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Der Enztälsr
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Fernsprecher Nr. 4.
^ 1V9.
Neuenbürg, Mittwoch den 15. Juli 1903.
61. Jahrgang.
RuirSsehau.
Wiederholt sind in letzter Zeit angebliche Aeußer- ungen des Kaisers als gar nicht gefallen nachträglich wieder dementiert worden. Dies ist auch den Bemerkungen passiert, welche der Monarch bei seiner jüngsten Anwesenheit in Kiel einerseits dem bekannten Milliardär Vanderbilt gegenüber betreffs der sozialistischen Erfolge bei den stattgefundenen Reichstagswahlen und betreffs noch sonstiger Vor- gänge getan haben sollte, und welche er anderseits angeblich an den amerikanischen Admiral Cotton in Bezug auf den Gegenbesuch eines deutschen Geschwaders unter dem Prinzen Heinrich in Nordamerika gerichtet hätte. Die behaupteten Aeußer- ungen des Kaisers zu Vanderbilt und Cotton haben rasch, mit allerhand Kommentaren versehen, die Runde durch die gesamte deutsche Tagespresse gemacht, und nun stellt es sich heraus, daß man es in diesen vorgebrachten Auslassungen des Kaisers lediglich mit Erfindungen müßiger Köpfe zu tun hat. Es wäre wirklich nachgerade Zeit, daß den Urhebern solcher Phantastereien, bei denen der Kaiser eine Rolle spielt, das Handwerk einmal gründlich gelegtwerde.
Von anscheinend offiziöser Berliner Seite wird erklärt, daß bei der Berichterstattung über die seitens der Reichsregierung eingeleiteten Vorarbeiten für die neuen Handelsverträge die Phantasie eine große Rolle spiele, wobei besonders auf die Mitteilungen in den Blättern über die Vorbereitungen zu den Handelsverträgen mit Italien und Rumänien Bezug genommen wird. Die betreffende Berliner Auslassung betont weiter, daß diese Vorarbeiten ungemein mühevoll und zeitraubend seien, daß sie trotzdem mit größtem Eifer gefördert würden, indessen ihrer ganzen Natur nach geheim bleiben müßten. Bei Preßberichten über irgendwelche spezielle Vorgänge auf diesem Gebiete werde es sich also meistens nur um unbegründete Vermutungen handeln.
Kiel, 13. Juli. Gegen das Urteil des Oberkriegsgerichts in Sachen Hüssener hat heute der Gerichtsherr Revision eingelegt.
Im zweitinstanzlichen Prozesse gegen den Marinefähnrich Hüssener war letzterer bekanntlich lediglich zu Festungshaft verurteilt worden, bei welcher milden Strafe sich der Verurteilte begreiflicherweise denn auch „beruhigt" hatte. Nun hat aber der Gerichtsherr, Admiral v. Köster, Revision gegen dies Erkenntnis des Kieler Oberkriegsgerichts eingelegt, was angesichts der scharfen Kritik, welche man von allen Seiten an der im Verhältnis zur begangenen Tat so milden Strafe des Marinefähnrichs Hüssener ausgeübt hat, nur gebilligt werden kann.
Der zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurteilte ehemalige Direktor der Kasseler Trebertrocknungsaktiengesellschaft, A. Schmidt, hat hiergegen Berufung eingelegt. Verdenken kann man dies dem P. p. Schmidt eigentlich nicht, da doch sein Kumpan, Direktor Exner von der verkrachten Leipziger Bank, mit seinem Revistonsbegehren den Erfolg erzielte, daß die ihm zunächst anerkannte Zuchthausstrafe in Gefängnisstrafe umgewandelt wurde.
Die Beteiligung am deutschen Turnfest in Nkrnberg wird in turnerischer Hinsicht die der früheren deutschen Turnfeste noch übertreffen. Es nehmen teil am Sechskampf 1600, am Dreikampf 1100 und am Ringen 200 Turner; außerdem werden Muster- und Wettspiele in großer Anzahl zur Vorführung gelangen und damit der Beweis dafür geliefert werden, daß seitens unserer Vereine auch dieser Seite des Turnens diejenige Aufmerksamkeit geschenkt wird, die sie um ihrer Bedeutung willen mit Recht verdient. Für jeden Turner und jeden Freund körperlicher Uebungen werden die geplanten Vorführungen des Interessanten mnd Lehrreichen genug bieten.
Hanau, 11. Juli. Auf der Bahnstrecke in der Nähe von Wilhelmsbad ließ sich heute der 27 Jahre aüe^ermann Stapf überfahren und blieb sofort tot.
Er hinterließ einen Brief an ein Fräulein Hofmann, j Stapf stammt aus Pforzheim und war in letzter Zeit auf den Höchster Farbwerken beschäftigt. Kurz vor dem Selbstmord sprach er noch mit einem Bahnwärter und ließ sich ein Glas Wasser geben. Er äußerte dabei seine Absicht, in den Tod zu gehen. Die Adresse seiner Eltern hatte Stapf auf einen Zettel geschrieben und ihn mit einem Bleistift an der Böschung des Bahndammes befestigt. Daneben lagen auch seine Ausweispapiere.
Neisse, 13. Juli. Aus den Kreisen Neisse und Neustadt werden furchtbare Hochwasserschäden gemeldet. In Arnoldsdorf ist die Kirche eingestürzt, der Kirchhof verwüstet, die Leichen sind fortgeschwemmt 50 Pioniere sind von hier zur Hilfeleistung dorthin abgegangen. In Langenbrück sind 32 Häuser zerstört, 30 drohen noch einzustürzen. In Wiese sind 19 Häuser zerstört. In Ziegenhaus sind 7 Häuser zerstört. Das Forsthaus im Bielauer Park ist fortgeschwemmt, die Bewohner wurden noch kurz vorher gerettet. Im Tal der Freiwaldauer Biela (Zufluß der Neisse) sind 50 Häuser vom Hochwasser weggerissen. Wie die „Breslauer Ztg." berichtet, sind bisher 30 Personen umgekommen.
Freiwaldau (Oestr. Schlesien), 13. Juli. Das Hochwasser ist zurückgetreten. Der angerichtete Schaden wird auf viele Millionen geschätzt.
Mannheim, 11. Juli. Die Rundholzzufuhr betrug vom 3. bis 10. Juli 15 Flöße. Verkauf ruhig.
Rom, 13. Juli. Der Papst liegt während des ganzen Tags in einem Zustand beunruhigender Depression. Die Nierentätigkeit versagt fast vollständig. Die Lage ist ernst geworden. — Die leichte Besserung im Befinden des Papstes war also von kurzer Dauer, im Lauf des gestrigen Tages ist ein rascher Kräfteverfall eingetreten, der alle bisher noch gehegten Hoffnungen zu nichts machte.
Die Engländer haben nunmehr einen dritten Anlauf ins Werk gesetzt, um den „tollen" Mullah im Somaliland endlich unterzukriegen. Es sind daselbst erhebliche Verstärkungen aus Indien eingetroffen, außerdem fand ein Wechsel im Oberkommando des britischen Expeditionskorps statt, indem General Mannino abberufen und durch General Eglington, der sich in Indien mehrfach ausgezeichnet hat, ersetzt wurde.
Aus New-Aork wird vom 11 Juli gemeldet: Es herrscht eine riesige Hitze. 30 Personen sind infolge der Hitze gestorben, 100 erkrankt. Die Parks sind zum Schlafen eröffnet, da solches in den meisten Wohnungen unmöglich ist.
New-Iork, 13. Juli. Gestern sind 21 Personen an Hitzschlag verstorben. In der vergangenen Woche erlagen der Hitze nicht weniger als 200 Personen. Die Zahl der Erkrankungen nimmt zu. — Unter den Hunden ist eine Tollwutepidemie ausgebrochen. Bisher mußten 15 Hunde auf offener Straße erschossen werden.
Eine Million Rosen werden auf dem Gelände der Weltausstellung in St. Louis 1904 auf einem einzigen Fleck zu finden sein. Bereits im April dieses Jahres sind die 50000 Rosenbüsche, welche vier Acres Fläche bedecken, angepflanzt worden, und vierzig der bedeutendsten Rosenzüchter Amerikas haben ihre besten Rosenstöcke der Ausstellung übergeben, damit sie schon jetzt angepflanzt werden und im nächsten Jahre zur Rosenzeit in herrlichster Blüte stehen. Dieser Rosengarten, der an und für sich einen wunderbaren Anblick bieten wird, hat einen der besten Plätze in der Ausstellung. Er befindet sich vor der Hauptfront des riesigen Palastes für Landwirtschaft, welcher 1600 Fuß lang und 500 Fuß breit ist. Um den Eindruck der Ueberfüllung nicht aufkommen zu lassen, sind die Rosenstämme nicht dicht nebeneinander angepflanzt, sondern die einzelnen Gruppen der nach Farbe und Arten geordneten Rosen sind immer von Rasenflächen umgeben, von denen sich die Büsche mit den herrlichen Blumen wirkungsvoll abheben werden. Die meisten
I dieser 50000 Rosenstöcke sind von der harten und halbharten Art, aber einzelne sind so empfindlich, daß für den Winter, der in St. Louis manchmal sehr streng ist, ganz besondere Schutzmaßregeln getroffen werden müssen. Die Gärtner der Ausstellung sind aber überzeugt, daß es ihnen gelingen wird, diese empfindlichen Blumen durch alle Unbilden des Winters glücklich hindurchzubringen.
Auswanderern kann Neu-Württemberg in Brasilien mit gutem Gewissen empfohlen werden, insbesondere kinderreichen Familien, denen ein kleines Kapital zur Verfügung steht. Für 1000 -/A. kann man dort 100 Morgen Land kaufen. Das Klima ist herrlich und gesund. Der Seehafen für Neu- Württemberg, welches im südlichsten Staat von Brasilien liegt, ist Porto Alegre, von wo die Bahn bis nach Cruz Alta geht. Nähere Auskunft erteilt gerne Privatier Edmund Keller in Stuttgart, Eugensplatz 1, ebenso Dr. Hermann Meyer in Leipzig.
Würllcmbcrg.
Seine Majestät der König hat die Stelle des Stadtdirektors in Stuttgart dem Vorstand des Oberamts Cannstatt, Regierungsrat Nickel, übertragen.
Stuttgart, 14. Juli. Die Kammer dir Abgeordneten nahm in der heutigen Nachmittagssitzung zunächst die Abstimmungen vor, die in der letzten Sitzung wegen vermutlicher Beschlußunfähigkeit des Hauses zurückgestellt werden mußten. Unter Ablehnung des Antrags Galler (Vp.), welcher die Warenhaussteuer nur fakultativ einführen wollte, mit 46 gegen 33 Stimmen hielt das Haus an dem früheren Beschlüsse der obligatorischen Einführung der Warenhaussteuer fest. Auch die anderen Anträge der Kommission wurden unter Ablehnung der Anträge Keils (Soz.) angenommen. Der Gesetzentwurf, betr. die Hundesteuer, wurde mit einer redaktionellen Aender- ung angenommen, zu der wohl auch die 1. Kammer ihre Zustimmung geben dürfte. Sodann begann die Generaldebatte über die Gemeinde- und Bezirksverwaltungsreform. Einig ist die Kommission nur darin, in die Einzelberatung des Entwurfs einzutreten und die Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher abzuschaffen. Dagegen wünschen die Zentrumsredner, daß die bisherigen Ortsvorsteher auf Lebensdauer im Amte belassen werden. Der neue Gesetzentwurf bringt eine Fülle von Neuerungen in der Gemeindeverwaltung, welche hier nicht alle aufgezählt werden können. Lebhaft wurde die Frage diskutiert, ob man in den mittleren und kleinen Gemeinden den Bürgerausschuß beibehalten oder abschaffen solle. Für kleine Gemeinden ist auch eine sogenannte Gemeindeversammlung an Stelle des Bürgerausschusses angeregt, findet aber mehrere Widersacher, weil die Gemeindeversammlung doch bloß in den Wirtshäusern abgehalten würde. Der Minister des Innern zeigte in seiner Rede ein großes Entgegenkommen für die zahlreich geäußerten Wünsche; aber das Bestätigungsrecht des Staates bezüglich der gewählten Ortsvorsteher, auch wenn sie wiedergewählt worden sind, will die Regierung keineswegs aufgeben, ebensowenig ihre Aufsicht über die Geldwirtschaft der Gemeinde, damit diese nicht zum Nachteil künftiger Generationen wirtschaften können. Im Prinzip ist der Minister gegen die Beibehaltung der Bürgerausschüsse in den mittleren und namentlich in den kleineren Gemeinden, will aber dem Wunsche der Kammermehrheit in dieser Frage nicht entgegeutreten. Kurz vor 7 Uhr wurde die Sitzung aufgehoben. Nächste Sitzung Mittwoch 9 Uhr.
Stuttgart, 12. Juli. Generalleutnant z. D. Anton v. Marchtaler ist infolge eines Herzschlags im Alter von 82 Jahren gestorben. Im Feldzuge des Jahres 1866 war er Chef der 1. reitenden Batterie, im Feldzuge gegen Frankreich Kommandeur der 1. Abteilung des württembergischen Feldartillerie- Regiments. Als solcher zwang er am 9. August 1870