Galler und Rembold-Gmünd empfahlen den Kommissionsantrag zur Annahme. Hieber trug u. a. Klagen vor über den häufigen Wechsel von Schulbüchern u. s. w. in den höheren Lehranstalten. Der Kommissionsantrag wurde nach 2^/sstündiger Verhandlung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Der erste Nachtrag zum Finanzgesetz 1903/05, der für eine neue Ratsstelle im Kult- Ministerium für das Etatsjahr 1904 2400 ^ fordert, wurde ohne Debatte nach dem Antrag des Referenten Hartranft angenommen.
Stuttgart, 26. Mai. Die Kammer der Ab- geordneten setzte die vorgestern abgebrochene Beratung über den Antrag Haug und Genossen, betreffend Erleichterung des ländlichen Realkredits, fort. An der Debaste beteiligten sich Maier-Blaubeuren, Henning, Schlichte, Berichterstatter Kraut, Minister des Innern v. Pischek und Haug. Der letztere wehrte sich insbesondere gegen die von Liesching gegen ihn erhobenen Vorwürfe persönlicher Natur. Die weitere Debatte brachte dann noch die Jungfernrede des gewandten und in landwirtschaftlichen Fragen offenbar sehr erfahrenen Abg. Keilbach und eine geharnischte Erwiderung des Abg. Liesching gegenüber dem Abg Haug, die den letzteren nochmals auf den Plan rief. Nachdem noch Dambacher, Hieber, Berichterstatter Kraut und Frhr. v. Gaisberg-Helfenberg gesprochen hatten, wurde ein Schlußantrag angenommen und hierauf der Kommissionsantrag genehmigt. Hierauf ging man zur Fortsetzung der Beratung über den Gesetzentwurf, betr. denLeibgedingsvertrag, über. — Die Finanzkommisfion der Abgeordnetenkammer hat in ihrer gestrigen Sitzung als Referenten für die Hoftheatervorlage samt Denkschrift den Abgeordneten Dr. v. Kiene und für die Rechtsfrage den Vor- sitzenden der Kommission, Abgeordneter Liesching, zum Korreferenten bestellt.
Stuttgart. Der Strafsenat des Oberlandesgerichts verhandelte am 18. Mai in einer Strafsache gegen Bäckermeister Ullmann wegen Beleidigung. Derselbe hatte am Kirchweihmontag im Laden eines andern Bäckers dessen Ehefrau die Hand auf die Achsel gelegt und dabei gesagt: „Was sind Sie eine schöne Frau!" und dann das Lokal verlassen. Schöffengericht und Strafkammer Tübingen hatten ihn wegen tätlicher Beleidigung zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt. Der Verteidiger Haußmann führte aus, schon derjenige halte sich bekanntlich für schuldlos, der von sich sagen könne: „Ich Hab' sie ja nur auf die Schulter geküßt", um wie viel mehr derjenige, der sagen könne: „Ich Hab' sie ja nur auf der Schulter berührt und zwar an der bekleideten Schulter." Der Strafsenat hob das verurteilende Erkenntnis auf und verwies die Sache zu nochmaliger Verhandlung nach Tübingen.
Stuttgart, 25. Mai. (Strafkammer.) Nachdem in den hiesigen Postämtern I und II längere Zeit auf rätselhafte Weise Briefe, insbesondere von und nach Amerika abhanden gekommen waren, gelang es endlich den Täter in der Person des ledigen Postunterbediensteten Otto Merkle von Gögglingen OA. Laupheim auf frischer Tat zu erwischen, als er bei Entleerung eines Briefeinwurfskorbs eine Anzahl
Fräulein Hartendurg.
Knminal-Roman von Rudolf Wustrow.
15) -(Nachdruck verboten.)
Der Rechtsanwalt war völlig in sich zusammen- gesunken, er blickte auf den Fußboden und sann nach.
Plötzlich erhob er seinen Kopf, sah Rasch, der ihn gespannt beobachtete, durchbohrend an und sagte: „Herr Kommissar, die Sache interessiert mich jetzt, wo ich weiß, daß Ulrich nicht der Täter ist. Früher hielt ich die Lösung für einfach und daher lang- weilig. Auf! Wir müssen etwas unternehmen! Ich helfe Ihnen, so weit es in meinen Kräften steht. Zunächst wollen wir alle die Schritte, die Sie getan haben, noch einmal tun, also alle Untersuchungen nochmals mit größter Genauigkeit vornehmen. Wir werden also die Wohnung der Ermordeten, sowohl diejenige in der Stadt, wie die in Uhlhorst, noch- mals genau durchsuchen, werden alle Personen nochmals vernehmen. Was meinen Sie dazu?"
Rasch wurde durch den Eifer des alten Juristen angesteckt. „Gern bin ich bereit," sagte er mit aufleuchtendem Blick, „mit Ihrer Unterstützung weiter zu arbeiten, Herr Rechtsanwalt!"
„Nun gut," rief dieser mit jugendlicher Leb- Hastigkeit aufspringend. „Ich habe gerade Zeit. Wir wollen zuerst einmal mit der Ausforschung der letzten Vermieterin und nochmalige Durchsuchung des Zimmers beginnen."
Damit eilte er ins Nebenzimmer, holte Hut,
Briefe zu sich in die Tasche steckte. Derselbe wurde I wegen fortgesetzten Briefdiebstahls in einer Handlung zusammentreffend mit Beseitigung amtlich übergebener Schriftstücke in gewinnsüchtiger Absicht und der un- ' befugten Eröffnung solcher im Sinne des tztz 133 und 35 des Strafgesetzbuchs angeklagt. Er war geständig, etwa 130 Briefpostsendungcn sich angeeignet zu haben, nachdem deren Inhalt bestehend in Papiergeld, Dollarsnoten und anderen Wertgegenständen, die als Muster ohne Wert deklariert waren, im Betrage von über 500 -/A. bei einer sofort vorgenommenen Durchsuchung seiner Wohnung zum Vorschein ge- kommen war. Das Urteil lautete auf eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr 6 Monaten, woran 2 Monate für Untersuchungshaft abgehen, nebst 3jährigem Ehrenverlust.
Stuttgart. Die K. Baugewerkschule hier ist im laufenden Sommerhalbjahr von 688 Schülern besucht.
Stuttgart, 26. Mai. Die ersten Remstäler Frühkirschen wurden heute zu Markt gebracht. Man verkaufte das Pfund im Großen zu 32 im Kleinen zu 40—45 ^s.
Württ. Kriegerbund. Wie in der „Württ. Kriegerztg " mUgeterlt wird, haben sich für den bevor- stehenden Ulmer Bundestag bereits über 20000 Teil- nehmer angemeldet.
Göppingen, 22 Mai. Nach ortsüblicher Sitte schossen gestern in Holzheim die ledigen Burschen einem jungen Ehepaar den Einzug an. Ein 22jähr. Schmiedgeselle lud sein Gewehr hohl, der Lauf platzte und riß dem Schützen die linke Hand mit solcher Gewalt vom Arme, daß sie 20 Meter vom Standort aufgefunden wurde.
Ulm, 24. Mai. Der Verband der evang. Arbeitervereine in Württemberg hielt über Pfingsten hier seine diesjährige Tagung ab. Der Verbandsvorsitzende, Stadlpfarrer Weitbrecht von Heilbronn, dankte namens des Landesverbands für die freundliche Aufnahme und führte aus, daß den Landesverband auf seiner Wanderung dreierlei nach Ulm gezogen habe: Das Prächtige Münster, das zu höherem Streben nach oben weise, der schöne Strom, der weit hinaus ins Land zeige und vorbildlich dafür sei, daß die Sache der evang. Arbeitervereine stets mehr ins Strömen komme, und zuletzt die Festung, die zu innerer und äußerer Festigkeit mahne. Geradeaus sei stets der Weg des Verbandes, so daß jeder sehen könne, wohin und was man wolle. Er schloß mit einem Hoch auf die evang. Arbeitervereine. Im Namen der evang. Kirchengemeinde Ulm sprach Stadt- Pfarrer Dr. Pfleiderer Begrüßungsworte und im Auftrag des evang. Bundes Schulrat Dr. Mosapp von Stuttgart. Letzterer richtete an die Vereine die Mahnung, unentwegt auf evang. Boden zu stehen und die Augen offen zu behalten für die Not und die Gefahr unserer Zeit. Der Vorschlag, an den König ein Huldigungstelegramm abzusenden, fand freudig Zustimmung.
Eßlingen, 25. Mai. Nach Schluß der Weiler Rennen hat der Major a. D. v. Rautenberg zwei wertvolle Pferde gestern abend auf dem Eisberge erschießen lassen, angeblich aus Aerger darüber, daß
Ueberzieher und Stock und nötigte seinen Gast, der sich über das schnelle Verschwinden der Brustbeschwerung und Lungenentzündung wunderte, zur Tür hinaus. Rüstig ausschreitend, gelangten sie bald zur Wohnung der Verstorbenen.
Frau Mischke empfing sie und nötigte sie in ihr Wohnzimmer. Wusterbart stellte sich vor und äußerte die Absicht, die sie hierher geführt.
„Nun ich habe weiter gar nichts erfahren," sagte die Vermieterin, „leider habe ich aber auch das Zimmer noch nicht wieder vermietet. Das Gerücht von dem Morde hat sich verbreitet und kein Mensch will in das Zimmer ziehen. Das heißt, am nächsten Ersten will ein Herr einziehen, der sich, wie er sagte, nichts daraus macht."
„Es ist also zur Zeit unbewohnt?" fragte der Rechtsanwalt. „Da gestatten Sie Wohl, daß wir uns nochmals darin umsehen?"
„Bitte!" sagte Frau Mischke und betrat mit den beiden Herrn das Zimmer, wo alles noch im früheren Zustande war. , ,
Beide Männer sahen sich nun nach allen Seiten um. Indessen hatte Rasch bemerkt, daß der jugendliche Aufschwung des Rechtsanwalts allmählich wieder dessen grämlicher Hypochondrie wich. Er begann eine seiner Lieblingsbeschäftigungen, indem er die hygienische Einrichtung dxs Zimmers besprach. Zuerst tadelte er die Doppelfenster, da diese die frische Luft absperrten, dann lobte er die luftige Höhe des Zimmers und hierauf kam er auf den Ofen zu sprechen.
„Da sehen Sie nun einen recht modernen Ofen,"
dieselben ihm den erwünschten Sieg nicht einbrachten Der Wert der getöteten Tiere soll ca. 30000 ^ betragen. — Die „Schw. Rundsch." berichtet dazu aus Eßlingen: Auf Anordnung eines an den letzten Weiler Rennen beteiligten schlesischen Majors a D wurden dessen beide Rennpferde erschossen. > Die Ursache dazu bildete neben der Aufgabe des Rennstalls auch das Alter der Tiere, deren Uebergang in andere Hände der Besitzer nicht veranlassen wollte. Das über diesen Vorgang entstandene Gerücht, daß die Tötung aus Aerger über nicht erlangte Siege erfolgt sei, sowie daß die Tiere einen Wert von 30000 repräsentiert hätten, ist nicht richtig.
Heilbronn. 25. Mai. Der neue Präsident der K. Zentralstelle für Handel und Gewerbe, Ministerialdirektor von Mosthaf, war in Begleitung des Re- gierungsrats Kälber gestern und heute hier, um eine Reihe gewerblicher Etablissements zu besichtigen. Gestern abend veranstalteten ihnen die gewerblichen und kaufmännischen Korporationen einen Begrüßungsabend, wobei der Präsident Gelegenheit nahm, Handel und Gewerbe von Heilbronn seines besonderen Wohl- wollens zu versichern.
Rudersberg, 25. Mai. Von einem großen Unglück wurde am Montag die Familie des Stein- Hauers Greiner in Oberndorf OA. Welzheim betroffen. Der Dachstuhl seines erst im vorigen Jahr neuerbauten Hauses brannte nieder. Das Feuer soll durch seine eigenen Kinder entstanden sein, welche auf der Bühne ein „Feuerle" machten. Als sie nicht mehr Herr wurden, rief ein Kind den Vater, während ein Knabe sich aus Furcht vor Strafe auf der Bühne versteckte. Eine Rettung war nicht mehr möglich, und so konnte das Kind erst nach Eintreffen der Feuerwehren, die übrigens außerordentlich rasch zur Stelle waren, tot und mit Brandwunden bedeckt aufgefunden werden.
Maulbronn, 25. Mai. Gestern fuhren zwei Automobilisten (Mannheimer Fabrikanten) hier durch, Lienzingen zu. Unweit dieses Ortes holte das Auto zwei Fuhrwerke ein. Die Pferde des einen scheuten und rannten den zweiten Wagen um, dessen Fuhrmann, Jakob Eisenbrey, überfahren und schwer verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft hat die Sache in den Händen und dürfte es für die Herren eine teure Pfingsttour werden
Vermischtes.
Berlin, 19. Mai. Nicht unbekannt dürfte das — freilich nicht ganz einwandfreie — Radikalmittel fein, unwillkommenen Damenbesuch zu vertreiben, daß man nämlich nach vorsichtiger vorheriger Entfernung der eigenen Frau eine Maus im Besuchszimmer in Freiheit setzt, was dann die übliche Panik und allgemeine Flucht zur Folge zu haben Pflegt. Von dem Maße an Geistesgegenwart beim Hausherrn hängt es ab, ob er im geeigneten Moment eine Maus zur Stelle hat. Der Wirkung kann er sicher sein. Das lehrte jetzt wieder eine kleine .Mäusegeschichte', die sich hier laut „Nordd. Allg. Ztg." in einem vollbesetzten Wagen der Straßenbahn abspielte. Am Dönhoffplatz bemerkte eine Dame eine Maus unter einem Sitzbrett. Entsetzt sprang sie auf und stellte sich mit fest zusammengeschlagenen Kleidern auf den
brummte er, „ohne Röhre und mit diesem Schraubenverschluß! Der hindert natürlich die Ventilation. Sie glauben gar nicht, wie stark diese ist! Sehen Sie hier!" damit beugte er sich zur Ofentüre her- nieder, schraubte sie auf und hielt ein angebranntes Streichholz in den Jnnenraum des Ofens. „Sehen Sie, wie der Zug die Flamme in den Ofen hineinführt!"
Rasch, den diese Auseinandersetzung wenig erbaute, beugte sich aus Höflichkeit ebenfalls beobachtend nieder.
„Da liegt noch ein Papier!" sagte er m gleichgültigem Tone, griff in den Ofen und entfaltete den zusammengeknitterten Briefbogen. Dieser enthielt folgende, von einer flotten Hand geschriebene Worte: „Meine liebe Karolai Wenn Du es gestattest, so besuche ich Dich morgen, am Mittwoch abend, da ich Dir etwas Wichtiges mitzuteilen habe. Du erwartest mich wohl um halb 10 Uhr? Ich werde mich pünktlich einfinden. Mit herzlichen Grüßen Dein Vetter Georg."
„Was ist das?" rief Rasch. „Richtig, daS Datum stimmt: 14. Oktober! Lesen Sie, Herr Rechtsanwalt!"
Wusterbart las und war ebenso bewegt wie der Kommissar.
„So viel ich weiß," flüsterte dieser halb atemlos, „besaß die Tote nur einen Vetter —"
„Und wer ist es?" rief der Rechtsanwalt gespannt.
Der — Bankprokurist Rädisch!" keuchte der Kommissar.