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der Natur der Sache liegt, den bedrängten Venezolanern zu, doch wird aus den wichtigsten Hauptstädten Südamerikas heute berichtet, daß die dortigen Regierungen nicht daran denken, dem anmaßenden und treulosen Regiment Castros auch nur die geringste moralische Unterstützung angedeihcn zu lassen.
Taschkent, (russisch Mittelasien), 18. Dez. Die Stadt Andidschan liegt infolge Erdbeben in Trümmern. Gegen 150 Personen, meist Kinder, wurden getötet, gegen 300 verwundet. Außer den Regierungsgebäuden sind 9000 Häuser der Eingeborenen und 150 den Russen gehörende Gebäude zerstört. Weitere Ortschaften und Ansiedelungen Eingeborener in der Nähe von Andidschan haben beträchtlichen Schaden genommen.
Htnleröatt-Mer Leis.
„Schweigt- ihr ernsten Glocken, schweiget!"
Eine Weihnachtsgeschicht«.
(Nachdruck verboten 1
„Da bin ich wieder, Mütterchen! Wohl etwas später als ich versprach, doch ist es teilweise nicht meine Schuld. Die Directrice unseres Geschäftes hatte mir auf meine Bitte erlaubt, das Geschäft früher zu verlassen; ich war auch schon zum Weggehen bereit, als die Gräfin Kalikow — du weißt doch, die reiche russische Gräfin, von der ich dir schon oft erzählt habe, daß sie unsere beste Kundin ist — eintrat und verschiedene Sachen auswählte, welche sie, wie gewöhnlich, von mir in ihr Palais gebracht haben wollte. Wohl oder übel mußte ich den weiten Weg antreten und mit einer Menge Schachteln beladen in oen Palast gehen, wo mich die Gräfin mit ihrer gewohnten Güte empfing und mir, als sie mich entließ, ein Kouvert in die Hand drückte, in welchem sich ein Weihnachtsgeschenk für mich befinden solle. Ich habe es nicht geöffnet, sondern die Freude der Ueber- raschung mit dir teilen wollen. Sieh' nur, Mütterchen! Zwei Doppelkconen! Die gute Gräfin! Das sollen einmal fröhliche Weihnachten werden! Doch du bist so schweigsam! Auch hast du wieder gemeint und mir doch so oft versprochen, es nicht mehr zu thnn! Hast du dich denn wirklich um mich gesorgt? Oder bist du mir noch immer böse?"
„Wie könnte ich das," erwiderte die Mutter mit wehmütiger Stimme, „du bist doch immer mein gutes Kind, die einzige Freude, die Gott mir auf dieser Erde gelassen. Aber du weißt doch, daß heute ein besonders trauriger Tag für mich ist, und als ich vorhin so allein saß und dich erwartete, da stürmten unwiderstehlich die Erinnerungen aus mich ein und da vergaß ich meines Versprechens und des Schmerzes, den ich dir, mein Liebling verursache: ich mußte weinen!" Und wieder brach ein Strom von Thränen aus den von vielem Weinen geröteten Augen der gebeugten, blassen, mit einem dürftigen, schwarzen Kleide bekleideten Frau, deren Antlitz, trotzdem langjähriger Gram und Sorgen ihre zerstörenden Furchen in demselben zurückgelassen hatten, Spuren einstiger hoher Schönheit aufwies.
Die Angekommene, ein junges Mädchen von etwa 16 Jahren, das trotz des einfachen, dünnen Kleides und des für ihre schlanke Gestalt viel zu kurzen Mäntelchens ein wunderbar schönes Gesicht zeigte, schlang die Arme um den Nacken der Mutter, und diese an sich ziehend und die Thränen von ihren Augen küssend, sagte sie:
„Armes Mütterchen! An dir bewährt sich das Sprichwort nicht, daß die Zeit alle Wunden heilt. Zwölf Jahre ist der Vater bereits tot und du hast noch immer den Schmerz nicht überwunden."
„O, wer mir Gewißheit gäbe!" rang es sich aus der tiefverwundeten Brust.
„Wie, du weißt nicht einmal, ob der Vater wirklich tot sei?" fragte das Mädchen. „Wie ist das möglich?"
„Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß dein Vater tot ist, aber mit Gewißheit kann ich es nicht behaupten." erwiderte die Mutter leise. „Das ist es ja eben, was meinem Schmerze immer neue Nahrung giebt und ihn nie zur Ruhe kommen läßt!"
„Und du hast diesen furchtbaren Schmerz
all' die Jahre allein getragen, ohne mich denselben verstehen zu lehren?" sagte die Tochter mit verwurfsvollen Tone, während über die gebrechliche Gestalt in ihren Armen ein Blick unendlicher Liebe glitt. „Weißt du denn nicht, daß geteiltes Leid halbes Leid ist? Und ich habe so oft dein zerrissenes Gemüt in jugendlichem liebermut durch ausgelassene Fröhlichkeit beleidigt! Warum hast du mich in solcher Un wisseuheit über das Heiligste, was ein Kind be rührt, erhalten?"
„Kind, sei nicht ungerecht gegen mich, wie gegen dich selbst," entgegnete die Mutter, mit zärtlichem Blick die reizende Gestalt der Tochter überfliegend. „Du warst jederzeit das gehorsamste und liebevollste Kind und deine Fröhlichkeit der einzige Sonnenstrahl, der mein um- düstertes Leben erhellte. Hätte ich dir vielleicht die glückliche Fröhlichkeit rauben sollen, indem ich auch in dein harmloses kindliches Gemüt den furchtbaren, verderblichen Stachel des Zweifels pflanzte? Doch war ich entschlossen, dir heute als ein zweites trauriges Weihnachtsgeschenk die Geschichte meines Lebens zu erzählen. Wer weiß, wie lange ich noch lebe, und da ist es besser, wenn du allen Eventualitäten gegenüber gewappnet bist."
„Aber Mütterchen, wer wird denn an einem Tage, wo alle Welt im hellsten Lichterglanze strahlt, solch düstere Gedanken hegen? Du wirst noch lange leben und wirst gewiß noch froh und glücklich werden. Doch jetzt komm und laß uns setzen, dann will ich dir ein kleines Abenteuer erzählen, das mir auf dem Nachhauseweg begegnet ist."
Mit diesen Worten führte sie die Mutter zu dem in der Nähe des Ofens stehenden Sopha, entledigte sich ihres Hutes nnd Mantels, und den Arm um den Nacken der Mutter legend, hegann sie:
„Ich war, als ich das gräfliche Palais verlassen hatte, auf dem nächsten Wege nach Hause geeilt und kam so auf den Königsplatz, wo bekanntlich die fashionabelsten Läden sind. Vor dem Schaufenster des Hosjuweliers blieb ich stehen, um die vielgerühmte Weihnachtsausstellung desselben gleich aller Welt anzustauneu. Ich mochte so einige Minuten im Bewundern all der Herrlichkeiten dort gestanden haben, als plötzlich in der Spiegelscheibe der Auslage ein dunkler Körper neben mir auftauchte. Ich wandte mich um und starrte erschrocken in das tiefschwarze Gesicht eines baumlangen Negers, welcher freundlich grinsend auf mich herab fab. und, als er mein Erschrecken sah, zu mir sagte:
„Nicht fürchten, Missis! Pompejus nicht schlecht sein, gut sein, wie kleinen Kind."
_ ( Fo rtsetz ung folgt.)___
Vermischtes
Neuenbürg. Am morgigen letzten Sonntag vor Weihnachten, der im Volksmunde deutscher Gaue der „goldene" genannt wird, soll der Weihnachtsverkehr seinen Höhepunkt erreichen. Wir wollen deshalb hoffen, daß dies auch in unserer Stadt der Fall sein und daß der goldene Sonntag im Interesse unserer Geschäftsleute seinem klingenden Namen alle Ehre machen wird. Wer darum mit seinen Einkäufen noch im Rückstände sein sollte: morgen wird es hohe Zeit, die Gaben des Christkinds heimzuholen, noch ist die Auswahl überall eine reichhaltige, kann etwa nicht Vorhandenes von den Geschäften bis zum heiligen Abend prompt besorgt werden. Die schön ausgestatteten Läden und Schaufenster geben Zeugnis davon, daß unsere Geschäftsinhaber auch in diesem Jahre alles aufgeboten haben, um den Ansprüchen eines jeden Einzelnen im großen Publikum gerecht zu werden, möge ihnen deshalb auch als Lohn eine gute Einnahme und morgen ein „goldener" Sonntag in des Wortes bester Bedeutung beschieden sein.
Was schenken wir unfern Kindern zu Weihnachten?
Wieder naht der heilige Abend heran, am meisten begrüßt von den jubelnden Kindern, die sich schon lange auf den heiligen Christ freuen. Ist doch Weihnachten vor allem ein Fest für die Kleinen, deren laute Freude unter dem Tannenbaum dem Abend erst den eigentlichen Reiz verleiht, deren Glück uns zurückversetzt in unsere
eigene Jugendzeit. Wie herzlich werden die aufgebauten Geschenke von ihnen bewundert! Da ist es eine wichtige Frage für die Eltern, sich klar zu werden: „Was schenken wir unseren Kindern?" Die Industrie bringt ja jedes Jahr eine Unmenge neuer Spielzeuge, Bücher und sonstige Artikel für die Jugend, so daß einem die Auswahl schwer werden kann. Bor allem ist es durchaus nicht nötig, Kindern etwas Kostbares, Wertvolles zu schenken — eine einfache, dem kindlichen Sinn angemessene Gabe, die nur wenig kostet, wird meistens viel mehr Entzücken Hervorrufen, als die komliziertesten Sachen. Es ist merkwürdig, daß selbst unsere „Kinder von heute" noch dieselben Lieblingsspielzeuge haben, wie ihre Großeltern; die Puppe, das Bilderbuch und Bleisoldaten! Daraus sieht man, daß die menschliche Natur stets gleich bleibt —und erst die raffinierte Ueberkultur den kindlichen Sinn verdirbt. — Wenn man die Wunschzettel der Kleinen durchlieft, so findet man darin oft recht komische Sachen, aber man hat auch Gelegenheit, den Charakter daraus zu erkennen. So schreibt z. B. der 8 jährige Franz, ein aufgeweckter Bursche, der allem auf den Grund gehen möchte, „eine Lokomotive, die man auseinander nehmen kann", die ordnungsliebende Anna wünscht sich eine Kommode für ihre Puppentoilette, der materiell veranlagte Hans „recht viel zum Essen" u. s. w Natürlich ist es nicht möglich, alle Wünsche zu erfüllen — doch werden die Eitern, welche ihre Kinder beobachten, leicht in der Auswahl daS treffen, was der Hauptwunsch ist. Die Geschenke sollen aber nicht nur zum Vergnügen sienen, sondern auch einen lehrreichen Zweck erfüllen. Darin wird ja jetzt unendlich viel geboten, „das geographische Lotto", „das geschichtliche Quartettipicl, "die verschiedenen Baukästen niit Vorlagen. Malbücher, Anleitung zur Anfertigung von Puppengarderobe, ein Kochherd mit den dazugehörigen Töpfen und Schüsseln — alle diese Dinge bereiten nicht nur Freude, sondern regen den Thätigkeitstrieb auf eine zweckentsprechende Art an und bringen spielend Kenntnisse bei, deren Erlangung sonst-vielfach mühsam ist. Vor allem seien Bücher als stets willkommene Gaben genannt; doch ist auch hier die Auswahl einer kundigen Hand dringend notwendig. Vieles, was unter der Flagge „Jugendlektüre" in den Handel kommt, ist wirklich nicht wert, gekauft zu werden, und richtet durch seine sentimentale oder Phantastische Art mehr Schaden als Nutzen an. Dagegen giebt es so viele, altbewährte gute Bücher, die auch von Erwachsenen stets wieder gern mitgelesen werden, wie Andersens Märchen, die Erzählungen von Christoph von Schmid, die Geschichten der Spiry, alles wahre Perlen und Poesie, die den Kindern für ihr Leben bleiben, blättert doch selbst Großmütterchen noch heute in den alten Märchenbüchern, die mit ihrem Zauber auch die längst entschwundene Kinderzeit zurückbringeu. — Was auch noch sehr zu beachten ist: man schenke jedem Kinde gleich viel — niemand ist so leicht verletzt, niemand fühlt sich eher zurückgesetzt, als unsere kleinen Lieblinge, wenn sie sich einbilden, cs gehe nicht alles mit voller Gerechtigkeit zu.
Wie leicht ist es, sie glücklich zu machen, unter dem glitzernden Tannenbaum vor Freude strahlende Gesichter zu sehen! Denn, wenn man die Gaben für sie mit pädagogischem Takt auswählt, wird man ihnen noch viel angenehme Tage dadurch bereiten, die auch für die Entwicklung ihrer Geisteskräfte von dauerndem Nutzen sein werden.
Rätselfrage.
Wie kann man aus den Wörtern „Schatten", „Sieb" , „Mann", „Furt" zwei andere Wörter erhalten, die uns je einen Freudenbringer nennen?
Auflösung des Rätsels in Nr. 198.
„Christbaum."
Mutmaßliches Wetter am 21! und 22. Dezember.
Bei den Loofoden, sowie über Südschweden liegt je ein Luitwirbel von 745 mm. In fast ganz Frankreich, ferner über Cornwallis und Wales unv in Irland ist das Barometer auf 770—775 mm gestiegen. Unter diesen Umstünden ist für Sonntag und Montag bei mäßig kalter Temperatur und vorherrschend westlichen Winden größtenteils bewölktes und auck zu mehrfachen Niederschlägen geneigtes Wetter in Aussicht zu nehmen.
Mit einer vierseitigen Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.