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Der «nztäler

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

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Fernsprecher Nr. 4.

Neuenbürg, Mittwoch den 1. Juni 1904. 62. Jahrgang.

RunSschau.

In Südwestafrika haben die Unseren wieder gegen eine« anscheinend zahlreichen feindlichen Haufen einen Sieg erfochten. Oberst Leutwein telegraphiert aus Windhuk vom 27.: Am 24. Mai morgens 5 Uhr stieß Major v. Estör ff auf die Nachricht von dem Abmarsch der Tjetjoleute von Osten zum Omurambafluß von Okamatangara auf Otjomasa vor und fand letzteres besetzt. Der überraschte Feind verteidigte sich tapfer. Im dichtesten Gebüsch griffen die I-, 2. und 6. Kompagnie an. Der Feind floh nach allen Seiten und hinterließ 6 Tote, darunter einen Großmann; außerdem wurden Tote und Ver­wundete weggeschleppt. Der Verlust ist also jeden­falls größer; der diesseitige Verlust beträgt: von der 1. Feldkompagnie gefallen der Kriegsfreiwillige Lucier aus Paris und der Reiter Richard Spindler aus Leubus.

Aus der Reihe der regierenden deutschen Bundes­fürsten hat der Tod den greisen Großherzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg.Strelitz abberufen; er ist in der Sontagsnacht h/s 1 Uhr in seinem Residenzschlosse zu Neustrelitz verschieden. Der hohe Verewigte war am 17. Oktober 1819 als Sohn des Großherzogs Georg geboren, er hat also das hohe Alter von 85 Jahren erreicht. Im Sept. 1860 gelangte er zur Regierung, die sich von Anfang an durch eine entschiedene Hinneigung zum Geiste des alten Feudalsystems charakterisierte. Im deutschen Bruderkriege von 1866 nahm Großherzog Friedrich Wilhelm nur sehr zögernd die Partei Preußens. Der verstorbene Großherzog war seit 1843 mit einer Tochter des Herzogs Alfred von Cambridge vermählt; nunmehriger Grotzherzog ist der bisherige Erbgroß­herzog Adolf Friedrich, geboren am 22. Juli 1848.

Die direkte Verbindung Berlins mit dem internationalen Seeverkehr nach England und Amerika wird durch ein Abkommen herbeigeführt, das die Hamburg-Amerika Linie mit der preußischen Eisen­bahnverwaltung getroffen hat. Danach werden die mit den Schnelldampfern der genannten Linie nach England und Amerika reisenden Passagiere vom 1. Juli an mit Sonderzügen von Berlin über Witten­berge, Lüneburg und Harburg direkt nach Cuxhaven befördert werden.

Lübeck, 28. Mai. Der alldeutsche Verbands- tag wurde heute im Beisein von 200 Vertretern eröffnet. Vorher war ein Kranz am Bismarckdenkmal niedergelegt worden. Vorträge hielten u. a. Professor Hasse-Leipzig, Professor Buchholz-Leipzig und Ober- studiendirektor Ziehen-Berlin.

Auf der 2. internationalen Frauenstimmrechts- konferenz, die lt.Nordd. Mg. Ztg.", am 3. und 4. Juni in Berlin, im Hotel Prinz Albrecht, tagen wird, soll ein Weltbund für Frauenstimmrecht gegründet werden.

Karlsruhe, 30. Mai. Wegen des Ablebens des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz legte der großherzogliche Hof von heute an die Euer auf drei Wochen bis zum 19. Juni ein- schließlich an.

Straß bürg, 30. Mai. Der Vorstand der medizinischen. Klinik in Tübingen, Professor Dr. Krehl, A",, "" ihn ergangenen Ruf an die medizinische

vAkultat der hiesigen Universität angenommen. Er soll hier Nachfolger von Geheimrat Nauvyn werden. Staatsanwalt in Berlin verflieg sich jüngst Bemerkung, daß er im Gerichtssaaleine Presse nicht anerkenne!! Im Gegensatz dazu sagte ^ kürzlich m Frankfurt a. M. der Staatsanwalt Zi«iLi?r°z°ß Wkndre Raubmörder Groß und Stafforst zu den Geschworenen u. a.:Wenn Sie ^ ffchuldfrage auf Raubmord bejahen, befinden Sie sich m Ueberemstlmmulig mit der ganzen Presse ^ Volksbewußtsein, wo man sicher erwartet daß die schärfste Verurteilung eintrete'

Das Gasglühlicht wird teurer. In einer zu Berlin abgehaltenen Versammlung der Glühkörper­

fabrikanten Deutschlands wurde eine Preiserhöhung j von vorläufig 20 Prozent für die Glühkörper beschlossen.

Danzig, 30. Mai. In Langfuhr hat am SamS- tag abend gegen 8 Uhr eine erbitterte Schlägerei zwischen den Mannschaften des Trainbataillons und der hier garnisonierenden Leibhusarenbrigade statt­gefunden. Eine größere Anzahl Personen, meistens Husaren wurden verletzt, fünf so schwer, daß sie ins Garnisonslazareth überführt werden mußlen. Ein Polizist der einzuschreiten versuchte, wurde durch einen Säbelhieb über den Arm verletzt. Die Ruhe konnte erst nach längerer Zeit wieder hergestellt werden.

Die Bürgerschaft von Lübeck hat für Hafen­bauten 1,036.000 bewilligt.

Hirschberg, 28. Mai. Im Bonnet'schen Dampf­sägewerk ereignete sich ein furchtbarer Unglücksfall. Der Kesselheizer Kuppe und der Brettschneider Woith wollten den Kessel reinigen und von innen austeeren, als Plötzlich die Lampe umstüzle und Feuer entstand. Sie riefen um Hilfe. Der 18 jährige Arbeiter Beer stieg in den Kessel, um sie zu retten. Es gelang ihm dies aber nicht. Alle drei verbrannten. Kuppe und Woith waren verheiratet und Familienvater.

Aus Baden. Ueber den Wert' und die Be­deutung der Wasserkräfte ist jeder einsichtige Mensch im Klaren. Nicht zum geringsten verdankt Italien den wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahre der Ausnützung seiner Wasserkräfte. In richtiger Er- kenntnis, daß diese Quelle des Nationalreichtums der Spekulation des Kapitalismus vorenthalten werden muß, hat die Regierung die Hand auf den Millionen­segen der Wasserfälle gelegt. Was von der Süd­seite der Alpen, in den Apenninen, in den apulischen Bergen und in den Abruzzen herniederrauscht, ist zur Umwandlung in elektrische Energie bestimmt. Vizzola, die größte elektrische Zentrale, die in Europa über Wasserkräfte verfügt, hat nahezu den Ausbau zur Erreichung von 50000 Pferdekräfte vollendet und sendet heute über ein Gebiet von 150 Kilometern eine Fülle von Licht und Kraft. In aller Stille konnte sich hier die Umwandlung vom Dampfbetrieb zum elektrifcken vollziehen, da die Gegend am Tessin, an dessen linkem Ufer bei Somma Lombards die Kraftzentrale liegt, namentlich im Hinblick auf die riesigen Spinnereien von alters her als außerordent­lich industricreich bekannt ist. An der Zentrale von Vizzola arbeiten zurzeit zehn Maschinengruppen- Dynamos, mit Horizontalturbinen direkt verkuppelt, von je 2300 Pferdekräften. Italien ist das Japan Europas. Wenn die italienische Regierung die im Lande befindlichen Wasserkräfte sammelt, dann können und dürfen auch bei uns in Baden die Quellen des Nationalreichtums nicht einigen wenigen Kohlen­baronen oder sonstigen Spekulanten überlassen bleiben, sondern der Staat muß sie der Industrie zum Selbst­kostenpreis nutzbar machen. Diese Erkenntnis soll durch die Energie eines einfachen Mannes in Säckingen, Alfred Klingele, endlich auch in badischen Regierungs- kreisen heimisch gemacht werden. Die Möglichkeit seitens der badischen Regierung, sich in den Besitz von 25000 Pferdestärken, d. h. der Hälfte einer gemeinsamen Anlage in Laufenburg von 50000 Pferdekräften zu setzen, hatte nämlich die Regierung eigentümlicherweise veranlaßt, Unterhandlungen zu pflegen, um diese Wasserkräfte nicht dem Lande, sondern einer Gesellschaft zur Verwertung zu über­tragen. Das hat dem Faß den Boden ausgeschlagen. Am Oberrhein hat dagegen eine lebhafte Agitation eingesetzt. Die Mehrzahl der Vertreter der größeren Gemeinden, der Industriellen mit etwa 20000 Ar­beitern und der Kleingewerbetreibenden des Ober­rheins, des Wicsentals und des Lörrachtals ersuchen die Regierung, von jeder weiteren Vergebung von Wasserkräften so lange Abstand zu nehmen, bis die Angelegenheit einer gründlichen Prüfung unterzogen worden ist. Sie wünschen, daß sie in entscheidenden Fällen gehört werden, um ihre Interessen wahren zu können.

Von der bayerischen Grenze, 30. Mai. Bei Privatier Vogesser in Wallenhausen ist in der Nacht am Donnerstag auf Freitag eingebrochen worden. Hiebei erbeutete der Dieb 5 Hundertmarkscheine der württemb. Notenbank, 4 Koupons der pfälzischen Hypotheken und Wechselbank und einen Koupon einer auf 5000 lautenden Obligationen des Münchener Stadtanlehen.

Lambrecht, Pfalz. Ein nichtswürdiger Schurken- streich versetzte die hiesige protostantische Bevölkerung in nicht geringe Aufregung. An der Ostseite des Chores der evangelischen Kirche unterhalb des mit Glasmalerei im Werte von über 3000 ^ versehenen Fensters, wurde gestern abend gegen halb 11 Uhr das Mauerwerk an mehreren Stellen angebohrt und eine Dynamitpatrone zur Explosion gebracht, durch die außer Beschädigungen des Mauerwerks das ge­nannte Fenster in seiner ganzen ca. 15 m betragenden Länge geborsten ist. Die Gewalt der Explosion war so groß, daß Fensterscheiben der umliegenden Häuser eingedrückt und Gardinen heruntergeworfen wurden; die Bewohner der betreffenden Häuser verspürten deut- lich die Erschütterung des Bodens und enteilten entsetzt ihren Wohnungen. Rasch hinzueilende Personen sahen einen Mann sich vom Tatorte entfernen, ohne daß jedoch dessen Identität festgestellt werden konnte.

Zum Fall Bernstein. Ueber die sozialdemo­kratische Hungerkur für den Abgeordneten Bernstein spricht sich das Organ der Buchdruckergehilfen, der Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer, mit bemerkenswerter Schärfe aus. Mit Bezug auf die sozialdemokratische Achterklärung des Organs Bernsteins noch vor dessen Erscheinen schreibt der Korrespondent:So vorzüglich arbeitete nicht einmal der päpstliche Index im Mittelalter." In einer Berliner Parteiversammlung hatte der Vor­sitzende Littin das Vorgehen gegen Bernstein mit den Worten zu verteidigen versucht: . . . Es könnte ja auch jeder andere kommen und ein Abendblatt gründen wollen und so demVorwärts" Konkurrenz machen." Diese Bemerkung veranlaßt denKorre­spondent" zu dem Ausruf:Nun, wenn das auch ein Grund sein soll, eventuell das Bessere zu unter­drücken. dann kann die Arbeiterschaft ja recht hoff­nungsvoll in die Zukunft blicken." Wie Sozial­demokraten die Versammlungsfreiheit anderer Parteien mißachten, zeigt in einem besonders krassen Fall die Sprengung einer liberalen Wählerversammlung am 2. November in Königsberg, die am Donnerstag ihr gerichtliches Nachspiel gefunden hat. Der prakt. Arzt Dr. Gottschalk wurde zu zwei Monaten Gefängnis, Stadtverordneter Linde zu einem Monat Gefängnis, sämtliche übrigen Angeklagten zu zwei Wochen Ge­fängnis verurteilt. Das Selbstbestimmungs­recht der Arbeiter in den sozialdemokratischen Organisationen erhält eine neue Beleuchtung in dem Beschluß, den der Verein der Gastwirtsgehilfen in seiner Generalversammlung gefaßt hat. Zur Mit­gliedschaft in einem anderen Verein ist danach künftig die Zustimmung des Vorstands erforderlich; offenbar will man damit verhüten, daß die Kellner auch andern Fachvereinigungen beitreten, die nicht sozialdemo­kratisch sind.

Nachdem die französische Deputierten­kammer die Abberufung des Botschafters Frankreichs beim Vatikan gebilligt hat, wird nun wohl endlich auch die Abberufung des päpstlichen Nuntius in Paris, des Monsignere Lerenzelli, erfolgen; ein noch längeres Verweilen desselben auf seinem Posten würde in Widerspruch mit allen diplomatischen Gepflogen­heiten stehen. Vorläufig ist es allerdings noch nicht bekannt, ob sich der Papst zu diesem Schritte bereits entschlossen hat.

Peking, 29. Mai. Ein kaiserlicher Erlaß ordnet die Errichtung einer Gesellschaft vom Roten Kreuz in China an, welche sich der internationalen Konvention anschließen wird. Das kaiserliche Schatzamt spendete für die Gesellschaft 100000 Taels.