> Lebens. Ueberall, wo das deutsche Lied gepflegt wird, ist Steidles Namen wohlbekannt. Auf vielen Festfahrten hat er die Stuttgarter Sänger in die deutschen Hauptstädte, nach Oesterreich, in die Schweiz und Italien zum Siege geführt, und wenn die fremden Sänger nach Stuttgart zum Gegenbesuch kamen, wußte er ihnen den Aufenthalt in Schwabens Haupt- stadt so angenehm wie möglich zu machen. Der Verstorbene war Ehrenvorstand des Stuttgarter Liederkranzes, Ehrenmitglied zahlreicher in- und aus- ländischer Gesangvereine und Ausschußmitglied des Schwäbischen und des Deutschen Sängerbundes.
Stuttgart, 1. Juni. Sicherem Vernehmen des „Stuttgarter Neuen Tagblattes" zufolge wird in allernächster Zeit ein Reg.-Erlaß erscheinen, der den Absatz 1 des § 17 der K. Verordnung vom 11. Febr. 1882, aufhebt. Der Absatz lautet: „Die Bestattung eines Leichnams darf nur durch Beerdigung auf dem öffentlichen Begräbnisplatz erfolgen." Nach der Aufhebung dieser Bestimmung würde der schon so lange angestrebten Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Württemberg nichts mehr im Wege stehen.
Stuttgart, 1. Juni. Wegen eines Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz hatten sich zwei hiesige Kaufleute zu verantworten. Die beiden brachten sogen. Eierkognak mit Zusatz von Borsäure in den Verkehr. In Sachsen, wo jegliche Anwendung von Borsäure durch Minifterialerlaß verboten ist, wurde der Eierkognak wegen dieses Zusatzes beanstandet. Nach dem Gutachten des württembergischen und des sächsischen Medizinalkollegiums wirkt Borsäure auch in geringen Quantitäten gesundheitsschädlich. Das Urteil lautete auf je 20 ^ Geldstrafe. Auch wird der beschlagnahmte Vorrat gerichtlich eingezogen.
Stuttgart, 31. Mai. Heute fand hier unter Vorsitz des Senators Frese-Bremen die Jahres- Versammlung der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger statt. Ihr wohnte auch der Vize- Präsident der französischen Gesellschaft Emil Roubin bei, welcher der deutschen Gesellschaft zu Ehrengaben und Unterstützungen ein Kapital von 30 000gestiftet hat. Der Ehrenvorsitzende des schwäbischen Vereins, Fürst Karl v. Urach, begrüßte die Versammlung, indem er auf die immer wachsende Bedeutung der deutschen Seeschiffahrt für unsere volkswirtschaftliche Zukunft hinwies. Die Versammlung genehmigte unter anderem 61000 -/A für Errichtung neuer Rettungsstationen. Als Ort der nächsten Jahresversammlung wurde Emden gewählt.
Ulm. 1. Juni. Hier ist ein Generalstreik sämtlicher Bauhandwerker in Aussicht. Zwei Meister, welche ihre Versprechungen gegenüber den Maurern nicht einhielten (sie zahlten, trotzdem sie sich durch Unterschrift zu dem vereinbarten Stundenlohn verstanden, den Betrag am letzten Samstag nicht aus), sollen die Ursache des Zwistes bilden. Die Zimmer- leute und Maler streiken bereits und die übrigen Bauhandwerker wollen sich mit den denselben solidarisch erklären.
Flein, 1. Juni. (Traubenblüte.) Seit gestern sind hier die ersten blühenden Trauben in den Weinbergen zu sehen. An Kamerzen fanden sich solche schon anfangs der vorigen Woche.
Heilbronn, 1. Juni. Der Bergmann Hermann Vater von 6 unversorgten Kindern, ging gestern nach, mittag im Salzwerk an eine Sprengstelle, ehe der Schuß losgegangen war. Plötzlich ging der Schuß los und dem Hermann wurden beide Füße zerschmettert. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er heute früh seinen schweren Verletzungen erlag.
Mergelstetten, 1. Juni. Heute früh schoß der hiesige Forstwart Mast im nahen Walde ein Wild- schwein (Eber), das sich schon längere Zeit in den umliegenden Wäldern aufhielt und auf den Feldern erheblichen Schaden anrichtete. Man war dem Tier stets auf der Spur, bis es endlich heute früh nach längerem Durchstreifen der Wälder gelang, es zu erlegen.
Gerabronn, 1. Juni. Den ersten Gewinn bei der Ulmer Münsterbau-Lotterie im Betrag von 75000 Mark hat Friseur Weyreither hier gewonnen.
Stuttgart. lLandesProduktenbörse.l Bericht
vow 30. Mai von dem Vorstand Fritz Kreglinger. Seit unserem letzten Bericht ist es im Getreidegeschäft zien^ lich unverändert geblieben. Die Preisschwankungen an den amerikanischen Märkten für Weizen waren hier einflußlos. Das Geschäft bewegt sich in engen Grenzen und beschränkt sich der Umsatz auf den nötigen Bedarf. — Mehlpreise per 100 stg inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 29 ^ bis 29
50 Nr. 1: 27 bis 27 50 Nr. 2. 25
50 bis 26 Nr. 3: 24 bis 24 50
Nr. 4: 21 ^ bis 21 50 Suppengries 29
— ^ bis 29 50 Kleie 9 ^4 — -».
Bus Stavt, Bezirk uns Umgebung.
Seine Majestät der König hat den Regier- ungsasfessor Hornung bei der Regierung des Neckarkreises, z. Zt. Kollegialshilfsarbeiter bei der Ministerialabteilung für das Hochbauwesen, zum Oberamtmann von Neuenbürg ernannt.
Neuenbürg, 2. Juni. Ueber den für 12. Juni geplanten Unterhaltungsabend zu Gunsten der Betroffenen in Südwestafrika erfahren wir noch Folgendes. Für den musikalischen Teil hat Frau Emma Tester, Konzertsängerin aus Stuttgart ihre Mitwirkung in uneigennütziger Weise zugesagt. Sie wird voraussichtlich eine Arie aus Webers „Freischütz", einige Lieder von Brahms, Jensen, Löwe, Hugo Wolf vortragen. Wir freuen uns, daß Frau Tester das Opfer bringt, um so mehr, als erst in einer der letzten Nummern des „Schwab. Merkur" ihr Gesang gerühmt wird. Aus Möckmühl, wo die Sängerin am letzten Sonntag ein Kirchenkonzert gegeben hat, wird geschrieben: „Der Besuch war dem hohen Ruf der Sängerin entsprechend ein überaus zahlreicher. Die klassischen Arien aus dem Messias „Ich weiß, daß mein Erlöser lebet" und „Er weidet seine Herde" wurden in ihrer ganzen weihevollen Würde zum Vortrag gebracht. In verschiedenen Musikstücken von Hummel und Schlegel kam das hinreißende Temperament der Sängerin zu höchster Entfaltung. Bei der geselligen Bereinigung, die sich ans Konzert anschloß, trug Frau Tester neben mehreren ihrer muntersten Lieder noch die große Arie aus der Schöpfung vor, wobei es ihr in vollendeter Weise gelang, all die Schöpfungslust vor dem Hörer aufleben und aufjubeln zu lassen". — Auch der hiesige Lieder kranz hat in dankens-
Württemberg.
Seine Majestät der König hat den Amtmann lit. Regierungsassessor Clostermeyer, Kollegialhilfs- arbeiter bei der Regierung des Schwarzwaldkreises, zum Oberamtmann in Oehringen, sowie den Amtmann tit. Regierungsassessor Schöller, Kollegialhilfsarbeiter bei der Regierung des Neckarkreises, (vorher in Nagold), zum Oberamtmann von Wangen ernannt.
Stuttgart, 2. Juni. Die Kammer der Abgeordneten nahm gestern in der Schlußabstimmung den Gesetzentwurf betr. den Leibgedingsvertrag einstimmig (mit 69 Stimmen) an und brachte sodann nach einem kurzen Referat des Prälaten v. Sandberger auch die Beratung über den Gesetzentwurf betr. die Pensionsrechte der Erzieher und Lehrer an Rettungsanstalten für verwahrloste Kinder zum Abschluß. indem sie den Entwurf, der nur einen einzigen Artikel hat, in der Einzelberatung und in der Gesamtabstimmung ohne Aenderung annahm Sodann wurde die Beratung über die Anträge betreffend die Errichtung von Arbeits- bezw Arbeiterkammern fortgesetzt. Die Debatte brachte interressante Einzelheiten. Einig- keit herrschte bei allen Parteien wie auch bei der Regierung darüber, daß das Bedürfnis nach Errichtung einer staatlich geordneten Arbeitervertretung anzu- erkennen sei, daß es aber wünschenswert wäre, wenn die Regelung der Frage auf dem Wege der Reichs- gesetzgebung erfolgen würde. Die sozialdemokratischen Redner, Keil und Hildenbrand, verlangten sofortige landesgesetzliche Regelung, da eine reichsgesetzliche Erledigung der Frage für absehbare Zeit doch nicht zu erhoffen sei, fanden damit aber bei den Rednern aller anderen Parteien keine Gegenliebe, die nur dann eine landesgesetzliche Regelung wollen, wenn die Reichsgesetzgebung zweifellos versagt. Auch die Frage, ob Arbeits- oder Arbeiterkammern eiuzuführen seien, wurde von verschiedenen Rednern gestreift. Rembold-Gmünd und Haußmann neigen zu Arbeits-, v. Geß, Hilden- brand, Keil und Hieber zu Arbeiterkammern. Universitätskanzler Prof. Dr. v. Schönberg glaubte, daß man diesen Gedanken besser aus dem Spiel lasse. Der Minister des Innern, Dr. v. Pischek, hielt ein landesgesetzgeberisches Vorgehen für unzweckmäßig und gegenüber den anderen deutschen Bundesstaaten geradezu für illoyal. Mitberichterstatter Rembold-Gmünd hielt schließlich noch eine Nachlese und ging auf die verschiedenen Einwände ein, die im Lauf der Debatte gemacht wurden. Bei der nun folgenden Abstimmung wurden die sozialdemokratischen Anträge ab gelehnt und der Kommisssonsantrag angenommen.
Bebenhausen, 31. Mai. Auf die Nachricht von dem in Jerusalem erfolgten Tode des Stadtdekans Oberkonsistorialrat Dr. Braun hat Seine Majestät der König der Witwe des Verstorbenen telegraphisch seine Teilnahme aussprechen lassen.
Stuttgart, 1. Juni. Oberpostmeister a. D. Robert Steidle ist heute im Alter von 71 Jahren unerwartet rasch aus dem Leben geschieden. Mit ihm ist eine der bekanntesten Stuttgarter Persönlichkeiten dahingegangen. Als Steidle, nachdem er schon einige Zeit die Postlaufbahn aufgegeben, nach Blums Tode zum Vorstand des Stuttgarter Liederkranzes berufen wurde, stand er jahrelang inmitten des öffentlichen
Aus St. Korris.
-(Nachdruck verboten.)
Es gibt in des Wortes wahrster Bedeutung dies- mal auf der Weltausstellung „unmenschlich viel" zu sehen. Da sind Dinge, die einen gefangen nehmen, wie ein Märchen aus Tausend und eine Nacht, bunte, flimmernde, glitzernde Dinge, erzeugt und getrieben von der allmächtigen Zauberin Elektrizität, der Be- Herrscherin unseres Jahrhunderts.
Sie wollen es nicht glauben meine Herrschaften? Nun, kommen Sie, bitte. Ich will Sie führen.
Haben Sie schon die Kaskaden gesehen? Nein. Nun, dann werden Sie sicherlich etwas zu Gesicht bekommen, was Sie in Staunen setzen wird. Oben auf der Spitze des Kunsthügel, der Mittelpunkt der Ausstellung können wir erst Halt machen, denn dort sind die Kaskaden.
Das Muster eines künstlichen Wasserfalls bauen sie sich hier auf. Der Entwurf zu diesem großartigen Bau stammt von E. L. Maspueray. Und dieser Wasserfall wird täglich Millionen Gallonen erleuchteten Wassers herabbrausen. Diese ungeheure Wassermenge wird aus einer Entfernung von 17 Meilen aus dem Mississipi gepumpt. Dieser künst- liche Ricsenwafferfall bietet im Magie Whirpool auch noch eine interessante Meerstrudelimitation. Dieser Meeresstrudel ist wirklich ein Wunder der Technik, denn an einer mit einer imposanten Halle überdachten Stelle wirbelt und braust das Wasser Plötzlich von 60 Fuß die Höhe eine steile Wand hinab. Boote
umkreisen die Peripherie des hierdurch erzeugten Strudels. Blitzschnell gleiten sie dahin. Jetzt sind sie an der Mündung des Wirbels, wie ein Kreisel drehen sie sich jetzt rasend im Kreise herum, dann wenden sie sich mit einem plötzlichen Ruck und erscheinen nun wieder im ruhigen Fahrwasser jenseits der brausenden, zischenden und weißen Wasserstaub um sich verbreitenden Wasferwand.
Auch das für diesen künstlichen Meereswirbel benötigte Wasser kommt aus dem Mississipi. Drei kolossale Centrifugalpumpen heben zu diesem Zweck in jeder Minute 49000 Gallonen Wasser heran. Um diese Pumpkraft auszuüben arbeiten wieder fünf elektrische Hochdruckmotore. Schon aus diesen Zahlen kann man sich einen kleinen Begriff davon machen, mit welchen Kraftmengen hier in St. Louis gearbeitet wird.
Unweit dieser Wasserwunderwerke befindet sich ein etwas unscheinbares Gebäude, das jedoch dieser Unscheinbarkeit halber keineswegs übergangen werden darf, denn es ist in ihm die ethnologische amerikanische Abteilung untergebracht. Meist sind es vorgeschichtliche Sachen, die wir hier finden: Ergebnisse und Funde von Forschungen über Sitten und Bräuche prähistorischer, amerikanischer Volksstämme. Mexiko und Peru waren hier die Hauptfundstätten für Belege von einer alten Kultur. So sieht man denn hier in dieser Abteilung Modelle und Rekonstruktion von geradezu imposanten Palästen, Tempelbauten, gewaltigen Städten, Dörfern rc. Man findet Wunderdinge ausgestellt, die die öden Steppen Jucatans
und der unwirtlichen Gefilde Arizonas dem Menschne- auge bisher in ihrem Stande verbargen. Professor William H. Holmes, der Arrangeur dieser Abteilung hat sich über den Wert derselben in folgenden Worten geäußert: „. .. ich habe deshalb den Versuch gewagt, diese noch vorhandenen Kulturzeichen unserer Vorgänger zu reproduzieren und sie den Ausstellungsbesuchern zu zeigen. Zwar bin ich selbst der Ansicht, daß diese Schaustellung auf die große Menge kaum die Anziehungskraft üben wird, wie die Jndianer- und Büffelgruppen, die ich für die Ausstellung in Bufallo zusammenstellte. Für die Gelehrten und überhaupt für die Gebildeten aber dürfte diese Dar- stellung der architektonischen Tätigkeit der Uramerikaner von ungleich höherem Interesse sein und deren Beifall zu erringen halte ich für von ungleich höherem Werte."
Und auch sonst sind wilde Völkerschaften anzustaunen. Nun, nicht gerade Ganz-Wilde, aber — sagen wir — Halb-Wilde. Wenigstens kann man doch wohl kaum von Menschen auf der Höhe der Kultur sprechen, wenn von Singhalesen, Siamesen, Anamiten und Birmanen die Rede ist. Wir wandern durch Ceylon mit seinen Teehäusern und Kiosken, in denen man den goldgelben, warmen Trank so angenehm schlürfen kann; wir schauen zu, wie die gelbbraunen Finger der Singhalesen die Teeblätter rollen und trocknen. Birmanische Musiker machen einen Höllenspektakel, den sie Musik nennen, und Birmanische Tänzerinnen hopsen und verrenken die Glieder, was sie Tanz nennen. Rajah-Paraden und Durbar-Festlichkeiten mit all' ihrem enormen Pomp,