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Der «nztäler.
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Neuenbürg, Samstag den 30. April 1904.
62. Jahrgang.
Run-schau
Der Reichstag ist in dieser Woche wieder an eine wichtige gesetzgeberische Arbeit herangetreten, nämlich an die Erörterung der Novelle zum Börsengesetz. Am Dienstag begann der Reichstag die erstmalige Beratung dieser Vorlage und setzte sie auch im Laufe der Mittwochsdebatte fort. Im ersten Teile dieser Sitzung befaßte sich indessen das Haus mit Wahlprüfungen, wobei die Wahlen der Abgeordneten Fürst Bismarck (fraktionslos) und Blume», thal (südd. Volksp.) eine längere Diskussion hervor- riefeu. Schließlich erklärte das Haus die Wahl Bismarcks mit erheblicher Stimmenmehrheit für gültig, diejenige Blumenthals für ungültig: auch die Wahl des sozialdemokratischen Abgeordneten Braun in Frankfurt a. O.-Lebus wurde für ungültig erklärt. Bei der alsdann fortgesetzten Beratung der Börsen- gesetznovelle entwickelte der Sozialdemokrat Schmidt- Berlin seine Ansichten über Kapitalismus und Börse, während der Zentrumsabgeordnete Burlage unverhohlen seine Bedenken gegen die jetzige Börsennovelle äußerte, die der preußische Handelsminister Möller zu zerstreuen suchte. Am Donnerstag setzte das Haus diese Debatte noch fort.
Im preußischen Abgeordnetenhaus hat die längst erwartete große Aktion ihren Anfang genommen, die Beratung der neuen wasserwirtschaftlichen Vorlagen, in deren Erörterung das Haus am Donnerstag eingetreten ist. Wahrscheinlich werden sämtliche Vorlagen nach Beendigung der Generaldebatte an eine einzige Kommission verwiesen werden, die dann während der Sommervertagung des Plenums die Vorlagen durchzuarbeiten hätte, lieber das Schick- sal derselben läßt sich einstweilen durchaus nichts bestimmtes sagen, doch scheint die eigentliche Kanalvorlage, der Gesetzentwurf über den Kanal Rhein- Hannover schon jetzt auf Schwierigkeiten bei der Rechten und beim Zentrum zu stoßen.
Die drei Millionen Mark zur Förderung der Wohlfahrt der Eisenbahnbeamten, die die preußische Regierung auf Geheiß des Kaisers vom Abgeordnetevhause fordern soll, sind, wie jetzt bekannt wird, zur staatlichen Förderung der von dem „Verbände der Bezirksvereine der Staatseisenbahnbediensteten" geplanten Krankenzuschußkasse bestimmt.
Der Führer des nach Deutsch-Südwestafrika zur Bekämpfung des Herero-Aufstandes entsandten Marineexpeditionskorps, Oberst Dürr, ist nach Deutschland zurückgekehrt. Angeblich sieht er sich durch ein Herzleiden zu diesem Schritte genötigt, aufgetauchte Gerüchte wollen indessen wissen, un- überbrückbare Meinungsverschiedenheiten mit dem Gouverneur Obersten Leutwein bildeten die eigent- liche Ursache für die vorzeitige Heimkehr des Obersten Dürr. Der bisher nicht sehr günstige Verlauf der Operationen gegen die rebellischen Hereros ist aller- dings nur geeignet, diesen Gerüchten Vorschub zu leisten. Uebrigens heißt es, auch Oberst Leutwein habe seine Demission als Truppenführer angeboten, an maßgebender Berliner Stelle erwäge man daher die Ernennung des Generalleutnants v. Trotha zum Oberbefehlshaber der noch weiterhin zu verstärkenden deutschen Streitkräfte in Südwestafrika. Ziemlich bedenklich steht es mit dem Gesundheitszustände der Kolonne Glasenapp aus, von welcher nach einer Privaten Meldung aus Otjihaenea augenblicklich 44 Mann am Typhus darniederliegen.
In Deutsch-Südwestafrika ist ein Konsortium m der Bildung begriffen, das die Errichtung eines Pferdezuchtunternehmens im großen Stile plant, und zwar gestützt auf die günstigen Erfahrungen, die die Schaferei-Genossenschaft im Süden des deutschen Gebiets mit der vor einigen Jahren eingeführten Angoraziegenzucht gemacht hat. Der augenblickliche Pferdemangel im Ausstandsgebiet, bemerkt die Nationalzeitung hierzu, durch den unsere Operationen außerordentlich erschwert werden, zeigt klar, welche Dienste
uns in Südwestafrika eine stärkere einheitliche Pferde- zucht leisten könnte.
Der Besuch des Präsidenten Loubet in Rom hat zweifellos einen glänzenden und eindrucksvollen Verlauf genommen, so daß das Ereignis aller- dings als eine Besiegelung des wiederhergestellten freundschaftlichen Einvernehmens zwischen Frankreich und Italien betrachtet werden darf. Dies ist nicht zum wenigsten in den wiederholt zwischen König Viktor Emanuel und Hrn. Loubet gewechselten Trinksprüchen hervorgetreten, wobei indessen hervorgehoben werden muß, daß diese beiderseitigen Kundgebungen einen fast ostentativ friedlichen Charakter trugen. Zu der auf manchen Seiten erwarteten Zusammenkunft Kaiser Wilhelms mit dem Präsidenten Loubet auf italienischem Boden ist es nicht gekommen, dazu hätten allerdings auch die Reisedispositionen des Kaisers eigens geändert weröen müssen.
Die öffentliche Meinung in Frankreich beschäftigt sich zur Zeit vorwiegend mit dem Abschluß einer russischen Anleihe von 200 Will. Rubel und zwar auf Grund von Schatzscheinen, welche die russische Regierung auf 3 Jahre ausgibt und mit 5°/o verzinst. Der Zinsfuß, der mit der Provision, die auch noch die Banken erhalten, nahezu 5^/t°/» ausmacht, ist natürlich einigermaßen verlockend. Aber auch die drei Jahre werden vergehen und dann mögen sich die französischen Kapitalisten auf einige Verluste gefaßt machen; denn diese Schatzscheine müssen einmal in eine nieder verzinsliche Rente umgewandelt werden.
Der Extrablatt-Schwindel blüht wieder in Berlin. 12 000 Russen getötet, so lautet der Inhalt des Schwindel-Extrablattes, welches dieser Tage im Zentrum und Norden Berlins vertrieben wurde. Die Extrablatt-Schwindler verstehen ihr Geschäft, was die Tatsache beweist, daß sie je nach der Stadtgegend den Japanern oder Russen Niederlagen beibringen. Leider finden die Extrablatt-Verkäufer unter denen, die nicht alle werden, so zahlreiche Abnehmer, daß das Geschäft noch immer als lohnend bezeichnet werden kann.
Berlin, 28. April. Der frühere Heilgehilfe Hugo Walter, gebürtig aus Bischofswerda i. S., wurde heute nach dreitägiger Verhandlung von den Geschworenen schuldig gesprochen, seine Ehefrau auf der Dallgower Feldmark bei Berlin im September 1903 ermordet zu haben. Er wurde zum Tode verurteilt.
Berlin, 29. April. In einem Anfall von Geistesstörung stürzte sich heute der Schneidermeister Jahnke mit seinem 7 Monate alten Sohn aus einem Fenster seiner im dritten Stockwerk in der Elsässer Straße belegenen Wohnung. Das Kind war sofort tot; der Vater ist tödlich verletzt.
Hannover, 29. April. Der Kaiser hat das gegen den Füsilier Jakubowski vom Oberkriegsgericht wegen Ermordung einer Haushälterin gefällte Todesurteil bestätigt.
Landau (Pfalz), 27. April. Wiederum hatte sich die hies. Strafkammer mit Weinfälschungen zu beschäftigen. Der Weinhändler August Stenner von Rülzheim war angeklagt, daß er Chemikalien, die zur Bereitung von Kunstwein dienen, in ganz bedeutenden Mengen bezogen und verwendet habe. Den auf diese Weise hergestellten Kunstwein setzte der Angeklagte zu durchschnittlich 250 -/A für 1000 Liter ab. Der Angeklagte wurde zu einer Geldstrafe von 300 und den sehr bedeutenden Kosten verurteilt. Bei der Strafkammer sind zur Zeit noch mehrere Weinfälschungsprozesse anhängig.
Nürnberg, 27. April. Zwei Realschüler hatten am Dienstag eine Schulstrafe zu verbüßen. Kurz gegen 6 Uhr fand man den einen, der eine Sublimatlösung verschluckt hatte, tot vor, während der andere, welcher das Gift im Munde behalten hätte, gerettet werden konnte.
Köln, 28. April. Gestern äoend brach in dem
erst vor einigen Jahren erbauten Hirsch'schen Warenhause in der Severinstraße ein Schadenfeuer aus, welches so rasch um sich griff, daß binnen kurzem die im Keller, im Erdgeschoß und im ersten Stockwerk aufgestapelten, leicht brennbaren Waren und Stoffe zum größten Teil den Flammen zum Opfer fielen. Die Angestellten des Warenhauses vermochten sich noch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Die in Gefahr schwebenden Bewohner des zweiten Stockwerkes, eine Anzahl Frauen und Kinder, wurden durch beherzte Männer gerettet.
Von der Bergstraße, 26. April. Hier macht man, wenigstens an einzelnen Orten, die unangenehme Wahrnehmung, daß die Zwetschgenblüte nicht ansetzt, sondern abfällt, sogar schon vor dem völligen Aufblühen. Dasselbe ist der Fall bei den türkischen Kirschen. Es scheint, daß bei der so rasch und unvermittelt eintretenden warmen Witterung die Wurzeln der Bäume ihre neuen Triebe noch nicht gemacht hatten und jetzt nicht imstande sind, die reichlich vorhandenen Blühten zu ernähren, so daß dieselben absterben. Die Pflaumen, Aprikosen und Pfirsiche haben sehr reiche Früchte angesetzt. Jetzt beginnt die Apfelblüte und damit die zweite Periode Bergsträßler Frühlingsschönheit. Von Naturfreunden war die Bergstraße die ganze Woche hindurch sehr stark besucht.
Die jüngst in Babenhausen verstorbene Privatere Karoline Müller hat dem dortiaen Krankenhaus 8000 -/A, der ambulanten Krankenpflege 4000 ^ und den Armen 300 letztwillig Übermacht.
Großwardein, 28. April. In der Gegend von Belenyes ist aus unbekannter Ursache ein großer Waldbrand entstanden, der sich auf 2000 Joch ausdehnte.
Budapest, 28. April. In der Ortschaft Babai im Komitat Neutra brach in der vergangenen Nacht ein Feuer aus, welchem zahlreiche Gebäude zum Opfer fielen. In den Häusern wurden elf verkohlte Leichen gefunden.
Witebsk, 27. April. Gestern nachmittag brach hier ein Feuer aus, das erst ist der Nacht lokalisiert werden konnte. 177 Häuser des meist von der ärmeren Klasse der Bevölkerung bewohnten Stadtviertels brannten nieder. Der Verlust beträgt über eine halbe Millon Rubel. Viele Abgebrannte kampieren unter freiem Himmel.
Die Weltausstellung bleibt Sonntags geschlossen. Die Leitung der Weltausstellung in St. Louis veröffentlicht folgende Mitteilung: „Das Gesetz, durch welches der Kongreß 5000000 Dollar für die Aufstellung besteuerte, bestimmt, daß die Weltausstellung Sonntags geschlossen bleiben muß. Es werden deshalb Sonntags nur Personen, die dort angestellt sind, gegen Vorzeigung ihrer Pässe zugelassen werden.
Der russisch-japanische Krieg.
In die langweiligen Vorgänge auf dem ost- asiatischen Kriegsschauplätze haben die Russen eine kleine Abwechslung gebracht. Das russische Kreuzergeschwader unter Kontreadmiral Jessen ist unvermutet an der ostkoreanischen Küste erschienen und hat durch seine Hochseetorpedoboote einen japanischen Handelsdampfer bei Gensan in den Grund bohren lassen. Am Halu haben wiederum Plänkeleien zwischen den russischen und den japanischen Vortruppen stattgefunden, bei denen die Japaner den kürzeren gezogen haben sollen. Die Kriegsereignisse zeigen als charakteristischen Zug die immer enger werdende Fühlung zwischen den beiderseitigen Vorposten am Ualu, doch ist weder die Stärke der sich gegenüberstehenden Truppen noch ihre Verteilung mit Sicherheit zu beurteilen. Port Arthur hält sich noch immer, obwohl die russischen Flottenstreitkräfte daselbst erheblich geschwächt sind. Mit unwiderlegbarer Klarheit hat sich bei den bisherigen Seekämpfen zwischen Russen und Japanern gezeigt, daß die Entscheidung