RunSschau.

Berlin, 30. Dez. Am Neujahrstage wird beim Kaiser ein militärischer Empfang in herkömmlicher Weise stattfinden, wvzu die kommandierenden Generale sämtlicher Armeekorps hier eintresfen. Die große Paroleausgabe erfolgt im Anschluß daran in dem Lichthofe des Zeughauses für die Ossizierkorps der Gardetruppen.

Die Beratungen über Len Reicksetat wird der Bundesrat am 2. Januar wieder aufnehmen. Das offiziöse Blatt schreibt:An maßgebender Stelle besteht nach wie vor nicht nur die Absicht, den Etat dem Reichstag unmittelbar bei seinem Wiederzusammen­tritt vorzulegen, sondern es ist sogar in Aussicht genommen, wenn irgend möglich, ihn den Reichs­tagsabgeordneten noch vorher zugänglich zu machen."

Berlin, 29. Dez. In Sachen der Katastrophe am königlich sächsischen Hofe werden die tollsten Märchen verbreitet und leider vielfach geglaubt. So laufen z. B. durch die Blätter allerlei Nachrichten, nach welchendie deutsche Regierung" einenDruck auf den Bundesrat" ausgeübt habe, um ihn zur Ausweisung der flüchtigen Kronprinzessin Luise von Sachsen zu veranlassen. Das ist natürlich ebenso unsinnig, als wenn gemeldet wird, die Kronprinzessin und ihr Bruder seienaus Deutschland ausgewiesen" worden.

Zur Angelegenheit der Flucht der Kron­prinzessin von Sachsen liegt einstweilen an neuen belangreichen Momenten nichts vor. Dafür wird jetzt vomFränk. Kur." eine aus toskanischen Hofkreisen stammende längere Darstellung der Vor­geschichte der Flucht der Kronprinzessin veröffentlicht!; durch diese Veröffentlichung wird so manches, was bislang über die Vorgeschichte dieses Schrittes der Kronprinzessin verlautete, als müßiger Klatsch und Erfindung gekennzeichnet. Im übrigen erscheint der Sprachlehrer Giron, der Geliebte der Kronprinzessin^ in der Darstellung imFränk. Kur." in einem recht ungünstigen Lichte. Zum Schlüsse hieß es in der­selben, daß in dieser Angelegenheit weder von Seiten des sächsischen Hofes noch vom Kaiser Franz Joseph in nächster Zeit irgend etwas geschehen werde, so lange die Kronprinzessin ihren Aufenthalt im Aus­lande beibehalte und nicht die Absicht zeige, nach Sachsen oder nach Oesterreich zurückzukehren.

Dresden, 30. Dez. DasDresdener Journal" meldet amtlich: Nachdem der Kronprinz die Absicht tundgegeben hat, die mit seiner Gemahlin entstandene Eheirrung auf gerichtlichem Wege zum Austrag bringen zu lassen, ist von dem König gemäß tz 12 Absatz 1 (ursprünglich Absatz 2) des Nachtrags zum K. Haus­gesetze vom 20. August 1879 zur Entscheidung dieser Eheirrung ein besonderes Gericht aus 7 Richtern niedergesetzt worden, das aus dem Präsidenten des Oberlandesgerichts und 6 vorwiegend mit Ehesachen beschäftigten Oberlandesgericht^rälen besteht. Auch über das Verfahren hat der König besondere Vor­schriften getroffen. Der Klageantrag wird auf Auf­hebung der ehelichen Gemeinschaft gerichtet werden. (Bürgerliches Gesetzbuch tz 1575.)

Berlin. Regierungsrat Dr. Reicke ist vom Kaiser und König als zweiter Bürgermeister von Berlin bestätigt worden.

Prinzregent Luitpold von Bayern hat auch anläßlich des diesmaligen Weihnachtsfestes die Begnadigung einer größeren Anzahl von Gefangenen verfügt.

Sergeanten und Vizefeldwebel. In mili­tärischen Kreisen verlautet zuverlässig, daß zum Geburtstage des Kaisers auf dessen Initiative ein Erlaß erfolgen soll, wonach sämtliche Sergeanten, die sich tadellos geführt haben, nach neunjähriger Dienstzeit Vizefeldwebel werden sollen.

Aus der Pfalz, 26. Dezbr. Die endgiltige Beisetzung der irdischen Ueberreste deutscher Kaiser in der neuen Kaisergruft des Domes zu Speyer wurde am 20. Dezember vollendet. Die Leichenreste wurden in Leinwand eingehüllt und in Bleisärge ge­legt, dazu je ein Messingiäfelchen mit Angaben über die Persönlichkeit. Hierauf wurden die Bleisärge zugelötet und die steinerne Grabplatte darüber ge­schlossen. Eine Urkunde über den Vorgang wird in dreifacher Ausfertigung in den Archiven des bayer. Ministeriums, der Pfälzer Kreisregierung und des Speyerer Domkapitels ausbewahrt werden.

Zur Förderung des Kleingewerbes durch Posiuve Maßnaymen wird denBerl. Pol. Nachr." zufolge im nächsten preußischen Etat eine Summe von 100 000 tKi enthalten sein, und ebenso eine Summe von 15000 ^ zur Veranstaltung einer Enquete und zur Herstellung der Denkschrift über den gegenwärtigen Stand der staatlichen Gewerbeförderung.

Berlin, 28. Dezember. Die Nationalbank für Deutschland teilt mit: In der Wechselstube der Nationalbank in Potsdam ist seitens des flüchtig gewordenen zweiten Vorstandsbeamlen Albert Heyde eine Unterschlagung begangen worden. Heyde ver­untreute 94 500 ^ aus der Couponkasfe. Heyde ist seit 1889 im Dienste der Bank. Die strafrecht­liche Verfolgung gegen den Flüchtigen, der sich ver­mutlich im Besitze eines großen Teils der von ihm entwendeten Summe befindet, ist eingeleitet worden.

Berlin, 29. Dezember. Ein Expedient der Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. L. Schwartz- kopff hat sich durch Fälschung von Frachtscheinen Waren verschafft und diese zu Geld gemacht. Es handelt sich um einen Betrag von 30 000 -/L Der Betrüger ist verhaftet.

Berlin. 28. Dez. Der Polizeibericht von den Weihnachls Feiertagen meldet eine ganze Reihe von Selbstmorden, darunter einen solchen unter dem Weihnachtsbaum.

München, 30. Dez. Amtlich wird mitgeteilt, daß die deutsche Rechtschreibung am 1. Jan. 1903 bei allen Ausfertigungen und Veröffentlichungen der sämtlichen Stellen und Behörden im Zivil- und Militärdienst Bayerns, namentlich in allen Amts­blättern, zur Anwendung gelangt. Für die Ein­führung der neuen Rechtschreibung in den Schulen wurde als Zeitpunkt der Beginn des Schuljahrs 1903/1904, d. h. März 1903, in Aussicht genommen.

München, 28. Dez. Das oberste Landesgericht hat ausgesprochen, daß der Ansicktspostkarten- verkauf in Wirtschaften an Sonntagen zur Zeit des Ladenschlusses nicht statthaft sei, da er nicht zum Wesen des Wirtschaftsbetriebs gehöre.

Berlin, 30. Dez. Von hier wurde dem Präsi­denten Roosevelt das Bedauern ausgesprochen, daß es ihm nicht möglich geworden sei, dem Wunsch der Mächte zu entsprechen. An die Aufhebung der Blockade wird zunächst nicht gedacht, auch darin ist das Vorgehen der Verbündeten einmütig. Nach Meldung der Blätter wäre Castro jetzt zur Ver­ständigung geneigter.

Washington, 29. Dez. Ein Telegramm aus Caracas teilt mit, daß Deutschland sich bereit erklärt habe, für die Schuldforderungen, deren Bar­zahlung es anfänglich verlangte, Garantien cmzu- nehmen. Damit wäre einer der schwierigen Punkte der Vorverhandlungen erledigt.

Willemstad (Venezuela), 28. Dez. Hier ist die Nachricht eingetroffen, daß gestern ein lebhaftes Gefecht zwischen 1200 Aufständischen unter Riera und Regierungstruppen bei Cauyarao in der Nähe von Caro stattgefunden habe. Näheres ist noch nicht bekannt. Die Aufständischen verfügten über Artillerie und hielten ihre Stellung.

Gegen den Präsidenten Castro von Venezuela ist gutem Vernehmen nach ein Handstreich vom jetzigen Vizepräsidenten der Republik geplant. Offenbar hat Castro von diesem Vorhaben Wind bekommen, denn er ist von Caracas abgereist. Wie es heißt, will er sich zum Diktator aufwerfen und das Vermögen der deutschen, englischen und italienischen Staatsange­hörigen im Lande konfiszieren, sobald seine Geldmittel infolge der Blockade knapp werden sollten. Weiter wird versichert, Castros Macht könne noch Monate dauern, mindestens so lange, als er die Truppen genügend zu besolden vermöge.

Sofia, 29. Dez. Der russische Minister des Auswärtigen Graf Lambsdorff ist gestern abend von hier abgereist. Fürst Ferdinand und die Minister begleiten ihn bis Zaribrod. Der Fürst machte dem Grafen Lambsdorff eine goldene Tabatiere mit seinem Monogramm in Brillanten zum Geschenk.

Wien, 30. Dezbr. Der russische Minister des Auswärtigen, Graf Lambsdorff, ist gestern abend hier eingetroffen.

Genf, 29. Dez. Der Urheber des Bomben­attentates vor St. Peter ist in St. Blaise, Neuenburg, verhaftet worden. Es ist ein geisteskranker Italiener namens Machetto. Er hat die That eingestanden und erklärt, keinen Mitschuldigen gehabt zu haben.

London, 30. Dez. Das Kriegsministerium macht bekannt, daß 100 Buren für den Dienst im Somali- laude verpflichtet worden feien.

New - Iork, 29. Dez. Auf der Linie Wanstead- Ontario Samnia kollidierte ein Kurierzug mit einem Frachtzug. Die Zahl der Toten beträgt 38, die der Verwundeten 50.

Arras, 29. Dez. In der Nähe des Bahnhofs Saint Pol ist heute ein Personenzug entgleist. Die Maschine und 4 Wagen sprangen aus den Schienen und stürzten um. Der Lokomotivführer ist getötet, 4 Reisende sind schwer, mehrere andere leicht verletzt worden.

Württemberg.

Eßlingen, 29. Dezbr. Das von Hrn. Emil Klein hier verfaßte WeihnachtsfestspielNach Beth­lehem", das hier schon verschiedene mal aufgeführt wurde, übt eine erfreuliche Zugkraft auf das Publi­kum. I. I. K. Majestäten König Wilhelm II. und Königin Charlotte, auch I. K. Hoheit Frau Herzogin Wera haben sich ebenfalls zum Besuch der Vorstellung aus heute Abend im Kugel'schen Saal angesagt.

Stuttgart, 30. Dez. Heute hatte sich das Schöffengericht mit einem seltenen Fall zu be­schäftigen. Angeklagt war das 17 jährige Dienst­mädchen Emma Weber von hier eines Vergehens des Diebstahls. Sie war beschuldigt, ihrer eigenen Mutter ein 10 -/E-Stück entwendet zu haben, und die Mutter hatte nun gegen ihre eigene Tochter Strafantrag gestellt. Während der Verhandlungen erging sich die Tochter in Verwünschungen gegen ihre Mutter, so daß erstere vom Vorsitzenden auf ihr Verhalten aufmerksam gemacht werden mußte. Die schon einmal wegen Diebstahl vorbestrafte An­geklagte wurde zu einer Woche Gefängnis verurteilt. In heftiger Erregung verließ die Verurteilte den Gerichtssaal.

Heilbronn, 29. Dezember. Ein Gerücht über Unregelmäßigkeiten im Ratskeller hat jetzt, nachdem es schon seit Wochen hier umlief, derNeckarztg." zufolge eine so bestimmte Form angenommen, daß die Staatsanwaltschaft in der Angelegenheit Untersuchung eingeleitet hat. Es handelt sich nämlich um einen Abmangel an Weinvorrat im Wert von mehr als 5000 Dieses Manko ist durch eine aufmerksame Prüfung seitens des Geschäftsführes in einer Differenz zwischen der buchmäßigen Auslieferung aus dem Hauptkeller der Gesellschaft und dem thatsächlichen Bestand im Schankkeller festgestellt worden. Ueber die rätselhafte Geschichte werden die widerspruchvollsten Auslegungen verbreitet, so daß erst die gerichtliche Voruntersuchung Licht in die Angelegenheit bringen wird.

Heidenheim, 28. Dez. Die Amtskörperschaft hat das seit längerer Zeit nicht mehr im Betrieb stehende Birkmeyer'sche Fabrikanwesen um 33000-/A angekauft, um die Kanzleien für die Oberamtspflege und Oberamtssparkasse darinunterzubringen.

Langenburg, 29. Dezbr. Eine unangenehme Ueberraschung wurde dem früheren fürstlichen Rent­amtsgehilfen G., welcher zur Zeit den staatlichen Verwaltungskurs in Stuttgart mitmacht, bereitet, als derselbe über die Weihnachtsfeiertage hier einen Be­such machte und sich mit einem hiesigen Fräulein zu verloben gedachte. G. hatte sich während der Zeit seiner hiesigen Thätigkeit verschiedener Veruntreuungen schuldig gemacht, die inzwischen aufgedeckt wurden, was zu seiner Verhaftung in dem Augenblück führte, als er am Arm seiner Auserwählten das Haus seiner Schwiegereltern in spo betreten wollte.

Degmarn, 29. Dez. Schultheiß Vogt, welcher kürzlich in der Nähe von Kochendorf beim Abspringen von seinem Gefährt unter dessen Räder kam und eine Strecke weit geschleift wurde, ist im Kraukenhause zu Kochendorf seinen schweren Verletzungen erlegen.

Köngen, 28. Dez. Bei der am Samstag auf hiesiger Markung veranstalteten Treibjagd wurden 134 Hasen erlegt.

Stuttgart. sLandesproduktenbörsc.f Bericht vom 29. Dezember von dem Vorstand Fritz Kreglinger. In der abgelaufenen Woche ist im Getreidegeschäft keine Aenderung eingetreten. Laplata beharrt für Weizen aus dessen hohen Forderungen, Amerika und Rußland offerieren nur knapp bei zunächst unrentablen Preisen. Die Stimmung bleibt fest, Mehlpceise per 100 üg inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 28 50 ^ bis 29 ^ 1 , Nr. 1 . 26 50 ^ bis 27

Nr. 2: 25 bis 25 ^ 50 Nr. 3: 23 50

bis 24 ^ Nr. 4: 20 50 ^ bis 21

Suppengries 28 ^ 50 ^ bis 29 Kleie 9

Neuenbürg, 31. Dez. Ein Mahnwort zum Jahreswechsel. An die schöne Sitte, Be­kannten und Freunden zur Jahreswende durch Zu­sendung von Wünschen und Karten ein Zeichen der Liebe und Freundschaft zu geben, haben sich vielfach häßliche Auswüchse angehängt. Es sind dies die anonymen Neujahrskarten, die in beleidigender und unilätiger Form von gewissenlosen Menschen mit der Post versandt werden, sei es aus schlecht ge­wähltem Scherz oder in böswilliger Absicht. Daß ein solches Gebühren im höchsten Grade verdammens- wert ist, brauchen wir hier nicht weiter auszuführen, wir wollen nur darauf Hinweisen, daß die Urheber solcher nichtswürdigen Zusendungen schon häufig ermittelt und schwer bestraft wurden. Die Straf­bestimmungen lauten in diesen Fällen besonders streng.

LM" Hiezu zweites Blatt. EMU