Feldrennqch, 2. Jan. Nachdem der schon 2mal zum Ortsvorsteher gewählte Verwaltungsassistent Fauth gegen die jüngste Verfügung der K. Kreis- regierung Reutlingen Beschwerde beim K. Ministerium des Innern erhoben hat, mußte die auf 20. Dez. anberaumt gewesene dritte Wahl verschoben werden. Das K. Ministerium hat aber diese Beschwerde als unbegründet verworfen und ist, wie wir hören, die Vornahme einer dritten Wahl auf 13. ds. Mts. bestimmt worden. Möge nun durch diese Wahl die Angelegenheit ihre Erledigung finden.
Herrenalb, 1. Jan. Der Militärverein hielt seine Weihnachtsunterhaltung im Gasthaus zum Waldhorn ab. Eine Gabenverlosung mit ihren mannigfaltigen Ueberraschungen, die gutgeschulten Vorträge des Gesangvereins Liederkcanz und die heiteren Weisen einer Abteilung Rastatter Militärmusiker boten die angenehmste Abwechslung. Dem rührigen Vorstand, Hotelbesitzer A. Hauber, sowie dem Gastgeber G. Hädinger gebühren lebhafte Anerkennung. — Gleichzeitig versammelte sich der Liederkranz Gaisthal in der Restauration Keller, wo Lehrer Müller einen mit Beifall aufgenommenen Vortrag überden „Götterglauben der Germanen" hielt.
Das „Calwer Wochenblatt", Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Calw, erscheint nunmehr dom 1. Januar 1903 ab wöchentlich 4mal (bisher 3mal).
Calw, 1. Januar. Der Unfug des Neujahr» auschießevs hätte hier leicht schlimme Folgen haben können. Schon um 9 Uhr abends erhielt ein I8jähr. Mädchen auf der Straße einen Streifschuß an der Stirne, und gleich darauf drangen zwei Kugeln in das Wirtschaftszimmer des Gasthauses zum Waldhorn ein, glücklicherweise ohne Jemand zu treffen. Den sofort angestellten Nachforschungen der Polizei gelang cs, einen 15 jährigen Handwerkslehrling als Attenthäter festzustellen.
Pforzheim. (Sylvesterunfug.) Um halb 10 Uhr nachts wurde der 15 jährige Ciseleurlehrling A. K. hier auf der Altstädterstraße von dem 16- jährigen S. hier aus Unvorsichtigkeit mit einem Terzerol in den linken Oberschenkel geschossen. Die Kugel wurde durch den Arzt hier entfernt.
In Pforzheim ist es bräuchlich, daß die Geschäftsleute, insonderlich Wirte, Bäcker und Metzger am Sylvester durch Annoncieren in den öffentlichen Blättern ihre Glückwünsche darbringen. So kommt es, daß diese Gratulationen ganze Spalten und Seiten füllen und die Zeitungsverlage dadurch ein gutes Geschäft machen. Es mag zur Beweisführung ds. angeführt werden, daß die drei Zeitungen der guten Stadt Pforzheim am 3l. Dezember zusammen nicht weniger als 215 solcher Prosit-Neujahr-Inserate ent halten. Daß Pforzheim auch sonst Großstadt zu werden verspricht, sei dadurch erwiesen, daß gleich zeitig mindestens ebenso viele auf Sylvesterabend und den Neujahrstag bezügliche Vergnügungsanzeigen, Vereins-, Schlachtpartie- und sonstige Annoncen zu finden sind. Daß ferner die Geschäftswelt viel Wert aufs Annoncieren legt, geht gleichzeitig aus den vielen Waren-Empfehlungen aller Branchen in beachtenswerter Weise deutlich hervor.
Das Gkhrimiiis des Zandhausks.
Erzählung von G. Schätzler-Perasini.
- (Nachdruck verboten.)
Es war zur Mittagsstunde, als ich, der einzige Sohn meiner teuren Mutter, in das Zimmer trat und mit einem Rufe des Schreckens zurückfuhr.
Die Mutter lag bleich wie der Tod in einem Fauteuil und gab kein Zeichen des Lebens von sich. Ihre Hände mit den feinen Fingern hingen zu beiden Seiten schlaff herunter.
„Mutter!" rief ich nach dem ersten Entsetzen und stürzte auf sie zu.
Sie regte sich nicht. Aber als ich das Ohr gegen die Stelle ihres Herzens legte, wußte ich, daß es zum Glücke nur eine tiefe Ohnmacht war, welche sie befangen hielt.
Eine Dienerin konnte ich nicht rufen, denn wir besaßen keine mehr, seitdem uns das Unglück traf. Also lag es einzig nur an mir, die Bewußtlose ins Leben zurückzurufen.
Nach großer Anstrengung gelang es mir endlich und sie öffnete die Augen. Ein verwirrter Blick traf mich.
„Was ist denn vorgefallen, Mutter?" fragte ich.
Sie drückte die beiden Hände auf die Brust und nur schwer kam es über ihre bleichen Lippen:
„Arthur, ich darf nicht länger zögern, um Dir zu sagen, was ich gerne verschwiegen hätte. Du bist 19 Jahre alt und in der Schule des Lebens
Pforzheim, 2. Jan. Ein schweres Unglückwar in der vergangenen Nacht im Hause des Bäckermeisters Ludwig Bla ich in der Baumstr. hier m Anzuge. Entgegen den bestehenden Vorschriften, hatten sich die bei Blaich beschäftigten 3 Leute in der Backstube schlafen gelegt und unvorsichtigerweise den noch stark brennenden Backofen vorher abgeschlossen. Nachts gegen 12 Uhr vernahm Herr Blaich von der Backstube her ein starkes Röcheln. Er begab sich dorthin und fand die Leute infolge des ausgeströmten Kohlengases vollständig bewußtlos. Schnell brachte man sie auf den Hof an die frische Luft, rief ärztliche Hilfe herbei und unternahm Wiederbelebungsversuche. Dieselben waren auch von Erfolg. Schließlich überführte man die Leute ins Krankenhaus. Ob sie durch die Gasvergiftung ernsten Schaden erlitten haben, wurde noch nicht festgestellt. Die Betreffenden sind der 22 Jahre alte Gottlieb Secker von Wildberg, der 17 Jahre alte Anton Herrmann von München und der 14 Jahre alte Ludwig Gauß von Neuenbürg. So viel steht bereits fest: wäre das Geschehnis etwas später wahrgenommen worden, so wären alle drei Leute erstickt.
* Pforzheim, 31. Dez. Plötzlich vom Schlage getroffen wurde heute morgen gegen 10'/? Uhr der in der Bahnhofstraße 24 hier wohnhafte Bijouteriefabrikant P. E. Suedes. Derselbe, ein 61 Jahre alter Herr, machte seinen gewöhnlichen Morgenspaziergang, als er in der Zähringer-Allee Plötzlich hinstürzte. Ein zufällig hinzukommender Arzt konstatierte den Tod und veranlaßte die Ueberführung des so jäh aus dem Leben Geschiedenen nach der Wohnung des Verstorbenen.
* Pforzheim, 31. Dezbr. Ein betrübender Unglücksfall trug sich heute vormittag zwischen N/s und 10 Uhr auf einem Neubau hier zu. An der Ecke der Altstädter- und Koppelhofstraße erstellt Herr Schmiedmeister Staib hier einen Neubau. Der dort beschäftigte hier 28 Jahre alte, verheiratete Maurer Christian Peters aus Dill-Weißenstein, wollte im vierten Stockwerk einen Backofen zwischen der Giebelmauer und dem Gebälk einfügen und stellte sich hierbei statt immer auf das Gerüst, außerhalb desselben auf die Giebelmauer auf zwei dort liegende Backsteine. Diese lösten sich unversehens von dem Gemäuer, wodurch Peters den Halt verlor und von der 30 Meter hohen Giebelmauer in die Tiefe stürzte. Er erlitt dabei einen Schädelbruch und wurde noch lebend vom Platze getragen, starb aber auf dem Transport nach dem städtischen Krankenhaus.
(Eingesandt.) Auf der Lokalbahn Pforzheim- Ittersbach ereignete sich am Sylvesterabend ein ganz fataler Unfall. Zwischen Weiler und der Hochmühle entgleiste der Zug. Zum Glück war aber der Führer der Maschine auf dem Posten und konnte den Zug noch rechtzeitig zum Stehen bringen. Eine gewaltige Erschütterung war die Folge der Entgleisung. Die Passanten kamen ohne Schaden mit dem bloßen Schrecken davon. Dem Zuschauer er- öffnete sich ein bedauerlicher Anblick. Die Maschine in schiefer Stellung neben dem Geleise, die Schienen teilweise in Stücke zerrissen, viele Teile der Maschine verletzt, doch ohne Verwundete oder Tote. Ein Glück,
gereift. Während Deiner Abwesenheit war Mr.
Brokers hier."
„Der Bankier unseres teuren Vaters?"
»Ja."
„Und was wollte er?" ^
„Er hielt um meine Hand an," antwortete sie leise.
Ein unangenehmes Gefühl beschlich mich. Ich dachte an unfern Vater, der seit 3 Monaten verschollen war, an sein treues, ehrliches Auge und die innige Liebe, mit der er uns umgab. Ich hatte diesen Brokers einmal von ferne gesehen — nur einmal, denn ich war erst seit 14 Tagen daheim, nachdem die Mutter es nicht mehr vermochte, meine Studiengelder zu erschwingen.
Der Mann, welcher mich noch niemals zu Gesicht bekommen hatte, machte einen unangenehmen Eindruck auf mich.
Ich verglich ihn in Gedanken mit dem Bilde unseres Vaters und dabei kam er schlecht weg.
Ein unendliches Gefühl der Bitterkeit erfaßte mich. Sollte dieser Mann des Vaters Stelle dereinst ersetzen? Nie und nimmer! Und wie sehr liebte meine Mutter den Gatten! War dies Gefühl so rasch verweht, wie ein Häuflein dürrer Blätter, welche der Wind auseinandertrug?
„War es dies, was Dich niederwarf?" fragte ich, in ihr bleiches Antlitz blickend.
Da zeigte sie auf ein Zeitungsblatt, das am Boden lag.
„Lies, Arthur — und dann — bete für Deinen Vater!" sagte sie.
daß es gerade an dieser Stelle geschah; an allen anderen Stellen dieser Strecke wäre das Unglück ein gräßliches geworden.
Neuenbürg, 3. Januar. Auf den heutigen Schweinemarkt wurden 40 Stück Milchschweine zugeführt und das Paar zu 16—26 ^ verkauft.
Letzte Nachrichten u. Telegramme.
Berlin, 2. Januar. Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Der Kronprinz wird sich, der vor mehreren Wochen ergangenen Einladung des Kaisers Nikolaus folgend, Mitte dieses Monats zum Besuche an den russischen Hof nach Petersburg begeben.
Berlin, 2. Jan. Die Antwort Castros auf die Bedingungen der Mächte bezüglich des Schiedsgerichtsvorschlags ist eingegangen und enthält die grundsätzliche Zustimmung zur Berufung an das Haager Schiedsgericht. Die Antwort enthält sich jedoch des Eingehens auf verschiedene Punkte, sodaß noch weitere Verhandlungen nötig werden, ehe das Gericht im Haag förmlich angegangen werden kann. Die Art und Weise, wie die Regierung der Vereinigten Staaten bei der Uebermittelung der Castro schen Antwort vorgegangen ist, findet bei den an der Blockade beteiligten Regierungen uneingeschränkte Anerkennung und wird als durchaus korrekt betrachtet. Herr Castro dürfte sich bereits überzeugt haben, daß die Vereinigten Staaten nicht gesonnen sind, einen Versuch, die Gläubiger Venezuelas um ihre Ansprüche zu prellen, mit dem Schilde der Union zu decken. Die Erkenntnis, daß auf diesem Wege nichts auszurichten ist, dürfte dazu beitragen, die Venezolaner zu einer richtigeren Auffassung der Sachlage zu bewegen.
vermischtes.
Auch eine Weihnachtsfeier. Aus Neapel kommt die entsetzliche Nachricht, daß nach dem Weihnachtsfeste die Chirurgen vom Hospital dei Pellegrini 13 Hände amputieren mußten, da leider die Unsitte herrscht, alle kirchlichen Feste mit Schießen, Knallen und Feuerwerk zu feiern, je mehr Lärm, desto besser. Nun hatten die Bauern der Umgegend sogar einige Dynamitkörper unter den explosiven Stoffen, und diese richteten das Unheil an, da sie mit grenzenloser Unvorsichtigkeit gehandhabt wurden. Die amputierten Glieder, sämtlich in eine Kiste gepackt, sind auf dem Kirchhof begraben worden.
(Auch eine Hofcharge.) Am englischen Hofe war von alter Zeit her ein zum Hofstaat gehörender Rattenfänger angestellt. Unter Georg III. hieß dieser Würdenträger Robert Smith, erhielt jährlich 82 Pfund Sterling (— 1640 Mark) Gehalt und trug einen scharlachroten mit Gold besetzten Dienstrock, in welchem eine Unzahl goldener Mäuse eingestickt war.
(Anzüglich.) Unteroffizier (als der Soldat Cohn mit den Armen schleudert): „Donnerwetter, Cohn, machen Sie schon wieder Ausverkauf!"
Mutmaßliches Wetter am 4. und 5. Januar.
Für Sonntag und Montag steht bei vorherrschend südwestlichen bis südlichen Winden und mäßig kühler Temperatur mehrfach bewölktes, aber nur zu vereinzelten und kurzen Niederschlägen geneigtes Wetter in Aussicht.
Ich fand bald die Stelle, welche sie meinte.
Sie lautete ungefähr:
„Endlich scheint man eine sichere Kunde von dem seit drei Monaten gänzlich verschollenen Schiffe „Viktoria", Kapitän James Brieg. in Händen zu halten. Auf der Höhe von Gibraltar wurden von dem Dampfer „Ferman" mehrere, unzweifelhaft der „Viktoria" angehörende Güter, sowie eine Flaschenpost aufgefischt. Daraus ergeht, daß daS genannte Schiff leider mit Mann und Maus untergegangen ist. An Rettung der Schiffbrüchigen ist nicht zu denken, denn aus der Flaschenpost geht hervor, daß nur ein einziger Mann, Westmorland, der erste Offizier der Viktoria", sich eine zeitlang an einem Bruchteile festklammern konnte, um einige Zeilen niederzuschreiben. „Alles ertrunken. Das Schiff zerschellt. Ich habe keine Rettung zu erhoffen. Westmorland, erster Offizier der „Viktoria", lauten die letzten Worte eines Unglücklichen."
Es folgten nunmehr die Namen der Mannschaft, obenan derjenige, welcher mir am teuersten war, James Brieg, mein Vater. —
Ich ließ mit Thräncn in den Augen daS Blatt sinken.
„Das war es, Mutter?" rief ich erschüttert. „O, armer Vater!"
„Ja", kam es tonlos über ihre Lippen, „und doppelt arm und unglücklich sind wir nun!"
Ich verstand sie nicht so, wie ich meinte, und bald erfuhr ich denn auch den ganzen Umfang unseres Unglückes.