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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg, 18. August. Soeben 10 Uhr vormittags, erhalten wir die telephonische Nachricht von einem in Salmbach ausgebrochenen Brande. Das Anwesen des Gasthauses z. Ochsen, das nebenanliegende Haus des Goldarbeiters Calmbacher und das gegenüber dem Ochsen befind liche Schöninger'sche Gebäude stehen in Flammen.
Altensteig, 16. Aug. Die Heidelbeerernte geht nun ihrem Ende zu. Dieselbe fiel gering aus, weshalb für 1 Simri 2,80—3,20 ^ bezahlt wurde. Besser sind die Himbeeren und Brombeeren geraten, welche Ende des Monats zu voller Reife gelangen werden. — In Berneck wird z. Zt. eine Wasserleitung unter Oberbaurat Ehmann-Stuttgart erstellt. Die Kosten belaufen sich auf ca. 30 000 ^ Die Anlage soll anfangs Oktober eröffnet werden.
Deutsches Aeich
Von der Zolltarif-Kommission des Reichstages ist die erste Lesung der Tarifvorlage beendet worden. Das Schicksal des großen Reformwerkes ist mit dem Abschlüsse der ersten Lesung in der Kommission noch bei weitem nicht entschieden, allgemein aber herrscht die Empfindung, daß seine Aussichten in den letzten zwei Monaten seit Beendigung der Plenarberatungen des Reichstages merklich günstiger geworden sind. Man sagt sich, daß eine Mehrheit für ein positives Ergebnis in der Kommission in sicherer Aussicht steht und auch die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit einer schließlichen Verständigung dieser Mehrheit mit der Regierung ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Hauptsächlichste Vorbedingung der Verständigung aber dürfte sein, daß die in der ersten Lesung emporgeschraubten landwirtschaftlichen Zollsätze in der zweiten Lesung wieder auf das Maß des Regierungs-Entwurfes zurückgeführt werden. Hoffentlich bereitet die eingetretene Ferienpause einen günstigen Umschwung in dieser Richtung vor.
Welche Wirkung die Deutschenhetze der Polnischen Agitatoren auf die untern Schichten der Bevölkerung ausübt, zeigt ein Vorfall in Gnesen, der sich nach dem dortigen „Gen.-Anz." folgendermaßen abgespielt hat: Ein dort zugereister Techniker, Namens Stähler, sprach in der Posener Straße einen Arbeiter an, um sich nach einer Adresse zu erkundigen. Weil er die Frage in deutscher Sprache stellte, wurde er von dem Gefragten, einem Polen, zu Boden geworfen und mißhandelt, sodaß er eine größere Verletzung am Hinterkopf erlitt und ins Krankenhaus geschafft werden mußte. Der Pole wird sich bei den eigentlichen Urhebern seiner rohen That, den Verhetzern des Volkes, für die Nachteile, die seine Bestrafung für ihn im Gefolge haben wird, bedanken können. Vielleicht wird er hernach in der bekannten Verdrehung der Thatsachen auch noch zum Märtyrer der polnischen Sache gestempelt. In der preußischen Politik läßt sich aber eine erfreuliche Thatkraft feststellen. Mit vollem Recht ist auch der Lehrer Nalewajski aus Slanin seines Amtes entsetzt worden, weil er in einer Gesellschaft u. a. auch geäußert hat: „Wenn es gegen die Deutschen losgeht, so bin ich einer der ersten, welcher die Sense in die Hand nimmt." Ein so gewalt- thätiger Jugendbildner ist allerdings nicht an seinem Platz. Auch im Westen der Monarchie wird den Demonstrationen der Polen entschieden entgegcngetreten: Bei einem Fahnenwcihfest bei Steele wurde der von 10 Polenvereinen beabsichtigte Festzug nicht gestattet und die Vereine wurden veranlaßt, sich mit eingezogenen Fahnen in gemessenem Abstande zur angesetzten Kirch- feier zu begeben. Die Festrede durfte nur in deutscher Sprache gehalten werden.
Der Kaiser hat am Freitag in Düsseldorf nach der Begrüßung durch den Oberbürgermeister eine Rede gehalten, worin er unter anderem ausführte, Düsseldorf sei eine von den glücklichen Städten, die ein Lied singen könnten von der Nützlichkeit der Wasserstraßen und sei in der glücklichen Lage, sich der Vorteile die der Wasserverkehr biete, zu erfreuen. So habe sich die Stadt einen neuen Rheinhafen gebaut, der ihr, so Gott wolle, manche Freude machen und viel Nutzen bringen werde. Indem er der Stadt
und der Bürgerschaft seinen herzlichen Dank dafür ausspreche, daß sie den neuen Park nach ihm nennen wollte, füge er hinzu, wie schmerzlich die Kaiserin bedauert habe, am heutigen Tage nicht dabei sein zu können. Leider habe sie ein Fußleiden diesmal verhindert. Sie habe aber ihren künftigen Besuch in Aussicht gestellt. Er wünsche von ganzem Herzen den Segen Gottes zn der weiteren glücklichen Entwicklung der Stadt unter den schönen und friedlichen Aussichten, die sich in Europa entspannen und die er lange zu erhalten hoffe.
Köln, 16. Aug. Der Kaiser richtete der „Köln. Volksztg." zufolge an den Oberpräsidenten Nasse nachstehendes Telegramm: „Ich habe heute bei meiner herrlichen Fahrt von Düsseldorf nach Mainz überall an den Ufern des Rheins an allen Ortschaften so zahlreiche, schöne, ergreifende Beweise Patriotischer Gesinnung ersahren, daß ich gleich bewegten Herzens hiefür meinem Dank warmen Ausdruck geben will. Ich beauftrage Sie, dies den Beteiligten bekannt zu machen. Wilhelm U."
Gonsenheim, 16. August. Bei schönem Wetter wohnte heute morgen der Kaiser, sowie der Großherzog von Hessen und die Prinzessin Friedrich Karl von Hessen den Truppenübungen auf dem großen Sand bei. Zuerst machte das 23. Dragonerregiment einige Uebungen und beendete dieselben mit einer glänzenden Attacke, die die Fürstlichkeiten mitritten. Der Kaiser äußerte sich über den Verlauf dieser Uebungen sehr be- sriedigt. Hierauf fand ein größeres Feuergefecht mehrerer Infanterie-Regimenter gegen einander mit Artillerie und Kavallerie auf beiden Seiten statt. Die Infanterie wandte hier beim Vorgehen eine teilweise neue, sehr zerstreute Gefechtsweise, die sog. Burentaktik, an.
München, 16. Aug. Der bayerische „Kurier" das Organ der bayrischen Zentrumsfraktion, wendet sich mit einem scharfen Artikel gegen die Einmischung des Kaisers in bayerische Angelegen heilen. „Noch ist das Haus Wittelsbach innerhalb der bayerischen Grenzpfähle souverän, noch ist es Herr im eigenen Hause." Das Blatt hofft, daß die Abgeordnetenkammer das Telegramm des Kaisers zurückweisen werde.
Köln a. Rh., 14. Aug. In Besprechung der Kaiserdepesche betont die „K. Z." wiederholt, daß es sich der Form wie dem Inhalt nach um eine Private Kundgebung des Kaisers an den ihm nahestehenden Prinzregenten Luitpold handle — der Form nach, weil die Gegenzeichnung eines verantwortlichen Ministers fehle, dem Inhalte nach, weil der Kaiser eine amtliche Aeußerung über parlamentarische Vorgänge entschieden anders einkleiden würde. Es sei nicht einzusehen, weshalb man dem Kaiser, der alle Regungen der Volksseele mitempfinde und dessen lebhaftes Jnteresfe für die Kunst bekannt sei, verwehren sollte, was man jedem Staaatsbürger zugestehe.
Forchheim (Bayern), 16. August. Die Reichstagsstichwahl zwischen dem nationalliberalen und Zentrumskandidaten im Wahlkreise Forch- Heim-Kulmbach findet am 22. d. M. statt.
Berlin. Bereits zur Pariser Weltausstellung war mit Unterstützung des Ministers für Handel und Gewerbe eine Anzahl von Handwerksmeistern entsendet worden. Der günstige Erfolg dieser Entsendung für die gewerbliche Fortbildung der betreffenden Personen hat dazu geführt, daß in erweitertem Umfang auch für den Besuch der Gewerbe- und Industrieausstellung in Düsseldorf Reisebeihilfen aus der Staatskasse bewilligt worden sind. Es werden im Laufe des Sommers mit staatlicher Unterstützung fast 500 Handwerksmeister und einzelne kunstgewerbliche Arbeiter, namentlich aus den östlichen Provinzen der Monarchie, die Ausstellung besuchen. Da überdies eine erhebliche Zahl von Kommunalverbänden, Innungen, Handwerkskammern, Gewerbevereinen usw. für den gleichen Zweck Beihilfen in Aussicht genommen haben, darf angenommen werden, daß insgesamt einer wesentlich größeren Zahl von Handwerksmeistern das Studium der Düsseldorfer Ausstellung aus öffentlichen Mitteln ermöglicht werden wird. Die Handwerkskammer in Düsseldorf hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, auf Verlangen für Unterbringung und fachkundige Führung der fremden Meister Sorge zu tragen.
Die Thalerstücke sollen im Laufe der nächsten Jahre abgeschafft werden. An ihrer Stelle will man die Fünfmarkstücke setzen die bei Verwendung feineren Materials etwas kleiner und handlicher gemacht werden sollen.
Hamburg, 17. Aug. Die Fuhrwerksbesitzer lehnten gestern in nichtöffentlicher Versammlung mit Stimmengleichheit einen Antrag ab, nach welchem der Verkehr im Interesse des Publikums bis 1. Sept. wieder ausgenommen werden und darnach der Ausstand wieder in vollem Umfang eintreten soll, wenn die Polizei bis dahin keine Abänderung der neuen Reglements genehmigt hat. Von morgen ab soll auch die Leichen- befördernng eingestellt werden. Die Aerzte versuchten heute schon überall vergebens, Fuhrwerke zu erhalten. Die Hamburg Amerika-Linie ließ die auf ihren Schiffen eingetroffenen Reisenden durch von ihr gemietete Motorwagen der Straßenbahn in die Stadt befördern. Streikposten an den Hamburger Grenzen suchen auswärtige Fuhr werke abzuhalten. Wie es heißt, soll ersuch werden, auch die Schaffner und Führer der elektrischen Bahn zum Ausstand zu veranlassen, damit die Polizei zum Nachgeben gezwungen wird. Es verlautet, daß in den nächsten Tagen auch die Rollfuhrwerksbesitzer den Betrieb einstellen werden.
Wegen der Unterschriften bei Wechseln hat die Reichsbank auf eine Anfrage folgende, für die Geschäftswelt sehr bemerkenswerte Ant- wort erteilt: „Wir erwidern Ihnen ergebenst, daß im Geschäftsverkehr mit der Deutschen Reichsbank Unterschriften, die mit sogenannten Tintenstiften vollzogen sind, grundsätzlich nicht zugelassen werden." Als Begründung wird angeführt, daß es zu schwierig sei, in jedem Falle zu prüfen, ob die Unterschrift unverwischbar sei.
Uerdingen, 16. Aug. Gestern abend 10 Uhr stieß auf der Rückfahrt von Düsseldorf nach hier der Rheindampfer „Prinzeß Viktoria" mit dem Seedampfer „Köln" bei Kaiserswörth zusammen. 3 Mädchen aus Uerdingen fielen üver Bord und ertranken. Ein Maschinentechniker aus Uerdingen verunglückte infolge Explosion der Kesselrohre. Ein anderer Dampfer naß«, die Fahrgäste der „Prinzeß Viktoria" auf und brachte sie nach Uerdingen.
Württemberg.
Stuttgart, 11. Aug. Die Versicherungsanstalt Württemberg hatte im 2. Quartal des laufenden Jahres einen Markenerlös von 1 163 000 zu verzeichnen, gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres ein Mehr von 97 000 Es ist dies ein Beweis für eine erfreuliche Besserung der Verhältnisse des Arbeitsmarktes, die auch in den Berichten der Arbeitsämter zum Ausdruck kommt. Die all- mählige Wendung zum Bessern geht übrigens nicht nur aus den steigenden Einnahmen der württ. Versicherungsanstalt hervor; auch bei den übrigen deutschen Versicherungsanstalten zeigt sich dieselbe Erscheinung. Es ist hierbei aber noch im Vergleich zum ersten Vierteljahr (Januar- März), das in der Gesamtsumme für Deutschland ebenfalls eine Mehreinnahme aufwies, ein erheblicher Unterschied zu bemerken. Während nämlich im ersten Vierteljahr sich die Zu- und Abnahme auf Deutschland ungleichmäßig verteilte, und 25 Anstalten mit Zunahme, 6 Anstalten, mit Abnahme gegenüberstanden, ist diesmal die Zunahme des Markenerlöses eine allgemeine, was auf eine allgemeine Besserung der Lage des Arbeitsmarktes schließen läßt.
Rottweil, 16. Aug. Der Zirkus Blumenfeld, auf dem Weg von Straßburg nach Ulm begriffen, gab gestern abend hier eine Vorstellung. Der Zirkus, der über 4000 Personen faßt, war vollständig angefüllt. Kurz vor Beginn der Vorstellung erfolgte ein furchtbarer Krach. Die Gallerie für den Stehplatz war eingestürzt und die ganze Menge verschwand unter entsetzlichem Geschrei Plötzlich von der Bildfläche. Kurze Zeit darauf wiederholte sich auf der gegenüber liegenden Seite dasselbe Schauspiel und so war der Schrecken allgemein ein großer. Nachdem der Direktor sich überzeugt hatte, daß Niemand schwer verletzt war, schickte er sein Personal nach allen Seiten zur Beruhigung des Publikums aus, ließ die Musik spielen und mit der