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Fernsprecher Nr. 4.
Neuenbürg, Samstag dm 12. November 1904.
62. Jahrgang.
RimSschau.
Der Kaiser wohnte am Mittwoch vormittag der Vereidigung der Rekruten in Potsdam im dortigen großen Exerzierschuppen bei. Auch die Kaiserin, der Kronprinz, sowie sämtliche zur Zeit m Potsdam anwesenden Prinzen und Prinzessinnen waren bei der Feierlichkeit zugegen.
Es ist als sicher anzunehmen, daß die Regierung den Reichstag zum 29. November einberufen wird. — Die Tagesordnung für die erste Sitzung steht noch nicht fest, wird aber nach der offiziellen Einberufung bekannt gegeben werden.
Der Stand der in Wien und Pest geführten Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Oesterreich.Ungarn ist ein befriedigender, das Zustandekommen des neuen Vertrages ist nicht mehr zu bezweifeln, was auch die am Mittwoch im ungarischen Abgeordnetenhaus hierüber ab- gegebenen Erklärungen des Ministerpräsidenten Grafen Tisza erkennen lassen.
Die gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit wird nun doch in der „Dtsch. Tagesztg." augekündigt. Als Antwort gegenüber der Behauptung, daß dem Bundesrat ein Antrag auf Festlegung der zweijährigen Dienstzeit bis jetzt noch nicht zugegangen sei, schreibt das Organ des Bundes der Landwirte: .Daß dem Bundesrate tatsächlich ein solcher Antrag bisher nicht zugegangen ist, ist richtig und erklärt sich einfach daraus, daß ihm überhaupt die Heeresvorlage noch nicht unterbreitet worden ist. Daran ist aber kein Zweifel möglich, daß die Heeresvorlage die Festlegung der zweijährigen Dienstzeit enthalten wird".
Berlin, 11. Nov. Wie Gouverneur Leutwein weiter aus Rehoboth telegraphiert, hat er einen Brief .Hendrick Witbois erhalten, worin dieser nach einigen religiösen Wendungen wörtlich -sagt: „So hat jetzt 'Gott aus dem Himmel den Vertrag gebrochen." Dann bittet er , seine gefangenen Leute freizulassen, weil sie unschuldig an seinen Werken seien. Die Hauptursache des Aufstandes ist nach Leutweins Ansicht fraglos religiöser Wahnsinn, hervorgerufen durch einen Propheten aus der Kapkolonie, der sich zur äthiopischen Kirche rechnet und Witte dieses Jahrs eine Zeit Lang in Windhuk in Haft gehalten worden ist.
Auf die unerquicklichen Verhältnisse in Oesterreich, wie sie durch den ewigen Nationalitätenhadei entstanden sind, haben die schweren Straßenunruher in Innsbruck abermals ein grelles Streiflicht geworfen. Sie müssen zweifellos auf das Schuldkonti des Ministeriums Körber gesetzt werden, welches fick doch sagen wußte, daß die Errichtung einer besonderen italienischen Rechtsfakultät an der Innsbruck« Universität nur zu geeignet sei, die deutsche Bevölkerung Tirols zu reizen. Nachträglich werden allerhand Einzelheiten über den Bajonettangriff de? Militärs bei den Innsbrucker Unruhen bekannt, aus welchen erhellt, daß das Militär rücksichtslos vorgegangen ist.
. Unruhen in Innsbruck haben dazu geführt oatz der Dekan der italienischen Fakultät beim Statt- yatter die Einstellung der Vorträqe der italienischer ^ ""chgesucht hat. Der Statthalter erklärte r lne. ergebe sich aus den Umständen vor
Im Wiener Landtage ergriff LandmarschaL Schmolk das Wort und sprach unter lebhaftem Beilen den unschuldigen Opfern der tiesbedauerlicher Vorgänge m Innsbruck die wärmste Sympathie aus »n cr> Erzeugt, daß sämtliche Mitglieder des Häusel alle Bestrebungen unterstützen werden, um den deutscher lcharakter Innsbrucks für immer zu sichern. In dies« ezrehung seren sie mit sämtlichen Volksgenossen einig Die „Voss. Ztg." melde ^"Eruck: Die Blätter veröffentlichen einer welchem zum wirtschaftlichen Boykott de lemschen Kaufleute aufgefordert wird. Die Stadt
j Verwaltung entließ alle italienischen Arbeiter, etwa ! 700 Maurer und Steinmetze. Bisher wurden 16 Deutsche wegen Demolierung italienischen Eigentums verhaftet.
In Frankreich beherrscht der jüngste Kammerskandal noch immer das allgemeine Interesse. Wenn der Nationalist Syveton den Kriegsminister Andre nicht geohrfeigt hätte, so würde höchstwahrscheinlich die Kammerdebatte über die Angebereien im Heere einen anderen, für die Regierung ungünstigen, Ausgang genommen haben, so aber sahen sich noch -schwankende Abgeordnete in ihrer Entrüstung über die feige Tat Syvetons bewogen, mit für das beantragte Vertrauensvotum für die Regierung zu stimmen.
Beim französischen Kriegsminister Andre soll sich, wie die „Köln. Ztg." melden, ein Gehirn- leiden eingestellt haben, von dem man noch nicht weiß, ob es auf körperliche oder auf die seelische Erschütterung zurückgeht, die der Kriegsminister durch den Angriff Syvetons erfahren hat. Mehreren Blättern zufolge, ist in dem Befinden des Kriegsministers eine Verschlimmerung eingetreten.
Der Deputierte Sy veton wurde in dem Augenblicke, als er sich zu dem Duell mit dem Rittmeister de Gail begeben wollte, bei Suresnes verhaftet, dem Untersuchungsrichter vorgeführt und dann freigelassen, nachdem er sich verpflichtet hatte, fick jederzeit während des gegen ihn eingeleiteten Verfahrens zur Verfügung zu halten.
Der aus Tibet infolge der englischen Invasion geflüchtete Dalai Lama wird nächster Tage in der heiligen Stadt Urga in der Mongolei eintreffen. Die chinesische Regierung entsandte Beamte nach Urga, welche sich des Dalai Lama bemächtigen und in ein Kloster bringen sollen. Der russische Gesandte in Peking sprach der Regierung gegenüber die Erwartung aus, daß der Dalai Lama in Urga unbehelligt gelassen werde.
Nach einer Reutermeldung aus Pretoria drückte König Eduard der südafrikanischen Regierung den Wunsch aus, daß die Leiche Krügers bei dem Eintreffen in Kapstadt und Pretoria mit dem Königssalut begrüßt werde. Bei der Beerdigung soll Trauersalut aus Geschützen abgegeben werden.
Das Oberlandesgericht in Kiel erkannte, in dem von der Stadt Kiel gegen den Fiskus angestrengten Prozeß daS Eigentumsrecht am Kieler Hafen dem Fiskus zu. Die Klage der Stadt wurde kosten- pflichtig abgewiesen. Das Gericht erachtete den Nachweis nicht für erbracht, daß der Stadt Kiel das Eigentumsrecht verliehen sei.
Es find oft weniger die Unteroffiziere als die alten Mannschaften, die den Rekruten das Leben zur Hölle machen. Um dem vorzubeugen, werden im 39. Infanterie Regiment in Düsseldorf die Rekruten in besonderen Stuben untergebracht und den alten Mannschaften ist es verboten worden, in diese einzutreten.
Die Sozialdemokraten haben in Düsseldorf und Straßfurt bei den Stadtverordnetenwahlen empfindliche Niederlagen erlitten. In letzterer Stadt erhielten ihre Kandidaten in der dritten Abteilung von 1100 abgegebenen Stimmen nur 90, in erstgenanntem Orte von 6500 Stimmen 2200.
Kaiserslautern, 11. Nov. Bei den gestrigen Stadtratswahlen haben die Sozialdemokraten infolge Zusammengehens der bürgerlichen Parteien die bisher innegehabten 4 Sitze eingebüßt.
Aus Hanau wird geschrieben: Der russischjapanische Krieg läßt seinen Einfluß bis in unsere Gegend erkennen. Fast täglich kann man in den vierten Wageuklassen der Eisenbahn ganze Trupps junger Russen und Polen mit allem Möglichen bepackt, die Station Passieren sehen. Sie befinden sich auf der Flucht nach den westlichen Seehäfen. Aehnlich wird aus Dieburg berichtet. Dort Passierten dieser Tage etwa 100 junge Burschen aus
Rußland, alle im Alter von 18 bis 22 Jahren, in zwei Eisenbahnwagen die Station. Sie sind entflöhen, um nicht ins russische Heer eingestellt zu werden. Die Flüchtlinge, die sich in Amerika eine neue Heimat gründen wollen, machen einen sehr niedergeschlagenen Eindruck
Berlin, 11. Nov In vergangener Nacht um 1.03 Uhr sprang eine bis jetzt unbekannte Frau un- zweifelhaft in selbstmörderischer Absicht vor die Maschine des von der Jannowitzbrücke in den Bahnhof Alexanderplatz einlaufenden Personenzuges Nr. 1656. Sie wurde von dem Bahnräumer der Maschine erfaßt, etwa 4 Meter weit geschleift und gequetscht Um den Körper aus seiner Lage zu befreien, mußte der Bahnräumer abgenommen werden.
Mannheim, 9. Nov. Die große Wohltätigkeitsveranstaltung zur Beschaffung von Weihnachtsgaben für die in Deutsch Südwestafrika stehenden Soldaten, besonders für die Verwundeten und Kranken, hatte eine» glänzenden Erfolg. Die Frau Groß- Herzogin, welche das Fest durch ihre Anwesenheit beehrte, stiftete 300 zu der Veranstaltung. Der Bruttoertrag des Abends beläuft sich auf nahezu 8000 ^ Gewiß ein schöner Betrag für den edlen Zweck.
Köln, 11. Nov. Der Rhein ist seit gestern um 73 cm gestiegen. Der Stand beträgt heute 1,58 m.
Köln, 8. Nov. Auf der Kleinbahnstrecke Köln- Rath stießen in der Nähe von Ostheim zwei elektrische Wagen mit großer Wucht aufeinander. Die Passagiere wurden leicht, und die die Wagen begleitenden Beamten, sowie ein Streckenaufseher schwer verletzt. Beide Wagen find stark beschädigt. Der Unfall war durch nichtsnutzig." Bube» verursacht, die di: Weiche umgelegt hatten.
Vom Rhein, 5 Nov. (Holzmarktbcricht.) Am Brettermarkt war der Verkehr ruhig. Die Schnittwarenvorräte an den süddeutschen Gestehungsplätzen sind zwar klein, aber trotzdem find die Preise gedrückt, weil der Wettbewerb der österreich-ungarischen Schnittwaren sehr stark ist. Am nordischen Holzmarkt hält der festere Ton vor. Alle Angebote von Rußland, Schweden und Finnland sind höher gehalten. Nach dem Rhein wurden neuerdings noch stattliche Posten nordischer Rohware zur Hobelwarenherstellung verkauft. Süddeutsche geschnittene Kanthölzer waren durchweg mäßig begehrt. Die rheinische Säge- Industrie ging im Einkauf von Rundholz nur zögernd vor; dabei wurde der Verkaufsdruck infolge der großen Bestände immer dringender. Der Verkehr am Mannheimer Markt, der etwa 40000 Stämme birgt, war am schwächsten. Auch am Mainzer Markt überstieg das Angebot die Nachfrage bedeutend, was einen Druck auf die Marktlage ausübte. In letzter Zeit sind größere Mengen russischen Rundholzes am Niederrhein avgelangt. Im Rohholzeinkauf im Walde wurde es trotzdem lebhafter; viele Versteigerungen verliefen günstig. Bei Nadelholzverstrichen in Württemberg wurde öfters der forstamtliche Anschlag erheblich überschritten.
Am Sonntag fand in Madrid ein Riesenmeeting statt gegen das Verbot der Abhaltung der Stierkämpfe am Sonntag. Mindestens 20000 Personen, darunter auch Frauen, nahmen an demselben teil. Der frühere Minister Canalojas erklärte, seinen ganzen Einfluß einsetzen zu wollen, damit das Gesetz wieder aufgehoben werde. Der bekannte Schriftsteller Millan, welcher der Versammlung präsidierte, hielt eine längere Rede und griff den Ausschuß für sozialistische Reformen heftig an. Es wurde eine Resolution angenommen, welche dem Minister des Innern unterbreitet wird.
Die Weltausstellung in St. Louis hätte 30 Millionen zahlende Besucher haben müssen, um auf die Kosten zu kommen. Bis 15. September hatte sie erst 11 Millionen Besucher. Die Gesamtzahl bis zum Schluffe der Ausstellung wird kaum 15 Millionen betragen, also wird die Ausstellung mit einem riesigen Fehlbetrag abfchließen.