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165
Neuenbürg, Mittwoch den 21. Oktober 1903.
61. Jahrgang.
RunSschau.
Auf dem Gebiete der inneren deutschen Angelegenheiten ziehen allmählich die am 12. November bevorstehenden Neuwahlen zum preußischen Landtage die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf sich. Die Vorbereitungen hierzu schlagen ein merklich lebhafteres Tempo ein, Dank namentlich dem energischen Eingreifen der sozialdemokratischen Partei in die Wahlbewegung, durch welches jedenfalls Ueberraschungen bei den Wahlen keineswegs ausgeschlossen sind. Was den Aufmarsch der einzelnen bürgerlichen Parteien zur Landtagswahlschlacht anbelangt, so ergibt sich hierbei bei den Nationalliberalen und der freisinnigen Volkspartei vielfach das Bestreben zu einem Zusammenschluß im Wahlfeldzuge kund, sonst jedoch scheinen die bürgerlichen Parteien überwiegend gesonnen zu sein auf eigene Faust zu operieren. Einem Zusammengehen des liberalen Bürgertums mit der Sozialdemokratie bei den preuß. Landtagswahlen ist auf dem in Berlin abgehaltenen Parteitage der freisinnigen Vereinigung halb und halb das Wort geredet worden, doch dürfte schließlich aus der angeregten freisinnig-sozialistischen Wahlverbrüderung nicht viel werden.
Berlin, 20. Oktober. Heute abend findet im Reichskanzlerpalais zu Ehren der anwesenden bundesstaatlichen Vertreter ein Diner statt, an welchem der Finanzminister, die Gesandten der Einzelstaaten, sowie die bundesstaatlichen Vertreter, die Mitglieder des Bundesrats und die Staatssekretäre Posadowsky, Richthofen und Stengel teilnahmen.
Der Präsident des kaiserlichen Patentamtes in Berlin hat ein Rundschreiben gegen die markt- schreierischen Anpreisungen von Patentanwälten erlassen.
Mannheim 20. Okt. In der gestrigen Versammlung des hiesigen soz.demokr. Vereins wurde der vor einigen Tagen von seiner Kandidatur zurückgetretene Kaufmann Süßkind mit großer Mehrheit wieder als Kandidat aufgestellt. Daraufhin erklärte Dreesbach, daß er seine Landtagskandidatur unter diesen Umständen nicht mehr aufrecht erhalten könne.
Bretten, 20. Okt. Heute fand die feierliche Einweihung des Melanchthonhauses statt, der als Vertreter des Kaisers der kommandierende General des 18. Armeekorps, General der Infanterie v. Lindequist, beiwohnte. Ferner waren anwesend der Großherzog und die Großherzogin von Baden, das erbgroßherzogliche Paar von Baden, die Erbprinzessin Marie von Anhalt und die Vertreter deutscher Universitäten, darunter Berlins, Leipzigs, Kiels und Straßburgs, sowie Frau Regierungsrat Penker aus Colmar, eine der direkten Nachkommen Melanchthons. Die Festrede hielt Prof. vr. Müller- Berlin. Er übergab das Haus dem Schutze und der Verwaltung der Stadt. In deren Namen versprach Bürgermeister Wittum, das Haus zweckentsprechend zu verwalten und treu zu hüten. Sodann wurde im Melanchthonhause ein Weihgottesdienst abgehalten. Die Vertreter der Universitäten überbrachten Glückwünsche.
Die Absage des Zarenbesuches in Rom wird zunächst den Rücktritt des italienischen Botschafters in Petersburg, Grafen Morra di Lavriano, sowie denjenigen des russischen Botschafters in Rom, Nelidoff, nach sich ziehen. Weitere Folgen dürfte der Zwischenfall indeß nicht haben.
Pisa, 19. Okt. Das Königspaar von Italien ist abends um 6 Uhr hier eingetroffen. Auf dem Wege nach San Roffore bereitete die Volksmenge den Majestäten einen enthusiastischen Empfang und brach in Hochrufe auf sie und Loubet aus. Ein Musikkorps spielte den Königsmarsch und die Marseillaise.
Köln, 20. Okt. In der gestern in Düsseldorf stattgehabten Versammlung der Vereinigung der Schweißeisenwerke wurde, wie die „Köln. Zeitung" meldet, allgemein eine bessere Beschäftigung und rege Nachfrage festgestellt.
Mannheim, 16. Okt. Die Zahl der hiesigen Wirtschaften hat jetzt 1000 überschritten; Karlsruhe hat nur etwa den dritten Teil dieser Ziffer, Freiburg den vierten — aber in Mannheim sinds 1003.
Aus dem Münstertal, 19. Okt. Der erste Schnee bedeckte heute morgen unsere Berge bis ziemlich tief ins Tal hinab, ein Zeichen, daß der Winter vor der Tür steht und Einlaß begehrt.
New-Jork. 16. Okt. Heute früh traf der Zionistenführer Dowie von Zion City mit 4000 seiner Anhänger hier ein. Dowie, der sich für den zur Erde zurückgekehrten Propheten Elias ausgiebt, will die Bewohner New-Jorks vom bösen zum guten Leben bekehren. Nachdem ein Frühstück in Madison Square eingenommen war, begab sich Dowie nach einem Hotel, während seine Anhänger mit der Straßenbahn nach einer Reihe von Kosthäusern gebracht wurden. Diese Zionisten sind offenbar nicht mit den europäischen Zionisten, die kürzlich in Basel getagt haben, zu verwechseln.
Nochmals „Die größte Lokomotive der Welt". Die Mitteilungen über die größte Lokomotive der Welt, die auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 von der Baltimore- und Ohioeisenbahn ausgestellt wird, werden jetzt noch durch folgende Angaben ergänzt. Die Lokomotive hat sechs Paar Treibräder, von denen jedes einen Durchmesser von 56 Zoll hat. Die vorderen drei Treibräder sind auf einen Rahmen montiert, der unter dem Kessel beweglich angebracht ist. Die Hinteren drei Treibräderpaare sind mit dem Körper der Lokomotive fest verbunden. Die Hinteren drei Räder werden mit Hochdruckzylindern, die vorderen mit Niederdruckzylindern betrieben. Die Hochdruckzylinder haben 20, die Niederdruckzylinder 42 Zoll Durchmesser. Der Kessel ist auf einen Dampfdruck von 235 Pfund für den Quadratzoll berechnet. Die Heizfläche der Wasserröhren beträgt 4135, die der Feuerbuchse 190 Quadratfuß, so daß die Gesamtheizflüche 4325 Quadratfuß groß ist. Die Riesenlokomotive soll 285 000 Pfund wiegen. Ihr Gewicht wird sich aber mit voller Ausstattung des Tenders, welchO^aus 7000 Gallonen Wasser und 13 Tons Kohlen besteht, auf 415000 Pfund belaufen. Auch diese Riesenlokomotive wird der internationalen Lokomotiv- prüfungsstelle auf der Ausstellung zur Verfügung gestellt. Man wird die Lokomotive im Laboratorium in beständigem Betrieb sehen, um ihre Schnelligkeit, Zugkraft und Sicherheit zu Prüfen.
Wür ttemb erg.
Stuttgart, 19. Okt. Dem Herzog Wilhelm v. Urach und seiner Gemahlin, einer Tochter des Herzogs Karl Theodor in Bayern, ist gestern ein Sohn geboren worden. Das herzogliche Paar hat jetzt 3 Söhne und 4 Töchter. Der Herzog von Urach ist bekanntlich seit etwa Jahresfrist Kommandeur des 6. Thür. Ulanenregiments in Hanau.
Wie der „St.-Anz." hört, soll demnächst eine neue Prüfungsordnung erlassen werden, welche die erste Prüfung für den höheren Justiz-, Ver- waltungs- und Finanzdienst in eine gemeinsame erste höhere Justizdienstprüfung vereinigt und nach welcher außer dem bürgerlichen Recht, Handelsrecht, Strafrecht, Zivil- und Strafprozeß auch deutsches und württembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, Kirchenrecht und Volkswirtschaftslehre Gegenstand der ersten Prüfung sein werden. Zur Zulassung zur Prüfung soll nicht nur das Reifezeugnis eines deutschen Gymnasiums, sondern auch das Reifezeugnis eines deutschen Realgymnasiums berechtigen. Da die erste höhere Justizdienstprüfung auf Grund der neuen Prüfungsordnung voraussichtlich erstmals im Winterhalbjahr 1905 auf 1906, also in 2 Jahren, gehalten werden wird, so wird es für diejenigen Studierenden der Rechts- und Staatswissenschaften, die ihre erste Prüfung nicht schon vor diesem Zeitpunkt abzulegen gedenken, empfehlen, ihren Studien
plan schon jetzt nach der neuen Prüfungsordnung einzurichten.
Stuttgart, 18. Okt. Die kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel beabsichtigt sofern sich eine zureichende Teilnehmerzahl findet, einen Unterrichtskurs über gewerbliche Chemie mit besonderer Berücksichtigung der in den Gewerben und im Haushalt zur Verwendung kommenden Materialien unorganischer und organischer Natur zu veranstalten. Die Vorträge werden im Landesgewerbemuseum in der Zeit von Ende Oktober bis Ende März gehalten.
Im Falle genügender Beteiligung werden an den Schlachthäusern in Stuttgart, Heilbronn und Ravensburg demnächst vierwöchige Unterrichtskurse für Fleischbeschauer gehalten werden. Der Beginn des Kurses ist für Ravensburg auf 26. Okt., für Heilbronn auf 5. Nov., für Stuttgart auf 9. November in Aussicht genommen. Die Gesuche um Zulassung sind alsbald an Oberamtstierarzt Devtler in Ravensburg, bezw. Stadttierarzt Hohl in Heilbronn, bezw. Stadtdirektions- und I. Stadttierarzt Kösler in Stuttgart einzureichen.
Stuttgart, 20. Okt. Es treten heute 3 neue Telegrapheninspektionen, nämlich in Tübingen, Ulm und Heilbronn, in Wirksamkeit, so daß zur Leitung und Beaufsichtigung des telegraphentechnischen Dienstes künftig in Württemberg 4 Jnspektionsbezirke vorhanden sein werden. Dem neuen Telegrapheninspektionsbezirk Tübingen ist der Schwarzwaldkreis nebst dem Oberamt Göppingen zugeteilt worden. Mit dem heutigen Tage tritt auch die vorläufig mit dem Sitz in Stuttgart eingerichtete Telegraphenmaterialverwaltung in Tätigkeit.
Die „Volksschule", das Organ des Württ. Volks- schullehrervereins, teilt nach der „Päd. Ztg." mit, daß sämtliche 14 Kollegen, die in der Zeit von 1898—1902 in Berlin einjährig-freiwillig gedient haben, als Offiziersaspiranten entlassen worden sind. Dazu bemerkt die „Volksschule" von sich aus: In der 6. Kompagnie des Grenadierregiments Königin Olga, Nr. 119, dienten Heuer drei Lehrer einjährigfreiwillig, und alle drei sind als Offiziersaspiranten entlassen worden.
Stuttgart. Der„ Beob." schreibt unter Rubrik „Württemberg" wie folgt: Wenn das „schmierige Pack" sich von den Herren „Genossen" nicht auf den Zehen herumtrappeln läßt, ohne ihnen einen tüchtigen Rippenstoß zu geben, so kommt die „Schw. Tagw." aus dem Häuschen. Neuerdings redet sie von einer „systematischen Herabwürdigung eines Teils unserer Führer". Die „systematische Herabwürdigung" wurde auf dem Parteitag in Dresden so gründlich besorgt, daß sich die „Tagwacht" durchaus nicht beklagen kann, wenn sich auch die bürgerlichen Parteien die Sozialdemokratie überhaupt etwas näher ansehen. Das kann ihr schwäbisch-preußisches Organ glauben, daß eine schöne Zahl von Sozialdemokraten weniger in den Reichstag gezogen wäre, wenn der Dresdener Parteitag vor den Wahlen stattgefunden hätte. Schreiber dieses ist mitschuldig, daß Sperka Reichs- tagsabgeordneter ist. Nach den Debatten in Dresden aber ist er überzeugt, daß eine nur zweimonatliche Diktatur Bebels über Deutschland mehr Ausnahme- und Knebelgesetze bringen würde, als Bismarck in seinem ganzen Leben fertig gebracht hätte. Eine Zetkin und eine Luxemburg würden dann wohl nach dem Scheiterhaufen rufen, um die bürgerlichen Sünder knusperig zu braten. Da aber diese nicht gerne Scheiter selber herbeitragen zum Holzhaufen, den sie besteigen müßten - bildlich geredet —, drum wehren sie sich mit Händen und Füßen gegen die Segnungen, die der Dresdener Parteitag der ganzen bürgerlichen Gesellschaft zugedacht hat. Damit „verraten" sie nicht das „demokratische Prinzip," sondern schützen dasselbe vor Vergewaltigung.
Gegenüber den sich vielfach widersprechenden Zeitungsberichten über die heurigen Herbstaus- sichten beschäftigt sich nunmehr „Der Weinbau",