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Versprechen. Chamberlain hat sehr viel Worte gebraucht, um den Burengeneralen alle Bitten rundweg abzuschlagen, darüber herrscht nun nicht nur bei diesen Generalen, sondern in ganz Süd­afrika eine ungeheure Erbitterung. Viele Buren wollen sich deshalb in Deutsch-Südwestafrika ansiedeln und die zurückbleibenden dürften über kurz oder lang noch einmal die Waffen gegen die Engländer kehren. Nicht einmal Amnestie für die kriegsgerichtlich verurteilten Buren will Chamberlain gewähren.

In Irland gährt es bedeutend. Man hat über zahlreiche Städte die sog. Crimesakte d. h. einen kleinen Belagerungszustand verhängt und dagegen hat eine riesige Volksversammlung im Phönixpark in Dublin protestiert. Durch solche Maßnahmen werden natürlich die Iren nicht eingeschüchtert, sondern nur noch mehr gegen die Engländer erbittert, und die Iren in Amerika werden nicht versäumen, aufs neue die äußersten Anstrengungen zu machen, um der brutalen Ge­waltherrschaft der Engländer Verlegenheiten zu bereiten.

Paris, 18. Sept. Der frühere Marine- minister Lockroy veröffentlicht im Eclair einen Artikel über seine Eindrücke beim Besuche der Düsseldorfer Ausstellung und des Hamburger Hafens. Er sagt, die Ausstellung zeige den unermeßlichen Fortschritt der deutschen Metallurgie und rühmt sodann die ausgezeichneten Wohl­fahrtseinrichtungen der Fabriken. Der deutsche Arbeiter begnüge sich mit Bier und sei auf seine körperliche Pflege und seine Fortentwicklung be­dacht, während in einigen Gegenden Frankreichs, wie in der Bretagne und in der Normandie, ganze Generationen von Kindheit auf durch den Alkohol zu Grunde gerichtet würden. In Ham­burg könne man sich eine Idee von der Handels­konkurrenz machen, von der England bedroht sei. Nirgends erkenne man besser, wie gerecht­fertigt das Wort Kaiser Wilhelms sei, die Macht­stellung eines Volkes beurteile man nach der Macht seiner Marine. Der Artikel schließt mit den Worten: Von Zeit zu Zeit muß man sich im Ausland umsehen. Wir haben gewiß man­ches Gute und Große bei uns, wir haben aber auch viel zu lernen.

In ganz England, mit Ausnahme des Nordens, ist in dieseni Jahr eine Mißernte zu verzeichnen, und zwar die ärgste seit 1860. Heftige Regengüsse haben große Verwüstungen angerichtet. Man erwartet infolge dessen eine starke Brotverteuerung. Viele Kornlager stehen leer. Eine große Anzahl Farmer steht vor dem Bankerott. Dazu steigen die Fleischpreise in so unerträglicher Weise, daß viele Fleischerläden im Osten geschlossen haben. Ein großer Teil der Hopfen-Ernte ist durch Hagel vernichtet worden.

Unterh altend er Teil.

Auf dunklen Pfaden.

37 Roman von E. Eiben.

Und nun begann Olaf ein furchtbares Be­kenntnis abzulegen.

Ich fühle mich erleichtert," sagte er zum Schluß.Jetzt drückt mich die schwere Last nicht mehr. Ich weiß, daß ich bald, bald in die Ewigkeit hinübergehen muß, aber ich zittere vor dem Tode und doch steht er schon an meinem Bette. Wehe mir! Wehe! Ich bin verloren, verdammt für ewig, ich fühle jetzt, daß ein Gott der Rache über den Sternen wohnt!"

Kein Gott der Rache," erwiderte der Geist­liche in mildem Tone.Ein Gott der Liebe ist s, der über die Menschheit wacht! Gottes Erbarmen ist unerschöpflich. Wären Ihre Ver­brechen auch so zahlreich wie der Sand am Meere, dem ihm zu Füßen sinkenden bereuenden Sünder verzeiht er doch. Gott sei Ihnen barmherzig!"

Barmherzig!" wiederholte Olaf mit klang- loser Stimme, fast unmerklich das Haupt schüttelnd.

Der Doktor verlas das Schriftstück über das Geständnis. Olaf verlangte, es mit seinem Namen zu unterzeichnen. Der Doktor schob ihm den Tisch dicht an s Bett, reichte ihm die Feder. Johann stützte Olaf, welcher sich im Bette aufgerichtet hatte.

Olaf schrieb unter das Schriftstück:

Angesichts des nahenden Todes habe ich reuevoll diese Beichte abgelegt und erkläre

nochmals ausdrücklich, daß alles die lauterste Wahrheit ist.

Baron Olaf von Grönland."

Nun schrieben der Doktor, der Geistliche und Johann nacheinander ihre Namen darunter.

Endlich erklärte Olaf noch, daß er die Scha­tulle samt Inhalt seinem Diener Johann schenke.

Feodora war entlarvt, überführt. Die Un­schuld Kurt s und Marie s war an s Licht der Sonne gekommen in düsterer Nacht, während die Armen schon am Rande des Grabes standen und das blitzende Richtschwert über ihren Häuptern schwebte. Feodora ahnte von all' dem nichts, sie schlief wie ein Kind, traumlos, ruhig, friedlich.

Stunden waren vergangen, während Olaf gebeichtet hatte. Der graue, nebelbehangene Winterhimmel lichtete sich, mit blutrot flammen­dem Scheine stieg im fernen Osten die Sonne empor.

Allmächtiger!" rief der Geistliche erschrocken aus, indem er seine Uhr zog und einen Blick darauf warf,es ist schon 7 Uhr und um acht Uhr sollen Kurt und Marie sterben!"

Auch Doktor Brahms erbebte.

Wir müssen Flügel haben, wenn wir noch in der letzten entscheidenden Minute als Retter erscheinen wollen!"

Der Doktor sprang auf, als er dies sagte. Der Geistliche stand schon reisefertig da.

Wir wollen zunächst das Schriftstück wieder­geben, welches Doktor Brahms über Olafs Geständnis aufnahm.

Es lautet wortgetreu:

Ich weiß, daß meine Stunden gezählt sind, daß ich nur noch wenige Tage zu leben habe. Feodora hat mich vergiftet, Feodora, meine Braut, die meine einzige Liebe gewesen ist und die ich in dieser Stunde doch verfluchen muß. Sie war der Dämon meines Lebens, sie hat mich von Schuld zu Schuld getrieben. Ich liebe und Haffe sie zugleich, noch jetzt berauschen sich meine träumenden Gedanken in wilder Herzens­qual an ihrer unvergleichlichen Schönheit, noch jetzt, wo ich ein Sterbender bin, ihr Opfer! Sie erregte in mir einen Aufruhr der Gefühle, eine wahnsinnige Leidenschaft und winkte die finsteren Geister, die in meiner Brust schliefen.

Ich erkenne nun, daß sie mich nie geliebt, mich nur als ein Werkzeug zur Verwirklichung ihrer Pläne benutzt hat. Ich habe ihr das Ziel ihres Strebens erringen helfen und kann nun gehen wie der Mohr, der seine Schuldigkeit gethan hat in den Tod!"

Aber sie soll nicht triumphieren bei allen Mächten der Hölle: nein! Sie soll nach mir keinem andern angehören ich will sie mit mir in s Grab nehmen! Sie sterbe wie ich sterben muß! Das sei meine Rache nnd ihre Strafe!

Ich zittere vor dem Eintritt in die Ewig­keit. Ich habe Gott gelästert und verspottet, ihn als ein Gebilde wahnwitziger Phantasie be­zeichnet. Angesichts des Todes erkenne ich, daß ein lebendiger Gott über den Sternen thront, ein strenger und gerechter Richter, auf dessen Barmherzigkeit und Gnade ein so verworfener Mensch wie ich keinen Anspruch machen kann.

Mein Herz ist namenlos erschrocken. Ich bin verloren für Zeit und Ewigkeit. Daß ich schon jetzt sterben muß sterben als ein Opfer Feodoras, darin erkenne ich das Walten der ewigen Gerechtigkeit. Ach, daß mein früher Tod eine Sühne für meine Thaten sein könnte!

Eine innere Stimme zwingt mich, alles zu bekennen, was ich in meinem Leben gesündigt und verbrochen habe sie fordert mich auf, Feodora als meine Verführerin anzuklagen!

Ach, daß ich sie nie gesehen hätte, nie! Ich wäre nicht so tief gesunken, ein elender Sünder!

Wie ich sie kennen lernte? Nie vergesst ich es, nie! Die Erinnerung daran wird mich bis in alle Ewigkeit umschweben! Es war eine schauerliche Stunde!

Als eine Mörderin lernte ich Feodora kennen. Ich überraschte sie im Walde bei Malmö bei einem Verbrechen, von dem noch niemand eine Ahnung hat. Ich allein bin der Einzige, der es kennt.

Es war vor einem Jahre. Die ersten Stürme des Winters wühlten in den Wäldern und bogeu die hohen Fichten und Tannen wie

Gerten. Ich kehrte von der Jagd heim. Die Sonne stand am Abendhimmel wie ein flam­mendes Herz, das in roten Lichtströmen verblutet. Und sie wob einen feurigen Schein um eine schwarze Gestalt, die unter einer uralten Eiche am Boden hockte.

Eine unheimliche Neugierde überraschte mich Lautlos schlich ich auf dem moosigen Boden unter den Bäumen dahin, auf die Gestalt zu, ein Weib in einem schwarzen Mantel. Das leise Weinen eines Kindes drang an mein Ohr, dazwischen eine ungeduldig beschwichtigende Stimme. Plötzlich wurde ein Schuß abgefeuert.

Ich blieb unwillkürlich wie versteinert stehen. Das Weib sprang auf, in der Hand einen rauchenden Revolver und blickte stier auf das arme Kind zu ihren Füßen, das zu Tode ge­troffen seinen Geist aufgab.

Zornige Entrüstung erfaßte mich wilde Empörung. Mit wenigen Schritten war ich bei dem Weibe. Es hörte mich kommen und wandte sich mit eisiger Ruhe um, blickte mich an. Wie > mich die schwarzen Augen trafen! Sie blitzten I mit sengender Glut in mein Herz. Wie schön !

das bleiche Antlitz war! Wie herrlich die Gestalt! !

Ich stand wie bezaubernd da. Ich hatte nur Augen für das wonnige Weib sah nicht das tote Knäblein, das mit geballten Händen dalag, die Brust geschmückt mit einer aus seinem Herzen j erblühten Blutrose. >

Vermischtes.

Kostenfreie Winterkurse zur Erlernung der englischen und französischen Sprache, sowie der doppelten Buchführung veranstaltet der Reformbildungsverein, dessen Vorstand in Ham- bürg 30, Mansteinstr. 47 Meldungen entgegen- ^ nimmt. Gänzlich Unbemittelte erhalten ^vom Vorstand auch die Lehrmittel unentgeltlich und werden von der Beitragspflicht (monatlich 50 ^s) ^

entbunden. Für diejenigen, welche nicht nach Hamburg kommen können, wird der Unterricht nach genauer Anleitung mit demselben Erfolg schriftlich erteilt, indem alle Arbeiten, welchen Rückporto beiliegt, kostenfrei korrigiert werden.

Am Schluffe des Unterrichts findet eine Prüfung statt, und erhalten die Studierenden über erlangte Fähigkeiten auf Wunsch ein Zeugnis.

Schwenningen, 18. Sept. Ein hiesiger Radfahrer rempelte gestern einen hiesigen älteren Herrn von hinten an, sodaß dieser zu Fall kam und mehrere Verletzungen davontrug. Andern Tags erhielt der Angerempelte ein Schreiben von dem Radfahrer, in welchem derselbe sich entschuldigte? Nein! 15 ^ für sein defektes Rad verlangte. Das ist denn doch der Gipfel der Unbescheidenheit.

Mutmaßliches Wetter am 21. und 22. Septbr.

Für Sonntag und Montag ist bei allmählich steigender Temperatur fortgesetzt trockenes und größtenteils heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.

Neueste Nachrichten u. Telegramm.

Sigmaringen, 19. Sept. Der Groß­herzog von Baden ist zur Truppenbesichtigung hier angekommen. Der Fürst von Hohenzollern der in Weinburg (Schweiz) weilte, wo der König von Rumänien ist, ist zur Begrüßung hierher­gekommen.

Brüssel, 19. Sept. Die Königin ist heute abend 7.50 Uhr in Spa gestorben.

Berlin, 19. Sept. Den hiesigen Blättern geht eine Mitteilung zu, wonach die Buren­generale Anfang Oktober zu einem fünftägigen Aufenthalt in Berlin eintreffen werden. Der freikonservative Landtagsabgeordnete Lückhoff übernahm den Vorsitz des Empfangsausschusses, Ernst v. Wildenbruch die Begrüßung im Gast­hof. Vorgesehen sind u. a. eine Festsitzung des Burenhilfsbundes, in der Bildhauer Siemering den Generalen eine Ehrengabe von 200000 für ihr Volk überreichen wird, sodann öffentliche Versammlungen, in denen die Burengenerale sprechen werden.

Paris, 19. Sept. Von italienischer Seite wird berichtet, daß der italienische Botschafter dem Minister Delcafsö erklärt habe, die italienische Regierung lege der Rede Pelletans keinerlei Be­deutung bei, da sie wohl wisse, daß er keineswegs die Ideen der französischen Regierung wiedergebe.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.