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hiesigen Rathaus abzuhalten, wodurch vielfach geäußerten Wünschen von Verläufern und Käufern entgegengekommen werden soll. Zugelasfen zum Verkauf werden nur reine Weine von Produzenten und zwar aus allen Weinbaugegenden Württembergs. Es sind bis heute 2000 bl zum Verkauf angemeldet (weitere werden folgen), darunter die Auslesen der Weingärtnergesellschaften von hier, Jngelfingen und Merkelsheim. Wenn erwogen wird, daß der heurige Herbstertrag fast allerwärts gering ausfällt, wenn man ferner bedenkt, daß der vorjährige Wein sich vorzüglich da gebaut hat, wo man auf sorgfältige Lese und Gärbehandlung drang, so darf man sich der Erwartung hingeben, daß die Herrn Weinkäufer, Wirte und Private die Gelegenheit sich nicht entgehen lassen werden, den Markt zu besuchen.
Ausland.
König Viktor Emanuel III. beabsichtigte, im ^ Laufe dieses Monats die Höfe von Berlin und St. Petersburg zu besuchen. Auf Wunsch Kaiser Wilhelms II. ist der Besuch in Berlin auf den Monat August verschoben worden. Der Besuch in St. Petersburg ist für Mitte d. M. in Aussicht genommen.
Madrid, 1. Juli. Die Negierung hat gestern über 100 von Nonnen und Schwestern geleitete Schulen schließen lassen, weil dieselben sich den gesetzlichen Vorschriften nicht gefügt hatten.
Warschau, 2. Juli. Die Wagenwerkstätte der Warschau-Wiener Eisenbahn ist mit 30 Personenwagen abgebrannt. Der Schaden beträgt etwa 500000 Rubel.
Laurvik (Norwegen), 1. Juli. Heute nachmittag brach hier eine große Feuersbrunst aus. Bis jetzt sind 100 Häuser niedergebrannt, darunter ein großes Getreidemagazin und ein bedeutendes Kohlenlager. Es herrscht völliger Wassermangel. Die ganze Stadt ist bedroht.
London, 1. Juli. Nach einer Meldung aus St. Helena hat eine große Anzahl Buren gestern den Eid der Treue abgelegt. Unter ihnen befindet sich auch Cronje.
London, 2. Juli. Das Kriegsamt teilt mit, daß die Feindseligkeiten in Südafrika völlig beendet seien. Die daselbst befindlichen englischen Truppen belaufen sich ohne die Lokaltruppen auf 202 000 Mann. Von den regulären Truppen werden 70000 Mann sofort in die Heimat zurückbefördert, wo sie alsbald entlassen werden.
Die Krankheit König Eduards VII.
Ein hervorragender englischer Arzt soll sich zu einem Vertreter der Westminster Gazette über den bisherigen Verlauf der Krankheit des Königs dahin ausgesprochen haben, daß die Wunde noch immer eine Quelle der Besorgnis sei. Es fei auch Thatsache, daß sie langsamer heile, als die Aerzte erwarteten. Zu bedenken sei, daß es ein sehr großer Schnitt von 4ft» Zoll war, und da er von der Tiefe aus heilen müsse, sei die Wunde sehr zu Wechselfällen geneigt. Was die Aerzte jetzt fürchten, sei. daß die Bauchhöhle wegen Eiterung in der Wunde wieder geöffnet werden müsse. Die „Preß Association" ist zu der Erklärung ermächtigt, daß die in verschiedenen englischen Blättern erschienenen Berichte über die Operation des Königs unrichtig sind. Die Operation dauerte fast 40 Minuten. Es fand keine Trennung oder Durchflößung von Muskeln statt; die Muskeln wurden durchschnitten, doch wurde kein spezielles Instrument benützt, und die Wunde wurde nach Entlerrung des Geschwüres nicht geschlossen. Der Eiter saß so tief, daß die Operation gefahrvoll und langwierig wurde und daß ein ungewöhnlich langer und tiefer Einschnitt ausgeführt werden mußte.
Vermischtes.
Das 2«. Jahrhundert.
I.
Prophezeihungen für ein Jahrhundert sind einigermaßen in Mißkredit gekommen: es ist keine Kunst, seiner Phantasie in technischen oder sozialen Sachen freien Spielraum zu geben, wenn man sich nur vor Augen hält, was für Dinge,
h die uns heute als nicht weiteren Nachdenkens a werte Selbstverständlichkeiten Vorkommen, vor n 50 Jahren noch sensationelle Novitäten waren,
- daß das Dampfschiff und die Lokomotive wenig „ über 100 Jahr, das Zündhölzchen noch keine I 70 alt ist. Aber es gibt Propheten, die doch 1 , gehört zu werden verdienen und zu diesen ge-
- hört vor allen Jules Verne. Denn das ist : einer, dessen Phantasie Dinge voraus .gesagt
- hat, deren vollständige oder teilweise Verwirk- r lichung dem jetzt 73jährigen Begründer des r modernen naturwissenschaftlichen Romans zu er- f leben noch gegönnt war. In seinem „Dampf- i Haus" hat er das Automobil, in seinem „20000 e Meilen unter dem Meere" und in der „Ge-
- heimnisvollen Insel" das Unterseeboot, in r seiner „Reise um die Erde in 80 Tagen" die
Beschleunigung des modernen Weltverkehrs, in den „500 Millionen der Begum" die Entwicklung der Metallurgie, den Trust und die phi- , lanthropischen Ideen vorgeahnt und seine „fünf i Wochen im Luftballon" werden möglicherweise ) vorbildlich werden für die jetzt geplante Ballon- , fahrt quer über die Sahara. Der bekanntlich : vollständig erblindete Schriftsteller, der noch . immer neue Werke seiner Frau in die Feder diktiert, hat sich anläßlich des Beginns des 20. t Jahrhunderts über dasselbe folgendermaßen aus- , gesprochen:
i „Der Zeitabschnitt, der jetzt begonnen hat,"
. sagt Jules Verne, „wird Dinge sehen, die der : künste Geist kaum zu ahnen vermag. Wir haben
> Eisenbahnen, Telegraph, Telephon, eine Menge
- Warenvorräte, die antiseptische Chirurgie, billigen Comfort usw. — alle diese Dinge sind wunder-
: bar genug, aber der lästigste Zug unserer Zeit i war der furchtsame Gebrauch, den wir vor allem , unseren Wissen machten. Wir haben den Lift i und das Telephon. Und doch kommt heute erst : ein Haustelephon in den Städten auf je 10000 Personen. Und warum der Aufzug in den ; Häusern noch immer ein Luxusgegenstand ist, i ist mir einfach unbegreiflich.
- Zum Glück werden jetzt die Heranwachsenden Generationen, welche bald die gegenwärtig führen-
i den Männer zu ersetzen haben werden, frei von ; Vorurteilen erzogen. Nur noch eine kurze Zeit l und unsere jetzigen Telegraphen und Telephone , werden als lächerlich, unzulänglich erscheinen, i Die heutigen Eisenbahnen wird man als geräuschvolle, zum Verzweifeln langsame Fahrgelegenheiten auslachen. Das Automobil wird selbstverständlich die Bahnen nicht ersetzen, denn die beiden haben ganz verschiedene Verwendungs- i gebiete. Nur auf Schienen wird man die großen
> Geschwindigkeiten der Zukunft — 300 bis 500
> Kilometer in der Stunde — erreichen können.
! Die Eisenbahn wird die große Arterie des Ver- : kehrs sein, die Automobillinien aber die Capil- . largefäße dieses Körpers, welche das intensivste
Leben der Zivilisation in die entferntesten ländlichen Bezirke führen werden. Ich sehe eine ganz außergewöhnliche Rührigkeit im Eisenbahnbau voraus. Als man vor noch nicht gar so vielen Jahren die Schienenverbindung zwischen dem Atlantischen und Stillen Ozean hergestellt hatte, mochte niemand die Möglichkeit der transsibirischen Bahn zugeben, als ich deren Idee lancirte. Heute ist diese Eisenbahn fertig und in 15 Jahren mögen vielleicht alle anderen großen Heerstraßen ausgebaut sein, die wir noch brauchen. Die Linie Kapstadt-Kairo ist ja so gut wie vollendet. Alexandrien wird gewiß mit der algerischen Küste einerseits, mit Jerusalem, Beirut, Smyrna und Konstantinopel anderseits verbunden werden. Von Marokko nach Gibraltar wird man die Bahn im Tunnel führen und der ^ Tunnel Calais-Dover, diese „Bagatelle von 32 Meilen," wird vielleicht schon in 20 Jahren . Rivalen bekommen in anderen Tunnels, welche England unterseeisch mit Belgien und Irland verbinden werden. Gibt es doch jetzt einen Mann, der einen Tunnel unter dem Atlantischen Ozean von New-Aork nach Brest erbauen will.
> Der Mann ist gar nicht so wahnsinnig, wie : manche Wohl glauben mögen. Er berechnet,
daß man in 30 Jahren den Tunnel bauen könne,
^ wenn die notwendigen Millionen da seien. Und , Geld ist nie ein Hindernis, wenn etwas not-
Redaktwn, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.
Wendig ist und die zukünftigen Jngeneiure könnten leicht die dreißig Jahre auf 20 reduzieren. In ! Asten sind 2 wichtige Bahnen dem britischen und russischen Unternehmungsgeist überlassen: !
dieeineBombay-KonstantinoPeldurchBeludschistan
und Persien, die andere ein bloßes fehlendes Bindeglied von Peschavar (Indien) nach Buchara i über Kabul. Für Amerika ist die große Nord- und Südeisenbahn durch Mexiko und den Jsth. mus eine Selbstverständlichkeit, mit Abzweigungen nach Buenos Aires, Rio de Janeiro, dann nach Peru, Ecuador und Venezuela."
Karlsruhe, 3. Juli. Der hiesige Volksfreund schreibt: Daß der Gerichtsvollzieher einen Leichenwagen holt und ins Pfandlokal stellt, dürfte selbst Len ^.kiba verblüffen. Das ist aber thatsächlich hier in Karlsruhe Ende letzter Woche Passiert. Der Leichenwagen der israelitischen Gemeinde wurde gepfändet und befindet sich seit Freitag im Pfandlokal in der Waldhornstraße. Was dahinter steckt, konnten wir nicht in Erfahrung bringen.
Hüttlingen, 2. Juli. Auf eine ganz eigentümliche Weise verunglückte ein 62 Jahre alter Steinbrucharbeiter; er blieb beim Verlassen der Kirche auf den schon lange reparaturbedürftigen Staffeln des Kirchhofs mit dem Stiefelabsatz hängen. Die dicht gedrängt hinter ihm herkommenden Leute drückten den Unglücklichen so nach unten, daß ihm ein Bein gebrochen wurde.
(Stachelbeeren einzumachen.) Eine sehr leichte Weise, Stachelbeeren einzumachen, daß sie noch nach langer Zeit das Ansehen und den Geschmack frischer haben, ist folgende: Kleine, noch nicht reife Stachelbeeren werden von Stiel und Blüte befreit, in kaltem Wasser gewaschen und auf einem Tuch nachgetrocknet. Weinflaschen werden sauber gespült, gut nachgetrocknet, mit den Stachelbeeren so eng wie möglich ausgefüllt und mit einem neuen Pfropfen, der vorher gebrüht, fest verschlossen.
Um die Flaschen wird etwas Heu gewickelt, damit sie nicht zerbrechen, so werden sie in kaltem Wasser aufs Feuer gesetzt und dann zum Kochen gebracht: Eine halbe Stunde ungefähr bleiben sie noch auf dem Feuer, in dem Wasser läßt man sie alsdann abkühlen. Gut abgetrocknet, werden sie fest ver- Picht. In trockenem Sande aufbewahrt halten sich die Stachelbeeren jahrelang. Will man sie als Kompot zubereiten, gießt man den Saft ab, kocht ihn mit Zucker auf, schüttet die Beeren hinzu und kocht sie einmal durch.
(„Gutes" Deutsch!) Vor dem Garten eines sächsischen Dorfwirtshauses steht wörtlich zu lesen: „Die etwa bei sich habenden Hunde werden gebeten draußen zu lassen."
Auflösung der dreisilbigen Charade in Rr. 101, Rauchsäule.
Mutmaßliches Wetter am 4. und 5. Juli.
(Nachdruck verboten.)
Für Freitag und Samstag ist bei noch immer andauernder Gewitterneigung vorwiegend trockenes und auch zeitweilig aufgeheitertes Wetter zu erwarten.
Am 5. und 6. Juli.
Für Samstag und Sonntag ist bei nur vereinzelter Gewitterneigung und steigender Temperatur trockenes und auch größtenteils heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
Nk>ik-e Nachrichten«. Telegramme.
Kiel, 3. Juli. Der Kaiser machte heute einen Besuch an Bord der amerikanischen Dampfyacht des Mr. Morgan und kehrte nach etwa einstündigem Verweilen an Bord der „Hohen- zollern" zurück. -- Um 4fts Uhr nachmittags begab sich der Kaiser an Bord des österreichischen Kreuzers „Spigetvar", welcher die große Admiralflagge hißte. Kurz nach 5 Uhr fuhr Seine Majestät mit dem Verkehrsboot „Hulde" nach der Nachtklubbrücke, um der heutigen Preisverteilung der bisher ausgestellten Regatten im Nachtklubgebäude beizuwohnen.
London, 3. Juli. Der heute ausgegebene Krankheitsbericht lautet: Der König hat den Tag gut verbracht. Das Allgemeinbefinden hat weitere Fortschritte gemacht. Die Wunde bereitet nur noch wenig Schmerz.