Berlin. Einen unfreiwilligen Witz machte in einer Verhandlung gegen eine Bande jugendlicher Einbrecher einer der Angeklagten, dem von Amtswegen ein Referendar als Verteidiger beigeordnet war. Dieser hatte mit großem Eifer seinem Klienten eine milde Bestrafung „herauszuplaidieren" gesucht. Als der Vorsitzende darauf den so warm Verteidigten zum Schlüsse der Verhandlung fragte, ob er noch etwas hinzuzusetzen habe, erwiderte der Angeklagte mit großer Lebhaftigkeit: „Nein, ich habe an meinem Verteidiger nichts auszusetzen!" Das allgemeine Gelächter, welches diesen Worten folgte, versetzte den Gerichtshof in jene Stimmung, die für eine mildere Beurteilung der Sachlage den Boden zu ebnen Pflegt.
Dossenheim, A. Heidelberg, 5. Juli. Einem Landwirt wurden 3 schöne junge Kirschbäume auf Meterhöhe vom Boden abgesägt. Die Wurzeln mit den Baumstümpfen grub der Geschädigte aus und befestigte dieselbe mittels Draht an einem am Wege stehenden Baumstamm. Um dem Missethäter ins Gewissen zu reden, befestigte er am Ort der That an einem Baumstamm ein Kästchen, in das ein Papierblatt eingehängt ist, auf dem folgender Zornesrrguß steht: „Hier elender Schufst, stehen die ser- stimmelte Bäume An denen Du Dich gerecht hast! Aber die Gerechtigkeit Gottes wird sich einst auch an Dir Rechen, Gott Allein hat die Rache, das kann nur ein schlechter Mensch, Ein drunksichtiger Mensch, Ein Missgünstiger Mensch, Ein vom Teufel Eingenommener Mensch. Mensch denk an Deinen Todt, Du hast einen dreifachen Mord besangen. Der beschädichte Eichendimer."
(Theobald Kerner's Dankrede.) In einem Bericht über die Weinsberger Feier von Theobald Kerner's 85. Geburtstag teilt das Stuttg. Neue Tagblatt die schöne Rede mit, die der Greis bei diesem Anlaß an seine Mitbürger gerichtet hat. Sie lautete: „Meine lieben Freunde! Da seid Ihr wieder! und ich kann Euch froh begrüßen! Dies Frühjahr mit seinen kalten Tagen und wechselnder Witterung war, wie für die Reben und Kirschbäume, auch für meinen Lebensbaum von schädlicher Wirkung. Ich habe Tage und" Stunden in diesem Jahr schon gehabt, in denen ich mich bedenklich krank fühlte und zu mir sagte: „Alterte! mit dir steht es letz und du wirst deinen 86sten Geburtstag nicht erleben!" Aber mein alter Grundsatz: „ Nur nicht weich geben!" brachte mich immer wieder in die Höhe und ich ließ das Sterben bleiben. Mit dem Sterben ist's überhaupt eine eigene Sache! DaS Sterben ist nach meiner Ansicht nur eine üble Angewohnheit der Menschheit; es giebt kein Gesetz in der Natur, das den Menschen zum Sterben zwingt. Der Mensch, wenn er sich gesund verhält, seinem Leib hinlänglich zu essen und trinken giebt, nicht zu wenig, aber vor Allem nicht zu viel, keine dickmachende Miste in sich anlegt, kein böser Unfall eintritt, hat nicht nötig zu sterben und kann jedenfalls so gut alt werden wie Adam, Methusalem und Noah. Dieser Noah ist ein interessantes Beispiel. Er war ein intelligenter, fleißiger Zimmermann, hätte sonst nicht die Arche erbauen können, überwand glücklich die Gefahren der Sintflut, führte einen frommen, geregelten Haushalt, wurde dabei 600 Jahre alt und hätte leicht bis ins Unendliche fortleben können und lebte vielleicht heute noch, hätte ihn nicht eine Art Wasserscheu befallen, ein Ekel vor dem Wasser überhaupt, „dieweil darin ersoffen sind Manch sündhaft Vieh und Menschenkind", und er bat Gott, ihm ein anderweit Getränk zu geben. Gott in seiner Güte that ihm diesen Gefallen, holte ihm Reben aus dem Paradies, lehrte ihn geduldig, wie man dieselben pflanzt, Pflegt, die Trauben keltert und den Wein in Fässern aufbewahrt. Gott war darum der erste Gründer einer Weinbauschule und Noah der erste Weinbauschüler. Der aus den Paradiestrauben gekelterte Wein schmeckte dem Alten immer mehr, je älter er und der Wein wurde, und er trank dabei so oft und so viel, bis er endlich in einem tüchtigen Räuschlein
. nimmer den Satz beachtend: Man soll keinen
neuen Wein in alten Schlauch ziehen — selig einschlief und nimmer erwachte. Liebe Freunde,
laßt Euch dieses Ende von Noah zum warnenden Beispiel sein und trinkt vom Wein bedachtsam und spärlich. — Nur heute an Einem Geburtstage dürft Ihr ein Paar Schöpplein über Durst trinken auf meine Gesundheit. Diesen Glückwunsch habe ich gar nötig. Vor einigen Wochen bin ich die Hausstaffel hinabgestürzt und lag unten auf dem Trottoir wie der lange Goliath, als ihm der heimtückische David einen Feldstein an den Kopf geschleudert hatte. Seitdem kann ich nimmermehr rüstig durch Weinsberg gehen, aber wenn der Leib auch schwächer geworden ist, mein Humor und meine Willenskraft ist ungebrochen, und indem ich Euch herzlichst für Euren heutigen schönen Gesang danke, rufe ich freudig und getrost: Auf fröhliches Wiedersehen, liebe Freunde, übers Jahr am l4. Juni 1903!" Ganz Weinsberg war vor dem Hause versammelt und jubelte dem Redner zu.
(krobatum e.8t.) Wie man säumige Zahler einfäugt, dieses große Geheimnis hat der Inhaber einer großen Londoner Schneiderfirma herausgebracht. „Sie haben in meiner Rechnung einen Fehler gemacht," mit diesen Worten trat dieser Tage ein junger Mann in feinen Laden. „Das ist unmöglich," versicherte der Schneider sanft. Es ist aber so," antwortete der junge Mann heftig „sehen Sie hier — 40 ^ zuviel. „Der Geschäftsinhaber verglich die Rechnung mit seinen Büchern. „Sie haben recht, mein Herr," gab er dann zu. „Ich will 40 abziehen und wie viel sagten Sie doch, daß Sie darauf bezahlen wollten?" Der junge Mann wurde rot, hustete und holte endlich einen Hundertmarkschein hervor. . . . „Das wirkt jedesmal," sagte der Schneider vertraulich zu einem, der dabei gestanden. „ Nichts bringt einen Wann zu solcher Eile, als wenn man ihm zuviel auf die Rechnung setzt. Wenn ein Kunde mit den Zahlungen zurückbleibt und sich fernhält, schicke ich ihm eine zu hohe Rechnung. Er kommt mit der größten Eile, um den Fehler verbessern zu lassen und ein wenig Diplomatie thut das übrige. Das beste aber ist, daß es seine Gefühle durchaus nicht so verletzt, wie wenn man das Geld von ihm einziehen ließe.
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. Etwas vom Schuh.
Was könnte man vom Schuh, diesem eifrigen Spaziergänger, nicht alles erzählen — von seinen mannigfachen Formen, Rosetten, Knöpfen, Ketten und Bändern!
Da ist zuerst der flauschige Pelzstiesel der Eskimodame, der gleichzeitig dem Baby einen wärmenden Aufenthalt bietet; in der That erscheint die Sitte der grönländischen Frauen, ihre Kinder einfach in den Stiesel zu stecken, so daß nur das Köpfchen oben herausschaut, außerordentlich originell.
Beinahe ebenso wuchtig ist der russische Juchtenstiefel der Bäuerin, der die Pluderhosen des dortigen, kleidsamen Nationalkostüms zusammenhält.
Die Sandalen sind griechischen Ursprungs. Die alten Römer, Aegypter und Perser führten sie nach und nach bei sich ein. Man bediente sich ihrer anfänglich nur, indem man einfache Bast» oder Ledersohlen über dem Fuße mit ein paar Riemen verschnürte, und daraus hat sich wohl allmählich der Sandalenschuh in seiner heutigen Verfassung entwickelt.
Der hänfene Turnschuh hat seine Existenz Altmeister Jahn zu verdanken und der Balletschuh stammt gar aus dem Morgenlande. Die jetzige Jahreszeit hat vor andern den Touristen- und Strandschuh voraus deren Tragen ebenso hübsch wie bequem ist. Man hat sie in allen möglichen Faqons aus Segeltuch, Leinen und Segeltuch gearbeitet, meist Halbschuhe, mit englischen Absätzen und vorn zum Schnüren oder Knöpfen zu tragen. Auf den Promenaden dagegen sehen wir vielfach den eleganten schwarzen Lackschuh, der besonders kleinen Damenfüßen zur Zierde gereicht und jede Toilette in eleganter Weise zu ergänzen geeignet ist.
Welche Leiden der Chinesin ihre Füße schon von Kindheit an bereiten, ist bekannt. Aber wundcrbarer- weise wird in diesem Lande, in welchem so ungeheuer viel aus die Zierlichkeit der Füße ankomml, auf die spätere Bekleiduug desselben unendlich wenig gegeben, und jener durch tausend Schmerzen und Unbequemlichkeiten künstlich klein gehaltene Fuß wird nur mit einer Unmenge seidener Bandagen behängt, worüber alsdann ein breiter, glatter, schwarzer Zeug- oder Seidenschuh, ohne Absatz gezogen wird. Darüber kommen noch leichte Pantoffel aus Maisstroh. Dieser Pantoffel aber bedienen sich die Damen nur auf ihren Spaziergängen, während sie im Hause auf einem Tablett neben dem jeweiligen Sitz ihrer Herrin zu stehen kommen.
Die Japaner bedienen sich gar des Papierschuhes. Jene geschickten Menschen, die es so meisterhaft verstehen, aus Nichts etwas zu machen, haben es in ausgiebiger Weise zu stände gebracht, sich diesen Stoff dienstbar zu machen. Tort sind schon ganze Anzüge aus Papier für 12 Sen — 1 Mark — zu haben und
Schuhe sind dementsprechend natürlich gleichfalls von staunenswerter Billigkeit. Allerdings auch nur eine kurze Zeit, , aber für wenige Pfennige erhält man stets wieder neue und kann daher wechseln, so oft man wünscht.
Der Saffianstiesel, der in Deutschland aus der Mode gekommen ist, wird in Rußland von der eleganten Welt immer noch gern getragen ebenso wie die Juchten- ledernen, welche bei uns, schon ihres starken Geruches halber, keinen rechten Anspruch auf Salonsähigkeit machen können.
Der derbe, nägelbeschlagene Bergschuh, der bei jedem Ausstieg unbezahlbare Dienste leistet, verdient hier noch erwähnt zu werden. Desgleichen will ich noch des festen Reiter- nnd Kanonenstiefels gedenken, der im Lause der Zeit so mannigfache Aenderungen s durchmachen mußte. Er wurde nacheinander gespitzt geschnäbelt, aus breiten Rand gearbeitet; mit runden ° eckigen und schalenförmigen Stulpen und klirrenden Sporen am Hacken getragen, ist und bleibt er der beste Freund jedes tapferen Kriegers und fröhlichen i Waidmanns.
Und nun zum Pantoffel! Ihn zu vergessen wäre ! ja geradezu ein Frevel! Welch ein liebenswürdiger, eleganter Herr ist nicht solch ein Pantoffel; wieviel mit Anmut und Schönheitssinn vermag er zu verraten und zu verbergen, wenn er sich — ein kleines Kunstwerk aus weichem Leder, Sammet oder sonst dergleichen ! im Boudoir einer jungen Schönheit — auf der Spitze ^ eines entzückenden Füßchens schaukelt. Welch lange ! Geschichten vermöchte er zu erzählen, der sich weich ! und warm um die Füße des Alters schmiegt. Hier ! wie dort ist er so unentbehrlich, schwingt er sein Scepter. . Groß ist die Zahl seiner Helden und niemand mag i heute sagen, ob er nicht morgen zu ihnen zählt, der ! noch im andern Sinne graziös auch über den Häuptern ! gestrengter Eheherren maltet Freilich besitzt er die I Macht der Gnomen im Märchen, sich gänzlich unsichtbar zu machen und erst wenn er sich seines Triumphes voll bewußt wird, schwingt er sich sieghaft über dem i Haupte des Unterjochten.
Folg, ^zeitgemäße Frage" wird jetzt als neuester „Witz" verzapft: A.: Warum ist auf . dem Land die Luft so rein und gut? Antw/. „Weil in den Bauernhäusern die Fenster nicht i aufgemacht werden." — B.: „So jetzt weiß ich auch, warum es in der „Stadt" so —stinkt.'
(Ein Opfer.) „Ach, Fräulein Laura, wem Sie wüßten, wie sehr ich Sie verehre! Ich wäre imstande, das größte Opfer für Sie zu bringen!' — „Wirklich? Dann heiraten Sie doch, damit ich auch an die Reihe komme, — meine ältere Schwester!"
Abstrichrätsel.
Fund — Kirche — Tstnan — Ei — Acht — Rübe — Berg — Fallen — Auge Spengler — Pflaster.
Von jedem Wort ist die Hälfte der Buchstaben zu streichen, doch so, daß die andere Hälfte aus nebeneinanderstehenden Buchstaben ^ besteht. Die stehen gebliebenen Gruppen müssen ^ im Zusammenhang gelesen, einen Sinnspruch ergeben.
Auflösung des Krruzrätsels in Nr. 104.
Pole, Posen, Pose, Sense, Sela, Lasen.
Mutmaßliches Wetter am 8. und 9. Juli.
(Nachdruck verboten.)
Ein barometrisches Minimum von 755 mm liegt nunmehr in der Umgebung der Ladogasee; ein Maximum von ca. 768 mm über Südirland einerseits und Ungarn andererseits. Vom höchsten Nordwesten her ist ein neuer Hochdruck gegen das nördliche Norwegen im Anzug, ein neuer Luftwirbel noch von keiner Seite her zu erwarten. Demgemäß wird sich das größten- teils trockene und heilere Weiter bei heißer Temperatur auch am Mittwoch und Donnerstag noch sortsetzen, ! vereinzelte Gewitterstörungen in den süddeutschen Ge- birgsthälern sind jedoch l icht ausgeschlossen.
Am 10. und 11. Juli.
Von ganz vereinzelten und ganz lokalen Störungen abgesehen ist für Donnerstag und Freitag bei fortgesetzt schwüler Temperatur größtenteils heiteres Wetter zu erwarten.
Kkiußk Nachrichten«. Selegrm«.
Dresden, 8. Juli. Die zweite Ständekammer hat heute die verlangte Erhöhung der Zivilliste und Apanagen einstimmig genehmigt.
Karlsruhe, 8. Juli. Die erste Kammer beschloß im Hinblick auf den bevorstehenden , Schluß des Landtags von einer Beratung des Gesetzentwurfes betreffend die Einführung des direkten Landtagswahlrechtes abzusehen.
Bombay, 8. Juli. In Gudscherat beginnt Regen zu fallen, die Aussichten für die Zukunft sind hoffnungsvoller. Auch in den meisten anderen Gebieten Indiens hat sich genügender Regen eingestellt.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.