Stuttgart, 24. März. (Schwurgericht) Unter Ausschluß der Oeffentlichkeit wurde der eines Ver­brechens der versuchten Notzucht angeklagte, hier wohnhafte, vorbestrafte 32jährige verheiratete Gold- arbeiter Friedrich Müller von Engelsbrand der gewalt- samen Vornahme unzüchtiger Handlungen unter Aus­schluß mildernder Umstände schuldig gesprochen und zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr 2 Monaten verurteilt, wovon 2 Monate für Untersuchungshaft abgehen. Die Anklage vertrat Oberstaatsanwalt Herrschner, Verteidiger war Rechtsanwalt Häußler.

Tübingen, 21. März. (Strafkammer.) Die Wirte Karl Dieterich in Erkenbrechtsweiler und Ludwig Ganter in Tischardt, OA. Nürtingen, haben sich im vorigen Herbst gegen das Weingesetz und gegen das Nahrungsmittelgesetz vergangen. Dieterich hat einem Quantum von 500 Liter Wein 156 Liter Zuckerwasser und Ganter 170 Liter Wein 53 Liter Zuckerwasser beigemengt; den so vermehrten Wein brachten sie zu 60 und 70 das Liter in ihren Wirtschaften zum Verkauf. Die Angeklagten machten geltend, der Zuckerzusatz sei zur Verbesserung der Weine notwendig gewesen Der Weinfachoerständige behauptete aber das Gegenteil. Das Gericht stellte hienach fest, es haben die Angeklagten durch Zusatz von wässeriger Zuckerlösung Wein in erheblicher Menge unstatthafter Weise vermehrt, denselben als Naturwein feilgeboten und verkauft und zum Zweck der Täuschung in Handel und Verkehr verfälschte Genußmittel unter Verschweigung dieses Umstandes verkauft. Hierauf wurde gegen Dieterich neben Ein­ziehung des Weines auf 40 und gegen Ganter auf 20 ^ Geldstrafe erkannt.

Hall, 19. März. Ein seltener Fall beschäftigte gestern die hiesige Strafkammer, nämlich die Auf­forderung zur Begehung eines Verbrechens der Brandstiftung. Angeklagt war der 43 Jahre alte Bierbrauer und Krämer Heinrich Wenger von Geiferts- hofen, O.A. Gaildorf. Wenger, welcher beabsichtigte, mit seiner Familie nach Amerika auszuwandern, besaß in Sulzdorf, hiesigen Oberamts, ein Haus und eine Scheuer, welch ersteres er dieses Frühjahr verkaufte, während er die letztere nicht an den Mann bringen konnte. Da er zu der genannten Reise doch auch den Kaufpreis für die Scheuer benötigte, veranlaßte er den Taglöhner Horlacher von dort, dieselbe an­zuzünden, während er und seine Frau verreisten. Wenger hat dann am Sonntag den 21. Februar ds. Js. alles so hingerichtet, daß Horlacher nur hätte anzünöen dürfen, und händigte demselben als Abschlagszahlung 50 ^ ein. Weitere 150 ^ Ent­schädigung hätte derselbe nach Ausführung der Tat und Ausbezahlung der Versicherungssumme erhalten. Wenger reiste tatsächlich am Montag den 22. Febr. mit seiner Frau ab, worauf Horlacher Anzeige er­stattete. Als Wenger am 23. Februar abends zu rüllkehrte, erfolgte seine Festnahme. Das Urteil lautet auf 1 Jahr Gefängnis und 5 Jahre Ehrver­lust, weil, wie in der Begründung des Urteils her­vorgehoben wurde, die Handlungsweise einer gemeinen Gesinnung entsprungen war.

Heilbronn, 25. März. Der Gemeinderat be­stimmte heute im Einverständnis mit dem K. Oberamt und dem neugewählten Stadtschultheißen Dr. Göbel als Termin der Amtseinsetzung des letzteren den Samstag den 23. April, vormittags 11 Uhr. Ferner beschloß der Gemeinderat, die im Dezember freigewordene Botenhalle nunmehr dem historischen Verein ganz zu überlassen zu Zwecken des von diesem bisher dort schon untergebrachten historischen Museums.

Gaildorf, 23. März. Unsere Oberamtsstadt, der im Jahr 1404 durch Kaiser Rupprecht von der Pfalz das Stadtrecht verliehen wurde, rüstet sich, die 500 jährige Wiederkehr dieses Ereignisses in festlicher Weise zu begehen. In entgegenkommender Weise haben bereits die bürgerlichen Kollegien in ihrer gestrigen Sitzung für diesen Zweck einen Beitrag von 800 verwilligt. Auch für die Feier des 70jährigen Jubiläums des hiesigen Liederkranzes sind schon umfassende Vorbereitungen getroffen.

Kris Stadt» Bezirkt und Umgebung.

Neuenbürg, 23. März. Der hiesige Ge­ro,erbeverein hielt am letzten Samstag seine Jahresversammlung ab. Nach dem Kassenbericht gab Vorstand Gollmer eine Uebersicht über die Tätigkeit des Vereins im abgelaufenen Jahr, in welcher u. a. erwähnt ist: die Bemühung des Vereins um die Beibehaltung der Abgangzeit des letzten Abendzugs talaufwärts, desgleichen der Post- Verbindung mit Schömberg, welche von Erfolg be­gleitet waren, ferner die Stellungnahme des Vereins zu den Bestrebungen um eine Haltestelle an der Wildbader Straße, der Besuch der Gewerbeausftellung

Durlach und die Beschickung des Verbandstags der württ. Gewerbeoereine in Blaubeuren re. Es schloß sich ein möglichst ausführlicher Bericht über die Ver­handlungen des Verbandstags an, der sachlich manches Interessante bot und teilweise zur weiteren Besprechung Anlaß gab. Im Verlauf des Abends wurde von einem Mitglied angeregt, es möchten seitens des K. Oberamts die hauptsächlichsten Bestimmungen des Sonntagsruhegesetzes, so namentlich die Sonn- und Feiertage, welche im Gesetze als solche ausgenommen sind, wiederholt bekannt gegeben werden, ein Wunsch, dem von dem anwesenden Hrn. Oberamtmann be­reitwilligst Erfüllung zugesagt wurde. Des Weiteren ermahnte ein Vorstandsmitglied im Hinblick auf die mit dem 1. April 1905 in Wirksamkeit tretenden Steuergesetze die Kleingewerbetreibenden daran, daß sie im eigenen Interesse vom 1. April ds. Js. an wenigstens ein Tagbuch über alle Einnahmen und geschäftlichen Ausgaben führen mögen, da man sich nur so vor event. zu hoher Einschätzung schützen könne. Von dem Verleger des Bezirksamtsblattes wurde alsoann dazu in Aussicht gestellt, daß dem­nächst eine Artikelserie über die neue württ. Steuer­gesetzgebung in allgemein verständlicher Fassung im Enztäler" erscheinen werde, damit sich die Leser über das so bedeutsame, einschneidende Gesetz zu informieren vermögen. Vor den nun folgenden Neu­wahlen erklärte der bisherige verdiente Vorstand Fr. Gollmer, eine etwaige Wiederwahl nicht mehr annchme» zu wollen. Ein allseitiger Zuspruch und die einstimmige Wahl vermochte ihn aber schließlich zur Wiederannahme der Stelle des Vorsitzenden zu bestimmen. Ebenso einmütig wie diese Wahl erfolgte sodann die Berufung der bisherigen Vorstands- (Ausschuß)-Mitglieder, da die HH. W. Bauer, W Fieß, G. Haizmann, Dir. Loos, C Mceh, C Metzger, A. Weik in schriftlicher Abstimmung wiedergewählt wurden. Wünschen wir dem gemein­nützigen Verein ein recht ersprießliches Wirken. Dies ist allerdings nur möglich, wenn ihm die Sympathie der Behörden erhalten bleibt und ihm ein lebhafteres Interessen der Einwohnerschaft, sonderlich auch seitens der zahlreichen Vereinsmitglieder selbst zu teil wird.

Q! Gräfenhausen, 25. März Der im Gast­haus zumWaldhorn" dahier unter der erprobten Leitung der Kochlehrerin Frl. Schmidt mit zwölf Schülerinnen von hier und den übrigen Gemeinden unseres Kirchspiels abgehaltene Wanderkochkurs nahm gestern abend mit dem üblichen Schlußessen und der damit verbundenen Schlußprüfung sein Ende. Das ausgezeichnete Mahl und die hocherfreulichen Prüfungs- ergebnifse mußten gewiß alle Anwesenden davon über­zeugen, daß es Frl. Schmidt meisterhaft versteht, die Ideen des württemb. Fiauenvercins zu verwirklichen, ihren Schülerinnen in verhältnismäßig kurzer Zeit dazu zu verhelfen, daß sie mit wenig Mitteln eine einfache und doch schmackhafte bürgerliche Kost herzu - stellen im Stande sind. Den Gefühlen des Dankes für die gewiß allerorts segensreich wirkende Einrichtung des württemb. Frauenvereins, die auch unseren land­wirtschaftlichen Bezirksvereinsausschuß zum eifrigen Förderer hat, gab Herr Schultheiß Kircher beredten Ausdruck. Möge der von Herrn Oberamtspfleger Kübler ausgesprochene Wunsch sich immer mehr verwirklichen, daß das Verständnis für die volks- wirtschaftiche Bedeutung dieser Kurse immer mehr wachsen möge, damit die Verwirklichung derselben in den einzelnen Gemeinden unseres Bezirks weniger Schwierigkeiten zu überwinden habe. Wie wir er- fahren, sollen sich dem hiesigen nun mehrere Abend­kurse in der Nachbargemeinde Birkenfeld anschließen.

Pforzheim, 23. März. Während eine Kollektiv- Ausstellung der hiesigen Edelmetall-Industrie nicht zustande gekommen, haben sich doch einige hiesige Fabrikanten vereinigt, auf eigene Faust in St. Louis auszustellen. Ihre Kollektion geht heute von hier weg. Ihnen hat sich auch Herr Kunstgewerbelehrer I. Hardt mit einer Reihe fein ausgeführter Email­gemälde angereiht, die sicher mit dazu beitragen, daß das Pforzheimer Kunstgewerbe in St. Louis ge­bührend vertreten ist. Es sind reizende Arbeiten, künstlerisch elegant und technisch von großer Vollendung. Sie offenbaren einen bedeutenden Fortschritt gegen die letzte Repräsentation Pforzheimer Emailbijouterie auf amerikanischem Boden. Das gilt besonders von den kleinen Ewailminiaturen, die ganz trefflich ge­lungen sind. Auch die übrigen hiesigen Aussteller sollen recht tüchtige Leistungen bieten. Das gleiche darf auch von den Beiträgen der anderen Lehrer an der hiesigen Kunstgewerbeschule angenommen werden, welche sich an der Ausstattung der Innendekoration des badischen Kunstgewerbes beteiligen. Herr Kunst­gewerbeschuldirektor Hoffacker-Karlsruhe, welcher dem­nächst nach Amerika abreist, hatte das Arrangement

übernommen. Hierbei werden die Statuetten, Kassetten und Schränkchen mit Schmucksachen, welche von den Herren an der Kunstgewerbeschule geliefert sind, Auf­stellung finden. Es wird also Pforzheim auf der Ausstellung in St. Louis nicht ganz fehlen.

Altensteig, 23. März Der gestrige Jahrmarkt war nicht besonders stark besucht und mit Vieh nur mäßig befahren. Auswärtige Händler, besonders Liebhaber für Mastochsen von Frankfurt a. M. und Würzburg machten größere Einkäufe bei guten Preisen. Zugstiere und Milchkühe wurden ebenfalls gesucht und mit hohem Preis bezahlt. Auf dem gut be- fahrenen Schwememarkt galten Milchschweine 20 bis 28 Läufer 4070 ^ pro Paar, verhältnis­mäßig 1520 weniger als sonst. Der Umsatz war kein besonders großer. Auch die hiesigen Geschäftsleute erwarteten einen besseren Umsatz, als sie tatsächlich erzielten. '

Neuenbürg, 26. März. Dem heutigen Schweine­markt zugeführte 90 Stück Milchschweine wurden zu 1624 ^ pro Paar verkauft.

Vermischtes.

Der Tenorist Koschitz an der Moskauer Oper hat aus Schmerz über den Verlust seiner Stimme sich mit einem Rasiermesser die Kehle durchgeschnitten.

In Juarez wurde der berühmteste mexikanische Slierfechter im Stiergefecht von einem wilden Stier getötet. Er glaubte das Tier bereits getötet zu haben und wandte sich gerade dankend dem applaudierenden Publikum zu, als er unvermutet von dem Stier, der sich wieder aufgerafft hatte, einen derartigen Stoß gegen die Brust erhielt, daß er tot hinfiel.

(?or, pro, g). Zu den häufigsten, aber über- flüssigsten Fremdwörtern gehören, per, pro und ä. Der Kampf des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins gegen entbehrliche Fremdwörter ist auf dem Gebiete des Heerwesens, der Post, der Rechtspflege, der Schule und vieler anderer öffentlicher Einrichtungen höchst erfolgreich gewesen. Gegen diese kleinen, aber mächiigen Schmarozer am Baume unserer Sprache hat er bisher noch nichts ausrichten können. Im Gegenteil, sie gedeihen besser als je; denn sie werden jetzt in Bedeutungen gebraucht, in denen sie früher ganz unbekannt waren. So besonders por, das an Vieldeutigkeit alle vorhandenen Verhältniswörter übertriffi. Man reift per Bahn ( mit und auf der Bahn), fährt per Rad ( zu Rad), geht Arm ( Arm in Arm oder untergefaßt), wohnt in Kuhbach per Lahr ( bei Lahr), bezahlt 1 por Pfund ( das Pfund), sucht per 1. April ( zum 1. April) eine Wohnung, man bezahlt per Lassa ( bar), man quittiert eine Rechnung mit den schönen Worten por aoquik, verkauft nur per contant (so!) ( gegen bar), und kauft alles psr . . ., kurz man Perl unaufhörlich und so wirkungsvoll, daß das anmutige pro darüber beinahe ganz verschwindet. Wohin seid ihr geschwunden pro Tag, pro Jahr, pro Nase und pro Mann! Nur ä, das feine französische Wort, hält sich noch wacker im Kampfe mit por. Freilich tritt es unnötigerweise schon oft in Verbindung mit diesem auf; dann heißt's: por 100 Stück ä 1 -/A, oder L 100 Stück por 1 -/A, wie s trefft! Auf derElektrischen" und im Omnibus herrscht a aber noch allein. Man wird da so leicht niemanden finden, der seinen oder seine Scheine anders bestellte als mit den Worten: Eins, zwei a zehn. Daß man für ä auch zu oder je sagen kann, das scheint man allgemein vergessen zu haben.

Letzte Nachrichten u. Lelegramme.

Capri, 25. März. Der deutsche Kaiser traf um 10 Uhr hier ein. Am Staden wurde er von der Kronprinzessin von Schweden und Norwegen und von den Behörden empfangen. Darauf begab sich der Kaiser nach Anacapri und machte dann auf demSleipner" eine Rundfahrt im Golf von Neapel, vorüber an Sorrent, Castellamare u. s. w. Ueberall wurde dem Kaiser ein herzlicher und ehrerbietiger Empfang seitens der Bevölkerung zuteil.

Leipzig, 25. März. Das Leipz. Tageblatt meldet aus Marienberg (Sachsen): Bei der heutigen Reichstagsstichwahl im 20. sächsischen Wahlkreis Zschopau-Marienberg wurde Zimmermann (Ref.-P.) mit 11956 Stimmen gewählt gegen Pinkau (Soz.), der 10 982 Stimmen erhielt.

DK- Mehrere erst bei Schluß des heutigen Blattes übergebene Inserate müssen wir, Platzmangels wegen, für die nächste Nummer zurücklegen. Wir bitten wiederholt, größere Anzeigen undEinsend­ungen" doch gefl. spätestens mittags, nicht erst abends oder unmittelbar vor Ausgabe der Blätter über­geben zu wollen.