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Der «nzthäler.

Anzeiger fnr das GrrzlhaL nnd Umgebung.

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Neuenbürg.

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17.

Neuenbürg, Freitag den 30. Januar 1903.

61. Jahrgang.

RunSschau.

Berlin. 29. Jan. Der Trinkspruch, welchen Kaiser Franz Josef bei der Galatafel am Dienstag ausbrachte, lautet derNeuen Fr. Presse" zufolge:Ich trinke auf das Wohl Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm, meines teuren Freundes und Bundesgenossen. Gott schütze und erhalte ihn. Seine Majestät Kaiser Wilhelm lebe hoch!"

München, 27. Jan. Zur Feier des Geburts­tages des Kaisers sind die öffentlichen und viele Privatgebäude beflaggt. Der Prinzregent sandte dem Kaiser ein herzlich gehaltenes Glückwunsch-Telegramm. Am Nachmittag fand im Königlichen Residenzschlosse Hofgalatafel beim Prinzregenten statt, an dem die Königlichen Prinzen, die Mitglieder der preußischen Gesandtschaft, der Staatsminister Graf Crailsheim, der Kriegsminister Freiherr von Asch u. a. teilnahmen. Der Prinzregent brachte den Trinkspruch auf den Kaiser aus. Gestern abend veranstaltete der preußische Gesandte Graf Pourtales eine Festtafel.

München, 28. Jan. Wie die hiesigenNeu. Nach." behaupten, hat der Prinzregent den Minister­präsidenten beauftragt, dem preußischen Gesandten seine Anerkennung über Bülows Rede zur Swine­münder Depesche auszudrücken. Graf Bülow habe für diesen Huldbeweis freudigst gedankt.

Petersburg, 28. Jan. Gestern abend ver­einigten sich etwa 300 Deutsche zu einem Festmahl in den Räumen des deutschen Klubs. Botschafter Graf Alvensleben brachte in zündenden Worten ein Hoch auf Kaiser Nikolaus. Der bayerische Gesandte Freiherr von Gasser ein solches auf Kaiser Wilhelm aus. Nach den Trinksprüchen wurde die preußische und russische Nationalhymne gesungen.

Berlin. Der Kronprinz und Prinz Eitel-Fritz werden, wie ein hiesiges Blatt mitteilt, Ende April in Rom vom Papst empfangen werden.

Berlin, 29. Jan. Fürst Stolberg-Wernigerode bestätigt in einer öffentlichen Zuschrift, daß der Fürst Stolberg-Stolberg einem Jagdunfall zum Opfer gefallen ist. Fürst Wolfgang liebte es, Raubvögel abzuschießen. Er hatte auch auf der Fahrt von seinem Schloß Rottleberode nach Stolberg, wo er die Vorbereitungen zur Leichenfeier für seinen ver­storbenen Vater treffen wollte, ein Gewehr bei sich und ein in dem Park von Rottleberode niederstoßender

Ein verlorener Snhn.

8 Erzählung von A. Zt.

Ein Gefühl von Ruhe und Frieden, wie er es lange nicht gekannt hatte, war über Rudi gekommen. Das Bewußtsein, bei guten Menschen zu sein, in einem anständigen, ehrenwerten Hause legte sich wie ein lindernder Balsam auf sein unruhiges Herz. Er hatte kein Wort Hervorbringen können, als Herr Morton ihm sein großmütiges Vorhaben mitteilte, ihn bei sich behalten zu wollen.

Wie kamen diese fremden Menschen dazu, ihn aufzunehmen, ihn, den Vagabunden, den Aus­gestoßenen?

Wie schön das Bett war, wie behaglich das Zimmer, er hatte schon lange nicht mehr in einem solchen Zimmer gewohnt!

Mit einem tiefen Atemzuge reckte und streckte er sich auf seinem Lager. Da trat eine Pflegerin zu ihm.Wünschen Sie etwas?"

Rudi blickte sie halb erschrocken an. Er war ja gar nicht so sehr krank, weshalb wachte man denn bei ihm? Plötzlich schoß ihm daß Blut ins Gesicht. Er besann sich auf die jüngste Vergangenheit. Ob Herr Morton ahnte, daß er im Begriff gewesen war

Wollen Sie mir, bitte, meinen Rock geben!" sagte er hastig und ohne die Pflegerin anzusehen. Ich möchte Nachsehen, mein Portemonnaie"

Habicht bewog ihn dazu, den Wagen zu verlassen. Der greise Fürst Alfred ist an den Folgen einer Er­kältung gestorben. Vater und Sohn werden gleich­zeitig zur letzten Ruhe bestattet.

Dresden, 28. Jan. Das zum Austrag der Eheirrung zwischen dem Kronprinzen und der Kron­prinzessin eingesetzie besondere Gericht wurde heute vormittag im Saale des Oberlandesgerichts durch den Präsidenten Loßnitzer mit der Verlesung der königlichen Verordnung vom 30. Dezember 7902 betreffend die Niedersetzung des besonderen Gerichts eröffnet. Das Gericht hatte keine besonderen Schwierig­keiten zu erledigen. Wie verlautet, hat es auf Scheidung erkannt und ausgesprochen, daß die beklagte Partei die Schuld trägt. Da die Kronprinzessin als der allein schuldige Teil befunden wurde, hat sie keinen rechtlichen Anspruch auf Alimentation. Doch hat ihr der Kronprinz eine jährliche Rente von 30000 ,.L. bewilligt.

Wien, 27. Jan. In hohen Kreisen ruft eine Meldung aus Mentone, daß die Kronprinzessin von Sachsen ihren Uebertritt von der katholischen zur evangelischen Kirche vorbereite, peinliches Aufsehen hervor; auch Giro» vollzieht den Glaubenswechsel, der raschestens durchgeführt werden soll, um die ge­plante Heirat zu beschleunigen.

Wien, 28. Jan. DieWiener Ztg." veröffent­licht eine kaiserliche Verordnung, mit welcher der Kronprinzessin von Sachsen alle Rechte einer öster­reichischen Erzherzogin und alle Ehren und Würden entzogen werden.

Der Dresdener Polizeikommifsar ArthurSchwarz, der bekanntlich in der Nähe der Kronprinzessin in besonderer Mission in Genf weilte, erhielt von dem Kronprinzen von Sachsen eine goldene Busennadel mit Brillanten, welche die Krone und die Initialen li'. .V. trägt. Daß zur Beobachtung der Kronprinzessin in Genf gerade Herr Schwarz, der sogenannte Fremden kommissar" von Dresden, als die geeignetste Persönlichkeit erwählt wurde, ist darin begründet, daß Herr Schwarz acht fremde Sprachen geläufig spricht, die er sich in verschiedenen Ländern als Hotel-Oberkellner früher angeeignet hat.

Berlin, 28. Jan. Hoftheater-Jntendant v. Hülsen hat von der verstorbenen Baronin Exzellenz Cohn- Oppenheim die großen Kunstschätze der Verblichenen und außerdem 800000 ,/tl in bar geerbt.

Sie glaubte, er spräche halb im Schlaf.Ihr Portemonnaie liegt hier auf dem Nachttisch, auch Ihr Taschentuch, und jetzt müssen Sie schlafen, junger Mann!"

Ich möchte dennoch meinen Rock haben, den Ueberzieher," sagte Rudi und sah suchend im Zimmer umher,wo ist er, ich vermisse noch etwas, ich . . ."

Sehen Sie selbst, hier ist der Rock," sagte die Pflegerin begütigend.

Er fuhr mit der Hand in alle Taschen, ohne etwas zu finden. Dann lehnte er sich ermattet zu­rück und schloß die Augen. Das Gefühl von Be­haglichkeit, welches ihn kurz vorher beherrscht hatte, war gewichen. Brennende Scham erfüllt seine Seele. Hatten diese guten Menschen ihn als einen Selbst­mörder erkannt! Wurde er hier bewacht wie ein Geisteskranker? Was ging es im Grunde die Leute an, ob er seinem elenden Dasein ein Ende machen wollte? Sie hatten ihm wahrhaftig keinen guten Dienst mit ihrem Dazwischenkommen geleistet.

Rudi Keller sitzt, in einen warmen Schlafrock gehüllt, am Fenster, auf einem Tischchen neben ihm liegen Zeitungen, Bücher, auch eine Bibel.

Die freundliche Frau Morton ist unermüdlich für sein geistiges und leibliches Wohl bemüht. Sie hat schon längst Erlaubnis bekommen von ihrem Manne, den sonderbaren Gast zu besuchen, und so geht sie öfers am Tage zu ihm hinauf, bringt ihm dies und jenes, Plaudert mit ihm und freut sich,

Berlin, 29. Jan. Der Staats anzeiger ver­öffentlicht ein umfangreiches Verzeichnis der Firmen, denen die Staatsmedaille mit der Inschrift:für gewerbliche Leistungen" in Gold, Silber oder Bronce verliehen worden ist.

Die deutsche Einfuhr ist im Jahre 1902 mit 43.34 Millionen Tonnen um 964 517 Tonnen ge­ringer, die deutsche Ausfuhr mit 35 Millionen Tonnen um 2,7 Millionen Tonnen größer gewesen als im Vorjahre.

Die altberühmte Augsburger Fürsten herberge das HotelZu den drei Mohren", gelangt voraus­sichtlich innerhalb Jahresfrist zum zweiten Mal unter den Hammer. Der jezige Inhaber Franz Bachhuber aus München, der das Hotel vor neun Monaten um 790000 -/E erworben hat, geriet unlängst in Konkurs, und verschiedene Versuche, einen Zwangs­vergleich herbeizuführen, sind gescheitert. Jetzt ist Versteigerungs-Termin auf den 27. Februar aus­geschrieben worden.

Aus der Pfalz, 27. Jan. Das am Sonntag in verschiedenen Ortschaften der Vorderpfalz wahr­genommene Erdbeben hat sich gestern Vor- und Nachmittag wiederholt. Besonders in den Ortschaften Kandel, Maximiliansau und Pfortz war die Erschütter­ung so groß, daß ganze Häuserreihen erzitterten, die Thüren aus den Schlössern sprangen, die Fenster klirrten und die Leute erschreckt auf die Straße liefen.

Aachen, 28. Januar. In den beiden hiesigen großen Buchdruckereien Georgi und Starcken ist gestern ein Streik der Buchdruckereigehilfen ausge- brocheu, weil die Prinzipals sich weigern, sich der Tarifgemeinschaft anzuschließen und die Löhne und Zuschläge der Tarifgemeinschaft zu zahlen.

Der englische Kolonialminister Chamberlain ist im Weiterverkäufe seiner Rundreise in Südafrika am Sonntag in Lichtenburg, das im äußersten Westen von Transvaal liegt, eingetroffen. Sofort nach seiner Ankunft in Lichtenburg empfing Chamberlain eine Anzahl hervorragender Buren, die vom General Delarey vorgestellt wurden. Uebrigens kann sich Delarey vor Loyalität gegenüber den Engländern kaum noch lassen. Schon bislang hatte er seine Landsleute wiederholt ermahnt, sich gehorsam in die neue Lage der Dinge zu fügen. Nunmehr ist von ihm abermals ein Aufruf an die Buren ergangen, in welchem er dieselben auffordert, der englischen

wenn sie ihn erheitern kann! Das gelingt ihr frei­lich selten.

Rudis Augen blicken fast immer unendlich traurig ins Leere; er freut sich nicht des wiedergeschenkten Lebens.

Auch heute saß er so trübselig da, als es klopfte und seine Lebensretterin eintrat.

Hier bringe ich Ihnen eine kleine Herzstärkung," sagte sie lustig und stellte ein Theebrett, das allerlei schöne Dinge enthielt, auf den Tisch neben ihn. Aber wo ist der Brief an Ihren Bruder, den Sie heute schreiben wollten?"

Ich habe mich anders besonnen, Frau Morton, mein Bruder erschrickt nur, wenn er meine Hand­schrift steht. Ich thue besser, für ihn gestorben und begraben zu sein!"

Das ist ja Unsinn! Ihr Bruder freut sich natürlich riesig, wenn er einmal wieder Nachricht von Ihnen bekommt. Sie haben mir ja selbst er­zählt, daß er extra noch einmal nach Hamburg ge­kommen ist, um Sie zu sehen, und daß er Ihnen jedesmal geantwortet hat, wenn Sie schreiben, nun also hier ist ein schöner Bogen Papier, erst aber essen Sie dies Butterbrot!"

Gehorsam that er, was sie ihm sagte, aber es gelang ihr nicht, ein Lächeln auf sein blasses Gesicht zu zaubern.

Gestern ist mein Vater von seiner Reise zurück­gekommen," plauderte sie weiter,er wird Sie nach­her besuchen, ich habe ihm erzählt, daß Sie der stolze Kellner sind, welcher seinen Dollar so schnöde