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Anzeiger für das Enzlal und Umgebung.
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Fernsprecher Nr. 4.
Neuenbürg, Mittwoch den 30. Dezember 1903.
61. Jahrgang.
Erscheint
Montag, Mittwoch, Freitag u. Samstag.
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RunSschau.
Die Weihnachtsfeier in der kaiserlichen Familie ist auch diesmal in der herkömmlichen Weise begangen worden. Sämtliche Familienmitglieder waren im Neuen Palais anwesend, mit Ausnahme des Prinzen Adalbert, des dritten Sohnes des Kaiserpaares, welcher zur Zeit in Ostasien weilt. Nach noch nicht bestätigten Berliner Blättermeldungen gedenkt der Kaiser seine angekündigte Erholungsreise nach dem Süden am 2. Januar anzutreten; es verlautet indessen, daß er bis zum 18. Januar, dem historischen Tage des Krönungs- und Ordensfestes, wieder nach Berlin zurückgekehrt sein werde.
Eine kaiserliche Kabinettsordre bestimmt, daß die Paletots der Offiziere und oberen Beamten der Militärverwaltung künftig mit einer oben eingenähten Längsfalte im Rückenstück zu fertigen sind, ferner die Offiziere und oberen Beamten die für sie vorgeschriebenen Achselstücke auch zum Paletot zu tragen haben. Für Generale und Stabsoffiziere sowie für die in gleichem Rang stehenden Militärbeamten sind Achselstücke aus flachen Schnüren maßgebend. Die Paletots der Generale und der in gleichem Rang stehenden Sanitätsoffiziere erhalten Vorstöße von ponceaurotem Tuch; die der Militärintendanten mit dem Rang der Räte erster Klasse erhalten Vorstöße von karmoisinrotem Tuch.
Die Beförderung der Militärurlauber soll von den großen Garnisonen aus — wenn irgend möglich — durch Extrazüge erfolgen. Die ersten Versuche werden vor und nach Weihnachten gemacht. Die Züge, deren Fahrplan den Garnison-Kommandos mit dem Ersuchen bekannt zu geben ist, die Urlauber zu ihrer Benutzung anzuhalten, sind tunlichst beschleunigt und nicht mit den sonst für Militärzüge vorgesehenen geringeren Geschwindigkeiten zu befördern. Auch ist darauf zu achten, daß die auf den Zwischen- stationcn zugehenden Urlauber die Züge benutzen können.
Wie Berliner Blätter berichten, hat der Reichs- kanzler verfügt, das künftig Verlautbarungen amtlicher Natur nur im „Reichsanzeiger", Nachrichten halbamtlicher Art nur in der „Nordd. Allgem. Ztg." und in der preußisch ministeriellen „Berliner Korrespondenz" veröffentlicht werden sollen.
Forbach, 28. Dezbr. Der „Forbacher Ztg." zufolge hat der Kaiser das Kriegsgerichtsurteil gegen Leutnant Bilse vom 11. Nov. d. I. auf Dienstentlassung und 6 Monate Gefängnis unterm 23. Dez. ungemildert bestätigt.
In Frankreich spukt die wieder aufgerührte Dreyfusaffäre noch immer weiter. Es heißt, daß der Berichterstatter der Revisionskommission im Justizministerium, Mercier, in seinem Bericht drei neue Tatsachen aufsühren werde, die die Wiederaufnahme des Dreyfus - Prozesses begründen sollen. Die Lanterne will wissen, daß der Verteidiger Dreyfus, Advokat Monard, von dem Kassationshof auch diesmal verlangen werde, daß der Dreyfus-Prozeß vor ein neues Kriegsgericht verwiesen werde.
Die Revisionskommission in Sachen Dreyfus hat sich für die Aufnahme des Revisionsverfahrens entschieden.
Die Engländer haben ihre kriegerischen Operationen im Somalilande nach längerer Pause wieder ausgenommen, und zwar erfolgreich. Es liegt hierüber folgende Depesche vom Befehlshaber des englischen Expeditionskorps, Obersten Egerton, aus Kerrit vor: 550 Mann englische und eingeborene Truppen nebst 200 eingetretenen Reitern unternahmen iw der Nähe von Badwein einen Er- kundigungszug und überraschten 2000 Derwische bei Dschibalsi, 38 englische Meilen östlich von Badwein entfernt. Es kam zu einem Kampfe, der 3 Stunden dauerte. Nach der Aussage gefangen genommener Derwische haben die letzteren einen Verlust von 80 Toten und 100 Verwundeten erlitten. Ans eng- lischer Seite wurden 2 Mann verwundet und 1
^ wird vermißt; die eingeborene Reiterei hatte 2 Tote und 2 Verwundete zu verzeichnen. ^
Am 1. Januar 1904 treten die Zwanzigpfennigstücke aus Nickel außer Kurs.
Als der Dampfer „Blücher" am 19. Dez. einen heftigen Sturm durchmachte, entstand Panik unter den Zwischendeckspassagieren, welche auf das Deck wollten, obwohl die Wellen hoch darüber zusammenschlugen. Die Offiziere mußten mit gezogenen, jedoch ungeladenen Revolvern die Ruhe wieder Herstellen.
Mannheim, 23. Dez. Die Eingemeindung von Rheinau kann als beschlossen angesehen werden. Allerdings erfolgt sie nicht, wie einzelne Blätter zu melden wissen, schon am 1. Januar, sondern voraussichtlich erst Mitte des kommenden Jahres. Die Generaldirektion hat schon vor einiger Zeit die Bahn samt Zubehör in ihre Verwaltung und ihren Betrieb übernommen.
Baden-Baden, 24. Dezbr. Wie das hiesige „Tagblatt" von zuverlässiger Seite erfährt, ist der Gasthof „Darmstädter Hof" mit dem Badhaus „zum Baldreit" nebst sämtlichen Thermalwasserrechten durch Kauf für die kurörtlichen Interessen unserer Stadt gesichert. Die Anregung hierzu hat der Großherzog gegeben, der damit aufs neue sein lebhaftes Interesse für das Gedeihen unserer Bäderstadt in hochherziger Weise betätigt hat. Die mit dem „Darwstädter Hof" und „Baldreit" verbundene Badanstalt ist nächst den Großh. Badanstalten am stärksten besucht und verfügt über eine sehr beträchtliche Menge Thermalwasser, so daß die Vereinbarung für die Entwickelung unseres Bäderwesens von hervorragender Bedeutung ist.
Aus dem Höllental (Strecke Donaueschingen- Freiburg) kommt die Nachricht, daß der bekannte Hirschsprungfelsen zusammengestürzt und infolgedessen der Durchgangsverkehr auf der Höllentalbahn gestört sei. Der Personenverkehr wird durch Umsteigen an der Unfallstelle aufrechterhalten.
Das Zuchtpolizeigericht zu Grenoble hat 23 Karthäuser, die nach mehrtägigem Widerstand ihr Kloster im April dieses Jahres verlassen haben und nach Italien, Oesterreich und Spanien ausgewandert sind, wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes zu Geldstrafen in Höhe von 25 bis 500 Franks verurteilt.
New-Aork, 28. Dez. Das Neutersche Bureau meldet von hier, Rußland habe bei der Cudahy Packing Company in Süd. Omaha dringend eine Million Pfund Pökelfleisch bestellt, das am 26. Juni 1904 in San Francisco zu liefern sei, wo es von zwei russischen Schiffen übernommen werde.
Württemberg.
Stuttgart, 28. Dez. Die Königin hat auf Weihnachten das Dienstbotenehrenzeichen für treue Dienstleistung in einer und derselben Familie an 52 weibliche Dienstboten und zwar an 5 mit mindestens 50 Dienstjahren das vergoldete und an 47 mit mindestens 25 Dienstjahren das silberne verliehen.
Langenburg, 28. Dez. Gestern abend 7.40 traf der Extrazug mit der Leiche der Fürstin Leopoldine zu Hohenlohe-Langenburg, Prinzessin von Baden, hier ein. Mit dem gleichen Zuge trafen auch Se. Durchlaucht Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg, der kaiserl. Statthalter von Elsaß Lothringen, Erbprinz Ernst, derzeit Regent von Sachsen-Koburg-Gotha, und die übrigen Anverwandten ein. Heute vormittag von 9fls—11 Uhr war die Leiche der verblichenen Fürstin in der schwarz ausgeschlagenen Schloßkapelle zur Besichtigung aufgebahrt. Am Sarge hielten 42 Forstbeamte Wache. Um 1 Uhr fand die Beisetzungsfeier statt. Der Leichenkondukt bewegte sich unter dem Zudrang einer zahllosen Menschenmenge zur Stadtkirche, wo die sterblichen Ueberreste der Fürstin in 0er unter der Kirche be- findlichen Gruft beigesetzt wurden. An der Feier nahm außer den nächsten Leidtragenden Herzog Albrecht von Württemberg als Vertreter des Königs
von Wüttemberg teil. Dekan Günther hielt die Trauerrede.
Den Kriegsteilnehmern an den Feldzügen von 1866 und 1870/71 wird die zum Besuch von Kurorten für das laufende Jahr im Binnenverkehr der Württ. Staatseisenbahnen bewilligte Fahrpreisermäßigung auch für das Jahr 1904 eingeräumt.
Stuttgart, 28. Dezbr. (Die Festsetzung der ortsüblichen Taglöhne.) In tz 8 des Kranken- versicherungsgesetzes in der Fassung der Novelle vom 25. Mai 1903 ist bestimmt, daß vor der Festsetzung des Betrags des ortsüblichen Taglohns gewöhnlicher Tagearbeiter durch die höhere Verwaltungsbehörde nicht nur die Gemeindebehörden zu hören, sondern auch Vertretern der beteiligten Arbeitgeber und der beteiligten Verstcherungspflichtigen Gelegenheit zu einer Aeußerung zu geben ist. Da es erwünscht ist, daß das tatsächliche Wirksamwerden dieser letzteren Vorschrift nicht zu weit hinausgeschoben wird, so bedarf die Höhe des ortsüblichen Taglohns gewöhnlicher Tagearbeiter schon vor dem Ablauf der derwaligen Gültigkeitsperiode dieser Festsetzungen einer Nachprüfung. Zu diesem Zweck hat die im Jahr 1906 fällige allgemeine Revision dieser Lohnsätze schon im Jahr 1904 staitzufinden und am 1. Januar 1905 in Kraft zu treten.
Stuttgart, 28. Dez. In der Behandlung der bei Postagenturen zahlbaren Anweisungen über fortlaufende Renten tritt vom 1. Januar 1904 an versuchsweise die Vereinfachung in Kraft, daß bei den Abrechnungspostämtern für jede Postagentur ein besonderes Rentenverzeichnis zu führen ist, damit die Eintragung der bei Postagenturen zahlbaren Renten in das allgemeine „Verzeichnis der Anweisungen zur Zahlung von Renten" in Wegfall kommt. Die bei Postagenturen zahlbaren Anweisungen über fortlaufende Renten werden, wie die Wegfallanweisungen, künftig nur in Urschrift dem Abrechnungspostamt übersandt.
Stuttgart, 28. Dez. Gefälschte Postanweisungen. Wie die Postverwaltung mitteilt, sind vor kurzem zwei mit dem gefälschten Tagesstempel des Postamts Nr. 10 Stuttgart und dem gefälschten Oitsstempel dieses Postamts versehene Postanweisungen über 800 ^ und 780.50 ^ in den Dienstbetrieb eingeschmuggelt worden. Die Unterschrift des Annahme- beamteu war gleichfalls gefälscht.
Wie aus den in den „Mitteilungen des Statistischen Landesamts" bekannt gegebenen Ergebnissen der Ernte in Württemberg vomJahre 1903 hervorgeht, ist der Hektarertrag des Jahres 1903 bei Sommerweizen, Winter- und Sommerroggen, Winter- und Sommergerste, Haber, Futterrüben, Hanf, Zichorie, Luzerne höher als im Vorjahr; bei Winterweizen, Winterreps und Mohn stellen sich die Hektarerträge von 1902 und 1903 annähernd gleich; bei den übrigen Früchten bleibt der Ertrag des Jahres 1903 unter dem des Vorjahrs. Verglichen mit dem mittleren Ertrag im Durchschnitt der 15 Jahre 1878/92 stellt sich der Hektarertrag des Jahres 1903 bei sämtlichen Früchten höher mit Ausnahme von Mais, Linsen, Ackerbohnen, Kopfkohl.
Stuttgart, 23. Dezbr. Das „Schwäbische Wochenblatt", das vom 1. Januar ab als Ersatz für die „Württ. Bolkszeitung" erscheinende Organ der Deutschen Partei, ist als Probenummer zum ersten mal erschienen. Am Kopfe des Blattes findet sich ein Bild, das einen Arbeiter und einen Bauern darstellt, die einander brüderlich die Hand reichen, beide geschützt von der Germania. „Furchtlos und treu", „Für Freiheit und Vaterland", die Wahlsprüche des Landes und der Partei, sind die Devisen des Blattes. Nach einem Programmatischen Aufsatze: „Was wir wollen" folgt ein solcher mit der Ueberschrist: „An der Jahreswende" von Dr. Schönleber. Bülow und Bebel sind einander im Bilde mit begleitendem Text gegenüber gestellt. Das Wochenblatt will kein einseitig politisches Blatt sein, sondern auch zur Unterhaltung