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Amis- und Anzeigeßkalt für den Bezirk Gakw.

77. Jahrgang.

Srschnn! Diiuitag«, Douaerktagk uvd Samitagr. Dis Stsrückuuglgrbühr i-iiLg» im B«iirk und t» nSchster » Psg. die z-il-, «eiier mtferot iS Pfg.

Dienstag, den 9. September 1902.

Vierteljährlicher Abonnement»prei5 in der Stadt Mk. 1.10 in« Hau» gebracht, Mk. 1. 1b durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1. 85.

Tagesnemgkeiten.

Calw, 8. Sept. Vergangene Nacht 1 Uhr brach in Unterhaugstett im Hause des Mich. Bäuerle Feuer aus. Das Gebäude grenzt noch an andere Anwesen, weshalb große Gefahr vorhanden war. In Monakam wurde um Hilfe nachgesucht.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.s Am 5. September ist von der Evangelischen Ober­schulbehörde die Schulstelle in Meistern, Bez. Calw, dem Hilfslehrer Friedrich Hartmann in Nellingen, Bez. Eßlingen-Cannstatt, übertragen.

Neuenbürg, 4. Sept. Kürzlich wurde be­richtet, daß dem Holzhauer Blaich eine prächtige Kamerz in bubenhafter Weise abgesägt worden sei. Der Thäter ist in dem Presser Bauer von Arnbach, der kurze Zeit zuvor in dem Hause des Geschädigten wohnte und dort alle möglichen Bosheiten verübte, ermittelt worden. Derselbe ist geständig.

Neuenbürg, 5. Sept. Im Staatswald Gjäßberg, Forsts Neuenbürg, wurde vor kurzem eine Tanne gefällt, die eine Länge von 51 m und am Stockende einen Durchmesser von 1,24 m hatte und 17 Festmeter hielt. Aufbereitet beträgt die Länge noch 39 w, der Durchmesser am Ablaß (oberen Ende) 34 om und der Inhalt 14,16 Festmeter.

Stuttgart, 4. Sept. Vom Schöffen­gericht wurde der verheiratete Maurer Christof Uhl von hier wegen Beleidigung und Strikezw angs zu 3 Wochen Gefängnis verurteilt, weil er anfangs Juli während des Maurerausstandes einem an einem Bau in der Landhausstraße arbeitenden Maurer zuries: Du gehörst mit Dr ... verschossen, wenn du arbeitest; ich ziehe dich mit dem Strick

am Hals hinaus! Eine weitere Anklage gegen den­selben wurde vertagt. Der ledige Kaufmann Karl Schwarz von hier versetzte nach Anhörung einer Unterhaltung über den Straßenbahnausstand einem Straßenbahnschaffner beim Verlassen einer Wirt­schaft in der Rotebühlstraße mit dem Spazierstock einen leichten Schlag auf den Rücken mit den Wor­ten: Willst du springen du Lump! Strafe wegen Beleidigung: eine Woche Gefängnis. Der ledige Schreiner Heinrich Stuhlmann von Bremen rief während des Straßenbahnstrikes einem Wagenführer in der Silberburgstraße zweimal laut: Pfui!, der ledige Sattler Gustav Schmid von Gechingen, OA. Calw, in der Rotebühlstraße einem Schaffner: Schlamper! zu. Jeder derselben wurde wegen Be­leidigung zu 3 Tagen Gefängnis verurteilt und den Beleidigten Publikationsbefugnis zuerkannt.

Stuttgart,». Sept. (Ferienstrafkammer.) Unter der Anklage der fahrlässigen Gefährdung eines Eisenbahntransportes war heute der 19 Jahre alte Schlosser Karl Friedrich Ernst von Plochingen vor­geladen. Er war als Angestellter einer Maschinen­fabrik am 17. Juli ds. Js. mit Anbringung von Deckeln an Weichenkästen eines Stellwerks der Zahn­radbahn beim Königsträßchen zu Degerloch betraut; zur Erleichterung seiner Arbeit schob er unbefugter­weise den Hebel einer von dort aus bedienten Weiche etwas zur Seite, vergaß aber, ihn rechtzeitig ordnungs­mäßig zurückzustellen. Die Folge dieses Versäum­nisses war, daß der morgens 8'/- Uhr aufwärts fahrende Personenzug 213 entgleiste, weil die Weichen­zunge, anstatt fest anzuliegen, von der Verbindungs­schiene abstand. Glücklicherweise entstanden keine schlimmeren Folgen, als daß die aus dem Fahr­geleis geratenen Wagen, die aufrecht geblieben waren,

mit Hebeln wieder auf dasselbe zurückgebracht werden mußten. Nach Vernehmung von 4 Bahnangestellten und eines Sachverständigen, des Verkehrsinspektors Wülbern, wurde der Angeklagte, der damals sofort aus seiner Stellung entlassen wurde, unter Annahme mildernder Umstände zu einer Geldstrafe von 30 (eventuell 5 Tagen Gefängnis) verurteilt.

Fellbach, 4. Sept. DaS herrliche Wetter bewirkt in den Weinbergen, wo Heuer besonders viel Trollinger sind, mächtige Fortschritte. Die Oehmd- ernte ist beendigt; die Kartoffelernte wird demnächst beginnen.

Vaihingen a. Enz, 6. Sept. Gestern abend 8'/- Uhr wurde die hiesige Feuerwehr alar­miert. Es brannte in Kleinglattbach. Der Thätigkeit der Feuerwehren von hier, Ensingen und Kleinglattbach gelang es, das Feuer auf den Herd zu beschränken. Ein Wohnhaus und eine Scheuer, dem Kronenwirt Trostel gehörig, wurden einge- äs'chert. Die Entstehungsursache ist bis jetzt nicht bekannt.

Backnang, 6. Sept. In der Nacht vom 4. auf 5. wurde in Alt Hütte bei einer Hochzeit in der Löwenwirtschaft der Bauer Uebele von Man­nenweiler von dem Schreiner Ludwig Schäfer von Althütte derart mit einem Messer in den Ober­schenkel gestochen, daß die Hauptschlagader lebens­gefährlich verletzt wurde. Da sofortige Hilfe vor­handen war, dürfte der Verletzte mit dem Leben davonkommen. Der Messerheld , ein kürzlich ent­lassener China-Krieger, wurde sofort verhaftet und in daS Amtsgerichtsgefängnis Backnang eingeliefert.

Vom HärtSfeld, 3. Sept. Die Getreide­ernte ist auf unseren Höhen nunmehr zu Ende, derzeit

F^ttkü^kött. Nachdruck verboten !

Waller (Larpenter's Nachlaß. !

Original-Roman von Jos. Bai erlein. ?

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(Fortsetzung.) !

So meinte anfänglich auch ich", sagte Julius.Als ich aus der tiefen Ohnmacht erwachte, in welche mich Ueberanstrengung, höckste Todesnot und das überwältigende Gefühl der plötzlichen Rettung versenkt hatten, quälte mich ein Gedanke, der wie ein schwerer Druck auf meinem Gehirn lastete. Ich konnte niir nämlich nicht klar machen, wie ich in's Wasser geraten war. Eines nur wußte ich ganz gewiß: daß ich mich weder in gefährlicher Weise über Bord gelehnt, noch daß mich im Augenblick vor dem Sturz ein Schwindel erfaßt hatte. Der Vorfall erschien mir völlig unverständlich. Allein je mehr der Druck von meinem Kopf wich, und je freier ich nach und nach wieder denken konnte, desto deutlicher kehrte auch meine Erinnerung zurück, und so weiß ich denn mit unumstößlicher Gewißheit, daß ich den Unfall, welcher mich betroffen, keinem Versehen von meiner Seite, sondern der Hand eines dritten zuzuschreiben habe."

Du träumst."

Ich weiß jetzt, denn ich erinnere mich ganz genau", fuhr der Kranke unbeirrt fort,daß ich mit meiner Sehnsucht noch bei Marie, meiner lieben Braut, verweilte und mir die Frage vorlegte, was aus dem armen Wesen geworden wäre, wenn sie durch ein Schiffsunglück Bruder und Verlobten zu gleicher Zeit verloren hätte, da fühlte ich mich jählings von einer eisernen Faust im Nacken gepackt-«

Ach Julius! Das sind Fieberphantasien, die du jetzt nach dem Erwachen für Wirklichkeiten hältst."

und im nächsten Moment, ehe ich mich nach meinem Angreifer umwenden, ja ehe ich mich nur besinnen konnte, was mit mir vorging, flog ich schon durch die Luft, und dann schlugen die Wellen über mir zusammen."

Der Professor stöhnte; die Mitteilung seines Freundes verursachte chm Herzbeklemmungen. Denn Julius erzählte so zusammenhängend, so verständig, und dabei blickte sein Auge so fieberfrei, daß die Annahme, er schaue nur dis Phantasmagorien eines schweren Deliriums, vollständig hinfällig wurde. Aber war es denn denkbar ? Sowohl Julius wie der Professor waren damals noch ganz unbekannt aus dem Schiffe. Sie hatten infolge des kurzen Verweilens an Bord und wegen des bald eingetretenen Sturmes keine Gelegenheit gehabt, zu anderen Reisenden in Beziehungen zu treten sie hatten sowohl in Brindisi, wie während der ersten Stunden an Bord ganz abgeschloffen für sich gelebt, und konnten daher unter allen Insassen desCerberus" gewiß keinen Feind haben. Und dennoch sollte Julius von einer fremden von einer verbrecherischen Hand ins Meer gestürzt worden sein?

Walter ließ sich im Geiste die sämtlichen Paffagiere der ersten und zweiten Kajüte an sich vorbeipassieren, und fragte sich, wem von ihnen eine solche That zuzutrauen wäre. Aber vergeblich; alle, gleichviel ob Deutsche, Italiener oder Engländer, waren ehrenwerte Männer, und alle ohne Ausnahme hatten am Unfall des Kranken so viel warme Teilnahme und an seiner Genesung so ein herzliches Interesse bewiesen, daß dem Professor jeder Verdacht wie falscher Argwohn und Sünde erschienen wäre. Da aber Julius aller Vorstellungen ungeachtet fest auf seinen Versicherungen beharrte, und durchaus keinen Irrtum gelten lassen wollte, so stand man einem dunklen Rätsel gegenüber, das je länger man darüber nachgrübelte, desto unheimlichere Schatten zu werfen begann.

Die bnven Freunde beschlossen deshalb, strenges Stillschweigen über das zu bewahren, was der Professor insgeheim noch immer für Hallucinationen des