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Neuenbürg, Samstag den 21. Mai 1904.> 62. Jahrgang.

Pfingsten.

.Pfingsten, das liebliche Fest ist gekommen." Auch Heuer läßt es uns viel Liebliches schauen m Feld. Wald und Au. Dörfler und Städter und in Hellen Haufen die Großstädter machen sich auf, seiner Lieblichkeit zu genießen. Aber viele unter ihnen sehen sich mitten iu dieser Frühlingspracht von gespenstischen Schatten verfolgt; ungestillter Schmerz, ungebannte Sorge, unerfüllte Wünsche verdunkeln ihre Pfade. Ihre Augen sind trübe geworden.

Aus die Augen kommt's an. Mancher klagt über ein schlechtes Jahr, weil's ihm nicht nur um das Leben und Prangen in der Natur zu tun ist, weil er sich als Glied eines Staatsganzen, einer Kircheugemeinschaft fühlt. Er klagt etwa über die schlimme Aussaat der vorjährigen Reichstagswahl, die ihn arge Mißernten fürchten läßt. Oder ihm bangt um des Reiches Bewahrung vor äußeren Feinden. Und so ist's ihm bis zu Pfingsten noch nicht wahr geworden, was der Ostersänger, der Sänger deutscher Freiheit gesungen: .Frühling spielet auf der Erden, Frühling soll's im Herzen werden, herrschen soll das ewge Licht."

Auf unser Herz kommt es an auch im öffentlichen Leben! Das ist der Vorzug unserer modernen Politik vor der des Altertums, daß sie nicht nur nach dem Ganzen, sondern auch nach dem Einzelnen fragt. Und das ist eine Weisheit christlicher Weltanschau- ung, daß sie von innen nach außen, von der Persönlichkeit zur Gesamtheit hin Wirkung, Besserung. Heiligung er­wartet. So soll's zur lieblichen Pfingstzeit unser allervornehmstes Streben sein, daß unser Auge klar, unser Herz warm werde. Nur dann können äußere Mittel wie Gesetze, Bündnisse, Verhandlungen, zum Guten helfen, wenn die Menschen, die darin raten und taten Wohnstätten und Werkstätten, Werkzeuge und Werke des Geistes geworden sind, dessen die pfingstfeiernde Gemeinde sich tröstet und freut.

Auf den Geist kommt's an, auf den Geist Gottes. Mag manchem die liebliche Sprache der Schöpfung bitterer Hohn oder süße Täuschung sein. Die Christenheit hofft für Seele, Haus und Volk, weil sie bittet:Komm, heilger Geist, o Schöpfer du!"

RunSschau.

Der Reichskanzler Graf Bülow steckt zw Zeit nicht in den besten Schuhen. Er soll gut, neue Handelsverträge schließen und doch mutet mar ihm zu, durch sofortige Kündigung der alten di Stellung seiner Unterhändler zu verschlechtern. E soll dem Zentrum keine Liebesdienste erweisen un! doch ist er von dessen Gnade abhängig, wenn e nicht mit den Sozialdemokraten regieren will. Ei soll eine kräftige auswärtige Politik treiben und fick beispielsweise die Türe Marokkos nicht vor der Nas zuschlagen lassen, und doch gewährt ihm der Reichst«; dafür keinen Rückhalt. Kein Zweifel, es werden ar den Kanzler Anforderungen gestellt, so Widersprechendei Art, daß ihre gleichzeitige Erfüllung schlechterdings em Ding der Unmöglichkeit ist. Aber ein so allge mernes Mißvergnügen, wie es Graf Bülow zurzei über sich ergehen lassen muß, gibt doch zu denken und vor allem gibt zu denken der schmerzliche Zerfal des Vertrauens gerade in den Kreisen des deutsche, Volkes, die bis daher national unbedingt zuverlässig waren, die auch einem Caprivi und Hohenlohe noö eine wenn auch nicht eben begeisterte Gefolqschas geleistet hatten. Welsh eine glänzende Gelegenhei wird hier verscherzt! Nachwahl um Nachwahl zeig d,e Fahnenflucht unter den Mitläufern des sozial demokratischen Lagers. Wie ganz anders müßte dies Dresden und nach den jämmerliche' n gegen Göhre. Schippe!, Bernstei,

und Genossen e,»fitzen, wenn wir heute an der Spitz des Reichs nicht eine Regierung hätten, die sich » Ermanglung emer bessern mühsam mit wechselnder

I meistens aber klerikalen Mehrheiten durchhilst, sondern s eine Regierung, die es verstünde, den starken Magnet > für alle erhaltenden und aufbauenden Kräfte unseres j Staatslebens zu bilden. Dann könnten wirklich wieder Tage des Aufatmens kommen für das deutsche Volk und es wieder werden wie ehedem, da Bismarck Germanien in den Sattel half. Ab und zu konnte es scheinen, als wäre Graf Bülow wirklich zu diesem großen Sammler der Deutschen berufen, so als er im Dezember v. I. seine vielbewunderten und viel- abgedruckten Reden gegen Bebel hielt. Gewiß, cs fielen da gute Worte zu guter Zeit, der Ruhm soll dem Grafen Bülow auch heute nicht streitig gemacht werden. Aber man ist doch nüchterner geworden seitdem. Siege in parlamentarischen Turnieren sind eine schöne und stolze Sache, aber Völkerschicksale werden damit nicht allein entschieden. Will's Gott, kommen bald die neuen Handelsverträge zu stände, dann ist es möglich, daß auch der Träger der Reichs­regierung wieder festeren Boden unter die Füße bekommt Graf Bülow oder ein Nachfolger. (Schw. W.-Bl.)

Karlsruhe, 19. Mai. In der heutigen Nach­mittagssitzung der zweiten Kammer gab der Minister des Innern, Dr. Schenkel, eine längere Erklärung ab, in der er nach einem Rückblick auf die Entwicklung der badischen Verfassung u. a. er­klärte, er gebe zu, daß die Tage des indirekten Wahlrechts gezählt seien. Die Regierung müsse aber daran festhalten, daß gegen die Uebermacht des direkten Wahlrechts Vorkehrungen getroffen werden müßten, die zu suchen seien in der Verstärkung der Zahl der Mitglieder der ersten Kammer, wie auch in der Berechtigung derselben. Die Regierung müsse daran festhalten, daß der ersten Kammer in der Frage des Budgets wie des Finanzgesetzes ein materielles Mitbestimmungsrecht eingeräumt werde. Die erste Kammer rücke damit in die Stellung eines Senats gegenüber dem Abgeordnetenhause, wie eine solche auch in anderen Staaten bestehe. Die Regier­ung sei aber geneigt, in der Frage des Durch­zählungsverfahrens der beiden Kammern mit sich reden zu lassen. Er hoffe, daß die Kammer mit der Regierung wie der ersten Kammer im Laufe der weiteren Stadien eine Uebereinstimmung erzielen werde. Die übrigen Fragen treten an Bedeutung zurück, wenn auch eine Uebereinstimmung noch nicht erzielt sei. Bei gegenseitigem Nachgeben hoffe er, daß das Wahlwerk noch zustande komme. Abgeordneter Fehrenbach (Ztr.) erklärt, daß an dem Budget­vorrecht der zweiten Kammer, wie das bisher bestand, festgehalten werden müsse. Doch habe er die Zu­versicht zum Ressortminister, daß er sich den Gründen der Sachlichkeit und politischen Notwendigkeit nicht auf die Dauer verschließen werde. Abg. Wilkens (natl.) erklärt, seine Partei verharre auf dem Stand­punkt, der entschiedenen materiellen Vorrechte der zweiten Kammer auf dem Gebiet des Budgetrechts und des Finanzgesetzes. Beharre die Regierung auf ihrem Standpunkt, so werde nichts zustande kommen. Abg. Eichhorn (Soz.) erkennt die Fortschritte, die die Vorlage enthält, an und Präzisiert nochmals in längeren Ausführungen die Haltung der sozial­demokratischen Fraktion.

Der für die Schutztrupppe für Südwestafrika bestimmte Verstärkungs-Transport, der am Donnerstag abend unter Führung des Majors von Redern von der Schutztruppe für Südwestafrika von Berlin nach Hamburg abgegangen ist, setzt sich aus den Feldverwaltungsbehörden und Etappen­kommandos zusammen. Er hat die ungefähre Stärke von 75 Offizieren usw. und 500 Mann. Was die widerspruchsvollen Meldungen über die geplante Reise des Prinzen Joachim Albrecht von Preußen nach dem südwestafrikanischen Kriegsschauplatz an­belangt so weiß jetzt dieNat-Ztg." darüber mit- zuteilen, daß der Prinz nach endgültiger Entscheidung des Kaisers am Feldzuge gegen die Hereros teil- nehmen werde. Ferner wird nicht nur Graf Fritz

Königsmarck (Königs-Ulan), sondern auch Graf Walter Königsmarck (Leib - Garde - Husar) nach Südwestafrika abgehen Wie sein Bruder Fritz, so ist auch Walter ein Meister im Sattel. General­leutnant von Trotha hat sich auf telegraphischem Wege bei dem Ratzeburger Jägerbataillon einen Oberjäger, der einen Kriegshund zu führen versteht, bestellt. Es haben sich, nach der .K. Ztg ". drei Oberjäger freiwillig gemeldet, von denen nun einer mit nach Afrika gehen wird.

Die Kolonialverwaltung ist entschlossen, nach Wiederkehr friedlicher Zustände im südwestafrikanischen Schutzgebiet die westliche Hälfte der Bahn Swa- kopmundWindhoek von der Küste bis Karibik das sind etwa 200 km Schienenweg auf­zugeben und den verbleibenden Rest der Karibik an die im Bau befindliche Otawibahn anzuschließen.

Berlin, 19. Mai. Die geschiedene Großherzogin von Hessen hat, wie demL.-A." aus Koburg telegraphiert wird, auf ihre vom Großherzog bei der Ehescheidung gezahlte jährliche Apanage von 80000 Mark verzichtet.

Berlin, 16. Mai. Eine neue Art von Wohl­tätigkeit ist von einem Damenkomitee, an dessen Spitze die Gemahlin des Reichskanzlers Gräfin von Bülow und Frau Marie v. Leyden stehen, mit dem heute stattfindenden ersten großen Einkaufstag ins Leben gerufen worden. Diese Wohltätigkeit besteht darin, daß alle Kaufenden, wie Hausfrauen, Geschenk- geber u. s. w., das Einkäufen aus der letzten Zeit womöglich bis zum heutigen Tag hinausschoben, um nun ihre Einkäufe bei solchen Geschäften vorzunehmen, welche einen Teil der Einnahmen dieses Tages den Lungenheilstätten in Belzig überweisen. Wer also heute seine Einkäufe bei den beteiligten Firmen be­sorgt, fördert den wohltätigen Zweck im Dienste der Barmherzigkeit, und somit ist jedem einzelnen Käufer Gelegenheit geboten, wohltätig sein zu können, ohne selbst für diesen Zweck unmittelbar in den Beutel greifen zu müssen. Dies tun eigentlich nur die am Einkaufstage beteiligten 475 Firmen, zu denen nicht nur Geschäfte jeder Art, sondern auch die großen Gasthöfe und feineren Kaffeewirtschaften gehören. In welchem Verhältnis ihrer Einnahmen diese Firmen zu dem wohltätigen Zwecke beisteuern, ist bei der Veröffentlichung der Listen dieser Firmen, welche den gestrigen Sonntagsausgaben der gelesensten Zeitungen für Berlin beigegeben waren, nicht mit angeführt worden. Jedenfalls ist dieser Einkaufstag, an dem sich übrigens die großen Warenhäuser Wertheim, Tietz und Jandorf nicht beteiligt haben, eine eigen­artige Neuerung auf dem Gebiete der öffentlichen Wohltätigkeit, von deren Erfolg man wohl demnächst etwas Näheres hören wird. Uebrigens sind in den Auslagefenstern der beteiligten Geschäfte entsprechende Zettel, welche auf den Einkaufstag Hinweisen, schon seit einigen Tagen ausgelegt.

Frankfurt a. M., 18. Mai. In der ver­gangenen Nacht ereignete sich hier wieder ein schwerer Automobil-Unfall. Ein in scharfem Tempo fahrendes Automobil stieß auf der Straße zwischen Gehspitze und Forsthaus Mitteldick auf ein Land- suhrwcrk, so daß sämtliche Insassen aus dem Auto- mobil geschleudert und schwer verletzt wurden. Es sind dies eine Dame aus New-Jork, die erst seit einigen Tagen in Deutschland weilt, ein Chauffeur und der Mechaniker Hartwann. Der Fuhrmann des Lastwagens leistete keine Hilfe. Erst als nach 23 Stunden einige Radfahrer an der Unfallstelle vorüber­kamen, wurde den zum Teil schwer Verletzten Hilfe zu teil. Das Automobil ist bei dem heftigen Anprall mit dem Lastwagen in Trümmer gegangen.

Hanau, 19. Mai. Großen Diebstählen ist man im hiesigen Warenhaus Wronker auf die Spur gekommen. Sie hatten die Verhaftung einer 33jähr. Verkäuferin zur Folge.

Der Springwurmwickler, ein seit einer Reihe von Jahren nicht beobachteter Rebenfeind, tritt in