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Ausland.
Die revanchelüsternen Reden des französischen Kriegsministers Andre sucht nun der französische Marineminister Pelle tan noch zu überbieten. Vor wenigen Tagen hielt letzterer in der Hauptstadt von Korsica, in Ajaccio, eine Rede, deren Grundgedanke war, daß Frankreich von Korsica aus Italien einen Stoß ins Herz versetzen könne und eines schönen Tages auch müsse. Von Ajaccio ist Pelletan nach dem befestigten Seehafen Biserta in Tunis gereist und hat dort seine Rede von Ajaccio überboten, indem er sagte, eine Sicherheit existiere in der zivilisierten Welt nicht mehr seit der Niederlage Frankreichs durch die Barbarei des falschen Germanien. Wir sehen jetzt die Rückkehr der Brutalität. Es dürfte dem französischen Marineminister Pelletan doch schwer fallen, irgend einen Beweis dafür zn erbringen, daß das deutsche Reich in irgend welcher offensiven Weise gegen Frankreich vorgehe oder gar eine Brutalität zeige. Solche Aeußerungen können aber unter Umständen doch die deutschen Diplomaten veranlassen, in Paris anzufragen, was derartige Reden eigentlich bedeuten sollen. Der französische Minister des Aeußeru, Delcasfö, ist freilich sehr wenig erbaut von solchen Rodomontaden seiner Kollegen. Wegen Pelletans Rede in Ajaccio hat Delcasfv bereits in Rom beruhigende Erklärungen abgeben lassen und er wird dies Wohl auch in Berlin thun müßen. Es wäre wirklich gut, wenn Präsident Loubet feinen Ministern das Reden verbieten würde. Es könnte sonst leicht der Zeitpunkt eintreten, da der Redefaden dieser chauvinistischen Herren den Geduldfaden der Nachbarvölker entzweischneidet. Solche Hetzereden französischer Minister bieten für die Deutschen und den ganzen Dreibund eine ernste Mahnung, treu zusammenzuhalten und sich nicht in falsche Sicherheit wiegen zu lassen.
Amsterdam, 16. Sept. Der Bruch zwischen Krüger, Reitz, Leyds, sowie den Burengeneralen vertieft sich derart, daß letztere entschlossen sind, den europäischen Aufenthalt abzu- kürzen und alsbald nach Afrika zurückzukehren, wo das Burenvolk über ihr bisheriges sowie ferneres Verhalten selbst urteilen soll. Reitz erklärte, cr unterscheide sich von den Burengeneralen darin, daß er nicht schweigend die Schändlichkeiten der englischen Politik hinnehme sondern die Wahrheit sage. Die Generale wurden erneut von der holländischen Regierung angehalten, in den bisherigen Bahnen zu verharren und sich unter keinen Umständen in Gegensatz zu England bringen zu lassen. Die nächste Zeit wird die Entscheidung bringen, ob das Burenvolk sich zur Richtung Krügers oder Bothas bekennt.
Wien, 16. Sept. Infolge der in Deutschland herrschenden Fleischnot beginnen auch hier die Preise aller Fleischwaren erheblich zu steigen. Die mährischen, galizischen und böhmischen Viehzüchter und Schlächter motivieren die Preiserhöhung mit dem steigenden Export nach Deutschland.
Warschau, 16. Sept. Der Bankier Kro- lopp in Nuwalka ist nach Unterschlagung von Depotgeldern in Höhe von Iffr Millionen Rubeln flüchtig geworden.
Unterhaltender Heil.
Auf dunklen Pfaden.
36 Roman von E. Eiben.
Schweigend fuhren sie weiter, tief ergriffen, voller Spannung. Die Gefühle, welche in den Herzen der beiden Männer loderten, waren zu gewaltig, als daß sie in Worten dafür einen Ausdruck hätten finden können.
Johann lenkte das Pferd von der Landstraße in den Park. Er sprang vom Bock, öffnete den Schlag.
„Meine Herren! Ich bitte Sie, steigen Sie aus. Wir müssen uns zu Fuß in s Schloß begeben. Baron Olaf hat mir die größte Heimlichkeit anbefohlen."
Der Doktor und der Geistliche stiegen ans. Johann zog das Gefährt in den Schatten einer mächtigen Eiche und band das Pferd mit dem Zügel an den Stamm derselben fest.
„Folgen Sie mir, meine Herren!"
Fünf Minuten später standen sie in einem Zimmer des Schlosses.
„Warten Sie einen Augenblick, ich werde Sie melden."
Mit diesen Worten begab sich Johann in das Schlafgemach.
Olaf lag im Bette auf der Seite. Seine weit geöffneten Augen waren mit stierem Blick auf die Thür gerichtet. Ein Schimmer von Freude leuchtete in ihnen auf, als Johann an sein Bett trat.
„Sie sind da, die Herren."
„Endlich, endlich!" murmelte Olaf. „Sie sollen hereinkommen."
Johann öffnete die Thür, lud die Herren mit einer Handbewegung zum Eintritt ein.
„Verzeihen Sie mir," sagte Olaf, mit matter Stimme, „daß ich Sie aus Ihrer Nachtruhe riß. Aber ein Sterbender hat keine Zeit zum Warten und das, was ich Ihnen zu sagen habe, verträgt auch das Licht des Tages nicht. Setzen Sie sich," fügte er mit einem Blick auf den Geistlichen hinzu.
Dieser ließ sich auf einen nahe dem Bette stehenden Sessel nieder.
„Herr Doktor," wandte sich Olaf >etzt an diesen. „Ich bin krank, vergiftet! Ich fürchte, mit einem indischen Gifte. Untersuchen Sie mich." Johann wollte sich zurückziehen.
„Bleib' hier!" gebot Olaf. „Du sollst als Zeuge zugegen sein bei dem, was ich den Herren mitzuteilen habe."
Johann trat zu Häupten des Bettes. Der Doktor befühlte Olaf s Körper, zählte die Pulsschläge, horchte auf das Hämmern des Herzens. Er ließ sich von Olaf eine Krankheitsbeschreibug geben. Des Doktors Stirn wurde immer umwölkter.
„Seit wann haben Sie Fieberanfälle? Seit wann ist Ihre Eßlust geschwunden? Und seit wann werden Sie von diesem brennenden Durst geplagt?"
„Seit etwa 14 Tagen."
Der Doktor nickte ernst.
„Meine Vermutung und Ihr Verdacht bestätigen sich, Sie sind vergiftet, rettungslos dem Tode verfallen. Sie haben höchstens noch acht Tage zu leben. Langsam werden Sie dahinsiechen, keine menschliche Kunst vermag Sie zu retten."
Olaf war tief bewegt, sein Antlitz wurde aschgrau und seine Augen zogen sich tief in die Hohlen zurück und leuchteten unter den halb geschlossenen Lidern mit seltsam flimmerndem Glanz hervor. Seine Lippen waren heiß und trocken. Eine Weile lag er still da.
„Wasser!" hauchte er, „Wasser!"
Johann richtete ihn halb im Bette auf, legte ihm den Arm um die Schulter und führte ihm ein Glas Wasser an den Mund. Olaf trank wie ein Verschmachtender. Neue Lebenskraft schien jetzt seine Adern zu durchrinnen, seine Augen entschleierten sich, der Blick wurde klar, leuchtend.
„Herr Baron, wissen Sie, wer Ihnen das Gift beigebracht hat?" fragte der Doktor.
„Ja, meine Braut, die Fürstin!" erwiderte Olaf. „Es war vor etwa 14 Tagen, als ich den ersten Anfall von dieser Erkrankung bekam. Feodora hatte mir zwei Stunden vorher ein Glas Rotwein gegeben. Sie schenkte es mir selbst ein, reichte mir das Glas und lächelte mich verführerisch an. Aber ich glaubte zu bemerken, daß, als ich die Hälfte des Glases geleert hatte, es in ihren Augen unheimlich aufleuchtete, wie in mühsam verhaltenem Triumphe. Ich bot ihr das Glas: „Trink' aus, Geliebte!" aber sie schüttelte das Haupt, erwiderte: „Nein, Olaf, trink noch den Rest. Der Wein ist mir zu schwer, ich bekomme davon Kopfweh." — Ich leerte das Glas. Ihre Weigerung, das Glas auszutrinken, fiel mir damals nicht auf. Aber jetzt weiß ich, warum sie es ablehnte: der Wein war vergiftet. Ein anderer Umstand spricht auch dafür: als sie mir das geleerte Glas abnahm und auf den Tisch stellte, stieß sie — wie unabsichtlich — die Weinflasche um, daß sie
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auf den Boden rollte und in Scherben zerbrach, Wie rotes Blut färbte der Wein den Teppich, „O weh! Wie ungeschickt ich bin!" rief sie aus, Sie klingelte und befahl Lucie, die Scherben aufzulesen und den Wein aufzuwischen. Ich hegte, wie gesagt, nicht den geringsten Argwohn. Heute weiß ich, daß sie die Flasche absichtlich umstieß, um den vergifteten Wein zn verschütten. Als ich zwei Stunden später, was bei mir noch nie der Fall gewesen war, einen Schwindelanfall bekam, mich kalte Todesschauer überliefen, dämmerte in mir die Ahnung auf: sie hat dich vergiftet. Aber ich wagte dieser Ahnung keine Worte zu verleihen. Erst gestern abend nach der Verlobung, als die letzten Gäste aus dem Schlosse gegangen waren, sagte ich ihr in's Gesicht, daß sie mich vergiftet habe. Sie lachte mich aus. Ich wußte, daß sie mich belog, meinen Argwohn cinschläfern wollte. Ich that auch so, als ob ich den Verdacht aufgäbe, bat ihn ihr sogar ab."
Der Doktor und der Geistliche tauschten miteinander einen ernsten Blick.
„Warum mag die Fürstin, Ihre Braut, Sie vergiftet haben?" fragte der Doktor.
„Um einen Mitwisser und Helfershelfer ihrer Verbrechen zu beseitigen," antwortete Olaf, „Ehrwürden," wandte er sich sodann an den Geistlichen, „rücken Sie näher zu meinen Häupten, ich habe Ihnen viel, sehr viel zu erzählen. Ich will mein Gewissen von der drückenden Schuld befreien, ich fühle es, eher kann ich nicht sterben. Johann," befahl er diesem, „stelle den Tisch dicht an mein Bett, bringe Feder, Papier und Tinte — und Sie, Herr Doktor," richtete er das Wort an diesen," „lassen Sie sich an den Tisch nieder und schreiben Sie alles auf, was ich erzählen will."
Dem Befehle Olaf s wurde Folge geleistet, Mutmaßliches Wetter am 19. und 20. Septbr.
Für Freitag und Samstag steht bei steigender Temperatur nur noch Zeitweilig bewölktes und Zunehmend ausgeheitertes Weller in Aussicht.
Am 20. und 21. September.
Für Samstag und Sonntag ist durchweg trockenes und auch vorwiegend heiteres Wetter bei langsam steigender Temperatur zu erwarten.
Keuche Nachrichten u. Telegramm.
Cuxhafen, 18. Sept. Der Kaiser hielt heute früh 10 Uhr auf der Jacht „Hohen- zollern" die Kritik über den Verlauf des diesjährigen Kaisermanövers der Herbstübungsflotte ab, die bis gegen 12 Uhr dauerte. Unter Teilnahme der Admirale und selbständigen Kommandanten sprach sich der Kaiser sehr anerkennend über den Verlauf der durch die ungünstige Witterung vielfach behinderten Hebungen aus. Die Auflösung der Uebungsflotte erfolgt am Nachmittag. Auf der Jacht „Hohenzollern" fand ein Diner zu 45 Gedecken für die Admirale und die zu den Uebungen befohlenen Generale und Inspekteure der Spezialwaffe statt. Gegen 4 Vs Uhr dampfte die Jacht „Hohenzollern" unter 33 Salutschüssen der aufgestellten Kriegsschiffe nach Brunsbüttel. Das Kieler Geschwader dampfte um 5 Uhr nach Kiel ab. Das Geschwader von Wilhelmshafen fährt morgen früh ab. Vor der Abfahrt ließ der Kaiser die Flotte ihrem Chef, dem Generalinspekteur von Koester, zur Verleihung des Schwarzen Adler- ordens gratulieren.
Brunsbüttelkoop, 18. Sept. Der Kaiser ist 10 ff» Uhr vormittags von hier nach Hubertusstock abgereist.
Berlin, 18. September. In der heutigen Aufsichtsratssitzung der Nationalbank für Deutschland legten die Direktoren den Abschluß für das erste Semester vor. Derselbe zeigt in allen Positionen, sowie Erträgnissen befriedigende Ziffern. Mit dem Posener Oberbürgermeister Witting wurde ein Vertrag bezüglich seines Eintritts in die Direktion am 1. Januar 1903 abgeschlossen.
Paris, 18. Sept. Wie die Agence Havas aus Kap Haitien meldet, ist die Armee des Generals Nord bei Limbe geschlagen worden. Zahlreiche Tote bedecken das Schlachtfeld. General Salnave beabsichtigt, die Stadt demnächst anzugreifen. Die Bevölkerung ist in große Unruhe versetzt.