938

«Wahrscheinlich dasselbe, was Sie hier machen!" antwortete der Einbrecher. Hr. Rolin, obwohl betroffen über oas unangenehme Zusammen­treffen, verlor die Geistesgegenwart nicht. Die Antwort des Diebes gab ihm vielmehr einen Gedanken ein.Sie haben es erraten," er­widerte er,und da uns der Zufall hier zu­sammenführt, schlage ich Ihnen vor, daß wir zusammenarbeiten", vorausgesetzt, daß Sie einverstanden sind, wenn wir teilen."Ich bin es zufrieden, Bruder," entgegnete der Dieb. Rolin nahm ein Stemmeisen und machte Miene, einen Schrank aufzusprengen. Zuvor jedoch sagte er zu dem Spießgesellen:Höre, mein Aller, wie wäre es, wenn wir erst dem Keller einen Besuch abstatteten? Ich weiß, es giebt ausgezeichneten Wein darin, und meine Kehle ist erbärmlich trocken." Das war natürlich mit dem Geschmack des Genossen und man begab sich in den Keller. Rolin öffnete und der Dieb trat ein. Aber in demselben Augenblick schlug elfterer die Thüre zu, schloß von außen ab und der Dieb war gefangen. Nun holte Rolin die Polizei, die sich des Einbrechers ohne Schwierigkeiten bemächtigte. Er war ein schon oft bestrafter Einbrecher.

Ein seit neun Wochen bei einem Schweine­metzger in Frankfurt in Diensten stehender Bursche saß dieser Tage vergnügt beim Frühstück mit seinem Kollegen in der Gesellenstube, als plötzlich der Meister mit einem Bekannten eintrat, um dem Letzeren zu zeigen, wie gut und schmackhaft das Essen seiner Gesellen sei. Es war auch wirklich alles da. Noch mehr erstaunte aber der Bursche, als ihn der Meister aufforderte, nun auch sein Logis besichtigen zu lassen. Was sich hier den Blicken der Gäste bot, war aber auch wirklich originell und appetitanregend, denn bei jedem Möbelstück war das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Im Kleiderschrank hingen friedlich neben den Unaussprechlichen eine große Anzahl verschiedener geräucherter Blut-, Leber­und Fleischwürste, der Koffer des Burschen barg in einem Sack einen Schatz der besten Fleisch­sorten und selbst das Bett spie zahlreich Schinken und Würste aus. Schon seit einigen Tagen hegte der Meister, der einen rapiden Absatz seiner Erzeugnisse bemerkte, Verdacht und überführte so seinen ungetreuen Diener, der alles zugab und acht Wochen umsonst zu arbeiten versprach. Hierauf wurde natürlich verzichtet jedoch wurde der Dieb, der mindestens 12 Zentner Waren sich angeeignet hatte, aufgefordert, seine Hehler zu nennen. Er will aber keine kennen, sondern behauptet, einstweilenauf Lager" gestohlen zu haben.'

Aus der Schweiz, 5. Dez. (Antigrüß- verein.) Im Kurhaus zu Davos findet sich eine Tafel mit folgender beherzigenswerter Aufschrift: Ehret die Frauen, begrüßt sie mit Neigen, Begrüßt sie mit freundlichem, sittigem Beugen

Des bedeckten männlichen Haupts. Glaubt's dem Erfahr nen, jede erlaubts. Wollt ihr denn trotz dem Warnen und Schelten

Euch mit Gewalt das Genie noch erkälten? Lasset die Hüte, die stattlichen Mützen Fest aus der Locke, der Glatze Euch sitzen! Grüßet mit Worten, grüßt mit der Hand, Ehret die Sitte, doch schont den Verstand.

Tuttlingen, 3. Dezbr. Ein eigenartiger Kuhhandel wurde in den letzten Tagen hier zum Abschluß gebracht. In einer Wirtschaft hier kaufte ein hiesiger Schuhfabrikant 2 Kühe für 75 Paar Mannsschuhe, 65 Paar Frauen- und Töchterschuhe und 65 Paar Kinderschuhe. Auf wessen Seite der Vorteil, entzieht sich vorerst unserer Kenntnis.

Neueste Nachrichten«. Telegramme.

Breslau, 5. Dez. Der Kaiser traf um 12 Uhr 55 Min. mittelst Sonderzugs auf dem oberschlesischen Bahnhof ein, begrüßte dort das versammelte Offizierkorps seines hiesigen Leib- kürassierregimcntsGroßer Kurfürst" und begab sich in das Fürstenzimmer im Bahnhof und empfing daselbst eine aus 15 Mitgliedern be­stehende Abordnung hiesiger Arbeiter. Einer derselben überreichte mit kurzen Worten eine

Adresse, worauf der Kaiser mit folgender An­sprache antwortete:Daß die Arbeiter Breslaus sich entschlossen haben, zu mir, ihrem König und Landesvater zu kommen, hat mich mit freudiger Befriedigung erfüllt und das in zweifacher Weise: zum Ersten habt Ihr meine in Essen ausge­sprochenen Erwartungen nicht getäuscht, zum Andern habt Ihr dadurch das Andenken meines sel. Freundes, Hrn. Krupp, vorwurfsfrei wahren helfen. Von Herzen danke ich dem Sprecher für seine warm empfundenen Patriotischen Worte, die Zeugen davon, daß ehrenhafte Gesinnung und Anhänglichkeit an König und Vaterland unter Euch fest wurzeln. Euer Stand ist stets Gegenstand meines eingehenden Interesses und meiner Fürsorge gewesen, denn mit Stolz konnte ich im Auslande beobachten, wie der deutsche Arbeiter vor allen Anderen angesehen wird und mit Recht. Ihr dürft freudig an Eure Brust schlagen und Eurer Arbeit und Eures Standes froh sein. Durch die herrliche Botschaft des Kaisers Wilhelm I. eingeleitet, ist von mir die soziale Gesetzgebung weiter geführt worden, durch die für die Arbeiter eine gesicherte und gute Existenzbedingung geschaffen wurde bis ins Älter hinein unter Auferlegung von oft bedeutenden Opfern für die Arbeitgeber. Unser Deutschland ist das einzige Land, in welchem diese Gesetz­gebung bereits in hohem Maße zum Wohl der arbeitenden Klassen fortenwickelt ist. Auf Grund dieser von Euren Königen Euch zugewendeten großen Fürsorge bin ich berechtigt, auch ein Wort aufklärender Mahnung an Euch zu richten. Jahrelang habt Ihr und Eure deutschen Brüder Euch durch die Agitatoren der Sozialdemokraten in dem Wahn erhallen lassen, daß, wenn Ihr nicht dieser Partei angehört oder Euch zu Ihr bekennt, Ihr für nichts geachtet und nicht in der Lage sein werdet, für Eure berechtigten Interessen Euch Gehör zu verschaffen zur Verbesserung Eurer Lage. Das ist eine grobe Lüge und ein schwerer Irrtum. Statt Euch objektiv zu ver­treten, haben diese Agitatoren Euch aufzuhetzen versucht gegen Eure Arbeitgeber, gegen andere Stände, gegen Thron und Altar, und Euch zu­gleich aufs Rücksichtsloseste ausgebeutet, terrori­siert und geknechtet, um ihre Macht Zu stärken. Und wozu wurde diese Macht gebraucht? Nicht zur Förderung Eures Wohls, sondern um Haß zu säen zwischen den Klassen und zur Ausstreu- ung feiger Verleumdungen, denen nichts heilig geblieben ist und die sich schließlich am Hehrsten vergriffen hat, was wir hienieden besitzen, an der deutschen Mannesehre. Mit solchen Menschen könnt und dürft Ihr als ehrliebende Männer nichts mehr zu thun haben und nicht mehr von ihnen Euch leiten lassen. Nein, sendet uns Eure Freunde und Kameraden aus Eurer Mitte, den einfachen, schlichten Mann aus der Werkstatt, der Euer Vertrauen besitzt, in die Volksvertretung. Er trete ein für Eure Wünsche und Interessen und freudig werden wir ihn willkommen heißen als Arbeiter, als Vertreter des deutschen Arbeiter­standes, nicht als Sozialdemokraten. Mit solchen Vertretern des Arbeiterstands, so viele ihrer sein mögen, werden wir gern Zusammenarbeiten für des Volkes und für des Landes Wohl, und es wird so für Eure Zukunft gut gesorgt sein, zu­mal da sie natürlich fest fußen wird auf der Königstreue, auf der Achtung vor den Gesetzen und dem Staate und vor der Ehre Eurer Mit­bürger und Brüder, getreu dem Schriftwort: Fürchtet Gott, ehret den König, habt die Brüder lieb." Darauf ließ sich der Kaiser die einzelnen Mitglieder der Abordnung vorstellen, erkundigte sich nach ihrer Herkunft und richtete an jeden derselben einige freundliche Worte. Nach Ver abschiedung von den zur Begrüßung erschienenen Herren erfolgte gegen 1^/2 Uhr die Abfahrt des Kaisers nach Wildpark.

Breslau, 5. Dezbr. Die von dem Kaiser empfangene Abordnung bestand aus 6 Arbeitern der alten Link'schen Fabrik und 4 Arbeitern der Link'schen Maschinenbauanstalt, 2 Arbeitern der Hoffmann schen Wageubauanstalt und aus je einem Arbeiter von Hemna, Dauber, Meinecke, Trelen- berg, Suckow und Heckmann. Die Ansprache, welche der schon mehr als 25 Jahre in der Link'schen Wagenbauanstalt beschäftigte Feder­

schmied Clammt hielt, lautet:Mehrere Tausend Arbeiter der Breslauer Waggonfabrik und Maschinenbauanstalten bitten Ew. Majestät die nnterthänigsten Huldigungen darbringen zu dürfen. Das Vertrauen, welche Ew. Majestät in der Essener Rede den deutschen Arbeitern schenkten, hat uns mit tiefempfundenem ehrfurchtsvollem Dank erfüllt. Wir geloben Ew. Majestät un­entwegte Treue und bitten zu Gott, er möge ! Ew. Majestät segnen und schützen immerdar.

Wildpark, 5. Dez. Der Kaiser ist heute abend 7.50 hier eingetroffen.

Berlin, 5. Dez. Reichstag. Das Haus verwirft mit 188 gegen 63 Stimmen bei 4 Stimmenthalt­ungen den Einspruch Bebels gegen den vor- gestern ihm erteilten Ordnungsruf, den er erhielt, weil er die Ausführungen des Staatssekretärs Dr. Grafen v. Posadowsky unpassend nannte. Abgeordneter Molkenbuhr (Soz.) beantragt, den dritten Abschnitt des Zolltarifs, über den gestern Abgeordneter v. Kardorff berichtete, an die Kommission zurückzuverweisen. Abgeordneter Dr. Spahn (Ztr.) beantragt Uebergang zur Tagesordnung, der mit 207 gegen 71 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen beschlossen wird. An Stelle des Abgeordneten Dr. Müller-Sagan berichtet dann Abgeordneter'Müller-Meiningen über die Positionen 273315. Nach dem vier­zehnten vom Abgeordneten Dr. Beumer (ntl.) erstatteten Referat wünschten die Abgeordneten Gothein (frs. Ver.) und Stadthagen (Soz.) in längeren Ausführungen, daß der Bericht­erstatter seine Ausführungen ergänze. Eine Er­widerung Dr. Beumers erfolgt nicht. Nach einem Bericht des Abgeordneten Lurz (Zentr.) beantragt Äbgeordneter Stockmann (Rp.) um einzelnen Rückverweisungsanträgen der Sozial­demokraten vorzubeugen, alsbald die Rück­verweisung des ganzen Abschnitts an die Kom­mission. Das Haus geht auf Antrag des Ab­geordneten Dr. Spahn (Ztr.) mit 194 gegen-72 Stimmen über den Antrag Stockmann zur Tagesordnung über. Die Abgeordneten Hoch (Soz.) und Stadthagen (Soz.) erörtern, ohne Anträge zu stellen, das Referat des Abgeordneten Lurz. Abgeordneter Hoch wurde dabei vom Vizepräsidenten Büsing bedeutet, daß er es nicht zulasse, unter dem Deckmantel der Geschäfts­ordnungsdebatte den Zolltarif selbst zu besprechen. Hierauf folgt das Referat des Abgeordneten Antrick (Soz.) Nach dem fast dreistündigen Referat Antricks und nachdem Abgeordneter Bock-Gotha (Soz.) Fragen an den Referenten gerichtet hat, wird ein Vertagungsantrag Kar­dorff angenommen. An den Vorschlag des Präsidenten Grafen Ballestrem, die nächste Sitzung am Dienstag abzuhalten und den neuen Antrag der Mehrheit auf Abänderung der Ge­schäftsordnung auf die Tagesordnung zu setzen, knüpft sich eine Längere Debatte. Abgeordneter Roesicke-Dessau (wild lib.) beantragt, die heutige Beratung schon morgen fortzusetzen. Präsident Graf Ballestrem: Thut man zur rechten , Zeit rasten trägt man leicht die schweren Lasten. (Heiterkeit.) Abgeordneter Singer (Soz.) schließt sich dem Abgeordneten Roesicke an und erhebt zugleich Widerspruch dagegen, daß der Antrag der Mehrheitsparteien betreffend die Geschäfts­ordnung vor den anderen Initiativanträgen zur Beratung komme. Präsident Graf Ballestrem verweist auf den Präzedenzfall beim Antrag Aichbichler. Nachdem die Abgeordneten Bebel (Soz) und Dr. Pachnicke (frs. Vg.) den Aus­führungen Singers beigetreten waren, wird der Antrag Roesicke gegen die sozialdemokratischen und freisinnigen Fraktionen abgelehnt. Dienstag 1 Uhr: Antrag auf Abänderung der Geschäfts­ordnung, Fortsetzung der heutigen Beratung.

Mutmaßliches Wetter am 7. und 8. Dezember.

Ueber dem atlantischen Ozean scheint sich ein Luft­wirbel zu entwickeln, wie aus den stürmischen Winden in Großbritannien hervorgcht, wo freilich noch immer ein Barometerstand von 770775 ram sich behauptet. Bei ziemlich scharfem Frost ist für Sonntag und Mon­tag fast ausnahmslos trockenes und auch zeitweilig heiteres Wetter zu erwarten.

Mit einer vierseitigen Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.