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Stuttgart,?. Nov. Der preußische Minister der offen tichen Arbeiten Budde ist heute früh 7 Uhr 30 Min. nach Karlsruhe abgereist. Der Minister war gestern abend zur Tafel beim König in den Wilhelmsplatz geladen. Bei einem gestern mittag bei Minister Frhrn. v. Soden statt- gehabten Frühstück nahmen auch die Staatsminister, die Gesandten Preußens und Bayerns, sowie höhere Beamte der Berkehrsanstaltenverwaltung teil.
Stuttgart, 8. Nov. Die Handelskammern des Landes raten heute hier zum 2. württem- bergischen Haudelskammertag zusammen. Neben Verhandlungen über die Kartellbewegung und die staatliche Gebäudebrandversicherung wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die gegen die von der Kammer der Abgeordneten bei der Steuerreform beabsichtigte hohe Belastung des Gewerbes Verwahrung eingelegt. Für die kaufmännischen Fortbildungsschulen wurde die Empfehlung der Zwangsein führung beschlossen.
Das offizielle Organ des Bundes der Landwirte in Württemberg, die „Württem- bergische Landpost-, giebt ohne Borbehalt einer Zuschrift an der Spitze des Blattes Raum, in der „angesichts der heutigen Lage zur Erwägung geraten wird, ob der ungewissen Zukunft gegen - über nicht eine Verständigung auf Grund der Regierungsvorlage zu befürworten sei."
Stuttgart, 3. Novbr. Die Verleger der deutschen, englischen und holländischen Ausgabe von Krügers Memoiren hatten sich geeinigt, zu Jnformationszwecken einen kleinen Teil des Buches vor dem Erscheinen zunächst in je einer Zeitung veröffentlichen zu lassen. In Deutschland sollte der Abdruck in der „Gartenlaube", in England in der „Times" am 23. Oktober finden. Der Abdruck erfolgte auch an dem festgesetzten Tage. Die Firma Scherl in Berlin ließ sich nun den ganzen Artikel aus der „Times" telegraphieren und brachte ihn am selben Tage im „Berliner Lokalanzeiger" zum Abdruck. Der Verleger der deutschen Ausgabe, I. F. Lehmann- München, sah sich daraufhin veranlaßt, Strafanzeige wegen unerlaubten Nachdrucks zu stellen. Scherl hatte sich früher selbst um den Erstabdruck für die „Woche" bemüht. Doch zog der Verleger vor, die Artikel in der „Gartenlaube" erscheinen zu lassen, obwohl Scherl schon damals dafür zu sorgen drohte, daß die „Gartenlaube" den kürzeren ziehe, falls nicht er die Artikel bekomme. Auf den Ausgang dieses für literarische Kreise sehr interessanten Prozesses darf man gespannt tein.
Cannstatt, 7. Nov. Wie man hört, beginnt die Daimler-Motorengesellschaft noch in diesem Herbst mit der Verlegung ihrer Fabrik auf ihr Üntertürkheimer Areal, indem sie in allernächster Zeit mit dem Bau einer großen, modernen Schmiede- und Schlosferwerkstätte daselbst anfangen wird.
Eßlingen, 7. Nov. Ein Petroleumkrieg ist hier ausgebrochen, nachdem Seifensieder K. das Petroleum im Ladenverkauf auf 18 -«f per Liter herabfetzte und in öffentlichen Blättern bekanntgab, „daß er eigene Petroleums-Verkaufs- Einrichtung besitze und daher unabhängig sei im Ein- und Verkauf. Der seitherige Verkaufspreis betrug 22 pro Liter und es haben auf das obige Vorgehen hin im gestrigen Blatt 42 hiesige Petroleumoerkäufer, darunter die ersten Firmen des Platzes erklärt, daß sie, gezwungen durch das Vorgehen einer Konkurrenz-Firma, von heute an ihr garantiert rein amerikanisches Petroleum der deutsch-amerikanischen Petroleumgesellschaft ebenfalls zum Preis von 18 «f per Liter abgeben werden.
Riedlingen, 4. Novbr. Flußbäder im November und selbst Dezember gehören in Deutschland gewiß zu den seltenen Erscheinungen, Dieser Tage konnte man zwischen Munderkingen und Untermarchthal eine größere Anzahl fröhlich badender Personen sehen. Etwa 100 w vom linken Donauufer entspringt dem Erdreich eine warme Quelle, die bei großer Kälte im Dezember immer noch eine Temperatur von 15 Grad zeigt und eine entsprechende Fläche der Donau warm hält. Unfern dieser Stelle, bei Algershofen, 10 Minuten von Munderkingen, treffen wir eine gleiche Quelle, die einen Teich füllt und zur Benützung im Winter schon als Badeanstalt ein
gerichtet war. Eine dritte Quelle von 20 Grad Wärme bei der größten Kälte verliert sich unmittelbar aus dem Erdreich in die Donau an der Brücke von Munderkingen. Die Wasser sind vollständig neutral und weisen keinerlei mineralischen Gehalt auf. Daß schon die Römer diese Quellen entdeckt und fleißig benützt haben, darauf deuten verschiedene Merkmale hin.
Simmozheim, 6. Novbr. In dem eine Stunde von hier entfernten Ort Merklingen OA. Leonberg, brannten heute nacht 8 Gebäude, 4 Wohnhäuser und 4 Scheunen. Wegen des gegenwärtig herrschenden Wassermangels wurde von auswärts nur die Feuerwehr Weilderstadt angerufen und hatten diese und die Merklinger Feuerwehr vollauf zu thun, um das Gasthaus zum Hirsch und die Apotheke zu retten. Die Entstehungsursache ist bis jetzt unbekannt.
Freudenstadt, 7. Nov. Bei dem unter außerordentlich zahlreicher Beteiligung seitens der württembergischen, badischen, bayerischen, 6 rheinischen Holzverkäufer gestern in Oberthal abgehaltenen Nadel- und Stammholzverkauf kamen 24 820 Festmeter Langholz und 1646 Festmeter Sägholz zum Ausbot. Erlöst wurden für normales Langholz allein 103 °/«, für normales Sägholz allein 94°/«, für das zusammenverkaufte normale Lang- und Sägholz 102°/«. Der Erlös schwankte bei den einzelnen Losen zwischen 93 und 115°/« der Taxpreise.
Tettnang, 7. Nov. Der 69 Jahre alte Schultheiß Engstler von Biggenmoos - Tannau ist am verflossenen Montag, als er abends nach Eintritt der Dämmerung vom Ratszimmer nach Hause zurückging, zwischen Stiefel und Biggenmoos von einem Burschen überfallen, mit einem armsdicken Hopfenstock niedergeschlagen und trotz energischer Gegenwehr beraubt worden. Der Räuber ist der 26 Jahre alte Bauernknecht Ben. Glockhaar von Meckenbeuren.
Weittpreiszettcl vom 4. 6. Nov.
Preise per 3 KI.
Hohenhaslach. Mit Preissteigerung bis zu 145 «4t Alles verkauft. Mittelvceis 141 «4L —Winnenden. Weitere Käufe zu 115 Alles verlaust.
— Uhlbach. Käufe wie ieither zu 125—145 .4 Noch ca. 150 Hektoliter Vorrat. Käufer erwünscht. — Eßlingen. Gesellschaftskelter. Immer noch Vorrat. Preis wie bisher 136—145 «4t Käufer willkommen.
— Marbach a. N. Seit dem Ablassen Verkauf etwas lebhafter, 110—115 ««, aber noch viel feil. Käufer erwünscht.
Obstpreiszettel.
Mostobstmarkt Stuttgart, 7. Nov. (Mirgcteilt von dem Berkaussvermittler Robert Hallmayer in Stuttgar i.) Auf dem Rordbahnhof Stuttgart wurden heute 42 Waggons seilgeboten. Hiervon waren 22 Waggons neu zugcführt, welche in der Hauptsache zu folgenden Preisen per 10000 Kilo verkauft wurden und im übrigen den angeführten Preiswert befaßen: Waggons:
1 aus Württemberg «4L 1300. 1 aus Preußen »> 1250, 6 aus Böhmens 1220—1280, 4 aus der Schweiz «« 1240 -1300, 10 aus Italien «4L 1180-1240, zus. 22 Waggonsladungen zu ca. 10000 Kilo Most- Lpfcl. Nach auswärts wurden heute 7 Waggons versandt. Kleinverkaus zu Mark 5.70—8.50 per Ztr.
Ausland
In der nordamerikanischen Union sind soeben die Neuwahlen zum Kongreß in Washington vollzogen worden. Das Hauptergebnis derselben besteht darin, daß die republikanische Partei ihre bisherige Mehrheit im Bundesparlament behauptet hat, wenngleich die Demokraten einige Mandate eroberten. Einstweilen sind 197 Republikuner, 177 Demokraten und 3 Neutrale gewählt worden, 9 Wahlergebnisse stehen noch aus. Die Republikaner siegten in Indiana, Iowa, Minnesota, Nord- und Süd- dacota, Utha, Washington; die Demokraten siegten in Virginien, Georgia, Louisiana, Texas, Missouri.
New - Aork, 6. Nov. Der mit der Bewachung der Mörser betraut gewesene Leßmann blieb unverletzt. Er schreibt das verfrühte Losgehen einem unglücklichen Zufall zu. Der gewählte Eigentümer der Journals. William Hearst, dessen Sieg mit dem Feuerwerk gefeiert werden sollte, wird allen Verunglückten 1 Mill. Doll, zuwenden.
Die Stadl Ocos in Mexiko, früher einer der bedeutendsten mexikanischen Häfen an der Pacificküste, ist fast vollständig in die See versunken. Diese Naturerscheinung ist die Folge einer im^ April aufgetretenen Erderschütterung, die ein Sinken des «Hasengrundes bewirkte.
Stein (Kanton Toggenburg.) Eine hiesige 18 jährige Wirtstochter spielte kürzlich in der Wirtschaft mit dem Gewehr eines Jägers. Auf die Aussage des letzteren, daß das Gewehr nicht geladen sei, zielte sie auf den Jäger und drückte ab. Tötlich getroffen stürzte der Jäger zu- sammen und war kurz darauf eine Leiche.
Vermischtes.
In Ruprechtsau bei Straßburg war eine Frau nahe daran, zu verbluten, weil sie sich das an Blutgefäßen reiche Zahnfleisch verletzt hatte. Der Fall ist lehrreich. Durch ein geöffnetes Aederchen sickerte tropfenweise das Blut. Die Frau achtete anfangs nicht sehr darauf. Als. aber das Bluten nicht aufhören wollte, suchte sie es durch Ausspülen des Mundes mit Salzwasser, dann mit Essigwasser und Alaun zu stillen. Dies und alles, was sie sonst noch that, war vergebens. Die Frau wurde allmählich schwächer und wäre sicherlich verblutet, wenn nicht > endlich der Arzt gerufen worden wäre. Dieser drückte einfach die kleine Oeffnung im Zahnfleische mit Watte zu, wodurch das Blut in dem Aederchen zu gerinnen aofing und so einen natürlichen Stopfer bildete. Dieser Vorfall möge zur allgemeinen Kenntnis und Orientierung für ähnliche Fälle, die täglich Vorkommen können, dienen.
(Das Zimmermädchen im Theater.) Ein Vorgang in der bürgermeisterlichen Theaterloge erregt in Würzburg viel Heiterkeit. Die mit dem Bürgermeister die Proszeniumsloge teilende Bauratsfamilie war an einem schönen Abend fern geblieben, dafür saß. als unser Rechtsoberhaupt eintrat, ein hübscher, kleiner Käfer am Platze, der zwar in Garderobe fein heraus war, aber doch etwas linkisch dasaß und auf die eingeleitete Unterhaltung kleinsilbig antwortete. Im ersten Zwischenakte erschienen in der Loge zu Besuch zwei adelige Kavaliere in Uniform, die angesichls des kleinen Käfers ihre Haken zusammenschlagen und sich vor dem gnädigen Fräulein tief verbeugen. Nun stellt sich auch der Bürgermeister der schönen Unbekannten vor, die also anhnb: „Ent—ent—entschuldigen Sie, ich bin gar keine Gnädige, ich bin die Gnstel, das Zimmermädchen bei Banrars."
(Passende Bezeichnung.) „Der L. ist wirklich ein rücksichtsloser Mensch; jetzt hat er schon elf Menschen mit seinem Automobil überfahren."
„Ja, er ist ein motorischer B ösewicht."_
Mutmaßliches Wetter am 9. und 10 November,
Kür Sonntag und Montag ist bei vorherrschend östlichen Winden nur zeitweilig trübes und nebliges, aber säst ausnahmslos Irockcifis Wetter zu erwarten.
Neueste Nachrichten v. Telegramm.
London, 7. Novbr. Die hiesigen Blätter besprechen die Reise des Deutschen Kaisers nach England. Die „St. James Gazette" sagt: Wenn Kaiser Wilhelm sein englisches Dragonerregiment besichtigen und mit Verwandten das englische Landleben genießen will, so bieten wir ihm ein herzliches Willkommen. Wir können die Erfordernisse der deutschen Politik wohl in Anschlag bringen, welche sehr zu Recht seine erste Sorge sind, und sehen in ihm einen warmherzigen Enkel der Königin Viktoria und einen Neffen König Eduards. Wir dürfen wohl sagen, Kaiser Wilhelm kennt England genau, um nach Tisch über Politik zu reden, aber das wird keine Umwälzung der Lage Europas bedeuten : dagegen kann ein Einvernehmen der beiden Monarchen nur erwünscht sein. Der „Globe" schreibt: Kaiser Wilhelm wird mit der Ehrerbietung empfangen werden, die ihm kraft seines hohen Amtes und seines Charakters willen zukommt. Aber es wäre müßig, zu behaupten, daß seine Anwesenheit in unserer Mitte das Signal sein werde zur Entfaltung von Begeisterung. Das Blatt kommt dann ausdrücklich auf die Feindseligkeiten zu sprechen, die in Deutschland gegen England bewiesen seien und sagt, der Kaiser könne sich der Konsequenz solcher berechneter Rücksichtslosigkeit nicht entziehen.
Haag, 7. Novbr. Der frühere Präsident der südafrikanischen Republik, Schalk Burger, ist mit seinem Sekretär Villiers hier eingetroffen.
MM" Mit einer Beilage. "WM
Redaktion. Druck und Vericg rsn C. Meeh in Ncuer.bLrx.