Zweites
Zweites
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Neuenbürg, Mittwoch den 27. April 1904.
62. Jahrgang.
Aus Stadt, Bezirk; uns Umgebung.
Herrenalb, 25. April. Vom 1. Mm d. I. ab wird die Gültigkeitsdauer der Rückfahrkarten auf der Albtalbahn (Karlsruhe—Ettlingen—Herrenalb und Ettlingen—Ittersbach—Pforzheim) von 3 auf 10 Tage erhöht.
Calw, 24. April. Im Gasthof zum Hirsch und Lamm in Hirsau wurde heute nachm, eine Versammlung gehalten, bei der Betriebsinspektor Dr. Supper von Calw die Grundsätze der Deutschen Partei und ihre Stellung zu den anderen politischen Parteien darlegte. Nachdem noch weitere Redner die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der nationalgesinnten Bürger betont hatten, bildete sich eine Ortsgruppe der Deutschen Partei, der sofort eine stattliche Anzahl von Mitgliedern beitraten. Der neue Verein wählte zu seinem Vorstand Schullehrer Götz in Hirsau und zum Kassier und Schriftführer Sägwerk- besitzer Wagner in Ernstmühl.
Calw, 25. April. In der Straßenreinigung wird in diesem Jahr eine wirksame und schon längst gewünschte Neuerung eingeführt werden. Um den unangenehmen Staub der Straßen Niederschlagen zu können, hat die Stadt einen Straßensprengwagen von der Firma Weygandt und Klein in Feuerbach angeschafft. Die Brauseeinrichtung ist verstellbar von 3 auf 7 Meter Breite, so daß die Brausen in engen und weiten Straßen zur Anwendung kommen können.
Bad Teinach, 22. April. In den letzten Tagen ging von hier nach Hamburg an die Hauptsammelstelle der freiwilligen Krankenpflege für Deutsch- Südwestafrika ein Eisenbahnwagen mit 5000 Krügen Teinacher Hirsch quelle ab, die der Besitzer des Mineralbrunnens und des Badhotels Teinach, Emil Boßhardt, der Sammelstelle in Stuttgart unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte.
** Pforzheim, 26. April. Während es jetzt zwischen den Mitgliedern des ärztlichen Vereins für die Oberamtsbezirke Maulbronn und Vaihingen und den Vorständen der Ortskrankenkasse Dürrmenz- Mühlacker und der Bezirkskrankenkasse Maulbronn zum offenen Kampf gekommen, da die Aerzte ihre Tätigkeit für diese beiden Kassen eingestellt haben, zeigt der Jahresbericht der Pforzheimer Ortskrankenkasse, wie ein verträglicher Zustand auch in der Zeit des Streites aufrecht erhalten werden kann. Die Ortskrankenkasse hat seit ihrem Bestehen für die erwerbsunfähig Kranken freie Arztwahl, für die erwerbsunfähig Erkrankten das Ambulatorium mit täglich zweimaliger Sprechstunde, in dem die Aerzte abwechseln.
Kriiulei« Hartvnburg.
Kriminal-Roman von Rudolf Wustrow.
- (Nachdruck verboten.)
Es War ein finsterer Herbstabend. Kalt strich der Wind durch die Straßen der großen Stadt, und dunkle Wolken, aus denen zeitweilig ein feiner Regen herniederrieselte, zog am Himmel dahin.
In den langen Reihen der hohen Häuser war es still geworden, nur hie und da ertönte das Rollen eines Wagens oder der Schritt vereinzelter Personen, die in ihr Heim zurückkehrten.
In der longgedehnten Severistraße kam eine ältere Frau daher. Beim Scheine einer Gaslaterne blickte sie auf ihre Taschenuhr. „Dreiviertel elf!" sagte sie für sich. „Auguste wird Wohl schon zu Hause sein!"
An einem stattlichen Hause angelangt, blickte sie empor. Als sie im ersten Stock noch Licht sah, murmelte sie: „Und Fräulein Schmidt ist auch noch auf?" Sie zog einen Hausschlüssel hervor und öffnete die schwere Tür.
In diesem Augenblicke eilte ein junges Mädchen, das von der anderen Seite der Straße kam, auf die Tür zu.
„Bitte lassen Sie offen!" rief sie.
„Ach Sie sind es, Auguste?" fragte die ältere Frau.
„Entschuldigen Sie nur, Frau Mischke," sagte
Die Aerzte werden für Besuche im Krankenhaus nach Einzelleistungen bezahlt und haben für Nachtbesuche eine neuerdings erhöhte Taxe. Außerdem haben sich beide Teile über ein Schiedsgericht in zweifelhaften Fällen geeinigt, so daß ein Streik wohl ausgeschlossen ist. Bei beiderseitig gutem Willen läßt sich viel erreichen.
Pforzheim, 26. April. Schon sind 3 Wochen verflossen, seit der Fabrikant Josef Rothschild vermißt wird. Sein Vater hat die Belohnung für Auskunft über denselben auf 200 erhöht.
Pforzheim, 26. April. Seit Anfang dieser Woche bietet der renommierte Zirkus Lorch dem vergnügungslustigen Publikum viel Unterhaltung. Derselbe weiß durch seine hervorragenden gymnastischen und equilibristischen Vorführungen seinen alten Ruf aufrecht zu erhalten.
Vei-mischies.
Der Kriegerverein in Biebrich beabsichtigt, den 100 jährigen früheren Unteroffizier und jetzigen Landwirt Becht in Delkenheim zu der Kaiserfeier gelegentlich der Einweihung der neuen Eisenbahn-Rhcinbrücke bei Mainz am 1. Mai einzuladen und von seiner Wohnung abzuholen. Der alte Veteran hat nämlich wiederholt den Wunsch geäußert, dem Kaiser Persönlich seinen Dank abzustatten für die reichen Geschenke, welche ihm seitens des Monarchen zu seinem hundertsten Geburtstage zu teil geworden sind.
Vor einigen Tagen wurde die Arbeitersfrau Prüfer in Ostern bürg in Oldenburg vor Gericht geladen und hier wurde ihr mitgeteilt, daß ihr eine Erbschaft von zunächst zwei Millionen Mark in Koblenz zugefallen sei. Die völlig überraschte Frau begab sich einige Tage darauf in Begleitung eines Rechtsanwalts nach Koblenz und fand hier die Aussagen der Gerichtsbeamten bestätigt. Es war kürzlich ein zehnfacher Millionär gestorben, der unter anderem auch Frau Prüfer als Erbin eingesetzt hatte. Insgesamt teilten sich fünf Personen in die Erbschaft. Außer den zwei Millionen für jeden Erben gelangen auch noch die Einkünfte aus den zahlreichen Gütern des Erblassers zur Verteilung. Frau Prüfer, die jetzt in der Mitte der fünfziger Jahre steht, war als Mädchen in Koblenz in Stellung gewesen und hatte dort den Erblasser kennen gelernt, der damals als Buchhalter angestellt war. Sie traten in näheren Verkehr, trennten sich jedoch. Später wurde der Buchhalter durch eine Erbschaft zum Millionär. Er blieb unverheiratet. Die nun so unvermutet mit Schätzen bedachte Frau Prüfer soll sich verhältnismäßig sehr gleichmütig in ihr goldenes Schicksal fügen.
ihr Dienstmädchen, „ich habe mich bei meiner Mutter etwas verspätet.
„Schon gut!" erwiderte Frau Mischke ruhig, indem sie die Haustüre schloß. „Aber ein andermal seien Sie Pünktlicher!"
Beide stiegen nun die dunkle Treppe empor. Im ersten Stock schloß das Dienstmädchen die Korridortüre auf, und beide traten ein.
„Die Fenster bei Frau Oehler sind doch geschlossen?" fragte die Hausfrau, nachdem sie mit dem Mädchen in die Küche getreten war.
„Jawohl!" erwiderte das Dienstmädchen.
„Gut, öffnen Sie morgen die Fenster, damit Frau Oehler, wenn sie übermorgen zurückkommt, gute Luft vorfindet. Fräulein Schmidt ist noch aus, fragen Sie sie doch, ob sie noch etwas wünscht! Vielleicht ist sie unwohl?"
Auguste klopfte nun an einem Zimmer, das am Ende der geräumigen und eleganten Wohnung lag. Drinnen blieb alles still. Auguste klopfte stärker, aber nichts regte sich.
Ein Blick durchs Schlüsselloch zeigte dem Mädchen, daß noch Licht brannte.
Nach weiterem starken Klopfen kehrte sie zu ihrer Herrin zurück.
„Fräulein Schmidt antwortet gar nicht," sagte sie.
„Es wird ihr doch nichts zugestoßen sein?" er- widerte Frau Mischke, und ging nun, um selbst zu klopfen.
Da auch jetzt alles still blieb, traten die beiden ein.
Das japanische und russische Schifss- material auf dem Kriegsschauplätze wird im Aprilheft der „Flotte" (Monatsblatt des deutschen Flotten- Vereins, zu beziehen durch die Post und alle Buch- Handlungen zum Jahrespreise von 2 Einzelheft 20 einer eingehenden kritischen Würdigung unterzogen, die zu dem Ergebnis kommt, daß die japanische Flotte nach der Beschaffung ihrer Schiffe und infolge der Einheitlichkeit ihrer Verbände der russischen von vornherein überlegen war. Daraus folgert für uns, daß wir auf dem richtigen Weg find, wenn wir streng an dem Grundsatz der Schaffung einheitlicher Geschwader festhalten, allerdings unter der Voraussetzung, daß wir dabei den Anforderungen an modernstes Kriegsschiffsmaterial in jeder Beziehung gerecht werden. Neben zwei populär geschriebenen technischen Aufsätzen über die „Elektrizität in der Kriegs- und Handelsflotte", sowie die „Schiffsbaufakultäten an unseren technischen Hochschulen" ist auch das Aprilheft der „Flotte" in Wort und Bild hauptsächlich den Vorgängen in Ostasien gewidmet; sehr flott ge- schrieben und hübsch illustriert ist die Skizze: „Wie Rußlands Seeleute den Amur für ihr Vaterland erwarben!" Ebenso verdienen Erwähnung „Reisebriefe aus dem Land der ausgehenden Sonne", aus der Feder eines deutschen Ingenieurs, der auf einer Weltreise mehrere Monate in Japan geweilt und dort mit guter Auffassungsgabe sehr viel gesehen und beobachtet hat.
Ein heftiges Kriegsfieber hat, wie aus Moskau geschrieben wird, die dortige Schuljugend ergriffen. In vielen hundert Fällen haben sich Schüler mit Waffen versehen und sich heimlich nach dem Kriegsschauplätze aufgemacht. Drei Brüder wurden in der vergangenen Woche in Tscheljabinsk in einem nach Sibirien gehenden Frachtwagen ver- steckt aufgefunden. Sie hatten den Weg von Tam- boff zu Fuß zurückgelegt. Ein 11 jähriger Knabe war auf ein Getreideschiff geraten, in der Voraussetzung, daß es ein für Port Arthur bestimmtes Kriegsschiff sei. Da er bis zu dieser Zeit noch nie in einer Hafenstadt gewesen war, konnte er sich nur vorstellen, daß ein so großes Schiff dem Zaren gehören müsse. Am letzten Sonntag fand man in einem Walde bei Trier einen Knaben, der an Gesicht und Händen tiefe Brandwunden hatte. Auf Befragen erklärte er, daß alle Schüler seines Gymnasiums sich freiwillig Schmerzen auferlegten, um sich „der großen Helden des Krieges würdig zu zeigen." Einige der Knaben haben sich jedoch im letzten Augenblicke feige zurückgezogen, worauf ihre Schulgenossen sie furchtbar verprügelten. Einem der
Das elegant möblierte Zimmer war von einer großen Hängelampe hell erleuchtet.
Auf einem Lehnstuhle saß die Mieterin der Frau Mischke scheinbar schlafend.
Die Wirtin und ihr Mädchen traten an sic Hera».
Fast im selben Moment schreien beide laut auf.
„Hilfe! Hilfe!" ertönte die gellende Stimme des Mädchens, das zur Tür hinauslief. An allen Gliedern zitternd folgte ihre Herrin.
Beide eilten mit der Geberde des Entsetzens ins Wohnzimmer.
Das Mädchen bekam einen Weinkrampf und Frau Mischke konnte vor Schreck kein Wort reden.
Endlich faßte sie sich. „Wir wollen auf die Treppe gehen, Auguste!" sagte sie.
Unter Aeußerung höchster Furcht schritten sie mit Lichtern in den Händen über den Korridor und traten auf die Treppe hinaus.
Inzwischen war es im Hause lebendig geworden, die wiederholten Hilferufe hatten die Einwohner auf- geschreckt. Herrschaften und Dienstmädchen ver- sammelten sich auf der Treppe.
„Was ist denn geschehen?" fragte man Frau Mischke, als diese totenbleich in das Treppenhaus trat.
„Es ist entsetzlich!" stammelte die erschrockene Frau, „Fräulein Schmidt, meine Mieterin ist — ermordet worden!"
„Ermordet!" das Wort versteinerte die Anwesenden auf einige Augenblicke.
Endlich verlangte man genaueren Bericht, und Frau Mischke und ihr zitterndes Dienstmädchen er-