Hände voll Arbeit. Bis 1 Januar muß sämtlicher Schutt abgeräumt sein, bis 1. März sind alle Bau­pläne fix und fertig; eine Dampfsäge (eben errichtet) wird verschiedene tausend Festmeter Holz, welche auf einer Waldeisenbahn herbeigeschleppt werden, zu ge- eignerem Bauholz umwandet»; in den Steinbrüchen wird tüchtig vorausgeschafft; zwei neu errichtete Ziegeleien werden Backsteine in Massen liefern und

etliche riesige Quetschmaschinen werden etwa 10000 Kubikmeter Saud und Schotter Herstellen; kurz neues Leben wird aus den Ruinen erblühen.

Brackenheim, 15. Nov. Das Gesamtergebnis des Herbstes auf hiesiger Markung betrug 4255 KI, wovon 2754 KI zu rund 100000verkauft wurden. Die Preise bewegten sich zwischen 100 und 140 per Eimer.

Stuttgart. fLandesProduktenbörse.I Berichi vow 14. Nov. von dem Borstand Fritz Kreglinger. Die Stimmung im Getreidegeschiist blieb im Wochenverlauf fest, da Rußland für Weizen die Forderungen etwas er­höhte und überhaupt mit Angebot zurückhaltend war. Hier ist wie bisher ruhiges Geschäft. Preise behauptet.

Mehlpreise per 100 Kilogramm inll. Sack:

Mehl Nr. 0: 30 ^ bis 31 Nr. 1:

28 ^ bis 29 ^ Nr 2: 26 50 bis 27

50 Nr. 3: 25 bis 26 Nr. 4: 21

50 ,1 bis 22 50 Suppengries 30 ^ bis 31

U. Kleie 9 50 ^1.

Slus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Seine Majestät der König hat den Bahn­meister König in Blaufelden nach Neuenbürg auf Ansuchen versetzt.

* Neuenbürg, 14. Nov. Wenn auch nicht in dicht besetztem Lokale, so doch vor einer stattlichen Versammlung berichtete am Samstag abend bei Keck unser ReichsMgsabgeordneter Schweickhardt über die Reichstagsverhandlungen des letzten Jahres. Seinen Vortrag einleitend, erinnerte der Redner zu­nächst an die durch den bekannten fortschrittsfeind­lichen Gewaltakt der Ersten Kammer überall in unserem engeren Vaterlande hervorgerufenc Entrüst­ung, die durch zahlreiche Protestversammlungen ihren Ausdruck gefunden hat. Man habe Stellung ge- nommen gegenüber dem Beschluß der Ersten Kammer, über die Art und Weise, wie uns eine katholische Majorität ihren Willen aufzwingen wollte. Wie unser König damals so mannhaft und verständnisvoll eingegriffen habe, so sei es kürzlich in der Thron­rede klar zum Ausdruck gekommen, wie unser König und die Regierung darüber denkt. Die Verfassungs- revifion habe Aussicht auf ein Zustandekommen und daß sich die politischen Parteien zusammengefunden haben, sei für ihn ein erfreuliches Zeichen und eine gute Vorbedeutung für spätere Wahlen. Was die Reichstagsverhandlungen betrifft, so könne er heute über dieselben nicht in chronologischer Ordnung, son­dern nur in Kürze das Wichtigste berichten. Gesetz­entwürfe von großer Bedeutung seien dem Reichstag nicht vorgelegt worden, auch nicht der erwartete Militärgesetzentwurf. Der Grund dafür sei die prekäre Finanzlage des Reichs. Unter der .Reichs­finanzreform", die zur Beratung und Annahme ge­langt sei, habe er sich etwas anderes vorgesteüt; es handle sich dabei nur um die sogen, kleine Reform, die man sonst auch lox Stengel nenne. Die Volks­partei habe gegen diese halbe Reform gestimmt, doch sei sie mit Hilfe des Zentrums zustande gekommen.

Zu den Kaufmannsgerichten sagte Redner, wenn er auch kein Freund von Sondergerichten sei, so habe er doch für die neue Einrichtung gestimmt, weil die ordentlichen Gerichte zu schwerfällig und langwierig in dem Verfahren arbeiteten. Im übrigen seien die Prozesse zwischen Prinzipal und Angestellten nicht so häufig; in Stuttgart z. B. seien in einem Jahr nur 5 Fälle vorgekommen. Da auf Gemeinden von 20000 Einwohnern und mehr 1 Kaufmannsgericht komme, so habe die Sache für unseren Bezirk keine praktische Bedeutung. Daß der Reichstag mit der Etatsberarung nicht auf 1. April fertig geworden ist, sei bedauerlich gewesen. Redner schreibt das der vielfach vorgekommenen Ablenkung von der Tages­ordnung zu, wodurch Verzögerungen und Beschluß Unfähigkeit entstanden seien. Auf die Flut von Ge­setzesentwürfen könne er nicht im einzelnen eingehen. Es sei eine Zumutung für den Abgeordneten, tage- und wochenlang in Berlin sein zu müssen, ohne Er­folg und minderwichtiger Dinge wegen, wohingegen wichtigere Vorlagen im Ramsch durchgepeitscht würden. Das einzige Mittel zur Verhütung von Beschluß- Unfähigkeit sehe er in der Gewährung von Diäten. Man sollte wenigstens Anwesenheitsgelder haben; neuerdings sei davon die Rede, doch glaube er noch nicht daran. Einen sehr breiten Raum habe natur­gemäß der Militär- und Marine-Etat eingenommen und da sei wieder das unerquickliche Thema der Soldatenmißhandlungen ausführlich behandelt worden. Reichstagsabgeordneter Payer habe sich hierin be­sonders hervorgetan und einer durch den Fall Hüsseuer gezeitigten Resolution habe man gerne zu­gestimmt. Eine Besserung der Zustände sei zu er­reichen durch vorsichtigere Aushebung, leichtere Ent­lassung Untüchtiger und strengere Bestrafung der schuldig befundenen Vorgesetzten. Zu der Forderung

der Gehaltserhöhung der Oberstleutnants um 19 gy Mark habe sich die Budgetkommisston nicht wohl, wollend stellen können, da der Posten des Oberst, leutnants nicht so verantwortungsvoll sei; die Volks- Partei habe dagegen gestimmt, während das Zentrum in der Kommission dagegen, aber im Plenum für die Erhöhung um 1150 -Ml gestimmt habe! Dieses Spiel habe er dann noch öfters beobachtet und zwar bei der Vermehrung der Unteroffiziere; 860 Mann wurden mehr gefordert und wieder war das Zentrum dagegen, um nachher 760 Mann zu bewilligen. Der 8 2 des Jesuitengesetz-s fiel dann; daß hier ein Zusammenhang stattgefunöen habe, vermutet Redner nur. Uebrigens sei das Preisgeben des tz 2 schon 5 Jahre vorher beschlossen gewesen, die Regierung habe einfach auf den alten Beschluß zurückgegriffen und dies entspreche gewiß nicht dem Geist der Ver- fassung. Um derartige Vorkommnisse unmöglich zu machen, sei von der Volkspartei eine Resolution an- genommen worden, daß Beschlüsse spätestens vor Wiederzusammentritt des Reichstags auszuführen sind. Die gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit sei zu verlangen vor Bewilligung der >m nächsten Jahr zu erwartenden Milttärov'lage. Die Volkspartei wolle die Forderung der Vermehrung der Unteroffiziere von der Feststellung der 2jährige? Dienstzeit abhängig machen. Die konservative Kreuz, zeitung mache zwar heute schon Stimmung gegen die 2jährige Dienstzeit. Wenn aber sogar die Kriegs- minister v. Einem, v. Goßler und Bronsart von Schellendorf erklärt haben, daß sich die zweijährige Dienstzeit bewährt habe, so müsse doch wahrlich diese Forderung aufrecht erhalten bletben. Im übrigen habe die Volkspartei in den Kommisstoussitzungen (Redner hat als Stellvertreter des Abg. Payer an -den langen Sitzungen der Budgelkomm'lsstoa teilge» nommen) alle die Summen bewilligt, die sie für notwendig erachtet habe Was das Verhalten der sozialdemokratischen Mitglieder betrefft, so hältwLie- selben in der Kommission zwar nicht dafür gffiim«ü, aber auch nicht dagegen gesprochen. Vorsicht fit geboten bei Bewilligung von Geldern für auswärtige Expeditionen. Es sei z B. das Expeditwnskoips für China bewilligt worden, das aber nach Beendig­ung der Aktion zurückzuziehen war. Die Brigade stehe aber noch dort uno koste jährlich 12 bis 14 Millionen. Allerdings wäre im Hinblick auf den russisch-japanischen Krieg jetzt der ungünstigste Mo­ment für die Zurückziehung der Brigade. Die Dauer des Krieges in -süowestaflika sel nicht VökaM-' zusehea, die Mittel müssen bewiülgt weroea, da wir unsere Landsleute nicht im Stiche lassen können; die Freude an den Kolonien sei dadurch eine sehr geteilte. Man hätte es sich schon früher sagen müssen, Laß bei einer so undankbaren Kolonie wie Südweftasrü« Verwickelungen eintrelen werden. Wenn die Nach- forderung hlefür nicht mehr als 86 Millionen be­trage, würde Redner heute damit akkordieren. Er glaube aber, daß uns diese Kolonie noch manch' schmerzlichen Augenblick bereiten werde. Mit vollem Recht sei es von ihm und seinen Parteigenossen zu­rückgewiesen worden, daß man ihnen Knauserei oor- geworfen habe, weil sie nicht für eine Entschädigung der Farmer in Südwestafrika zu haben gewesen seien, sondern nur für eine Unterstützung in Höhe von 2 Millionen Mark. Es wäre doch zu weit gegangen gewesen, wenn man z. B. für Zerstörung von Fi­lialen deutscher Aktiengesellschaften volle Entschädlg- ung gewährt hätte. Weiter weist Redner den von seiten der Zentrumspresfe u. a. gemachten Vorwurf zurück, als habe er und seine Parteifreunde ihre Schuldigkeit nicht getan. Er sei sich bewußt, seiner Pflicht sowohl im Plenum als in der Budgetkommls- ston genügt zu haben; er sei vom Januar bis Juli 46 Mal von Tübingen nach Berlin und zurück ge­fahren. Wenn der Reichstag jetzt in 14 Lagen wieder zusammentritt, so werde ihn hauptsächlich die Frage der Handelsverträge beschäftigen und da könne man in die Einzelheiten nicht mehr einireten. Nach seiner Ansicht ist alles noch leeres Stroh gedroschen; man könne doch nicht sprechen über Dinge, die man noch gar nicht kenne. Gerade die konservative Partei, die jetzt eine so drohende Haltung annehme, werde die letzte sein, die gegen die Handelsverträge stimme und nach der Sozialdemokratie könne man sich nicht richten, da sie alles durch die Brille der Arbeiter arische. Er sei ein Freund der Handelsverträge; er nehme sie aber auch nicht L tour prix an, sondern nur, wenn sie einige Vorteile bieten. Es sei die vornehmste Aufgabe aller liberal denkenden Männer, einen Ausgleich zu schaffen. Redner schloß seine maßvollen, mit lebhaftem Beifall aufgenommeneu Ausführungen mit dem Wunsche, daß die Gesetz­gebung in freiheitlichem und liberalem Geiste weiter geführt werden möge. Wenn es gelingt, die liberalen