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.Da, wie Engelsklang von oben, erscholl Plötzlich eine Stimme, die laut für meine Ün schuld zeugte — Deine Stimme, Marie!"
Kurt schwieg.
Er umpfing Marie, küßte ihren Mund und flüsterte: „Habe Dank dafür!"
Sie schluchzte leise in seinen Armen, dann riß sie sich Plötzlich erschrocken los.
Die Sterne erblaßten, im Osten begann der Himmel zu glühen.
„Kurt, wir müssen scheiden!"
Noch ein zärtlicher Abschied, ein letzter Kuß und Kurt stieg hinab zu seinen toten Vätern.
Marie verschloß die Gruft und begab sich nach Hause.
Als sie eintrat, fand sie ihren Vater bereits aus dem Bette. Ihr verstörtes Aussehen fiel ihm auf.
„Er sah sie durchdringend an und empfing sie mit der Frage: „Wo warst Du, mein Kind?"
Marie-senkte die Augen vor seinem scharfen Blicke.
Ein leichtes Rot stieg in ihre Wangen.
„Vater, ich war auf dem Friedhose," flüsterte sie, „und sprach mit einem — Toten!" — Er stieg zu mir herauf aus dem Grabe. Vater und was er mir sagte, o, es waren Worte, die eine unsägliche Traurigkeit in mein Herz gossen und doch meine Seele wieder aufleben ließen, hoffend auf ein fernes, fernes Glück!"
Er nahm ihren Kopf zwischen beide Hände, sah ihr eine Weile tief in die feuchtglänzenden Augen, sagte dann mit schmerzbebender Stimme:
„Ich verstehe Dich! — Gott schütze Dich und ihn, den — Toten!"
Mermischtes
Ulm, 16. Aug. Daß sich alte Leute nicht mehr entsinnen können, an welchem Tage sie geboren sind, kommt häufig vor, daß sich jemand um ganze 4 Jahre verrechnet und noch dazu zu seinen Ungunsten, dürfte selten sein. Eine Fabrikarbeiterin erhob unter der Angabe, sie sei am 1. Mai 1832 geboren, Anspruch auf die Altersrente. Es stellte sich aber heraus, daß sie schon am 1. Mai 1828 geboren wurde. Bier Jahre der Altersrente gingen ihr durch diesen Irrtum verloren.
Eine Windmühle — unseres Wissens die erste in Württemberg — wird gegenwärtig auf dem Bleichberg bei Laichingen, 773 Meter ü. d. M., von einer Laichinger Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht erbaut. Die motorische Kraft für diese Getreidemahlmühle, die am 1. Okt. d. I. in Betrieb gesetzt werden wird, soll durch ein großes Windrad, das einen Durchmesser von 12 Meter erhält und auf der 10 Meter hohen Plattform des Mühlengebäudes montiert wird, geliefert werden. Da das Windmühlenrad selbst- thätig nach der Windrichtung drehbar und der Windstärke entsprechend regulierbar ist, so glaubt man, mit einem regelmäßigen Betrieb für die meisten Tage rechnen zu dürfen, und auf Grund der angestellten Messungen hofft man bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 5,5 Meter pro Sekunde eine Betriebskraft von 10 Pferdestärken zu erhalten. Die Mühleneinrichtung, die aus 4 Gängen, einem Walzenstuhl und mehreren Getreidereinigungs- und Siebmaschinen besteht, stammt von der Firma A. Betznerrin Ravensburg, während die Lieferung und Aufstellung des Windmotors einer auf diesem Gebiete besonders leistungsfähigen Fabrik in Schleswig-Holstein übertragen wurde. Die Anregung zu dieser interessanten Gründung ging von dem Laichinger Bahnhof-Vorstand Kittelmann, einem gebürtigen Braunschweiger, aus, der von seiner Heimat die Kenntnis der Windmühleneinrichtungen und deren Leistungsfähigkeit nach Württemberg gebracht und die Gründung einer Genossenschaft zur Erbauung und zum Betrieb einer Windmühle angeregt hat. Die Genossenschaft, die Anteilscheine von 200 ^ ausgegeben hat, zählt jetzt 210 Mitglieder. Die Baukosten sind auf 45 bis 50000 Mark veranschlagt.
Metz, 14. August. Ein niedlicher Oktroifall giebt, wie wir in der „Lothr. Ztg." lesen, dem großen Kreise der Metzer Turner und Turnerfreunde viel Stoff zur Heiterkeit. Die von dem
Pforzheimer Kreisturnfest zurückkehrenden Mitglieder des Metzer Turnvereins machten auf der Heimreise von Karlsruhe aus noch einen Abstecher nach dem schönen Heidelberg, zu welchem sie nicht gern ihre bei den Stabübungen gebrauchten Eisenstöcke mitschleppen wollten. Kurz entschlossen sandten sie die Uebungsstäbe Per Frachtgut gen Metz, ohne daß Wohl einer von ihnen bei dieser Gelegenheit an die Metzer Oktroigrenze und ihre büreaukratische Gewissenhaftigkeit gedacht hätte.
Doch — Strafe folgt der Frevelthat; zwanzig Pfennig Oktroigebühr für Liseneinfuhr mußten bezahlt werden.
Ein englisches Blatt schildert die Jugendzeit des Zeitungswesens wie folgt: Als die Regierung Jakobs I. ihrem Ende zuneigte, als Ben Johnson „Poeta Laureatus" war, als die Freunde Shakespeares dessen kürzlich erfolgten Tod betrauerten, als Cromwell noch in Hunting- don sein Braugewerbe trieb, als Milton ein Jüngling von 16 Jahren war, der eben seine Feder in lateinischen Versen versuchte, da wurde London zum erftenmale aufgefordert, der ersten Zeitung seine Gunst zu schenken. Die erste Nummer dieser neuen Erscheinung, veröffentlicht am 23. Mai 1622, trägt die Ileberschrift: Wöchentliche Neuigkeiten von Italien, Deutschland, Ungarn,
Böhmen, der Pfalz, Frankreich und den Nieder landen". Sie besteht aus 7 roh gedruckten Seiten, deren jede ungefähr die Größe eines großen Briefbogens hat. Ihr Inhalt besteht aus einzelnen Nachrichten von verschiedenen Ländern. Die ersten Nummern der Zeitung waren Uebersetzungen „aus der niederholländischen Ausgabe", welche in Amsterdam erschien. Nr. 2 trägt das Datum 30. Mai und bringt Mitteilungen aus Oesterreich vom 3. d. Mts. Diese frühen Zeitungen waren jeder heimischen Nachricht völlig bar. Obgleich sie sich Wochenzeitungen nannten, schwankten die Zeiträume zwischen den verschiedenen Ausgaben. Auch der Titel war nicht immer derselbe. Die Nummer vom 2. Sept. ist betitelt: „2 große soeben gefochtene Bataillen"; die vom 25. September nennt sich: „Neuigkeiten aus den meisten Ländern des Christentums."
Nach einiger Zeit wurde der Titel weniger j unregelmäßig, und die aufeinanderfolgenden Ausgaben wurden nummeriert, was anfangs nicht s geschehen war. Aber noch sollten 37 Jahre verstreichen, bis die erste Tageszeitung erschien.
Hart waren die Kämpfe der Presse in der Zwischenzeit, zahlreich die Geldbußen und Strafen und die Chikanen, welche die Leute der Feder und der Druckerpresse zu ertragen hatten. Die Sternkammer und die Stuarts waren Todfeinde der Zeitung und suchten die Vorkämpfer des freien Wortes mit drückenden und entehrenden Strafen heim. Nach der Thronbesteigung Wilhelms III. gewann die Zeitung eine höhere Stellung und
nahm eine ansehnlichere und regelmäßigere Form g^n. unsere nationale Gesinnung in Zweifel zu ziehen an und in der Regierungszeit der Königin Anna > die vielleicht echter und der deutschen Sache nützlicher
Milche Nachrichten». Telegramm.
Köln a. Rh., 17. Aug. Eine stark besuchte Maurerversammlung beschloß heute, sich mit den Aushilfsarbeitern, die wegen Lohnerhöhung in den Ausstand getreten sind, solidarisch zu erklären und morgen überall die Arbeit niederzulegen, wo die Forderungen der letzteren nicht bewilligt werden, auch wenn die Forderungen der Maurer, die seit einiger Zeit selbst in einer Ausstandsbewegung sind, bewilligt werden. Einen gleichen Beschluß faßte die Organisation der Zimmerleute und Stukkateure. Gleichzeitig hielt die Kölner Baugewerbeinnung eine außerordentliche Generalversammlung ab, in welcher der Beschluß gefaßt wurde, über die zuletzt bewilligte, aber den Forderungen der Arbeiter nicht entsprechende Erhöhung der Löhnenichthinauszugehen.
Kiel, 17. August. Die Herbstübungsflötte wurde heute morgen unter dem Befehl des Admirals von Köster formiert.
Homburg v. d. Höhe, 17. August. Der Kronprinz ist heute vormittag zu längerem Auf. enthalt am kaiserlichen Hof hier eingetroffen. Die kaiserl. Familie wohnte heute vormittag dem Gottesdienst in der Schloßkirche bei. Der Kaiser besuchte später den Herzog von Cambridge sowie den Großherzog von Mecklenburg-Strelitz.
London, 16. August. Die Burengenerale haben sich heute vormittag nach Cowes begeben, um dem König auf seine Einladung einen Besuch an Bord einer Jacht abzustatten. Die Abreise erfolgte fast unbemerkt.
Grindel Wald, 17. Aug. Am Wetterhorn wurden gestern zwei englische Touristen mit zwei Führern von einer Neuschneelawine überrascht. Der eine Engländer und ein Führer wurden getötet, der andere Engländer leicht, der zweite Führer schwer verletzt.
Mutmaßliches Wetter am 19. und 20. August.
Für Dienstag und Mittwoch ist bei vorherrschend östlichen bis südöstlichen Winden sehr warme Temperatur und hiedurch verstärkte Gewitterneigung, im übrigen jedoch vorwiegend trockenes und auch mehrfach heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
Briefkasten der Redaktion.
Neuenbürg, 17. August. Unter dem 9. Aug. wurde uns aus Wildbad geschrieben, daß das Hotel Klumpp aus Anlaß der Krönung des Königs Eduard „eine hübsche und sinnige Dekoration" angelegt habe. Nun beehrt uns ein Anonymus mit einer die Grenzen einer sachlichen Erwiderung weit überschreitenden Zuschrift, in welcher er behauptet, „jener Artikel enthalte eine unerhörte Erniedrigung des deutschen National- gesühls und errege nicht nur seinen Abscheu, sondern auch vieler anderen national gesinnten Leser des Enz- thälecs." Was letzteres anbelangt, so beruhigt vielleicht jenen Verfasser die Versicherung, daß außer ihm sich niemand darüber aufgeregt hat, daß die in Wildbad weilenden Engländer in ihrer Weise den Krönungstag ihres Königs gefeiert haben, und hierin eine Verletzung des deutschen Nationalgefühls zu erblicken, ist geradezu lächerlich. Wir verwahren uns auss bestimmteste da-
im Jahre 1709 erschien die erste tägliche Zeitung. Dies war der „tägliche Courant", welcher auf einem einzigen Bogen Papier von 12—14 Zoll Höhe und etwa halber Breite gedruckt war. Die erste der beiden Seiten war mit Neuigkeiten vom Auslande ausgefüllt, die zweite mit Ankündigungen von Verkäufen und mit „vollständigen und wahrhaften Berichten über schreckliche Mordthaten und Feuersbrünste".
(Beruhigung.) Schauspielerin (entrüstet): „Das will ich Ihnen sagen, wenn Sie mir die Mäuse nicht aus der Wohnung vertreiben können, ziehe ich aus!" — Hauswirtin: „Ach, schämen Sie sich doch! Im Theater spielen Sie die Jungfrau von Orleans und hier sind Sie vor einer Maus bange."
fHöchste Gemütlichkeit^ Herr Wamperl (der ein in rasendem Tempo daherkommendes Automobil durch lebhaftes Winken zum Anhalten gebracht): „Wollten Sie Wohl so gütig sein, mir etwas Benzin zu geben — meine Frau hat sich 'n Fettfleck ins Kleid gemacht!"
(Unnötige Mühe.( Mutter: „Hast Du schon gehört? Deine ehemalige Schulfreundin Eveline hat sich den Doktorhut erworben"
ist, als der in der anonymen Zuschrift sich offenbarende Chauvinismus. In der ganzen Sache handelte es sich ja gar nicht um eine Sympathiekundgebung für die Engländer, sondern um den Ausdruck der Freude über die Wiedergenesung des Königs von England, wodurch die so sehr in Frage gestellte Krönung trotz der Variier Wahrsagerin und der „Old Moore" doch zustande kam. Wenn man in diesem rein menschlichen Mitgefühl mit dem Wohl und Wehe des Monarchen eines uns verwandten Volks nichts als „gräßliche Schmeichelei und Liebedienerei vor den „lieben" Engländern" sehen will, so ist dies Geschmackssache. In einem Badeorte von der Bedeutung Wildbads, wo man aus begreiflichen Gründen auf den Besuch der Ausländer von jeher besonderen Wert legt, wird man eine gewisse gastfreundliche Rücksichtnahme wohl begreiflich finden und in diesem Sinne hat auch der Einsender der angegriffenen Notiz in Nr. 125 ds. Bl. gehandelt. Wir wissen uns von „Liebedienerei" gegen England ebenso weit entfernt als von blindem Englandhaß. Nach wie vor stehen wir auf dem Standpunkt, daß rege Beziehungen zwischen England und Deutschland im Interesse beider Nationen liegen und daß es deshalb politisch unklug wäre, allerwege nur die Feindschaft gegen England zu pflegen. Wenn daher durch irgend weichen Akt internationaler Höflichkeit ohne Preis'gebung der nationalen Würde wie in dem in Frage stehenden, von dem Hrn. Anonymus über Gebühr aufgebauschten Fall nur ein wenig zur Beseitigung der gegenwärtigen Spannung belgetragen werden kann, so sind wir damit einverstanden, selbst auf die Gefahr hin, mißverstanden und falsch beurteilt zu werden. Hiemit jsj sür uns die Sache erledigt. Lediglich, um auch von dem „national"
Tochter:
„Na, weißt Du, wenn er das war, den sie gestern , ^. -.
auf hatte, — um den Hut batte ich mir nicktt > Zkstnnten, treuen Leser nicht mißverstanden zu werden, w Viel Mübe aeaebenl" ^ ^ H - haben wir erwidert, obwohl wir dies ja sonst einem
!" 'E - vcuye gegeoen. anonymen Einsender gegenüber nicht thun.
Redaktion. Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.