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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

DemCalw. Wochenbl." wird geschrieben: Wer gegenwärtig den Abendhimmel be­trachtet, sieht mit Staunen eine seltsame Färb­ung des Firmaments. Wenn die Sonne sich anschickt, dem Horizont nahe zu kommen, so geht ihre Umgebung in ein hellglänzendes, blen­dendes Gelb über, daS am auffallendsten wird in dem Augenblick, wenn die Sonne verschwindet. Die Sonne schwimmt dann gleichsam in einem weiten, goldenen Meere. Nach Untergang der Sonne erblickt man noch eine Zeit lang einen strahlenden Feuerglanz über ihr und später leuchtet der Himmel in einem schönen Silber­glanz. Voraussichtlich nimmt die Erscheinung an Stärke und Schönheit noch zu. Diese merk­würdige, jedem Kinde auffallende Färbung des Morgen- und Abendhimmels hängt nach der Ansicht der Gelehrten mit dem furchtbaren Er­eignis auf Martinique am 8. Mai ds. Js. zu­sammen. Im Jahre 1883 fand eine ähnliche Katastrophe am Krakatau im hinterindischen Archipel statt. Damals stand der sonst blaue Himmel im feurigsten Rot und man erwartete deshalb nach der Riesenexploston des Pelse auf Martinique auch bei uns eine derartige Färbung des Himmels. Die Erwartung ist eingetroffen. An der norddeutschen Küste wurden die Verboten der Erscheinung schon im Juni entdeckt und seit 8 Tagen kann sie auch bei uns ganz deutlich wahrgenommen werden. Die Ursache dieser himmlischen Beleuchtung, der feuerspeiende Berg Pelee, liegt etwa 8000 Kilometer von uns entfernt.

Pforzheim, 9. Juli. Der gestrigen Bürgerausschußsitzung im großen Rathaussaal, welcher die neugewählten Mitglieder zum ersten Mal anwohnten, lag eine sehr bedeutsame Tagesordnung ob. Durch die Verlegung des Zollamts nach der im Osten der Stadt gelegenen Durlacherstraße sollte das zollärarische Anwesen am Schloßberg, wo bisher das Zollamt war, erworben werden durch Ankauf des Grundstücks um 305800 -/A unter gleichzeitiger Errichtung eines Hauptsteueramts daselbst. Allein es fand sich eine starke Mehrheit vor, welche die Er­richtung öffentlicher Gebäude im Westen der Stadt wünschte und daher die stadträtliche Vor­lage ablehnte.

Nagold, 8. Juli. Der gestern hier abge­haltene Viehmarkt war ziemlich stark befahren, es zeigte sich aber sehr wenig Handelslust. Zu Markt wurden gebracht: 115 Kühe, 44 Kälber und 127 Stück Schmalvieh, zusammen 286 Stück. Davon wurden verkauft 25 Kühe mit einem Erlös von 5200 15 Kälber mit einem Er­

lös von 1270 ^., 20 Stück Schmalvieh mit einem Erlös von 3450 zusammen 60 Stück mit einem Erlös von 9920 Außerdem wurden 27 Paar Ochsen zngeführt, wovon 13 Paar mit einem Erlös von 10978 ^ verkauft wurden. Auch der Schweinemarkt war sehr stark befahren. Hier zeigte sich jedoch mehr Handels­lust. Es wurden 288 Stück Läuferschweine zu­geführt, wovon 240 Stück mit einem Erlös von 8040 verkauft wurden. Der Preis Pro Paar stellte sich auf 5480 ^ Ferner wurden 440 Stück Saugschweine zugeführt, wovon 348 Stück mit einem Erlös von 6784 ^ verkauft wurden. Hier betrug der Preis pro Paar 3444 ^ Der Gesamterlös für Läufer und Saugschweine bezifferte sich demnach auf 14 826.

Deutsches Weich.

Der deutsche Kaiser hat sich, wie schon mitgeteilt, auf die übliche Nordlandsreise begeben, bleibt aber in stetiger Verbindung mit Berlin und erledigt auf seiner Dampfyacht alle wichtigen Regierungsgeschäfte. Wenn übrigens der Kaiser eine solche Fahrt unternimmt, so geht daraus hervor, daß nirgendwo eine brennende Frage existiert und zwar um so weniger, als auch der Reichskanzler seinen Urlaub angetreten und Berlin verlassen hat. Die ganze politische Thätigkeit der Reichshauptstadt konzentriert sich in den Sitzungen der Zolltarifkommission, deren Mit­glieder die ihnen bewilligten 2000 ziemlich sauer verdienen müssen. Von dem umfangreichen Tarif, der 1400 Petitionen zählt, ist in der 1. Lesung noch nicht einmal die Hälfte durch­beraten, wenn es auch neuerdings rasch geht und

nach der 1. Lesung muß die ganze Arbeit wieder von vorn in 2. Lesung begonnen werden.

Nach einem kürzlich gefaßten Bundes- ratsbeschlusse, der auf einem Anträge Bayerns beruht, sollen künftig nur noch jene Zöglinge der Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen, welche im Besitze eines Reife­zeugnisses sind, zum Studium der Tierarznei­kunde an den deutschen, Universitäten zugelassen werden. Den Abiturienten der Oberrealschulen wird in diesem Falle die Nachprüfung im La­teinischen erlassen. Die neue Bestimmung tritt am 1. April 1903 in Kraft.

Der Zentralvorstand der national­liberalen Partei hielt am Sonntag eine Sitzung in Berlin ab. In derselben wurde u. a. be­schlossen, den diesjährigen Delegiertentag der Partei im Oktober in Eisenach abzuhalten.

Die Reichstagsersatzwahl in Bayreuth ergab die Notwendigkeit einer Stichwahl zwischen dem nalionalliberalen Kandidaten und einem Sozial­demokraten. Der Bund der Landwirte vereinigte die dritthöchste Stimmenzahl auf seinen Kandidaten.

Unterlassen der Prämienzahlung bei der Lebensversicherung. Ueber die Folgen unterlassener Prämienzahlung hat jüngst das Reichsgericht nachstehenden Grundsatz ausge­sprochen:Die Bestimmung einer Lebensver­sicherungspolice, daß die nicht pünktliche Zahlung der Prämien den Verlust aller Ansprüche an die beklagte Versicherungs-Gesellschaft zur Folge habe, kann ohne Rechtsirrtum dahin ausgelegt werden, daß die Verwirkung nicht eintreten sollte, wenn die Nichtzahlung innerhalb der vertrags­mäßigen Frist eine unverschuldete war." Im Interesse der Versicherungsnehmer wird man diese Interpretation willkommen heißen. Indessen sind die Gesellschaften wohl in der Lage, diese Entscheidung durch eine entsprechende Formulierung der Verficherungsbedingungen unwirksam zu machen, etwa durch den Zusatz :Die Ansprüche erlöschen auch dann, wenn die Nichtzahlung auf seiten des Versicherten eine unverschuldete ist." Um eine derartige Bestimmung zu verhindern, müßte sie durch Gesetz für unwirksam erklärt werden, wie es ja im Gebiet der Gewerbegesetz­gebung vielfach geschieht.

Karlsbad, 8. Juli. Hier zirkuliert das Gerücht, König Eduard von England werde am 1. September zum Kurgebrauch hier eintreffen.

Berlin, 9. Juli. Auf der Oberspree un­weit Erdner ertranken gestern auf einer Segel­fahrt zwei Frauen und ein junges Mädchen.

Würzburg, 10. Juli. Ein entsetzliches Familiendrama ereignete sich gestern vormittag. Die angesehene Kaufmannsfrau Horber begab sich in den Keller, übergoß ihre Kleider mit Spiritus und zündete es an. Bis Rettung kam, war die Bedauernswerte verbrannt. Der Sohn der eben nach Hause kam, öffnete aus Verzweiflung sich die Pulsadern und mußte ins Juliusspital verbracht werden. Mißliche Familienverhältnisfe sollen die Motive sein.

Vom Boden see, 9. Juli. Massenfänge von Blaufelchen werden zur Zeit gemacht. Es giebt Fischer, welche Fangergebnisse bis zu 150 bis 200 Ztr. zu verzeichnen haben.

Württemberg.

Stuttgart, 9. Juli. Die Beratung des Gemeindesteuerentwurfs wurde in der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer um ein gut Stück gefördert. Die Gemeindekapitalsteuer wurde ohne Debatte angenommen, ebenso fand die Ge­meindeeinkommensteuer Annahme, und zwar in fakultativer Weise. Ein Antrag Gröber, der von diesem in längeren Ausführungen begründet wurde, die Gemeindeeinkommensteuer obligatorisch einzuführen, wurde, da die Abstimmung Stimmen­gleichheit ergab, durch den Stichentscheid des Präsidenten abgelehnt. Die Wohnsteuer konnte heute nicht erledigt, mußte vielmehr an die Kommission zurückverwiesen werden, weil in der staatsrechtlichen Frage, ob in solchen Gemeinden, die keine Wohnsteuer erheben, die Bürger, welche sonst keine direkten Steuern zahlen, ihr Gemeinde­wahlrecht verlieren, sich Meinungsverschiedenheiten ergaben. Schließlich wurden noch unter Ab­lehnung eines Antrags Keil, der deren Streichung verlangte, die Verbrauchsabgaben ange­nommen. Nächste Sitzung morgen.

Die Verhandlungen der württ. Kammer der Abgeordneten gehen ihrem Ende entgegen. An diesem Samstag soll der Landtag vertagt werden, wobei vorausgesetzt wird, daß der noch zur Beratung vorliegende Stoff' dahin vollends bewältigt ist, anderenfalls könnsrn noch 1 oder 2 Tage der nächsten Woche um. Berat­ungen ausgefüllt werden. Die Ministern sehnen sich übrigens nach ihrem Sommerurlaub und auch zahlreiche Abgeordneten, namentlich die ökonomietreibenden, möchten jetzt bald zu den heimatlichen Geschäften zurückkehren. Die enorme Sommerhitze trägt auch das Ihrige dazu bei, um sämtlichen Abgeordneten die baldige Ver­tagung als höchst wünschenswert erscheinen zu lassen. In der letzten Zeit wurde hauptsächlich der Gesetzentwurf betr. ein erweitertes Gemeinde- besteuerungsrecht beraten und hier war es na­mentlich die Bauplatzsteuer und die Warenhaus­steuer, welche zu ziemlich lebhaften Debatten Veranlassung gaben.

Stuttgart, 9. Juli. Nicht weniger als drei Stunden mußte die Steuerkommission heute nochmals tagen, um bezüglich der an sie zurück, verwiesenen Wohnsteuer einen weiteren Antrag an das Plenum vorzubereiten. Das Resultat war die Annahme eines Antrags Gröber mit 9 gegen 5 Stimmen (wobei die Volkspartei ihre Zustimm­ung zunächst auf die Kommissionsberatung be­schränkte), der den heute im Plenum gefallenen Antrag auf Einführung einer obligatorische« Gemeindeeinkommensteuer wieder aufnimmt und in einem neuen Art. 24 a eine Berechtigung der Gemeinden schafft (an Stelle der zu beseitigenden Wohnsteuer) von Personen, die auf Grund des Art. 5, 20 oder 21 des Einkommensteuergesetzes von der staatlichen Einkommensteuer befreit sind, in dem Falle, wenn sie selbständig auf eigene Rechnung leben, eine Gemeindeeinkommensteuer zu erheben, deren Betrag der Gemeindesteuer gleich kommt, die in der niedersten Einkommen- stufe nach Art. 18 des Einkommensteuergesetzes zu entrichten ist. Dies der wesentliche Teil des Antrags. Damit war der Antrag.des Referenten unterlegen, der dahin ging: Die Gemeinden, die eine Gemeindeumlage auf Grundeigentum, Gebäude und Gewerbe erheben, zu berechtigen, eine Wohnsteuer von 2 resp. für selbständige Frauenspersonen 1 c^., zu erheben. Eine An­regung Haußmanns, das Gemeindeangehörigkeits­gesetz an der einschlägigen Stelle durch ein Jnitiativgesetz zu ändern, wurde fallen gelassen.

Gerichtsferien. Diese beginnen am 15. Juli und endigen am 15. September. Während der Ferien werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlassen. Ferien­sachen sind: 1. Strafsachen, 2. Arrestsachen und die einstweilige Verfügung betreffenden Sachen, 3. Meß- und Marktsachen, 4. Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen und anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und Untermieter solcher Räume wegen Ueberlassung, Benützung oder Räumung, sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Miets­räume eingebrachten Sachen, 4. u. Streitigkeiten zwischen Dienstherrschaft und Gesinde, zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hinsichtlich des Dienst- und Arbeitsverhältnisses, sowie die in § 3, Abs. 1, Nr. 1,2 des Gesetzes, betr. die Gewerbegerichte vom 29. Juli 1890 bezeichneten Streitigkeiten, 5. Wechselsachen, 6. Bausachen, wenn über Fort­setzung eines angefangenen Baues gestritten wird. Das Gericht kann auf Antrag auch andere Sachen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnen. Auf das Mahn­verfahren, das Zwangsvollftreckungsverfahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß.

Die trinkfestesten Mitglieder des Stutt­garter Gemeinderates haben den Auftrag bekommen, die bedeutenderen Ratskeller Deutsch­lands und Oesterreichs zu besuchen und deren Weinlager und sonstige Einrichtungen zu prüfen. Die Erfahrungen dabei sollen verwertet werden für den im Jahr 1904 zu eröffnenden Stutt­garter Ratskeller.

Cannstatt, 10. Juli. Der Turnerbuud Cannstatt hatte sich erboten, Schüler unentgeltlich in turnerischen Hebungen zu unterweisen, um so