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Neuenbürg, Mittwoch den 25. Mai 1904. j 62. Jahrgang.
Württemberg.
Stuttgart. 24. Mai. Ueber das schwere Gewitter, das' am Samstag nachmittag über verschiedene Teile des Laubes niederging und teilweise schweren Schaden durch Hagel- und Blitzschlag verursachte, melden die Blätter weitere Einzelheiten, aus denen bervoraeht, daß das Wetter nachmittags kurz vor 4 Uhr inS Land hereinkam und sich über Maulbronn entlud. Dabei fielen Hagelkörner in der Größe von Taubeneiern. In Möglingen, OA. Ludwigsburg, schlug der Blitz in die neu erbaute Scheuer des Bauern Schober, welche vollständig eingeäschert wurde. Bon Kornwestheim aus scheint sich das Gewitter nach dem Remstal hingezogen zu haben, das wohl am schwersten mitgenommen wurde. Ueber das Aalbuch scheint das Unwetter seinen Weg nach Bayern und Oberschwaben genommen zu haben. In Edelbeuren, OA Biberach, schlug nachts 10 Uhr der Blitz in das Haus des Bauern Göhringer, welches total eingeäschert wurde.
Aalen, 24. Mai. Ein Hagelwetter, welches letzten Samstag abend 6 Uhr von Nordwesten her- kommend über den Aalbuch hinzog, verheerte die Gegend von Lauterburg bis gegen Steinheim hin. Die Hagelkörner fielen in der Größe von Hühnereiern nieder und lagen am andern Morgen noch hausenweise in Gräben.
Aus Waiblingen wird gemeldet, daß in Neustadt, dortigen Oberamts, eine Frau während eines Gewitters, vor dem sie unter einem Baum Schutz gesucht hatte, vom Blitz erschlagen wurde.
Waldenbuch, 23. Mai. Pfingstsonntag nachts 12 Uhr wurde auf der Straße Schönaich-Waldenbuch der Sohn des Schreinermeisters Landenberger von seinem Gefährten in der Nähe der oberen Rauhmühle durch einen Stich ins Herz getötet, so daß er lautlos zu Boden sank. Ein Kamerad des Getöteten, der zu Hilfe eilte, wurde ebenfalls gefährlich verwundet.
Mühlacker, 24. Mai. Am Pfingstsonntag wurde auf dem hiesigen Bahnhof der Bahnbedienstete Karl Kleinert, als er eben eine Frau auf das Einfahren eines Zuges aufmerksam machte, von diesem Zug selbst erfaßt. Die Räder gingen ihm über den Kopf. Kleinert wurde als Leiche hervorgezogen.
In Oberndorf ist Oberst Rifat Bey, der Chef der kaiserl. ottomanischen Wasserprüfungskommisston an einer Lungenentzündung gestorben.
Mitteilungen der Zentralvermittlungsstelle für Obstverwertung in Stuttgart vom 25. Mai. Neuffen. Voraussichtlicher Ertrag 1500 bis 2000 in schwarzen Brennlirschen und Herzkirschen. Reifezeit Milte
bis Ende Juni. — Walheim. Voraussichtlicher Ertrag 3000 Zentner in Früh, und Spätkirschen, Schecken, braunen und schwarzen Kirschen. Reisezeit anfangs Juni bis Juli. Falls keine ungünstige Witterung eintlitt, ist eine allgemein ergiebige Ernte zu erwarten. — Strümpfelbach. Voraussichtlicher Ertrag 3000 Ztr. in Frühkirschen rot und schwarz und Slrähleskirschen. Reifezeit vom 25. Mai an. — Frickenhausen. Voraussichtlicher Ertrag 1200 bis 1500 Ztr. in 2/3 schwarzen und ^3 roten Kirschen. Reisezeit Ende Juni bis Mitte Juli. — SteNen i. R. Voraussichtlicher Ertrag 1000 Ztr. in allen Sorten, aber meistens schwarze Kirschen. Reifezeit anfangs Juni. — Freuden- thul. Frühkirschen ca. 50 Ztr., Reifezeit anfangs Jum. Große schwarze Staffelkirschen (Herzkirschen) ca. 250 Ztr., Schecken ca. 60 Ztr., Reifezeit Mitte Juni. Braune Spätkirschen ca. 200 Ztr., Reifezeit ansangs Juli. — Schnaidt. Voraussichtlicher Ertrag 1200 Ztr. in Früh-, Mittel- und Spätkirschen. Reisezeit 1. Juni bis Mitte Juli.
Kus Stasi, Bezirk uns Umgebung.
Für die Zeit vom 1. Juni bis 15. September d. I. wird ein Postbotengang Werktags von Herrenalb nach Dobel und zurück mit nachstehenden Gangzeiten eingerichtet:
4.30 nachm, u ab Herrenalb an 4- 8.00 nachm.
6.00 nachm, ^ an Dobel ab M 6.40 nachm.
Neuenbürg, 23. Mai. Zur Ergänzung des Artikels im Enztäler Nr. 78 und zum Beweis, wie notwendig eine Unterstützung der deutschen Kolonisten in Südwestasrika ist, sei hier noch mitgeteilt, was die „Monalschrift für Stadt und Land" 1904 Nr. 5 über die dortigen Verhältniffe schreibt: „In einer überaus schlimmen Lage befinden sich die Ansiedler, welche ihre Farmen oft unter größter Lebensgefahr und mit Verlust ihres gesamten Eigentums haben verlassep müssen. — Mit beispielloser Bestialität, Roheit und Zerstörungswut haben die Hereros auf den deutschen Farmen gewütet und die Besitzer, soweit sie überhaupt das nackte Leben gerettet haben, stehen vor dem nichts. Hilfeleistung ist daher unumgänglich notwendig. — Die Vorlage betreffend Bereitstellung eines Fonds von 2 Millionen Mark für die Entschädigung der durch den Hereroaufstand geschädigten Ansiedler in Deutsch Südwestafrika ist am 19. April in der Budgetkommission des Reichstags besprochen worden und die Beratung hat damit geendigt, daß die Kommission sich für Bewilligung von 2 Millionen Mark zu Darlehen an Geschädigte, sowie Hilfeleistung an Bedürftige aus Anlaß der Verluste infolge des Eingeborenenaufstands ausgesprochen hat. — Die Verluste werden von Oberst Leutwein folgendermaßen geschätzt: an Vieh 5 Millionen Mark, an Häusern 137000 an totem Inventar 484000 an Warenbeständen 702 000 an Mobiliar, Kleidern, Wäsche 389000 ^E.". Wir denken, diese Zahlen
zeigen uns, daß wir trotz obengenannter Genehmigung der 2 Millionen noch mithelfen müssen bei der Unterstützung; unser Patriotismus und unsere Menschenliebe erwacht, wenn wir von solchem Unglück bei eigenen Landsleuten hören. Darum lassen wir die Gelegenheit nicht vorübergehen, die voraussichtlich am 12. Juni gegeben ist, für die Betroffenen etwas beizusteuern. Ll-r.
Neuenbürg, 20. Mai. Die prachtvoll sonnige Witterung, die mit dem Himmelfahrtsfesttage hereingebrochen ist und die untermischt mit vereinzelten, kurzen, fruchtbaren Gewitterregen, bis jetzt einen beständigen Charakter zeigt, hat die Blüte der Obstbäume so gefördert, daß man hier und in der nächsten Umgebung schon von einem glücklichen Verblühen sprechen kann. Ein einziger sonniger Tag öffnet alle gesunden Blüten eines und desselben Baumes fast ausnahmslos, während die verschlossen bleibenden Blütenbutzen gewöhnlich die Larve des Apfelblütenstechers im Innern beherbergen. Oeffnet man eine solche Blüte, die scheinbar vom Frost versengt oder von der Hitze verbrannt worden ist (daher .Brenner" genannt), so findet man regelmäßig den Missetäter in Gestalt eines weißen Würmchens, das alles rund um sich her völlig aufgefressen hat, sowohl die Staub- gefässe als die Griffel. Wo aber diese beiden Teile fehlen, da gibt es niemals eine Frucht. Die schön rötlichen oder weißen Blumenblätter, die der Laie am höchsten schätzt, dienen ja bloß zum Schmuck; ihr Zweck ist, die Insekten, Bienen, Hummeln und Fliegen auzulocken, damit diese neben ihrer Honigernte noch eine andere nützliche Arbeit für den Menschen besorgen, nämlich Blütenstaub von Baum zu Baum zu tragen, und so die Blüten fruchtbar zu machen. Der reiche Obstsegen des Herbstes ist also zu einem großen Teile diesen kleinen Insekten zu verdanken. Nach den letzten stürmischen Tagen sollten nun aber noch windstille, ruhige Tage kommen, damit die Insekten, namentlich die Bienen, auch wirklich ausfliegen und die Blüten besuchen können. — Nachschrift vom 24. Die allseitigen Hoffnungen auf schöne Pfingsten wurden nur teilweise erfüllt. Ein überaus kräftiger Gewitterregen ging am Samstag nachmittag dem Festtag voraus. Der Sonntag selbst zeigte in den ersten Morgenstunden starke Gewitterneigung, so daß man dem .Wetter nicht recht trauen" konnte, er verlief aber nachmittags und sonderlich abends noch so schön, daß man sich allgemein auf einen schönen .zweiten Feiertag" freute. Aber wie eitel waren all' die Hoffnungen, denn der .liebliche" Tag setzte schon morgens mit einem so niedlichen Regen ein, der immer reichlicher hernieder
Fräulein Hartenburg.
Kriminal-Roman von Rudolf Wustrow.
14 ) -(Nachdruck verboten.)
Rasch brach sofort auf. Unterwegs mußte er durch eine Straße gehen, auf der ein lebhaftes Wagengedränge herrschte. Er mußte einige Augenblicke warten und stand dabei neben einer eleganten Kutsche. Aus dieser blickte ein Herr heraus, und Rasch brmeikte etwas überrasckt, daß es der Prokurist Rädisch war; er sah rot und gedunsen aus und schien angetrunken zu sein.
Beide grüßten sich, und der Prokurist rief lachend: .He, mein lieber Kommissar, nun haben Sie ihn also, den Täter? Was habe ich Ihnen gesagt: der alte Ulrich jsts gewesen!"
„Es steht noch nicht fest, Herr Rädisch!" er- widerte Rasch.
.So?" lachte der Prokurist. Woran fehlt'« denn noch? Mir können Sie es schon anvertrauen, ich bin ia Persönlich interessiert; es war doch immer meine Koustne! Gott Hab' sie selig!"
„Nun, es ist möglicherweise ein Alibi da!"
.Ein Alibi? Nun ja, das ist kein Spaß!" rief Rädisch in seiner Weivlaune. „Jeder muß eben sein Alibi haben. Willmann und die tugeudsame Jungfer haben auf dem Bahnhof Poussiert, ich war auf dem Kasinoballe — wie kann da der alle Ulrich eins haben?"
„Ich glaube auch nicht, Herr Rädisch," sagte Rasch, „aber feststellen muß ich's doch!"
„Na adieu, adieu!" rief der Bankbeamte jovial und winkte seinem Kutscher. „Sie wissen, lieber Herr Kommissar, ich bin in Ihrer Schuld; werde mich nicht lumpen lassen!"
Durch das Menschengewühl hindurch eilte nun Rasch zum Versandthause von Friedländer.
Der Burcauchef stellte auf das Ersuchen des Kommissars fest, daß allerdings vom 13. bis 16. Oktober die Versendung eines Preiskourants vor- genommen worden war, und daß die angenommenen Schreiber bis 10 Uhr abends im Geschäftshause gearbeitet hatten.
„Erinnern Sie oder jemand anderer sich vielleicht," fragte Rasch weiter, „ob der betreffende Ulrich eher fortgegangen ist?"
„Fortgegangen ist niemand eher," sagte der Bureauchef, „so viel ich mich erinnere."
Rasch ließ sich nun die Adresse der anderen Schreiber geben, und bald darauf wurden die letzteren vor Gericht geladen.
Der Untersuchungsrichter stellte alsbald fest, daß Ulrich an jenem Abend mit ihnen bis nach 10 Uhr zusammen gewesen war und dann mit ihnen den Heimweg angetreten hatte; in einem Wirtshause hatte er dann noch mit einigen anderen ein Glas Bier getrunken. Nachdem der Untersuchungsrichter dem Staatsanwalt dies Resultat mitgeteilt hatte, äußerte sich dieser dahin, daß Ulrich nun zwar nicht als der Täter, wohl aber als Mitwisser und Hehler
betrachtet werden dürfe. Jedenfalls empfehle es sich nun, auch Erna Heldberg zu verhaften. Der Unter- fuchungsrichter hielt dies zunächst nicht für nötig, doch lud man sie zu einer Vernehmung nach der Stadt.
Unauffällig von den Beamten begleitet, der Erna überwachte, erschien sie vor dem Richter. Dieser setzte ihr den Fall, wie er jetzt lag, auseinander.
„Willmanns Vater, Ulrich," sagte er, der bekanntlich unschuldig verurteilt worden war, ist in Haft wegen des Verdachts der Mitwissenschaft der Tat, Sie können sich also ruhig äußern, warum Ihnen das verstorbene Fräulein Hartenburg die Halskette geschenkt hat."
„Erna, die bei der ihr gemachten Mitteilung von Ulrichs Gefangenschaft zusammenzuckte, erwiderte: „Mein Bräutigam war dadurch, daß er seinen alten Vater unterstützen mußte und von seiner Studienzeit her noch Verpflichtungen hatte, in schwere Geld- Verlegenheit geraten. Er teilte mir dies in großer Traurigkeit mit, und ich beschloß, ihm zu helfen. Ich fuhr daher an jenem Abend zu meiner Koustne und bat sie, mir für Willmann die Halskette zu geben; sein Vater hatte sie nämlich früher einmal seiner Verlobten Seraphine geschenkt, und von dieser hatte Karola sie geerbt. Meine Kousine trennte sich natürlich ungern von der Kette, aber da ich sie in- ständig darum bat und sie zudem eine gewisse Ungeduld zeigte, so gab sie sie mir endlich nicht gerade mit freundlichen Worten."
„Sie sprechen da," fiel der Untersuchungsrichter