Zweites
Zweites
Statt.
Der Enztäler.
Blatt.
108
Neuenbürg, Mittwoch den 13. Juli 1904
62. Jahrgang
(Eingesandt.)
-V/üktt. l.3näesvsrsin
Schon seit Jahren geht das Bestreben der Bienenzüchter dahin, sich einen Schutz gegen das m Deutschland ganz besonders blühende Gewerbe der Kunsthonigerzeugung zu verschaffen. Es sind über 30 Fabriken und Geschäfte, welche Tausende von Doppelzentner dieses Kunstproduktes jährlich auf den Markt werfen. Dieses Kunst- Produkt wird unter allerhand irreführenden Namen wie Tafelhonig, feinst präparierter Tafelhonig, Alpenkräuterhonig, sehr oft aber betrügerischerweise unter dem Namen Honig schlechtweg oder geradezu als »garantiert reiner Tafelhonig" verkauft und zugleich wird behauptet, der Bienenhonig enthalte allerlei Verunreinigungen wie Wachsteile, Blumenstaub, der präparierte aber sei ganz rein. So wird der Konsument, der, wenn er Honig kauft, nicht Syrup oder Zucker- raffinade, sondern das edle Naturprodukt der Bienen will, betrogen und der Imker geschädigt. Während Unmassen von Kunsthonig flott und mit reichem Gewinn verkauft werden, bleibt dem gewissenhaften Imker vielfach sein Honig stehen. Unterstützt wird das unehrliche Treiben im Honighandel dadurch, daß wir in Deutschland noch kein Gesetz haben, das, wie in anderen Ländern Belgien, Schweiz, Kanada, den Verkäufer von Kunstprodukten zwingt, diese als solche u bezeichnen und daß die Chemie, wie dem analyseu- esten Kunstwein, so auch dem kunstgerecht geschmierten Honig gegenüber versagt, obwohl in beiden Fällen die Wirkungen des Naturproduktes auf Nerven und Magen himmelweit verschieden sind von denen des Kunstproduktes. Sehr viele große Hotels unterstützen dieses Treiben der Honigschmierer dadurch, daß sie auf dem Frühstückstisch den stets flüssigen und sehr billigen Kunsthonig verwenden.
Der würlt. Landesverein für Bienenzucht hat nun den Schutz des Imkers und des Publikums in die Hand genommen, indem er auf ein neues, von Künstlerhand entworfenes Etikett und Schutzband Musterschutz genommen hat. Die beiden Garantie-
Zeichen kommen nicht in den Handel, die Mitglieder der Vereine können sie nur von den Vereinsvorständen und ausdrückliche Verpflichtung erhalten, daß sie unter diesen Garantiezeichen mit ihrem Namen nur echten Bienenschleuderhouig verkaufen. Das Schutzband wird über den Verschluß des Gefässes so befestigt, daß es beim Oeffnen zerrissen werden muß. Gegen jeden Versuch zu betrügerischer Lieferung unter den Garantiezeichen — Etikette und Schutzband — wird der Landesverein aufs schärfste Vorgehen. Wir bieten so dem Publikum die unbedingte Garantie, daß aller mit Etikette und Schutz band versehener Honig auch wirklich reiner, echter Naturhonig, wie ihn die Bienen aus Feld und Wald ersammelt haben.
Indem wir hiemit die Garantiezeichen bekannt geben, bitten wir alle Konsumenten, daß sie unser Bestreben nach Reellität im Honighandel unterstützen, indem sie nur solchen garantiert echten Honig ver- langen und annehmen.
Vermischtes.
Ein amerikanischer Orden. Ueber das Ordens- und Titelwesen spottet Theodor Barth in der Nation. Er weist auf die Verbreitung dieser Eitelkeitskrankheiten hin, die sich auf Republiken ausdehnt, und erzählt dazu folgende Anekdote: Auf einem der Berliner Subskriptionsbälle im Opernhause hatte sich auch ein Fremdling mit einem wundervollen Ordensftern eingefunden. Kaiser Wilhelm I., äußerst kundig auf dem Gebiet des Ordenswcsens, hatte einen ähnlichen Orden nie gesehen. Da seine gesamte Umgebung seine Wißbegierde nach der Natur senes Ordens nicht befriedigen konnte, schickte er schließlich einen Adjutanten ab, um sich bei dem Ordensträger selbst zu erkundigen, woher die Dekoration stamme. Der Amerikaner gab die trockene Antwort: „It is ok lu^ ovu iuventiou." (Das ist meine eigene Erfindung.) Die Antwort des erfindungsreichen Amerikaners soll das Heroldsamt in einige Verlegen- heit versetzt haben.
Der Burenkrieg in der Weltausstellung Die vielbesprochene Darstellung des Krieges zwischen Engländern und Buren auf der Weltausstellung in St. Louis, bei der General Cronje die Hauptperson spielt, ist, wie amerikanische Blätter schreiben, die größte und realistische Schaustellung im Freien, die man je gesehen hat. Links steht in dem zwanzig Morgen großen Lager eine holländische Farm, die von Bäumen beschattet wird. Burenkinder spielen um die Veranda, und Pferde werden in der Nähe bei einer Triff getränkt. Hier und da sieht man
die für Südafrika so typischen Ameisenhaufen. Matabeles, Zulus, Basutos, Swazis und Koffern veranstalten wilde Rennen und groteske Tänze. Dann wird die Eroberung von Oberst Longs Kanonen bei Colenso vorgeführt. Mannschaften und Pferde fallen, bis kaum einer übrig bleibt, große Heldentaten werden vollbracht, verirrte Pferde galoppieren wild umher. Mit lautem Hurrah stürzen endlich die Buren unter General Ben Viljoens Führung von Felsen und Kopjes herunter, und der Sieg ist gewonnen. Darauf folgt die Schlacht bei Paarde» berg und die Ergebung Cronjes, die sehr dramatisch wirken. Der alte Burenkrieger kommt geritten, und ein britischer Offizier hilft ihm beim Absteigen. Ein Mann, der wie Lord Roberts ausstaffiert ist, schreitet vor, grüßt, und wenn sich dann Sieger und Besiegter die Hände schütteln, bricht das Publikum in Beifall aus. Schließlich wird das Entkommen De Wets bei Thabanchu durch eine Kette von 50000 britischen Soldaten, durch Drahtverhaue und Blockhäuser dargestellt. Das Schauspiel ist ein militärisches Turnier in großem Maßstabe, man sieht „alle Schrecken des Krieges". General Cronje genießt seinen Aufenthalt sehr, er ist äußerst rüstig und steht wie ein Fünfziger aus, obgleich er 68 Jahre alt ist.
Wie aus Paris geschrieben wird, sah man in der Nacht zum Mittwoch zwei junge Frauengestalten den Kai des Kanals Saint Martin am Quai Jemmapes hinabeilen und sich in die trüben Fluten stürzen. Eine tauchte wieder auf und rief um Hilfe, worauf ein Schutzmann mit mehreren Personen herbeieilte, die Lebensüberdrüssigen zu retten. Nach langem Suchen zog man zwei entseelte Körper aus dem Wasser, an denen sich alle Wiederbelebungsversuche als vergeblich erwiesen. In den unglücklichen Mädchen wurden die noch nicht 16jährige Louise Talazag und die 17jährige Angelique Caillatte agnosziert. Beide waren schwarz gekleidet, da die eine kürzlich ihre Mutter, die andere ihren Vater verloren hatte. Wie aus einem am nächsten Morgen dem Polizeikommissär zugegangenen Brief der beiden verzweifelten Mädchen hervorgeht, hatten sie sich zum gemeinsamen Tode entschlossen, weil sie sich allein und verlassen auf der Welt nicht mehr dem Lebenskämpfe gewachsen fühlten. Dieses erschütternde Drama der beiden Waisen hat natürlich in der Bevölkerung reges Mitgefühl hervorgerufen.
Ein furchtbares Erwachen hatte ein Ladenbesitzer in Toulon. Er war mit seinem Freund abends spät von einer Kneiperei heimgekommeu und hatte den Freund gebeten, die Lagerstatt mit ihm zu teilen. Als Michel am andern Morgen erwachte, sah er mit
Der Flüchtling.
Erzählung von Aug Northeim.
6) -(Nachdruck verboten.)
«Halloh, schöne Margreth, was fehlt denn Dir heute?" rief der junge, stattliche Jäger wohlgelaunt der hübschen Aufwärterin zu, nachdem der letzte der Bauern verschwunden war. „Wie lange sollen wir noch fasten? Hier James Brent ist seit früh 4 Uhr an der Arbeit, und Meister Bartram, der Handelsmann, bereits von Barrington heraufgekommen, und das sind zehn Meilen wohlgezählt — und ich bin auch noch da, Frank Burdon; mein Magen ist so leer wie, wie -
»Wie eine alte Wassertonne," ergänzte das Mädchen lachend. „Habt doch nur eine Minute Geduld, Jenny ist schon unterwegs mit einem Frühstück, an dem eine Armee genug hätte. Seit Ihr jetzt zufrieden?"
Plötzlich aber erregte ein nahes Geklapper von Pferden ihre Aufmerksamkeit. Gleich darauf ritt ein Reiter auf einem Prächtigen Rappen in den Garten herein.
da, Du, John Röster?" rief Frank erfreut. „Emen Trunk auf Dein Wohl, Nachbar!"
„Danke, danke!" nickte der Ankömmling. „Wohl bekomms, mein Junge! Nun, wie schaut's aus? Grüß' Gott, James, und auch Ihn, Meister Bartram. Ihr wart lange nicht in dieser Gegend."
„Ein paar Monate mögen wohl verstrichen sein,"
versetzte der Letztere leichthin, „seit ich zum letzten Mal Frau Betty's Kochkunst bewundern konnte. Aber steigt ab, Freund, und nehmt Teil. Wollt Ihr?"
„Sag mir doch, Mann," fragte jetzt der junge Jäger, der während Meister Bartrams Morten verwundert bald das Pferd, bald dessen Reiter genauer betrachtet hatte — „sag mir doch, wie in aller Welt kommst Du zu dem Roß? Ein Graf dürfte sich dessen nicht schämen. Golddurchwirkte Satteldecke, silberner Zaum, eine wahre Pracht! Komm, komm, erzähle uns Dein Abenteuer, denn ohne ein solches konnte der Hengst nie in Deine Hände kommen."
„Für dieses Mal mußt Du schon ohne Abenteuer Vorlieb nehmen," entgegnete dieser, der Aufforderung zum Absteigen Folge leistend. „Denn mit dem besten Willen kann ich nichts Besonderes in dem Umstande bemerken, daß ich, aufmerksam gemacht durch ein lautes Wiehern, das Pferd dort unten am Flusse an einen Baum gebunden fand. Ich nahm es mit nach Hause, warf ihm alsbald Futter und Streu vor, — und nun bin ich hier. Wahrscheinlich hat einer der Anhänger des Königs, der bei der gestrigen Schlacht geflohen, es hier zurücklasfen müssen."
„Ei, ei, das wäre!" tönte es im Greise. Und James Brent letzte bedächtig hinzu: „Im möchte behaupten, es ist das Streitroß des armen Burschen, den die vermaledeiten Rundhüte gestern auf Schloß Eton jagten."
„Was ist das? Was hat das zu bedeuten?" rief Frank stürmisch. »Erzähle doch, Mann! Wie in des Teufels Namen kommst Du dazu, hier seit einer
halben Stunde neben uns zu sitzen, ohne nur ein einziges Wort von solcher Neuigkeit verlauten zu lassen! Haben die Rundhüte den Grafen bedrängt? Ist der schönen Miß Jane ein Leid geschehen? So soll doch —"
„Nein, Nein, beruhige Dich, Freund!" beschwich- tigte der Förster, »Ihnen ist kein Haar gekrümmt. Und warum sollt's das auch? Bei ihnen kann ja Niemand versteckt sein. Der alte Graf hat wie gewöhnlich bei den Büchern gesessen und das gnädige Fräulein ist ganz allein, ohne Jemandes Begleitung von einem Spaziergange zurückgekehrt. Der alte Jerry hat's mir selbst erzählt, und — so wahr mir Gott helfe — aus dessen Mund ist noch keine Lüge gekommen. Doch, was gedenkt Ihr mit dem Rappen zu beginnen, John?"
„Ich will damit zu unserem gnädigsten Grafen gehen und ihm die Sache vortragen. Bei ihm ist stets guter Rat zu finden."
„So ist's Recht," meinte James beifällig, während Frank zum Zeichen des Einverständnisses nickte. »Ich denke," setzte er, sich langsam erhebend, hinzu, »wir gehen noch ein Stückchen miteinander."
Aus dem beabsichtigten gemeinschaftlichen Ausbruche sollte indessen noch nichts werden. Der Krämer hatte soeben seinen Kasten auf den Rücken geschnallt, als ein Reiterzug in das offene Hoftor sprengte, geführt von einem Leutnant oder Cornet, dessen Helmbusch lustig im Winde flatterte. Es waren Rundhüte — ein Name, welcher, den Kriegern der puritanischen Partei vom Volksmunde beigelegt, den-