Zweites
Zweites
Blatt.
Der Lnztäler.
Blatt.
1S4
Neuenbürg, Freitag den 11. Dezember 1903
61. Jahrgang.
Nus Stasi» Bezirk uns Umgebung.
Seine Majestät der König hat das Forstamt Langenbrand dem Forstamtmann Dr. Eberhard in Tübingen übertragen.
Neuenbürg, 7. Dezbr. Ueber den Fortgang der Arbeiten am Elektrizitätswerk mußte am 24. vor. Mts. mitgeteilt werden, daß der eingetretene hohe Wasserstaud der Enz außerordentliche Hindernisse biete, da ja gerade um diese Zeit Betonierungen an der Wasserstube vorzunehmen waren. Das Wasser wurde bald so stark, daß es mit Macht durch den neuen Werkkanal hereindrang, glücklicherweise ohne Schaden bringen zu können, da es seinen Weg durch den eben erst fertig gestellten Leerschußkanal nehmen konnte. Nachdem inzwischen die Enz wieder abgenommen hat, so konnten auch die übrigen Arbeiten in rascherem Tempo vor sich gehen. Seit einigen Tagen erhält nun auch die Kanalböschung längs des Eisenbahn- dammes die vorgeschriebene Betondecke und an der Wasserstube selbst find die Monteure beschäftigt, während im Wasserbau die Turbinenmontierungsarbeiten auch während des starken Wassers ununterbrochen fortgesetzt wurden. Da auch seit Ende vor. Woche mit der Montierung der Dynamomaschine begonnen worden ist, und neuerdings die Accumu- latorengehäuse zur Aufnahme der Batterien bereit stehen, so kann angenommen werden, daß, da immer noch günstige Witterung herrscht, gegen Ende der nächsten Woche das ganze Werk in Betrieb gesetzt werden kann, vorausgesetzt natürlich, daß weitere Hindernisse nicht eintreten. Was die Beteiligung an der Abnahme von Licht und Kraft anbelangt, so kann mit Genugtuung konstatiert werden, daß dieselbe eine außerordentlich große ist, sind es doch bis jetzt allein rund 900 Glühlampen, von denen etwa die Hälfte installiert sind. Dazu kommen bis heute definitiv augemeldete 5 Motoren mit zusammen 15 ?8., während noch eine Inan- spruchnahme von 8 weiteren Motoren mit ca. 20 ?8. in sicherer Aussicht steht. In den letzten Gemeinderatssitzungen wurde beschlossen, das elektrische Straßennetz je nach Bedürfnis zu erweitern, so daß alle Anmeldungen zur Abnahme von Licht mög- lichst Berücksichtigung finden. Es wurde auch die Lieferung von Stromzählern, deren man ca. 50 bis 60 bedarf, der Firma Reißer übertragen. Der Bedarf an Straßenlampen ist im ganzen zu 68 Stück angenommen; darunter befinden sich auch die zur Beleuchtung der Bahnhofstraße. Die mittlere Sensen- sabrik beteiligt sich gleichfalls durch Einrichtung des elektrischen Lichtes, vorerst sind daselbst etwa 65 Glühlampen installiert. Nachdem nun auch die Leit-
ZS Geheimnis !>es Mm Schlößchens.
23; Krimmal-Novelle von Willibald Menke. ° - (Nachdruck verboten.)
Sie läßt ihren Kutscher halten. Eine Erscheinung, die sie am Wege bemerkt, hat ihre ganze Aufmerk, samkeit gefesselt. Ein junger Mensch mit rötlichem Backenbart, der dort am Wege sitzt, hat wie drohend seine Faust hinter dem Wagen der Unbekannten er- hoben, als ob er ihr Verwünschungen nachschicke.
.Heda, guter Freund" — ruft ihm die Baronin zu — „könnt Ihr mir sagen, wer die Dame dort im Wagen ist, der eben in den Park einfährt?"
„Freilich kann ich das" — lautet die Antwort des Rotbärtigen, der näher an den Wagen herantritt. „Na, ob ich die kenne?"
Er nennt einen Namen, den die Baronin nicht zum ersten Mal hört. Nun taucht auf einmal auch eine Erinnerung in ihrem Geiste auf;' sie ist im letzten Winter einmal in einer Gesellschaft mit dieser Frau zusammengetroffen, die sie in der Dämmerung des Abends nicht gleich wieder erkannt hatte.
„Könnte der gnädigen Frau Wohl so manches von dieser Dame erzählen" — fuhr der Rotbärtige fort — „wenn die Gnädige sich dafür interessieren. War früher Diener dort im Schloß und Hab' jetzt dem Grafen ausgelauert, um ihm ein Geschichtchen von seiner Frau zu erzählen. Aber wenn die
ung zum Schloß genehmigt ist, werden die Kanzleien und teilweise auch die Wohnungen in diesem großen Gebäude eine größere Zahl von Glühlampen erhalten. Dies gilt auch von den übrigen hiesigen Amtsgebäuden. — Wenn auch z. Zt. das Straßennetz noch nicht ausgebaut und eine größere Zahl von Lampeninstallationen noch rückständig ist, so ist man doch entschieden der Ansicht, daß das Werk, sobald tunlich, in Betrieb gesetzt wird, so lange wir noch in der Hauptverbrauchszeit find, die eine größere Einnahme für die Stadt sichert. Da es sich schon in wenigen Tagen um mehr als 500 installierte Glüh- lampen und um einige Motoren handeln wird, so wäre ein Aufschieben der Inbetriebsetzung des Werkes nicht zu verstehen.
Neuenbürg, 10. Dez. Heute abend bei Einbruch der Dunkelheit, um ^/i5 Uhr, ereignete sich ein bedauerlicher Unglücksfall. Der mit dem Befestigen der elektrischen Leitungsdrähte an der Frei- leitung erst seit einigen Tagen beschäftigte Hilfs- Monteur Jak. Borbulla fiel während des Ab- steigens von der Leiter, weil letztere Wohl in Folge des Regens oben an dem eisernen Maste abglitt, so unglücklich auf das Straßenpflaster beim Amtsgerichtsgebäude herab, daß er schwerverletzt vom Platze zunächst in das Wachlokal des Rathauses getragen wurde bis alsdann auf Anordnung des Oberamtsarztes die Verbringung ins Bezirkskrankenhaus bewerkstelligt werden konnte. Es ist noch nicht zu sagen, ob der Verunglückte, ein braver, sparsamer Mann, der kürzlich von Bochum zugezogen, mit seiner Familie in Birkenfeld wohnhaft ist, außer einem Oberschenkelbruch noch weitere, vielleicht innere, Verletzungen erlitten hat.
In Beinberg brannte am 10. d. M, morgens um 3 Uhr, das Wohnhaus mit angebauter Scheuer des Bauern Ulrich Rentschler daselbst vollständig nieder.
Altenfteig-Dorf, 9. Dez. Ende Juni d. I. wurde mit dem Umbau der hiesigen dem Staat gehörenden Kirche begonnen und es sind die Arbeiten nunmehr beendet. Die festliche Einweihung der Kirche erfolgt nächsten Sonntag. Der Aufwand des Umbaus betrügt 30000 ^., wovon auf den Staat 26 000 und auf Altensteig-Dorf und die Gemeinde Ueberberg 4000 ^ entfallen. Leider konnten die aufgefundenen Wandgemälde, das jüngste Gericht darstellend, nicht erhalten werden. Die Gemeinden Altensteig-Dorf und Ueberberg ließen auf ihre Kosten die Kirche mit Heizung versehen.
Calw, 9. Dez. Die Zufuhr auf den heutigen Viehmarkt betrug 20 Pferde, 404 Stück Rindvieh.
Die Preise standen wie seither ziemlich hoch; Verkauf insgesamt 230 Stück. Ochsen wurden zu 700 bis 1000 ^ gehandelt, Kühe zu 260—400 -/A Der Schweinemarkt war sehr stark befahren und daher der Absatz schleppend. Für Milchschweine wurden 10—24 -/A, für Läufer 35—74 per Paar erlöst. Zufuhr 56 Körbe Milchschweine, 143 Stück Läufer.
Pforzheim, 10. Dez. In dem nahegelegenen Enzberg wurde die etwa 60jährige Schullehrerswitwe Zimmermann vom Schlage gelähmt in ihrem Bett halbtot aufgefunden. Die Nachbarschaft hatte die Frau seit mehreren Tagen vermißt und man drang deshalb in die Wohnung ein. Heute vormittag starb die Frau. — Eine unbekannte männliche Leiche wurde in verflossener Nacht am Rechen des sogen. Schmalzgrabens oberhalb der mech. Werkftätte von Gebr. Benkiser aufgefunden, die schon seit mehreren Tagen dort gelegen zu sein scheint. Die Leiche wurde gerichtlich beschlagnahmt.
Paketsendungen vor Weihnachten. Für den gesteigerten Paketverkehr vor Weihnachten sind wie alljährlich auch Heuer wieder von der Postverwaltung besondere Vorkehrungen durch Vermehrung der Beförderungseinrichtungen und der Arbeitskräfte getroffen. Den Aufgebern von Weihnachtssendungen wird aber, damit sie auf rechtzeitige und unversehrte Ankunft der Sendungen rechnen können, dringend empfohlen, die Einlieferuug zur Post nicht erst in den letzten Tagen vor dem Christfeste, sondern möglichst frühzeitig zu bewirken, auch die Sendungen fest und dauerhaft zu verpacken und mit einer deutlichen, vollständigen und haltbar befestigten Aufschrift zu versehen. Auch sollte die Ein- lieferung zur Post nicht erst vor unmittelbarem Schalterschluß erfolgen. Für die Zeit vom 10. bis 25. Dezbr. d. I. ist die Versendung mehrerer Pakete mit einer Begleitadresse im innere» württembergischen Verkehr und im deutschen Wechselverkehr nicht zulässig.
Mutmaßliches Wetter am 12. und 13. Dezember.
(Nachdruck verboten.)
Im inneren Rußland, vom Weißen bis zum Asow'schen Meer, ist der Hochdruck aus 775 mm gestiegen. Ueber Irland und dem Georgskanal liegt noch ein Minimum von 735 mm, weicht aber nunmehr langsam westwärts zurück. Bei vorherrschend östlichen Winden und auffrischender Temperatur ist für Samstag und Sonmag trockenes und auch zeitweilig heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
Gnädige vielleicht auch eine Freundin pikanter Geschichten ist —"
„Holla, Du bist mein Mann," rief die Baronin in lebhafter Weise aus, indem sie eine Banknote hervorzog, «mach' Dich etwas zurecht und komme in zwei Stunden zu mir."
Am andern Morgen trug der Rotbärtige die Uniform der Baronin."
„Um welche Zeit war dies?" unterbrach hier der Graf den Erzähler.
„Vor drei oder höchstens vier Wochen, also Anfang Juni," antwortete der Kommissar. „Um jene Zeit hatten die Besuche Helder's bei seiner ungarischen Freundin ganz aufgehört; seine neue Geliebte schien von ihm gefordert zu haben, daß er jenem Verkehr entsage. In jene Zeit fällt die Absendung des rosa Billets. Sie mochte wenigstens eine Antwort darauf erwarten, ein entschuldigendes Wort: selbst eine Lüge wäre ihr lieber gewesen als dies Schweigen, das den Stolz der jungen Frau tötlich verletzte. Von jener Zeit sinnt sie nur noch auf Rache."
XXIII.
Die Rache der Baronin.
„Wer etwa annehmen wollte" — fuhr der Kommissar in seinen Mitteilungen fort — daß sich der Rachedurst der jungen Frau gegen denjenigen kehren würde, der sie treulos verlassen, der würde die weibliche Natur schlecht kennen. In ihren Augen ist die verhaßte Nebenbuhlerin die einzige Schuldige.
Sie sieht in ihr nichts als eine Kokette, die den Mann ihres Herzens in ihre Netze gezogen, die ihr alles das geraubt, was das Glück ihres Lebens ausmachte. Sie ist überzeugt, daß der Geliebte zu- rückkehren werde-, sobald eS ihr gelingen werde, ihm dem Zauber zu entreißen, in dessen Banden er jetzt noch lag. Die Rache an der Verhaßten wird zur fixen Idee bei ihr, Tag und Nacht verläßt sie dieser Gedanke nicht. — Ihr neuer Diener versäumt eS nicht, diesem glühenden Racheverlangen seiner Gebieterin immer neue Nahrung zu geben. Eines Tages bringt er wieder die Nachricht eines Stelldicheins der beiden Liebenden; sie hat, wie er an- gibt, den ganzen Nachmittag auf seinem Zimmer zugebracht."
„O, die Schamlose I" — ruft sie auS, indem sie sich in einem förmlichen Wutanfall, der sich zuletzt in einem Weinkrampf Luft macht, aufs Sopha wirft. „Sie muß sterben. Sie soll nicht länger mehr leben."
„Dazu könnte Rat werden," murmelte der Diener vor sich hin, der neben ihrem Ruhebette steht.
Sie kehrt sich nach ihm. Sie richtete ihre dunklen Augen fragend auf ihn. „WaS meinst Du damit?"
„Ich denke, das wäre nicht schwer zu verstehen," lautete die mit aller Ruhe gegebene Antwort.
„Wie? Du wärest der Mann, um sie zu töten?"
„Warum nicht? ich hasse siel Und dann, — ich tue alles, für meine Herrin, die so gütig gegen mich ist."