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Der «nztSlsr.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

Amtsblatt kür Sen Vberamtsbegirk Neuenbürg.

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Fernsprecher Nr. 4.

S4

Neuenbürg, Freitag den 19. Juni 1903.

61. Jahrgang.

RunSschau.

Berlin, 17. Juni. Die Sozialdemokraten ge­wannen bisher 12 Sitze: Berlin V, Reichenbach, Aschersleben, Kiel, Solingen, Löbau, Meißen, Pirna, Mittweida, Annaberg, Plauen, Schwarzburg-Son- dershausen und verloren Bernburg und Soran. Die Konservativen gewannen Züllichau, Bülow und ver­loren Erfurt, Löbau und Plauen. Die National­liberalen gewannen Sorau und Bernburg und ver­loren Aschersleben, Hersfeld, Mittweida, Annaberg und Sondershausen. Das Zentrum verlor Reichen­bach und Fraustadt. Die Volksparteien verloren Berlin V, Lüben, Quersurt, Eisenach, Koburg, Schaumburg, Wiesbaden, Ansbach, Böblingen, Backnang. Die Reformpartei verlor Meißen, Pirna und Gießen; der Bund der Landwirte Kaiserslautern, Breiten, Geestemünde. Reichspartei, Welfen und Antisemiten verloren je einen Sitz. Von den bis­herigen Abgeordneten sind u. a. wiedergewählt: Graf Stolberg (kons.), Singer, Heine, Ledebour,-Stadthagen, Molkenbuhr (Soz.), v. Normann (kons.), v. Tiede- mann (Rp.), Graf Limburg-Stirum (kons), Jessen (Däne), Müller-Fulda, Spahn, Bachem, Hompesch (Zentr.). In die Stichwahl kommen u. a.: Brömel und Riff (fr. Ver.), Hasse und Bassermann (natl.), Gothein (fr. Ver.), Oertel (kons.), Rösicke-Dessau (fr. Ver.), Graf Oriola und Sattler (natl.), E. Richter, Stöcker, Frhr. Hehl zu Herrnsheim (natl.) und Barth (fr. Ver.), Ahlwardt, Graf Magnis (Ztr.), Placke (natl.), Graf Bernstorff (Rp.), Förster (kons.) in Löbau, Lotze (Antis.), Zeidler (kons.). In Mün­chen war die Beteiligung in den beiden Münchener Wahlkreisen gegenüber der letzten Reichstagswahl eine sehr erheblich gesteigerte. Während bei der Wahl des Jahres 1898 im ersten Wahlgang in München I 5157 liberale, 4385 ultramontane und 7733 sozial­demokratische Stimmen abgegeben wurden, fielen diesesmal auf den liberalen Kandidaten Schön 5962 Stimmen, auf den ultramontanen Kandidaten Frank 5234 Stimmen, auf den sozialdemokratischen Kandi­daten Birk 10076 Stimmen. Der demokratische Kandidat Dr. Quidde erhielt 707, der christlich- soziale Kandidat Wenng 1082 Stimmen. Im Wahl­kreise München II erhielt der sozialdemokratische Kandidat v. Vollmar über 40000 Stimmen (1898: 23116 Stimmen), womit seine Wahl schon im ersten Wahlgange gesichert ist. Der enorme Stimmenzuwachs, der v. Vollmar zufiel, darf mit Recht als eine Folge der Haltung bezeichnet werden, welche die Zentrums­fraktion des bayrischen Landtags gegenüber der Frage der Gehaltsaufbesserung für die unteren und mitt­leren Staatsbediensteten in der letzten Tagung ein­genommen hat.

Berlin, 18. Juni. Von Wahlergebnissen in einzelnen Kreisen ist bemerkenswert: In Frank­furt a. M. hat gegenüber der Wahl im Jahre 1898 die Sozialdemokratie nur einen sehr geringen Fort­schritt zu verzeichnen, im Gegensatz zu ihrer sonstigen Zunahme im Reich; die Genossen sind von 20019 nur auf 20179 gestiegen. Während im Jahr 1898 der sozialdemokratische Kandidat, Lithograph Schmid, in der Hauptwahl siegte, muß er sich dieses mal einer Stichwahl mit dem demokratischen Kandidaten Dr. Bruck unterziehen. Die Antisemiten haben in Frankfurt einen starken Zuwachs zu verzeichnen, von 1551 im Jahre 1898 auf 4405.

Berlin, 16. Juni. Eine hier stattgefundene, von etwa 2000 Personen besuchte Versammlung Polnischer Katholiken protestierte gegen den Hirten­brief des Fürstbischofs Dr. Kopp. Auf Beschluß des Berliner Polenkomitees durften keine Diskussionen stattfinden, weil man zu scharfe Angriffe gegen Kopp befürchtete. Dagegen wurde einstimmig eine Reso­lution angenommen in der der Erlaß des Hirten­briefes verurteilt wird.

Berlin, 17. Juni. Das Wolff'sche Telegraphen- büreau schreibt: Die gestern von uns übernommene

Meldung eines Berichterstatters über den Unfall des j Prinzen Wilhelm zu Wied ist dahin zu berichtigen, daß die Verletzungen des Prinzen in einer unbedeutenden Quetschung des Unterschenkels bestehen. Wunden hat der Prinz, der in einigen Tagen wieder dienst­fähig sein wird, nicht davongetragen.

Die deutsche Orientgesellschaft wird jetzt nach neuern Bestimmungen den Kaiser an der Spitze ihrer Mitgliederliste führen. Ein wie großes Interesse der Monarch an den Arbeiten der Gesellschaft nimmt, geht auch daraus hervor, daß er im letzten Jahre nicht weniger als 40 000 gespendet hat.

Der Staatssekretär Tirpitz hat eine Verordnung zur Beseitigung entbehrlicher Fremdwörter in der Marine erlassen.

Berlin, 15. Juni. Der Berliner Lehrer­gesangverein, der im Frankfurter Sängerwettstreite den Kaiserpreis errang, ist für Freitag beim Reichs­kanzler Grafen Bülow eingeladen worden.

Rheinhausen, 16. Juni. Für die großen Kruppschen Werkanlagen sind etwa 22 Millionen erforderlich. Es werden erbaut: eine Eisengießerei, ein großes Elektrizitätswerk, drei Hochöfen, ein Thomaswerk, mehrere Walzwerke für Schienen, Blech und Eisensorten. Die für letztere Werke in Essen bestehenden Betriebe werden hauptsächlich für Kriegs­material eingerichtet.

Mannheim, 15. Juni. (Holzmarkt.) Durch das kräftigere Eingreifen der rheinischen und west­fälischen Sage-Industrie im Rundholzeinkauf wurde der Verkehr lebhafter. Bei den starken Entnahmen bieten heute die oberrheinischen Rohholzmärkte nur geringe Auswahl in marktfähiger Ware; die Zu­fuhren entsprachen dem Absatz nicht. Es herrschte trotzdem matter Ton am Markt. 27 Flöße kamen während der letzten 14 Tage hier an. Der hier befindliche freie Vorrat dürfte 5000 Stämme nicht viel überschreiten; darunter ist altes Holz ganz schwach vertreten. Angekommene brauchbare Ware wurde stets rasch genommen. Verkauft wurden nach hier und der Pfalz 1200 Stämme Kleinholz, 400 Stämme Meßholz nach Worms, 1000 Stämme nach Neuß, nach Benrath 2000 Stämme, nach Köln- Nippes 1000 Stämme und 3500 Stämme nach Duisburg, Düsfeldorf und dem Ruhrgebiet. Etwa 2000 Stämme wurden von hier nach dem Mainzer Markt abgeflößt. Neues Holz, das bevorzugt wird, bedingt heute: Kleinholz 22,2522,50, Mittelholz 24,2524,50, Meßholz 26,2526,60,. und Hol­länderholz 28,2528,50 ^ das Festmeter ab Hafen. Von altem Holz, mit dem die Eigner gerne räumen wollen, lauten die Preise: Mittelholz 2323,50, Meßholz 2525,25, Kleinholz 2121,50, und Holländerholz 2727,25 ^ das Festmeter. Am Mainzer Markt waren die letztwöchigen Zufuhren nicht ansehnlich. Die Stimmung blieb dort recht gedrückt und die Preislage matt. Im Hobelwaren­markt ist der Geschäftsgang mittelmäßig. Nordisches Weißholz und Pitch sowie Red Pine sind bevorzugt, im Preis aber sehr hoch. Nach dem Mittel- und Niederrhein werden von hier ab ununterbrochen Posten Schnittwaren mit dem Schiff versandt. Schmale süddeutsche Bretter sind am meisten begehrt und am höchsten bewertet. Die Frage nach geschnittenem Tannen- und Fichtenbauholz nach Listen ist neuer­dings ruhiger geworden.

Die russische Regierung hüllt sich über die Belgrader Vorgänge noch in absolutes Schweigen und hat deshalb auch das provisorische Ministerium Avakumiwitsch in Belgrad noch nicht anerkannt. Die Mutter des ermordeten Königs Alexander, Natalie, hat den russischen Zaren gebeten, die Mörder ihres Sohnes zu bestrafen. Der neue König von Serbien versichert hoch und heilig, daß er von dem Attentat nichts gewußt und noch weniger dasselbe angestiftet habe. Wenn nicht das Gegenteil nachgewiesen wird, so dürfte die russische Regierung ihn anerkennen.

Petersburg, 17. Juni. DieNowoje Wremja" schlägt heute einen heftigen Ton gegen die Serben an wegen ihrer Gleichgültigkeit gegen die Bluttat im Konak und fragt, wer jetzt den serbischen Soldaten trauen könne.

In Frankreich dauern die inner« Streitigkeiten fort. In Nantes kam es zu einer förmlichen Straßen­schlacht. Bei dem Zusammenstoß zwischen Sozialisten und Nationalisten wurde der Redakteur eines sozialist­ischen Blattes so durch Stockhiebe zugerichtet, daß er tot auf dem Platze blieb. Ferner erlitt der Präsident des Freidenkervereins, Lejeune, infolge von Stockhieben einen Schädelbruch. Viele andere Personen wurden mehr oder minder schwer verletzt. 7- bis 8000 Nationalisten begaben sich, nachdem sie die Antiklerikalen vertrieben hatten, zur Präfektur, rissen das Gitter nieder und versuchten in das Gebäude einzudringen. Gendarmerie und Dragoner trieben die Ruhestörer auseinander, die aus Pflastersteinen und Balken bereits eine Art Barrikade errichtet hatten; zahlreiche Ruhestörer wurden in Haft genommen.

Im englischen Ministerium dauert die Un­einigkeit noch immer fort, namentlich der Herzog von Devonshire und der Minister des Innern Ritchie sind ausgesprochene Gegner Chamberlains und ob letzterer sich im Amt erhalten kann, dürfte in nicht allzuferner Zeit zur Entscheidung kommen. Cham- berlain beruft sich mir den Zollplänen zur Fester-- fügung des gesamten britischen Reichs auf die s. Zt. abgeschlossene, in Deutschland erzielte Zollunion, welche dann die politische Einigung Deutschlands schließlich gebracht habe. Die englischen Kolonien sind aber vom Mutterreich zum Teil sehr weit ent­fernt und haben so verschiedenartige Interessen, daß eine Zollunion des englischen Mutterlandes mit seinen Kolonien fast unmöglich erscheint.

New-Jork, 17. Juni. DerMorning Leader" berichtet, daß die Unterwetterkatastrophe im Staate Oregeon bedeutender war, als bisher gemeldet wurde. Die Zahl der Gelöteten wird auf 800 angegeben. Drei kleine Städte wurden durch Ueberschwemmungen total zerstört.

Württemberg.

Stuttgart, 17. Juni. Die Kammer der Abgeordneten setzte heute nachmittag die Etats­beratung fort und erledigte mehrere Kapitel des Kultusetats. Die Massigen Real-Lehranstalten sollen allmählich in lOklassige erweitert werden, wofür die Kammer die nötigen Mittel bewilligt. Eine längere Debatte entspann sich über die Frage der Einführung eines einheitlichen Stenographie-Systems in sämtlichen höheren Lehranstalten. 32 solche haben bis jetzt noch gar keinen Stenographie-Unterricht, in den übrigen wird meistens nach Gabelsberger System unterrichtet. Letzteres wurde von mehreren Rednern warm empfohlen. Schließlich wurde ein Antrag Kleemann auf Einführ­ung des einheitlichen Stenographie-Systems in allen Schulen mit 63 gegen 2 Stimmen angenommen und fernerhin eine weitere Anzahl von Kapiteln ohne nennenswerte Debatte genehmigt und die Sitzung um 7fli Uhr geschlossen. Nächste Sitzung morgen.

Stuttgart, 18. Juni. Die Kammer der Ab­geordneten beendete heute die Beratung des Kult- ministerialetats. Ein Antrag Hartranft, den Ge­meinden für die Grundgehälter der Lehrer größere Zuwendungen zu machen, fand den Beifall des Kultusministers. Einem Antrag v. Geß, in den religiösen Fächern weniger Prüfungen abzuhalten, widersprach dagegen der Minister. Gröber beschwerte sich darüber, daß namentlich in Oberschwaben Kinder oft aus weiter Entfernung (bis zu 9 km) in ihre Schulen gehen müssen, während andere Schulen näher liegen. Der Minister versprach Abhilfe. Es kamen dann noch verschiedene Wünsche bei anderen Kapiteln zur Sprache, die aber kein allgemeines Interesse haben. Dem Gabelsberger Stenographenverein wurde der bisherige Staatsbeitrag von 515 wieder be-