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Der «nztälsr.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

Amtsblatt kür Sen Vbsramtsbezirk Neuenbürg.

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Fernsprecher Nr. 4.

195 .

Neuenbürg, Samstag den 12. Dezember 1903.

61. Jahrgang.

RunSschau.

Im Reichstage hat am Mittwoch mit der an diesem Tage eröffneten Generaldebatte über den Etat die erste größere parlamentarische Aktion eingesetzt. Mit dieser Erörterung verbunden war die erstmalige Beratung des Gesetzentwurfes, berr. die Reform des Reichsfinanzwesens. Eingeleitet wurde die gesamte Verhandlung mit einem längeren finanzpolitischen Expose des neuen Reichsschatzsekretärs Freiherrn v. Stengel. In knappen aber prägnanten Zügen gab der Regierungsvertreter die übliche Uebersicht über das vorige und über das laufende Etatsjahr, bei letzterem die vorliegenden erheblichen Fehlbeträge un­geschminkt hervorhebend. Der Staatssekretär erörterte dann im allgemeinen den neuen Reichshaushaltsetat für 1904, hierbei die unerfreuliche Tatsache fest­stellend, daß derselbe nur unter Heranziehung der Matrikularbeiträge und einer bedeutenden Zuschuß­anleihe balanciert werden konnte. Ausführlicher besprach Frhr. v. Stengel den Entwurf des Reichs- finanzgesetzes, hervorhebend, daß die Vorlage noch keine eigentliche und vollständige Finanzreform, son­dern nur eine Vereinfachung des biserigen verwickelten Mechanismus im Reichsfinanzwesen erstrebe, an eine organische Aenderung derselben könne erst nach dem Inkrafttreten der neuen Handelsverträge geschritten werden. Im weiteren wies der Staatssekretär darauf hin, daß zur Erschließung neuer Steuerquellen ge­schritten werden müsse, wenn sich die vorgeschlagenen finanzpolitischen Reform»:Aßnahmen als ungenügend erweisen oder gar scheitern sollten; er schloß mit einer Zurückweisung der von einem Teil der Presse gegen die Finanzvorlagen gerichteten Angriffe. Dann nahm als erster Redner aus dem Hause der bayerische Zentrumsabgeordnete Dr. Schädler das Wort. Er leitete seine Rede mit dem patriotischen Wunsche einer baldigen völligen Genesung des Kaisers ein, worauf er ungesäumt zu einer scharfen Kritik des neuen Etats überging. Dr. Schädler ließ sich namentlich über die Ostmarken-Zulage, das sprunghafte Anwachsen der Reichsschuld und die Mehrforderungen der Marine­verwaltung sowie der Kolonialoerwaltung abfällig vernehmen. Ganz besonders scharf wandte sich dann der Zentrumsabgeordnete gegen die Reichsfinanzvor­lage, dieselbe in einer ganzen Reihe von Punkten

Ins Geheimnis -es nennen WWens.

24j Kriminal-Novelle von Willibald Menke.

- (Nachdruck verboten.)

Den Dolch in seiner Brusttasche, den Vorsatz seiner verbrecherischen Tat im Herzen, irrt der Mann, den sich die Baronin zum Werkzeug ihrer Rache auserkoren hat, in den späten Abendstunden des vorgestrigen Tages in den Straßen der Stadt umher, von jener inneren Unruhe umhergetrieben, die jeden Verbrecher vor ber Ausübung seiner Tat ergreift. Unwillkürlich lenkte er seine Schritte noch­mals der Straße zu, in der das junge Mädchen wohnt, dessen Besitz er bald zu erlangen hofft. Er erblickt vor sich eine bekannte Gestalt, die seine Auf­merksamkeit erregt; denselben Weg wie er geht ein Mann, den er als den begünstigten Nebenbuhler haßt und er muß sehen, wie dieser Mann mit einem Schlüssel, den er aus der Tasche zieht, die Tür eines wohlbekannten Hauses öffnet, in dessen Innern er verschwindet. Er sieht vor dieser Tür einen Hellen Gegenstand auf der Erde liegen: ein Taschen­tuch, das der in das Haus Eintretende in dem Augenblick verloren hat, in welchem er den Schlüssel aus der Tasche zog. Er hebt das Tuch auf und steckt es zu sich.

Wenn noch etwas gefehlt hätte, um ihn in seinem blutigen Vorsätze zu bestärken, so hätte diese Be­gegnung mit dem verhaßten Nebenbuhler den Aus-

ernstlich bemängelnd. Trotzdem erkannte er aber die gute Tendenz der Vorlage an und beantragte deren Ueberweisung an die Budgetkommission. Im sonstigen verbreitete er sich noch über die verschiedenen Sen­sationsprozesse der letzten Zeit, die preußische Polen­politik, die Soldatenmißhandlungen, befürwortete die bekannten Initiativanträge seiner Partei (Aufhebung des Jesuitengesetzes) und endete mit einem Vorstoße gegen die Sozialdemokratie. Nach der Rede Dr. Schädlers vertagte sich das Haus auf Donnerstag.

Zum Befinden des Kaisers ist die fernere erfreuliche Nachricht, welche allerdings von privater Seite stammt, zu verzeichnen, daß die Sprache des hohen Herrn schon wieder ganz normal klinge. Die immer wieder durch die Tagespresse laufenden Nach­richten von einer bevorstehenden Erholungsreise des Kaisers im Mittelländischen Meer oder von einem Winteraufenthalte des Monarchen an einem bestimmten Punkte des Südens, muß man nach wie vor einst­weilen auf sich beruhen lassen, da es sich vorläufig eben mir um eine Vermutung handelt.

Das Wachstum des deutschen Volkes. Die neuesten Zusammenstellungen des Kais Stat. Amts über die natürliche, in der Zahl der Geburten und Sterbefäüe zum Ausdruck gelangende Bewegung der Reichsbevölkerung ergeben für das Jahr 1902 457 208 Eheschließungen, 2089513 Geburten und 1187 201 Todesfälle. Der Geburtenüberschuß beträgt mithin 902312. Unter den Geborenen befinden sich 177088 Uneheliche und 64679 Totgeborene. Auf 1000 Personen der Bevölkerung entfallen 7,92 Ehe­schließungen. 36,19 Geburten und 20,56 Sterbefälle. Das wesentliche an diesen Ziffern ist der hohe Ge­burtenüberschuß von 902312 oder 15,6 auf 1000 der Bevölkerung, um den sich das Volk im Jahre 1902 vermehrte. Eine solche Höhe ist bisher (seit 1841) weder der absoluten noch der relativen Zahl nach ermittelt worden und ist auf die verminderte Sterblichkeit im verflossenen Jahr zurückzuführen.

Im Kwilecki-Prozeß hatte bekanntlich der Staatsanwalt Dr. Müller in seiner Rede gesagt, daß die Geschworenen sich selbst das Todesurteil sprechen würden, falls sie zu einem Freispruch kommen sollten. Diese auffallende Aeußerung hat nun auch von einem Richter eine entschiedene Zurückweisung erfahren. Beim Schluß der diesjährigen Sitzungsperiode des

schlag gegeben. Wie jeder Spieler abergläubisch ist, fo glaubt auch jeder Verbrecher in irgend einem noch so geringfügigen Umstande ein Anzeichen zu erblicken, das ihn aufmuntert, seinen Plan zur Ausführung zu bringen.

Wenn er sich an dem nicht rächen kann, den das Mädchen seiner Neigung ihm vorzieht, so kann er seinen Rachedurst wenigstens an der Frau kühlen, die ihn einst beschimpft hat.

Und nun kommen wir zu der blutigen Kata­strophe dieses Familiendramas. Es ist zwischen 11 und 12 Uhr nachts. In zwei Zimmern des oberen Stockwerkes des Schlößchens brennt noch Licht; in dem Schlafzimmer steht ein Leuchter mit brennenden Kerzen auf dem Kamin, im Boudoir die Lampe auf dem Tisch, vor dem die Gräfin im leichten Negligee sitzt. Sie hat ihren Freund zu sich bestellt und mit Ungeduld erwartet sie seine Ankunft. Wo er nur bleibt? Er hat ihren Brief doch erhalten und den Schlüssel darin doch gefunden, der ihm die Hintertür des Hauses öffnet, durch die er sich hereinschleichen kann? Warum zaudert er zu kommen? Sie öffnet ein Fenster und lauscht in die Nacht hinaus, ob sie seine Schritte nicht hören kann. Alles ist still, sie hört nichts als das Flüstern des Nachtwindes in den Bäumen des Parkes . . .

Sie setzt sich wieder auf das Sopha und nimmt ein Buch zur Hand. Aber sie ist zerstreut und auf- geregt, jeden Augenblick glaubt sie ein Geräusch zu hören, das ihr das Nahen des Geliebten ankündigt.

Und ja, diesmal täuscht sie sich nicht. Sie hört

Schwurgerichts in Dresden sagte der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Dr. Becker, in der üblichen Dankesrede an die Geschworenen:Bei einem aus­wärtigen Gericht ist bei einem jüngst verhandelten größeren Prozesse von einem Beamten des Gerichts die Behauptung aufgestellt worden, daß die heutigen Schwurgerichte geeignet seien, sich selbst und der deutschen Rechtsprechung das Grab zu graben. Die Auffassung, daß die Geschworenen an einen bestimmten Spruch gebunden sind, kann ich nicht teilen. Eine andere Frage ist, ob das jetzige Schwurgerichts­verfahren einer Aenderung bedarf, da es zum großen Teile auf französischem Rechte basiert und Anlehn­ungen an altgermanische Rechtsanschauungen enthält. Aufgabe einer Strafprozeßreformkommission wird es sein, eine Form zu finden, die eine größere Fühlung und Verbindung der Geschworenenbank mit dem Gerichtshöfe hcrbeiführt. Aber geleitet von dem Inhalt und Geist, nicht von der Form des Gesetzes, haben die Geschworenen sicher in jedem Falle einen Spruch gefunden, den sie vor Gott und ihrem Gewissen veranworten können."

In Frankreich quält man . sich nicht nur mit der Dreyfusaffaire, sondern auch mit der Hum- berraffaire noch immer ab; in Perpignan sollen wichtige, auf die letztere bezügliche Papiere lagern. Auf Ersuchen des Präsidiums des parlamentarischen Untersuchungsausschusses für die Humbertangelegenheit sagten der Ministerpräsident Combes und der Justiz­minister Balle zu, nach den betreffenden Papieren Nachforschungen veranlassen zu wollen.

Völkerfriede. Gelegentlich des Besuchs eng­lischer Parlamentsmitglieder in Paris sind bekanntlich eine Menge Reden gehalten worden, in denen die Idee des Völkerfriedens, der Schiedsgerichte und die englisch-französischeVerbrüderung" in mächtigen Tönen gefeiert worden sind. Diese Reden haben es dem Pariser Korrespondenten derNeuen Zürcher Zeitung" angetan; begeistert schildert er das erhebende Schauspiel. Die Redaktion des Blattes findet es für nötig, auf seine lodernde Begeisterung einige kalte Verstandesstrahlen zu gießen. Die Bemerkungen des großen republikanisch-schweizerischen Blattes sind so vernünftig, daß wir es uns nicht versagen können, sie hierher zu setzen: Es ist ganz seltsam, daß die heutigen Erobererstaaten, das sind die Vereinigten

deutlich schleichende Schritte, die näher kommen. Endlich! denkt sie, und sie erhebt die Lampe, um ihm entgegen zu gehen. In diesem Augenblick streift jemand die Portiere zurück, das Licht der Lampe, die sie erhoben hqt, fällt auf ein fremdes Gesicht fremd und doch nicht unbekannt sie erkennt den Mann, den sie einst mit der Reitpeitsche aus dem Schlosse gejagt hat zwei Augen starren ihr em- gegen, in denen die Mordlust glüht sie stößt einen Schrei aus die Lampe entfällt ihrer zitternden Hand.-

Lassen wir einen Schleier über diese grausige Szene fallen. Der Mörder hat seinen Zweck er­reicht; sein Opfer liegt blutend verröchelnd auf dem Boden. Er geht in das Schlafzimmer und rafft in aller Eile an Beute zusammen, was sich seinem Auge zeigt: ein Schmuck, der auf dem Tische liegt, das Geld, das er in einem Gefache des Sekretärs findet, dann ergreift er den Leuchter mit der brennenden Kerze und steckt die Gardinen in Brand, wirft Zeitungen und Papier, das er angezündet, im Zimmer umher, und, indem er sich, vielleicht von irgend einem Geräusch geschreckt, auf die Flucht begibt, überläßt er den Flammen das Werk der Vernichtung. Er geht wieder, noch mit dem Leuchter in der Hand, durch das Boudoir zurück, wirft noch einen Blick auf die Leiche, die regungslos auf dem Boden liegt, dann tritt er in das Speisezimmer hinüber, um von hier aus den Korridor wieder zu gewinnen. Und hier kommt ihm noch ein teuflischer Gedanke: er zieht das Tuch aus der Tasche, das jener Mann in