wird das Oehmd eingebracht. Mit den Erträgen sind die Landwirte recht zufrieden. Die Winterfrucht ist reichlich ausgefallen, der Ertrag an Heu und Klee übersteigt an Güte und Reichhaltigkeit alle letzten Jahre und so scheint bei der gegenwärtigen guten Witterung auch die Oehmdernte auszufallen. Kartoffeln und Hackfrüchte lassen gleichfalls nichts zu wünschen übrig. Nur die früh gesäte Gerste hat unter der naßkalten Witterung des Mai gelitten und ist deswegen an Körner- und Strohertrag teilweise hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Obst­bäume haben unter den Frühjahrsfrösten keinen Schaden genommen und sind dicht mit Früchten behängen. Leider hat der Hagelschlag am 7. August in einzelnen Gemeinden des oberen Härtsfeld erheblich geschadet, doch sind die meisten Beschädigten versichert und wurden voll entschädigt. Die heurige gute Ernte ist auf die zahlreichen und ergiebigen Niederschläge zurückzuführen, die dem kalkreichen Boden sehr zu statten kommen.

Waldsee, 5. Sept. Heute abend zog ein heftiges Gewitter über unsere Stadt, das mit starkem Sturm und auch etwas Hagel verbunden war. Am meisten haben die Obstbäume gelitten.

Pforzheim, 6. Sept. Der seit 13 Jahren dem hiesigen Feuerwehrcorps angehörende Bataillons- tambour Tobias Schöckinger, eine außergewöhnlich imposante Erscheinung, schnitt sich gestern nachmittag, seit einiger Zeit an Kehlkopf- und Lungenschwind­sucht erkrankt, im Todeskampf des Erstickens die Kehle durch. Er war sofort tot. (Schw. B.)

Berlin, 5. Sept. Professor Rudolf Virchow ist hellte nachmittag 2 Uhr gestorben.

Berlin, 5. Sept. Ueber Virchows letzte Stunden meldet das Berliner Tageblatt: Be­reits seit Wochen schwanke die Familie zwischen Furcht und Hoffnung und die Berichte von Virchows Krankenlager wechselten in ihrer Färbung schon in der Zeit des Harzburger Aufenthalts mit einander ab. Die Reise von Harzburg nach Berlin hat nach Ansicht der Angehörigen keinen nachteiligen Einfluß ausgeübt. Der Zustand des Kranken wich bei Nacht merklich von dem in seinen letzten Harzburger Tagen ab. Er schlief viel und zeigte wenig Anteil­nahme für die Außenwelt. Bereits in der ver­gangenen Nacht trat Bewußtlosigkeit ein. Der greise Gelehrte erkannte seine Angehörigen nicht mehr wieder. Heute vormittag gegen 11 Uhr be­suchte ihn noch sein langjähriger Freund, Sanitäts­rat Dr. Rüge, und verweilte etwa eine Stunde am Lager. Gegen 1 Uhr merkte man das Herannahen deS Todes. Der Sohn Virchows, Professor Dr. Hans Virchow, wurde telephonisch benachrichtigt. Er traf sofort am Sterbebette seines Vaters ein, bald darauf auch seine Schwiegertochter. Gegen 2 Uhr trat der Tod ein. Außer den Genannten umstanden noch die Frau und die Tochter Johanna das Sterbelager des großen Mannes. Ter Tod

trat sanft und schmerzlos ein. Ueber den Tag der Beisetzung ist noch nichts bestimmtes bekannt.

Berlin, 5. Sept. Der Tod Rudolf Virchows giebt der Berliner Presse Anlaß zu ausführlichen und ehrenvollen Nachrufen. Virchow ist nur einmal, vorübergehend, die erste Stelle in der Wissenschaft streitig gemacht worden. Das war vor nunmehr zwölf Jahren, als Robert Koch mit seiner Entdeckung des Tuberkulins, als eines Heilmittels gegen die Tuberkulose, vor die Oeffent- lichkeit trat. Damals, als der preußische Kultus­minister v. Goßler im Abgeordnetenhause den Tag der näheren Mitteilung hierüber für den schönsten seines Lebens erklärte, als die Wogen der Begeisterung hoch gingen, da war es Virchow, der kein Hehl aus seiner kühleren Auffassung machte und vor zu weitgehenden Erwartungen warnte. Und Virchow hat recht behalten. Seine Entdeckungen und wissenschaftlichen Arbeiten haben die Probe der Erfahrung glänzend bestanden. Mit seinem wunder­bar scharfen Blick wußte er fast unmittelbar die Mängel eines neuen Systems herauszufinden. Andererseits galt die Zustimmung Virchows gleich der Besiegelung eines wissenschaftlichen Erfolges. Für ihn war jedes Gebiet der MedizinSpezial­fach", er beherrschte es wie jemand, der sein Leben einem begrenzten Forschungskreis gewidmet hat. Und wie immer das Urteil über den Politiker Virchow lauten mag das eine werden ihm auch seine Gegner zugestehen, daß er mit vornehmen Waffen kämpfte und rückhaltlos seine Ueberzeugungen aussprach. Die deutsche Fortschrittspartei, der er ihr erstes Programm gab, hat ihm viel zu danken, und was er in seiner Eigenschaft als Abgeordneter geleistet hat, sobald er seine einflußreiche Stimme erhob für die Forderungen der Volksgesundheits­pflege, der Bildung, das ist zum Besten der Nation geleistet worden. Mit größerem, praktischerem Erfolg, als es die Friedenskongresse mit ihren wohlgemeinten Beschlüssen vermögen, hat Virchow dafür gewirkt, der Humanität im Kriege durch Ver­besserung und Organisation der Krankenpflege Aner­kennung zu verschaffen. Rudolf Virchow gehört zu den Söhnen des Vaterlandes, deren Andenken nicht in Aeonen untergehen wird. Und nicht eine Partei, die ganze Welt der Gebildeten trauert um den Verlust.

Berlin, 5. Sept. Die gestrige Rede des des deutschen Kaisers an die Stände der Pro­vinz Posen wird von den Berliner Morgenblättern fast durchweg günstig besprochen. Die Neuesten Nachrichten sagen: Die für jeden Vaterlands- sreund wahrhaft erhebenden Worte deS Kaisers dürften nicht verfehlen, in ungezählten für den na­tionalen Gedanken schlagenden deutschen Herzen lebhaftesten Widerhall zu wecken. Die Kundgebung des Kaisers athme feste Entschlossenheit und werde dem preußischen Staatsgedanken auch in jenen Ge­bieten der Monarchie unbedingte Geltung sichern.

Gerade durch die Mäßigung, die sich nach jeder Richtung von aller Uebertreibung fernhalte, werde sie auf Deutsche und Polen eine bleibende Wirkung üben. Die National - Zeitung schließt sich dem Wunsche des Kaisers an, daß von keiner Seite das Zusammenwirken von Volk und Beamtenschaft in Posen getrübt und erschwert werden möge. Die Tägliche Rundschau bezeichnet die Rede als eine der erfreulichsten Kundgebungen der letzten Zeit. Wohlthuend berühre vor allem, daß sie sich bei aller Entschiedenheit jeder Gereiztheit und kränkenden Schärfe enthalte. Am bemerkenswertesten sei die schroffe Zurückweisung der Versuche, der Regierungs- Politik gegen die Polen konfessionelle Tendenzen zuzuschreiben. Auch dieVossische Zeitung und das Berliner Tageblatt heben den versöhnlichen Ton der gestrigen Kaiserrede besonders hervor. Das letztgenannte Blatt meint, das deutsche Volk werde gern bereit sein, den polnisch redenden Mitbürgern die Hand zur Versöhnung und zu ge­meinsamer Arbeit zu bieten. Weniger befriedigend ist die V o lks z e i tu n g, die in der neuesten Kaiserrede, soweit sie sich an die Polen wendet, eine werbende Kraft nicht erblickt. Der Vorwärts glaubt, die Polen könnten die Rede mit Recht da­hin deuten, daß die Anerkennung nationaler Frei­heit innerhalb des deutschen Staaten-Verbandes ihr eigentlicher Sinn sei. Eine Aenderung des Kurses, der in Posen gesteuert wird, werde die gestrige Rede, die so vieldeutend sei, daß jede Partei sie zu ihren Gunsten auslegen könne, gewiß nicht in die Wege leiten.

Berlin, 5. Sept. Der Lokalanzeiger meldet auS Hamburg: Der gegenwärtige hier weilende Prinzregent Luitpold von Bayern unter­nahm gestern nachmittag in Begleitung seines Ad­jutanten eine Hafen-Rundfahrt zur Besichtigung der neuen Hafen-Anlagen. Der Prinzregent be­wahrte strengstes Inkognito.

Berlin, 6. Sept. Aus Neisse wird tele­graphiert: Mehrere in Neisse einquartierte Garde- Artilleristen, die den Urlaub überschritten hatten und dabei von dem Leutnant Hannig vom 23. Jn- fanteriergiment betroffen wurden, flüchteten in einen Stall. Als der Kanonier Jürgensen den Versuch machte, unbemerkt aus dem Stalle zu entkommen, erhielt er von dem Leutnant mehrere sehr gefähr­liche Stiche mit dem Degen.

Berlin, 6. Sept. Lord Roberts, der bei der heutigen Kaiser-Parade in Frankfurt a. O. das Band zum Schwarzen Adler­orden trug, und die übrigen englischen Offiziere trafen dem Lokal-Anzeiger zufolge in Begleitung des Militär-Attaches Colonel Webers und der ihnen zugeteilten deutschen Offiziere kurz vor 1 Uhr von der Parade wieder hier ein, entzückt über den liebenswürdigen Empfang von Seiten des Kaisers. Von dem ihnen gebotenen militärischen Schauspiel

Kranken hielt, dabei aber ein unablässiges Augenmerk auf ihre ganze Umgebung j zu richten, um etwaigen weiteren Attentaten Vorbeugen zu können. Nicht gering war bei diesem Vorsatz das Vertrauen, welches sie auf die Verläßlichkeit und erprobte Treue ihres Hundes setzten.

DerCerberus" hatte in Alexandria nicht nur neuerlich eine große Menge Kaufmannsgüter eingeladen, sondern auch die Zahl seiner Paffagiere bedeutend vermehrt. Doch stiegen diesmal wenig Reisende der ersten und zweiten Klaffe an Bord, die Mehrzahl bestand aus solchen, welche sich mit dem Aufenthalt im Zwischendeck begnügten. Was aber den Neuangekommenen an Vornehmheit ab­ging, das ersetzten sie reichlich durch das bunte Gemisch der Nationalitäten und ihre malerische, mitunter jedoch sehr unreinlich gehaltene Landestracht. Da sah man in weißen Burnussen Araber mit hageren Gesichtern und durchbohrenden Falkenaugen, fette Türken mit dem Turban oder Fetz auf dem Kopfe, wie Eben­holz glänzende Neger aus dem Sudan und chokoladefarbige Mauren aus Tripolis, egyptische Kaufleute und algerische Derwische. Denn obgleich die jährlichen großen Pilgerfahrten nach Mekka schon vorüber waren, fuhren doch mit jedem das Rote Meer passierenden Schiffe noch zahlreiche Nachzügler nach der den Anhängern des Propheten heiligen Stadt. Allein nicht nur Muhammedaner bestiegen im Hafen von Alexandria denCerberus", sondern auch Juden in langen schmutzigen Kaftanen und ein Häuflein schlitzäugiger, gelbgesichtiger Chinesen, die Gott weiß wie nach Egypten verschlagen worden waren. Die Juden waren auf einer Handelsreise nach Dschidda und Suakim begriffen, die bezopften Söhne des Reiches der Mitte hatten im Sinne, die chinesische Kolonie in Australien zu ver­stärken ; sie besaßen Schiffahrtskontrakte nach Melbourne und Sydney. So stellten die Zwischendeckspassogiere eine ziemlich bunt zusammengewürfelte kosmopolitische Gesellschaft dar.

Mit günstigem Wind und bei herrlichem Wetter hatte derCerberus"

Rosetta und Damiette an seinem Steuerbord vorübergleiten sehen und war schon nach sechzehnstündiger Fahrt bei den zwei ungeheuren, 2200 Meter in's Meer hinausreichenden Molen angekommen, welche den Vorhafen von Port Said und damit zugleich den Beginn des Suezkanals bilden.

Es war Mitternacht, als er den Leuchtturm doublierte; gleichwohl hatten viele der zuletzt angekommenen Zwischendeckspaffagiere den Schlaf noch nicht ge­funden. Die ungewohnte Lage und die Neuheit ihrer Umgebung ließ sie kein Auge schließen, weshalb die Schiffslampen ihr trübes rotes Licht auf zahlreiche müde und abgespannte Gesichter warfen. Auch die Chinesen schliefen nicht; sie hatten sich in der Nähe der Kojen, die der Lord und sein Diener inne hatten, eine Ecke ausgesucht und saßen dort wach, aber anscheinend teilnahmslos und apathisch auf ihren Strohmatratzen.

Da tauchte im runden Lichtschein, welchen die über ihren Köpfen schaukelnde Lampe auf den Fußboden des Zwischendecks zeichnete, eine lange dürre Gestalt in Kaftan und runden Mütze auf und schritt leise gerade auf die Chinesen zu.

Was sucht der Jude dort bei den Zopfmännern?" flüsterte der Lord seinem Genossen zu.

Beide richteten sich von ihren Lagerstellen halb in die Höhe und spähten nach der Ecke, um zu sehen, was dort Vorgehen würde. Die Chinesen mußten den jüdischen Handelsmann jedenfalls kennen; denn bei seinem Näherkommen ver­zogen sich ihre Züge zu einem Grinsen, das wahrscheinlich Freude und Freund­lichkeit ausdrücken sollte. Ohne Zweifel hatten sie denselben in Alexandrien kennen gelernt, während sie dort Tage lang auf die Ankunft des Dampfers warteten. In den Hafenschenken knüpfen sich ja sehr leicht Bekanntschaften an, namentlich zwischen Reisenden, welche die gleiche Schiffsgelegenheit benützen wollen.

(Fortsetzung folgt.)