Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Feldrenn ach, 19. Sept. Herr Schultheiß Bürkle, welcher schon seit dem Jahr 1864 zuerst als Gemeinderat und Gemeindepfleger und M 1887 als Ortsvorsteher im Dienst der hies. Gemeinde steht, wird am 1. Oktober d. I. in dm Ruhestand treten. Herr Schultheiß Bürkle hat vor kurzem das 70. Lebensjahr zurückgelegt. Möge ihm noch ein langer und schöner Lebens­abend beschicken sein! Die Wahl eines neuen Ortsvorstehers in Feldrennach wird am zg. September stattfinden.

Neuenbürg, 20. Sept. Auf den heutigen Schweinemarkt wurden 100 Stück Milchschweine zugeführt und das Paar zu 2030 verkauft.

Deutsches Reich

Die sommerliche Ruhepause in der inneren Politik kann jetzt wohl als definitiv beendigt gelten. Zwar dauern die großen Sommerferien des Reichstages noch bis Mitte Oktober, aber schon beginnen die Vorläufer seiner Wintersession sich einzustellen. Am Dienstag und Mittwoch war die Zentrumspartei des Reichstages zu Fraktionssitzungen in Berlin ver­sammelt, in denen die Beschlüsse erster Lesung der Zolltarifkommission erörtert wurden. Wie Zentrumsblätter mitzuteilen wissen, haben diese Beratungen im Allgemeinen die Zustimm­ung des Zentrums zu den bisherigen Beschlüssen der Zolltariskommission ergeben, außerdem wurde beschlossen, daß der Zentrumsantrag auf Ver­wendung der Mehrerträgnisse aus den neuen Zöllen zur Begründung einer Witwen und Waisenversorgung bei der zweiten Lesung der Zolltarifvorlage in der Kommission wieder ein- gebracht werden solle. Mit diesem Ergebnisse der ftattgehabten Fraktionsberatungen des Zent­rums erfährt die zollpolitische Lage zweitellos eine weitere Verschärfung, da ja die verbündeten Regierungen sich wiederholt mit aller Enischieöen heit gegen die von der Kommissionsmehrheit beantragten erhöhten Getreide- und Viehzölle üöer die Sätze der Regierungsvorlage hinaus durch den Reichskanzler wie durch verschiedene Staatssekretäre und Minister erklärt haben. Sollten, wie man beinahe vermuten möchte, auch die beiden konservativen Fraktionen des Reichs­tages bei ihren angekündigten Erörterungen der Beschlüsse der Zolltarifkommission letzteren zu­stimmen, so würde alsdann die so lange schon bestehende schleichende innere Krisis wegen der Zolltariffrage rasch ihren Höhepunkt erreichen. Vielleicht steht mit dieser Zuspitzung der zoll- politischen Lage die Rundreise des Staatssekretärs des Neichsamtes des Innern, Grafen Posadowsky, bei den mittelstaatlichen Residenzen, die den Grafen zunächst nach Dresden geführt hat, in Zusammenhang. Unterdessen ist am Donnerstag die Unterkommission der Zolltarifkommission in Ber­lin zusammengetreten; das Plenum der Kommission versammelt sich bekanntlich am 22. Sept. wieder.

Auch die großen Herbstübungen der deutschen Flotte, welche den Kaisermanövern zwischen dem 3. und dem 5. Armeekorps fast unmittelbar nachfolgten und sich ebenfalls unter den Augen des Kaisers vollzogen, sind nunmehr wieder zum Abschluß gelangt. Das letzte Ma­növergefecht der Flotte fand am Mittwoch Vor­mittag vor der Elbmündung statt. Nach den Anstrengungen dieser Manövertage gedachte der Kaiser zu seiner Erholung einen Jagdausenthalt zunächst in Schloß Hubertusstock zu nehmen, und zwar gemeinsam mit der Kaiserin; hierauf beabsichtigt der Monarch auch in Rominten einen Jagdbesuch abzustatten.

Der deutsche Kronprinz ist am Mitt­woch von seinem Manöverbesuch beim Kaiser Franz Josef in Sasvar wieder in Deutsch­land eingetroffen und hat zunächst einen kurzen Jagdaufenthalt in Forsthaus Olberg bei Aken a. d. Elbe genommen. Die Gegenwart des Erben des deutschen Kaiserthrones bei den Kaiser­manövern in Ungarn bildete einen neuen Beleg für die unerschütterliche Fortdauer der Waffen­brüderschaft und des Bündnisses zwischen Deutsch­land und Oesterreich-Ungarn, so daß dem Ereig­nisse immerhin eine gewisse politische Bedeutung zukommt. Im übrigen hat sich Kronprinz Wil­helm mit großer Befriedigung über seine Aus-

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nähme und seinen Aufenthalt auf ungarischem Boden ausgesprochen. Von anderen Seiten wird die große Herzlichkeit hervorgehoben, mit welcher der greise Kaiser Franz Josef seinem erlauchten Paten­kinde auch bei dieser Gelegenheit wieder begegnete.

Angriffsübung mit schwerer Artillerie. Wie uns berichtet wird, findet am 22. und 23. September, nach Beendigung der Manöver des 18. Armeekorps, unter Leitung des kommandieren­den Generals vom 18. Armeekorps, v. Lindequist bei Birstein im Kreise Gelnhausen noch eine interessante Angriffsübung mit schwerer Artillerie, verbunden mit Scharfschießen, statt. An diesem Angriff bezw. dem Scharfschießen sind beteiligt: ein Bataillon Infanterie, ein Feldartillerie-Regi­ment und ein Regiment schwerer Feldhaubitzen. Angriffsobjekt wird wohl der im Kreise Büdingen liegende sog.Galgenberg" sein, der z. Zt. durch Pioniere befestigt wird. Als militärische Zu­schauer sind eine größere Anzahl Offiziere ge­laden. Den Angriff leitet Generalmajor von Viebahn, Kommandeur der SO. Jnfanteriebrigade, die Verteidigung führt Oberst Frhr. v. Rüdt v. Collenberg, Kommandeur des Jnfanterie-Regi menis Nr. 115. Das Regiment schwerer Feld­haubitzen wird formiert aus den Fußartillerie­regimentern Nr. 3 und 9.

Bei dem Vergleich französischer und deutscher Waffengattungen kommt der Ma­növerkorrespondent desStandard" zu folgendem Resultat : Die deutsche Infanterie steht in Aus­bildung und Disziplin weit über der französischen, die französische Artillerie ist besser als die deutsche; jedenfalls un Personal. Bei der Kavallerie ist wenig Unterschied zwischen beiden, wenn nicht etwa in den wunderbar die Strapazen aus­haltenden deutschen Pferden.

Der preuß. Minister des Innern v. Hammer­stein ist plötzlich auf Norderney beim Reichs­kanzler Grafen Bülow eingetroffen. Sollte die Anwesenheit Herrn v. Hammerstein in der Sommerfrische des Kanzlers etwa mit den wach­senden Kundgebungen im Reiche zu Gunsten der Wiederöffnung der deutschen Grenzen für die Schlachtvieheinfuhr in Verbindung stehen?

Württemberg.

Schloß Friedrichshafen, 18. Septbr. Seine Majestät der König begab sich heute früh 6 Uhr in Begleitung des Generaladjutanten und sämtlicher Flügeladjutanteu, des Oberstall­meisters und des Wirkt. Stallmeisters in das Manövergelände. In Buchau wurden Seine Majestät um 7.20 Uhr von den bürgerlichen Kollegien, den Vereinen und Schulen empfangen und von Stadtschuitheiß Schabet feierlich begrüßt. Hierauf fuhren Seine Majestät unter dem Ge­läute der Glocken durch die festlich geschmückte Stadt nach dem Hof Bahnstock, wo Allerhöchst Dieselben um 8 Uhr zu Pferd stiegen, um Sich nach der Höhe Waldberg südlich Stafflangen zu begeben. Dort nahmen Seine Majestät die Meldung des kommandierenden Generals ent­gegen, sahen den Aufmarsch der 27. Division und wohnten dem sich bei Streitberg-Hofen ent­spinnenden heftigen Gefecht beider Divisionen an. Nach Abbruch des Gefechts begaben Sich Seine Majestät zu den Truppen der 26. Division, begrüßten Seine Königliche Hoheit den Herzog Albrecht und kehrten von Buchau aus mit der Bahn nach Friedrichshafen zurück, woselbst die Ankunft um 2.32 Uhr erfolgte. Nach der Tafel, die um 3 Uhr stattfand, arbeiteten Seine Majestät mit dem Kabinetschef.

Tübingen, 17. September. Wie dieTüb. Ehr." erfährt, hat der württ. Landesfischereioerein auf der Fischereiausstellung in Wien ein Ehren­diplom und einen silbernen Pokal erhalten.

Trossingen bei Tuttlingen, 18. September. Gestern mittag explodierte in dem im vorigen Jahr erbaute Fabrikgebäude des Cartonnage­fabrikanten Birk-Koch in Thalheim der Acetylen- gaskefsel und setzte das Gebäude in Flammen. Infolge der entweichenden Gase verbreitete sich das Feuer blitzschnell über das ganze Gebäude. Letzteres war nach kurzer Zeit ausgebrannt. Durch die Explosion erlitt der ledige Geschäfts­führer Jakob Schweizer aus Thalheim, Schwager des Fabrikanten, der sich mit dem Kessel be­schäftigte, schwere Brandwunden. Der Schaden ist bedeutend.

Söflingen, 18. Sept. Heute nacht brach hier ein gewaltiges Feuer aus. welchem drei Wohnhäuser, die Turnhalle und die Zehentscheuer zum Opfer fielen. Der Klosterhof bildet einen abgeschlossenen Häuserkomplex, innerhalb dessen sich das Schulhaus befindet. In dessen nächster Nachbarschaft, in der mit Erntevorräten gefüllten Zehentscheuer, brach das Feuer aus, daß sich mit Blitzeseile auf die angebauten, durch keine Brandmauern getrennten Scheuern und Häuser, die den südlichen Flügel des Klosterhofes bilden, ausdehnte. Als die Feuerwehr zur Stelle kam, standen schon sämtliche Giebel in Flammen. Nun galt es, da an Rettung der brennenden Gebäude nicht zu denken war, das nahe Schulhaus wie auch das Rathaus zu schützen, was auch den wackeren Schlingern, die von einer Landabteilung der Ulmer Feuerwehr unterstützt wurden, gelang. Die Abgebrannten, die leider nur ungenügend versichert sind, haben außer ihrem Vieh gar nichts gerettet. Der Gebäudeschaden wird allein auf 60000 ^ geschätzt.

Böblingen, 19. Sept. Dem Forstwart Weber von Musberg, welcher am Sonntag früh im hiesigen Stadtwald einen Wilderer erschoß, wurde in der Nacht vom Montag zum Dienstag ein erlegter Fuchs vor die Thüre seiner Wohn­ung gelegt mit einem Drohbrief, in welchem stand, daß er das gleiche Ende finden müsse. Forst- und Landjägerpersonal sind die ganze Woche in fieberhafter Thätigkeit, um der Wilderer­bande, um eine solche handelt es sich unzweifel­haft, auf die Spur zu kommen.

Herrenberg, 15. Septbr. Die Haus­haltungsschule, die 1881 zur Ausbildung von Mädchen aus ländlichen Verhältnissen errichtet worden war, wird heute für immer geschloffen. Wanderkochkurse und Frauenarbeitsschulen, die seither vielfach entstanden sind, haben ihr den Boden zu weiterem Gedeihen entzogen. Auch andere Haushaltungsschulen des Landes teilen, wie man hört, dieses Los. Hier tritt an Stelle des eingehenden Instituts eine Frauenarbeits­schule, zu der sich schon 28 Schülerinnen ge­meldet haben.

Ausland.

Paris, 17. Septbr. Die Mehrzahl der Blätter führt fort, die Rede Pelletans in schärfster Weise zu kritisieren. DerTemps", welcher Pelletan mit Spott überschüttet, sagt u. a.: Die Lorbeeren Andres ließen Pelletan nicht schlafen; denn wir haben zwei sogenannte Minister der nationalen Verteidigung, welche durch Frankreich bramarbasierend hinfuchteln nach Italien und Deutschland. Wer wird bei diesem Gemetzel jetzt an die Reihe kommen? Die englische und die deutsche Presse war so ver­ständig, die Rede nicht tragisch zu nehmen. Das­selbe wird wohl auch bald die öffentliche Mein­ung in Italien thun. Der Mariueminister hat sich nun, als er sprach, die Zunge verstaucht; er hatte offenbar einen Dreizack verschluckt. Das Journal des Debats" sagt: Wir haben selten ein Schauspiel solcher ministerieller Anarchie ge­sehen. Da der Ministerpräsident dieses Schau­spiel ganz natürlich zu finden scheint, hoffen wir, daß der Minister des Auswärtigen die erforder­liche Sprache führen wird, damit dieses Spiel nicht einen Tag länger daure. Die nationali­stischeLibertä" benützt gleichfalls diesen Anlaß, um das gesamte Kabinet heftig anzugreifen. Nur die chauvinistischePatrie" verteidigt Pel­letan wegen seiner in Ajacciv gehaltenen Rede und meint, Pelletan habe nur eine Pflicht der Vorsicht geübt: denn man dürfe nicht vergessen, daß die Crispi'sche Presse 10 Jahre lang Kor­sika als einen Teil der Jtalia irrideuta bezeich- nete. Welche politischen Folgen diese redner­ischen Entgleisungen des Marineministers etwa noch haben werden, das bleibt zunächst noch abzuwarteu, es ist indessen nicht unwahrscheinlich, daß er dieselben notgedrungen mit seiner Demis­sion wird bezahlen müssen.

Der englische Kolonialminister Chamberlain hat in einem sog. Blaubuch seine Besprechungen mit den Burengeneralen Botha, Dewet und Delarey veröffentlicht. Aus diesem Blaubuch aber geht hervor, daß die Burengenerale durch­aus nicht neue Friedensbedingungen verlangten, sondern nur die Erfüllung der ihnen gegebenen