zwar keineswegs offen für das Schutzzollsystem, verwarf es aber auch nicht prinzipiell, meinte vielmehr schließlich, England müsse die Frage, ob es sich für den Freihandel oder für den Schutzzoll entscheiden solle, ernstlich Prüfen. Im übrigen rügte es Lord Rosebery treffend als einen bedenklichen Fehler Eng- lands in dessen auswärtiger Politik, daß es die charakteristischen Bestrebungen anderer Nationen selten nachsichtig beurteile.
Der amerikanische Handel in der Mandschurei wird auch unter der neuen russischen Herrschaft in dieser ehemaligen chinesischen Provinz nicht leiden, da das Staatsdepartement des Aeußeren in Washington in dieser Beziehung beruhigende Erklärungen von Rußland erhalten hat. Nun, es war zu erwarten, daß die schlauen Jankees sich mit den Russen in der Mandschurei freundschaftlich auseinandersetzen würden!
Prätoria, 22. Mai. Das erste Transvaal- Parlament wurde am Mittwoch im Raadsaal von Sir Arthur Lawley eröffnet, die Spitzen der Militär-, Regierungs , Kirchen- und Justizbehörden waren anwesend. Nach Vereidigung der Mitglieder hielt der Gouverneur die Eröffnungsrede. Der Rat vertagte sich dann bis zum 26. ds. Mts.
Ex-Präsident Krüger von Transvaal ist aus Mentone, wo er den Winter über weilte, wieder nach Holland zurückgekehrt und hat erneut die von ihm in Hilversum gemietete Billa bezogen.
Rom, 22. Mai. In Benevent und fünf Dörfern dieser Provinz wurde heute vormittag 10,43 Uhr ein heftiger Erdstoß verspürt. Leichte Erschütterungen werden auch aus sechs Dörfern der Provinz Avellino gemeldet. Die seismographischen Instrumente in Neapel zeigten heute vormittag 10,40 Uhr zwei Erdbeben an.
Winnipeg, 22. Mai. Im Süden des Distriktes Alberta und in Montana wütet der heftigste Schneesturm, der seit vielen Jahren vorgekommen ist. Der Schnee liegt im Weideland 18 Zoll hoch. Die Viehzüchter schätzen ihren Verlust auf 5 Mill. Dollars. Es ist kein Anzeichen für einen Wetterumschlag vorhanden.
Die Lieferung von 11472 Telegraphenstangen aus Lärchenholz nach Frankreich wird am 11. Juni, vormittags in Paris, Rue de Grenelle Nr. 103, in 5 Losen vergeben. Gesuche um Zulassung sind vor dem 1. Juni einzureichen.
Würllemberg.
Stuttgart, 19. Mai. Der König und die Königin wohnten heute in Tübingen der Enthüllung des Standbildes des Grafen Eberhard von Württemberg auf der neuen Neckarbrücke bei.
Stuttgart, 22. Mai. Die Kammer der Abgeordneten setzte heute nachmittag die Beratung des Etats des Innern fort und genehmigte die für landwirtschaftliche Zwecke eingesetzten Mittel von jährlich 247 400 ^ Anerkennung fand hiebei die Erhöhung des Etatssatzes für Rindviehzucht von 100000 auf 110000 und die Verdoppelung des Satzes für die Schweinezucht (16000 nament- lich zur Prämierung von Mutterschweinen. Während einige Redner die hiefür bestimmte Summe von 7000 ^ als ungenügend bezeichnet?», versprachen
sich andere, darunter Präsident von Ow, einen Erfolg hievon für die Schweinezucht, die unseren Bedarf an Schweinefleisch bei weitem noch nicht decke. Eine Bitte des Landesverbandes der Geflügelzucht- und Vogelschutzvereine um Einstellung eines Staatsbeitrags von 4000 in den Etat zur Förderung der Geflügelzucht wurde durch Einstellung von 3000 ^ für erledigt erklärt, eine weitere Bitte um Einstellung von 1000 -/A zur Unterstützung der Bestrebungen zum Schutze der landwirtschaftlich nützlichen Vögel wurde der Regierung zur Berücksichtigung übergeben und ein Antrag Liesching, „von den für Förderung der Geflügelzucht geforderten 3000 ^ den Betrag von 500 ^ abzuzweigen und die Bereitwilligkeit auszusprechen, diese 500 ^ zum Schutze der landwirtschaftlich nützlichen Vögel zu verwenden," angenommen. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde sodann noch eine Reihe von Kommissionsanträgen zu den einzelnen Titeln genehmigt, darunter die Aufstellung von 2 weiteren Bereinigungsfeldmessern und die Neuanstellung von 4 Kulturaufsehern. Damit war das Kapitel „Zentralstelle für die Landwirtschaft" erledigt. Samstag Fortsetzung der heutigen Beratung.
Stuttgart, 18. Mai. Wie in der Frage der Handelsverträge, so trennen sich bekanntlich auch bei der Steuerreform die Wege der Sozialdemokratie von denen der Volkspartei. Die demokratische Presse, hält sich darüber auf, daß die Genossen eine Politik mit doppeltem Boden treiben. In der Sitzung des Gemeinderats vom letzten Donnerstag wies der Gemeinderat Kloß darauf hin, daß die begründete Aussicht auf das Zustandekommen der Steuerreform die Aussicht auf baldige Abschaffung der Fleischsteuer eröffne, und daß daher die sozialdemokratischen Gemeinderäte dem Gemeindeetat Anstimmen könnten. In der Abgeordnetenkammer aber hielt ungefähr zur gleichen Zeit sein Fraktionsgenosse Keil eine flammende Rede gegen die Steuerreform, die er auch im Hinblick auf die Bedürfnisse der Gemeinden als unzureichend bekämpfte. Und eine halbe Stunde später stimmte mit ihm auch der Abgeordnete Kloß, der soeben das Zustandekommen der Reform im Gemeinderat freundlich erwähnt hatte, gegen das Gesetz!
Heilbronn, 22. Mai. Oberbürgermeister Hegelmaier zieht aus Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit seine Kandidatur zurück.
Stuttgart, 22. Mai. In Nill's Tiergarten ibt jetzt eine Liliputanertruppe, genannt „Les Colins", Vorstellungen, die sich eines lebhaften Besuchs zu erfreuen haben. Die Vorführungen, welche in der gedeckten Halle stattfinden, beginnen mit einer Auffahrt der kleinen Leutchen — 6 Männer und 3 Damen — in hübschen winzigen Galawagen. Der kleinste der Zwerge ist nur 69 cm hoch und wiegt 9*/- KZ. Die Damen produzieren sich als Tänzerinnen und Sängerinnen und die Herren sind Jongleure, Akrobaten, Komiker usw. — „Ein ungewöhnliches Beispiel dafür, wie in der Begeisterung die Kräfte wachsen, ist ein Vorgang, der sich beim Musikfest in Stuttgart abspielte. Als der gefeierte Festdirigent, Generalmusikdirektor Fritz Steinbach aus Köln, während der Pause in den Nebensaal trat, in dem sich die am Chorgesang beteiligten Damen aufhielten, eilten
einige beherzte Sängerinnen auf ihn zu, hoben den in doppeltem Sinne „großen" Kapellmeister, der ein ungewöhnliches Körpergewicht hat, mit vereinten Kräften in die Höhe und trugen ihn im Triumphe durch den Saal — eine Leistung, die nicht nur von der außerordentlichen Begeisterung, sondern auch von der athletischen Stärke der schwäbischen Damen beredte Kunde gibt. Außer Stuttgarterinnen sollen noch Cannstatterinnen und Ludwigsburgerinnen an diesem kühnen Schwaben- oder richtiger Schwäbinnenstreiche beteiligt gewesen sein."
Slus StaSt. Bezirk unS Umgebung.
Einweihung der neuerbaulen Kirche zu Dennach.
Der vergangene Sonntag, der 17. Mai, war für die Gemeinde Dennach ein denkwürdiger Tag; war er doch der Tag der Einweihung des schmucken, neuerbauten Kirchleins. Es war schon lange der Wunsch der Dennacher Gemeinde, ein eigenes Gotteshaus zu besitzen, da es oft sehr beschwerlich war, namentlich für ältere Leute und zur Winterszeit, den Gottesdienst in Feldrennach zu besuchen. Endlich, nach verschiedenen vorausgegangenen Vorbereitungen war es möglich, den Bau der Kirche im Spätsommer des vergangenen Jahres zu beginnen, der jedoch infolge ungünstiger Witterung langsam fortschritt. Doch brachte dieses Jahr mit seinem günstigen Vorfrühling die Bautätigkeit in regeren Fluß, so daß bald der 17. Mai als Tag der Einweihung bestimmt werden konnte. Schon äußerlich machte sich die Festesfreude an diesem Tage bemerkbar. Auf beiden Seiten der Dorfstraße waren in kurzen Abständen schlanke Tannenbäumchen angebracht, welche im Verein mit den durch Guirlanden und Kränzen reich geschmückten Häuserfronten dem ganzen Ort ein festliches Aussehen verliehen, das durch reichen Flaggenschmnck noch erhöht wurde. Vormittags ^/«lO Uhr sammelten sich die Einwohner des Orts, die Schüler, einige Herren Bezirksbeamten, sowie die von auswärts erschienenen Feftgäste, darunter als Vertreter der hohen Ober- kirchenbehörde, Prälat Dr. v. Wittich, in und am Rathaus, um sich zum Festzuge zu vereinigen. Derselbe wurde eröffnet von den Schülern der Oberklasse mit ihrem Lehrer. Hierauf folgten die HH. Prälat Dr. v. Wittich, Dekan Uhl-Neuenbürg, Bezirksschulinspektor Schneider-Höfen, Pfarrer Jung-Feldrennach, Pfarrverweser Frick-Schwann, sämtliche Geistliche in Amtstracht; weiter folgten die Mitglieder des Kirchengemeinderats, die Kirchengefässe tragend, die bürger- lichen Kollegien, die auswärtigen Gäste und den Zug beschließend die Einwohnerschaft von Dennach. Unter dem Festgeläute der 2 Kirchenglocken bewegte sich der Festzug langsam der am untern Ende des Dorfes gelegenen Kirche zu. Nach Uebergabe des Schlüssels durch Stadtbaumeister Honecker von Calw, dem Erbauer der Kirche, an Pfarrverweser Frick, dem nunmehrigen Ortsgeistlichen, öffnete letzterer das Portal und feierlich erfolgte der Einzug in das freundliche, mit Kränzen und Tannengrün sinnig geschmückte Gotteshaus, das die Festteilnehmer kaum zu fassen vermochte. Nach kurzem Präludium auf dem orgelartig ausgestatteten wohlklingenden Harmonium trug der Gesangverein Dennach einen schönen Chor vor.
unverkennbar zu erschüttert fühlten, um ein Wort
Hervorbringen zu können.
Dann, sich sanft von dem andern losmachend, sprach der Angekommene:
„Herr Bergen, fassen Sie sich!"
Und er nötigte den aller seiner Selbstbeherrschung Beraubten mit liebevoller Gewalt, auf einem Sessel Platz zu nehmen.
Aufschluchzend wie ein Kind, sank der kräftige Mann mit den wettergebräunten Zügen darauf nieder.
„Ihr Anblick hat mir das Bild der verlorene« Heimat so lebhaft vor die Seele geführt, daß mich der Schmerz übermannte, der Schmerz um alles, was mir einst das Teuerste war und das ich verloren habe durch eigene Schuld!"
Der Fremde, der kein anderer war als der Justizrat Franck, legte seine Hand auf die Schulter Bergens.
„Ruhe und Fassung, lieber Freund!" sprach er milde. „Was Sie gefehlt, das haben Sie schwer genug gebüßt."
Bergen beugte traurig sein Haupt vornüber.
„Sie wissen nicht alles!" versetzte er düster.
„Ich weiß nicht nur alles," antwortete der Justizrat, „sondern ich bin sogar über manches besser unterrichtet als Sie. Ich habe Fred Walker gesprochen! *
Bergen schnellte entsetzt empor.
„Nicht möglich!" rief er. „Er ist ja tot!" rief er zusammenschauernd, indem er kraftlos auf seinen Stuhl zurücksank. „Getötet von meiner Hand!"
Von tiefem Mitleid erfüllt, blickte Franck auf die gebeugte. gebrochene Gestalt des vor ihm sitzenden Mannes.
einem Jahre von Kanada, wo er einen bedeutenden Holzhandel betrieben hatte, nach dieser Stadt ge- kommen, um hier von seinen Renten zu leben. Das war alles, was man von ihm wußte.
Er hatte sich ein hübsches Haus gekauft und dasselbe einfach, aber bequem einrichten lassen. Eine alte Haushälterin und ein farbiger Diener, die beide ebenso schweigsam und unzugänglich wie ihr Herr waren, machten seine ganze Umgebung aus.
George Hood erhielt weder Briefe, noch Besuche; in vollständiger Abgeschlossenheit lebend, verließ er nur selten sein Haus, und geschah das einmal, so lag es stets wie ein düsterer Schatten über seinem ganzen Wesen.
„Meine deutsche Heimat!" murmelte er wie im Traume vor sich hin und der Ausdruck seiner Augen verriet, daß er im Geiste ein ganz anderes Bild vor sich sah, als das, welches vor ihm lag. „Wie sehne ich mich nach ihr; doch ach, sie ist mir für immer verschlossen!"
Der Eintritt des Dieners ließ ihn zusammenzucken.
Mit leichtem Unwillen über die Störung wandte er sich vom Fenster ab.
„Was bringst Du mir, Jack?"
„Einen Brief, Mafia!"
„Einen Brief!"
Glühende Röte übergoß für einen Moment die tiefgebräunten Züge des Mannes. „Gib!" sprach er, tief Atem holend.
Hastig griff er nach dem Schreiben und warf einen prüfenden Blick auf die Adresse.
Ein heiserer Schrei entrang sich ihm, dann erbrach er mit bebenden Fingern das Siegel.
Große Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn und seine Hand suchte krampfhaft nach einer Stütze, während er die wenigen Zeilen las, welche das Schreiben enthielt.
„Träume ich, wache ich, oder bin ich wahnsinnig geworden?" murmelte er vor sich hin.
„Er wünscht eine Unterredung mit mir, welche wichtige Angelegenheiten betrifft! Es ist kein Zweifel, es ist seine Schrift! Allgütiger Himmel, was soll ich tun? Ich muß ihn hören, — und doch, — nein, ich darf ihn nicht empfangen — ich —"
Er hielt inne; sein Blick hatte den Diener gestreift.
Mit fieberhaft glänzenden Augen, am ganzen Körper zitternd, sich nur mit der größten Mühe aufrecht haltend, sah er dem Eintritt des angekündigten Besuchers entgegen.
Minuten der qualvollsten Erwartung verstrichen; dann öffnete sich langsam die Tür und bleich, von einem konvulsivischen Beben geschüttelt, keines Wortes mächtig, starrte Hood auf die Gestalt, die auf der Schwelle ihm gegenüber stand.
„Mein Freund!" Mit diesem Ausruf brach der auf der Schwelle des Zimmers Erschienene das Schweigen. Seine Arme streckten sich aus nach dem Manne, der sichtlich von der heftigsten Aufregung beherrscht, inmitten des Gemaches stand. Im nächsten Moment lagen sie einander in den Armen.
Minuten vergingen, während welcher beide sich