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^ 51.
Neuenbürg, Mittwoch den 30. März 1904.
62. Jahrgang.
RunSschau.
Die in Neapel zwischen Kaiser Wilhelm und König Viktor Emanuel III. an Bord der „Hohenzollern" gewechselten überaus herzlichen Trinksprüche haben sich zu einer bedeutsamen politischen Demonstration gestaltet. Klar und deutlich haben die verbündeten Monarchen in diesen ihren Kund- gedungen den unerschütterlichen Fortbestand des Dreibundes und zugleich den Charakter desselben als eines festen Friedensbollwerkes für Europa erneut betont, und diese abermalige Feststellung kann gerade in der gegenwärtigen Zeitperiode, in welcher sich in Europa abermals eine gewisse politische Unsicherheit und Beunruhigung geltend macht, nicht hoch genug geschätzt werden Im übrigen hat die Monarchen- begegnung von Neapel wiederum die innige persönliche Freundschaft, welche Kaiser Wilhelm und König Viktor Emanuel verbindet, durch den gesamten Verlauf der Entrevue genugsam hervortreten lassen, namentlich durch den herzlichen Verkehr der beiden erlauchten Fürsten miteinander vor der Oeffentlichkeit.
Neapel, 29. März. Der deutsche Kaiser ist heute vormittag an Bord der „Hohenzollern", die von dem „Friedrich Karl" begleitet war, unter Geschützdonner der Schiffe und den Hurrarufen der Besatzung nach Gasta abgefahren. An Bord der „Hohenzollern" befindet sich Generalkonsul Rekowski.
Gasta, 29. März. Um 11 Uhr vormittags traf die „Hohenzollern" nach schöner Fahrt unter dem Salut der Geschütze hier ein. Eine Viertelstunde später kam die Königin Margherita hier an Land und wurde von den Behörden empfangen und von der zahlreich herbeigeströmten Menge freudig begrüßt. Beim Einlaufen in den Hasen war die „Hohenzollern" vom Mittelmeergeschwader begleitet. Die Königin Margherita schiffte sich an Bord des Panzers „Re Umberto" ein. Alsbald stattete der Kaiser der Königin. Mutter einen Besuch ab auf dem Panzer „Re Umberto". Der Kaiser geleitete dann die Königin-Mutter zur „Hohenzollern", wo ein Diner stattfand. Die kleine Festungsstadt ist mit Fahnen in deutschen und italienischen Farben geschmückt. Ueber den weiteren Verlauf der Kaiser- reise wird dem „Berl. Lokalanz." gemeldet, daß der Kaiser Malta, Catania, Messina. Brindisi und Bari besuchen und dann nach Abbazia reisen werde wo ein zweitägiger Aufenthalt vorgesehen ist und wo Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef Zusammentreffen werden. Am 2. Mai d. I. wird die Rückkehr des Kaisers erfolgen. Inzwischen sind die Prinzen Eitel Friedrich, August Wilhelm und Oskar in strengstem Inkognito nach Neapel abgereist, um dort an Bord der „Hohenzollern" zu gehen und gemeinsam mit ihrem kaiserlichen Vater das Osterfest zu verleben.
Paris, 28. März. Die nationalistische „Patrie" läßt sich aus Rom melden: In hiesigen französischen und franzosenfreundlichen Kreisen hat die Ver- herrltchung des Dreibundes durch den Trinkspruch König Viktor Emanuels ein Gefühl der Verblüffung hervorgerufen. Nach allgemeiner Ansicht ist damit me Reise des Herrn Loubet zu einem bloßen Höflichkeitsbesuch herabgeschraubt worden, der keine politische Tragweite mehr haben kann. Man fügt hinzu, daß m der französischen Gesandtschaft offenbare Verlegenheit herrscht, denn anscheinend hat niemand einen Austausch von Trinksprüchen erwartet, der so imzweldeutig die Festigkeit des Dreibundes und den Wunsch Italien? kundgcben würde, recht laut seine noch verstärkte Anhänglichkeit an den geschlossenen Vertrag trotz des nahen Besuchs des französt chm Präsidenten auszusprechen.
Berlin, 29 März. Nach einem Telegramm des Gouverneurs Leutwein von gestern hat Major v. GlasenaPP am 24. März aus Onjatu gemeldet, daß der Gegner von Owikokorero auf Okatumba mit größeren Trupps und auch auf Okatjongrama ab
gezogen sei. Owikokorero ist durch Major von GlasenaPP besetzt worden.
Jesuitengesetz. Ein Landesgesetz gegen die Zulassung der Jesuiten wird, wie die „Koburg. Ztg " erfährt, im nächsten gemeinschaftlichen Landtag der Herzogtümer Koburg und Gotha verlangt werden.
Die englische Tibetexpedition läßt nach längerer Pause wieder etwas von sich hören. General Macdonald ist mit der fliegenden Kolonne, welche die Expedition abdetachiert hat, in Phari eingetroffen Das Wetter während des Marsches der Kolonne war schön: indessen erwies es sich als eine sehr schwierige Sache, die Maultiere über die eisbedeckten Straßen zu bringen.
Mukden, 29. März. Großfürst Boris Wladi- mirowitsch ist heute hier eingetroffen.
In Roubaix, einem der Hauptsitze der nordfranzösischen Textilindustrie, ist ein großer Arbeiter- ausstand ausgebrochen, als dessen Ursache die bevorstehende Einführung des zehnstündigen Arbeitstages bezeichnet wird. Bis Samstag abend betrug die Zahl der freiwillig Streikenden 1630, weitere 2100 Arbeiter müssen die Arbeit infolge des gänzlichen oder teilweisen Stillstehens der Spinnereien, Webereien usw. notgedrungen einstellen. Da Unruhen in Roubaix befürchtet werden, so ist daselbst Militär zur Aufrechterhallung der Ordnung eingetroffen.
Roubaix, 29. März. Die Zahl der Ausständigen ist heute morgen stark angewachsen. Während gestern nur in 40 Fabriken die Arbeit eingestellt war, sind es heute schon 65. Gegen 4000 Aus- ständige, die bisher gezählt wurden, feiern heute 15 000.
Württemberg.
Stuttgart, 27. März. Seine Majestät der König nahm heute vormittag die regelmäßigen Vorträge und Meldungen entgegen und besuchte sodann mit Ihrer Majestät der Königin den Gottesdienst in der Schloßkirche. Nachher empfing Seine Majestät den Stadtschultheißen Dr. Göbel von Heilbronn in Audienz.
An Stelle des bekanntlich zum Hofkammerpräsidenten ernannten Präsid. v. Geßler ist Regierungs, direktor v. Haag zum Ministerialdirektor im Mini- sterium und zum Vorstand der Oberregierung, ferner Ministerialrat Seitz zum Vortragenden Rat und Oberamtmann Friedei von Oehringen zum Mini- sterialassessor mit der Dienststellung eines Regierungsrats ernannt worden.
Zur Wiederaufnahme der Verfassungs- revision in Württemberg. Der von dem Abgeordneten v. Geß erstattete Bericht für die zur Vorbereitung der Wiederaufnahme der Verfassungs» revision zusammengetretenen Delegierten der Fraktionen der Abgeordnetenkammer nimmt in der Hauptsache die Beschlüsse der zweiten Kammer zum Verfassungsentwurf von 1897 zur Grundlage; nur bezüglich der Kreiswahlen geht sein Antrag dahin, im Falle der Wiederaufnahme der Verfassungsrevision und im Falle der Annahme des Listenverhältniswahlsystems für die Kreiswahlen, die von der ersten Kammer seinerzeit gefaßten Beschlüsse dem neuen Entwurf zu Grunde zu legen. Der Berichterstatter ist dabei der Ansicht, daß die Revision der ganzen Verfassung einstweilen zurückgestellt werden sollte und jetzt nur eine Revision des Kapitels IX der Verfassung, insbesondere bezüglich der Zusammensetzung der Stände- Versammlung zu erledigen sei. Namentlich müsse dabei eine Ausscheidung der Privilegierten aus der zweiten Kammer und eine Umgestaltung der ersten Kammer in Frage kommen. Das Zweikammersystem werde auch dem neuen Entwurf zu Grunde zu legen sein. Für die zweite Kammer dürfte die Zahl von 93 Mitgliedern beizubehalten sein und auch die Wahl der Abgeordneten, welche die ausscheidenden 23 Privilegierten zu ersetzen haben, werde auf Grund des direkten allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts zu geschehen haben. Dem Wunsche des
Zentrums, das von demselben befürwortete Propor- tionalwahlsystem auf die Wahl der an die Stelle der Privilegierten der zweiten Kammer tretenden Abgeordneten anzuwcnden, ist schon in den früheren Verhandlungen entsprochen worden und hinsichtlich des Budgetrechts der ersten Kammer hat die zweite Kammer damals den von einem Zentrumsmitglied gemachten Vorschlag akzeptiert. Die konfessionellen Verhältnisse aber, aus denen das Zentrum früher Bedenken her geleitet hat, könnten doch Wohl bei der Reform der Verfassung nicht entscheidend sein. Es dürfte hiernach die Hoffnung berechtigt sein, daß nach so vielen vergeblichen Versuchen die Berfassungsfrage endlich gelöst wird.
Stuttgart, 25. März. Der Kgl. bayerische Verkehrsminister Ritter v. Frauendorfer hat im Lauf des gestrigen Vormittags dem Staatsminister der auswärtigen Angelegenheiten, Freiherr v Soden, einen Besuch abgestattet, worauf bei diesem zu Ehren des Besuchs ein Frühstück stattfand, an dem auch der Kgl bayerische Gesandte, Freiherr v. Pfordten, die Staatsminister, Staatsrat v. Balz, Präsident von Majer und Direktor v. Fuchs teiluahmen. Abends wurde Staatsminister v. Frauendorfer von dem König in Audienz empfangen und hierauf zur königlichen Tafel gezogen. Zwischen den beiden Verkehr sministern fand eine Anssprache über die schwebenden wichtigeren Angelegenheiten statt. Nach den von dem bayerische» Minister abgegebenen Erklärungen steht zu erwarten, daß die württembergischen Interessen bei ihm eine in jeder Beziehung entgegenkommende Würdigung finden und daß er insbesondere zur Beseitigung der Württemberg bekanntlich in besonderem Maße schädigenden Umleitungen die Hand zu bieten bereit ist.
Stuttgart, 28. März Freiherr v. Münch, der gegenwärtig in Berlin weilt, wird nächstens den württ. Gerichten wieder zu tun geben. Aus prozessalen Gründen hat das Reichsgericht das die Klage des Hrn. v. Münch gegen den württ. Fiskus abweisende Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aufgehoben und die Sache in die Berufungsinstanz zurückverwiesen. Das Reichsgericht ist nämlich davon ausgegangen, daß, nachdem die Prozeßfähigkeit des Hrn. v. Münch vom Oberlandesgericht, entgegen der Anschauung des Landgerichts, anerkannt worden war, die materielle Entscheidung dem letzteren als in erster Instanz zu überlassen gewesen wäre.
Stuttgart, 29. März. Auf Veranlassung des Juvgdeutschen Bundes wird hier am 21. April der bekannte Exjesuit Graf Hoensbroech über die Auf- Hebung des § 2 des Jesuitengesetzes sprechen.
Stuttgart, 28. März. Subdirektor Kettner, von 1898 bis 1903 natjonalliberaler Reichstagsabgeordneter für den 10. württembergischen Wahlkreis, ist im Alter von 71 Jahren in München gestorben.
Stuttgart. Eine Sammlung von Acetylen- Interessenten, die eine Gruppe der freien Vereinigung deutscher Installateure bilden, fand am Montag vormittag im Hotel Bilfinger statt. Die Versammlung, die L. Henking leitete, beschloß, an die im Mai d. I. in Kassel tagende Generalversammlung der freien Vereinigung deutscher Installateure die Bitte zu richten, sie möchte bei der Reichsregierung beantragen, daß diese den beabsichtigten Karbidzoll von 4 per 100 Kilogramm dem Reichstag nicht vorlegt; sollte dies schon geschehen sein, so möchte an den Reichstag eine Petition um Ablehnung des Zolles gerichtet werden. Weiter sprach die Versammlung den Wunsch aus, daß eine staatliche Kommission zur Prüfung der Acetylenapparate eingesetzt. werden möchte.
Heilbr 0 nn, 28. März. Das heute nachmittag 5 Uhr verkündigte Urteil im Prozeß gegen Otto und Kaiser lautet: Kaiser wird wegen Unterschlagung, eines vollendeten und eines versuchten BetrugS zu 8 Monaten und 3 Tagen Gefängnis, sowie zu zwei- jährigem Ehrverlust verurteilt, außerdem wegen un- lautereu Wettbewerbs zu 1200 ^ Geldstrafe event.