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dem Liebreiz von ihrem grünen Throne huldvoll herablächelt, diese Auszeichnung. „Sie ist nicht wie die Kamelie, die duftlos nur abends im Ballsaal ihre Rolle spielt, nicht wie die phantastische Orchidee, die nur im Gewächshaus des Reichen sich sehen läßt: sie verschönt mit gleicher Anmut den Garten des Bauern wie den des Magnaten, sie blühlt mit gleicher Lieblichkeit am Gürtel der Fürstin wie in der Hand des ärmsten Kindes."
Bei der bedeutenden Stellung, welche die Rose im Kulturleben der Völker einnimmt, kann es uns nicht wundern, wenn sie auch in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt. Tacitus erzählt, daß, als der elende Vitellins das Schlachtfeld von Bedriakum besuchte, auf dem noch die zerfleischten Leichname unbegraben lagen, das kriecherische Gesindel der Cremoneser Bürger ihm den Weg mit Lorbeeren und Rosen bestreut hatte. In der Zeit, da man sich in Rom zügellosen Ausschweifungen hingab, durften Rosen nicht fehlen. „Zahlreiche Speisen", sagt Schleiden, „werden uns namhaft gemacht, die von dem Zusatz der Rosen ihren Namen hatten: so Rosenpudding, Rosenplätzchen, Rosenhonig. Auch als Gewürz wurde die Rose häufig verwendet. Schon früher hatte man angefangen, auf den Wein, den man trank, Rosenblätter zu streuen, sehr bald aber wurde der Rosenwein künstlich bereitet, ein ganz gewöhnliches Getränk und das nicht allein; man badete sich in Rosenwein, ja der Kaiser Heliogabal, der sich viel auf seine Erfindung, den Rosenwein noch durch Pinienzapfen verbessert zu haben, zu gute that, ließ Fischteiche mit Rosenwein füllen, der, nachdem er sich darin gebadet, an das Volk verschenkt wurde. — Nero vergeudete bei einem Gelage für 200000 Thaler Rosen; Verus ließ beim Mahle Rosen regnen, was Heliogabal so weit trieb, daß ein Teil seiner Gäste erstickte, weil sie sich aus den Rosen nicht mehr herausarbeiten konnten. Verus schlief in Betten von Rosenblättern, denen der härtere Weiße Nagel genommen war. Bei den Sybariten war ein solches Lager sehr gebräuchlich."
In England wüteten im IS. Jahrhundert zwischen den beiden Häusern Jork und Lancaster blutige Kriege, welche Rosenkriege genannt wurden, weil sie unter dem Zeichen der Rose ausgefochten wurden, indem die Anhänger des Hauses Jork eine weiße, die von Lancaster eine rote Rose als Feldzeichen an ihren Hüten, bezw. als Kleinod an ihren Helmen führten. Shakespeare schildert im 1. Teile von „König Heinrich VI." den Ausbruch der Feindseligkeiten. Im Garten des Tempels, des ehemaligen Ordenshauses der Tempelherren in London setzt Richard Plantagenet, Herzog von Jork seine Ansprüche und Rechte auseinander. Da aber seine Anhänger mit der Sprache nicht herauswollen, fordert er sie auf, ihre Herzensmeinung zu verblümen:
„Es Pflücke, wer ein rechter Edelmann,
Und auf der Ehre seines Bluts besteht.
Wenn er vermeinet, ich bringe Wahrheit vor, Mit mir von diesem Strauch 'ne weiße Rose."
Das greift sein Gegner, der Graf von Somerset, auf, er bricht seinerseits eine rote Rose:
„So Pflücke, wer kein Feigling ist noch Schmeichler Und die Partei der Wahrheit halten darf,
Mit mir von diesem Dorn 'ne rote Rose."
Darauf ergreifen die anwesenden Lords und Herren samt und sonders Partei und wählen zwischen den beiden Rosen. Das geschah an einem Sommerabend des Jahres 1452 und damit begann der dreißigjährige englische Erbfolgekrieg, der Hunderttausende „in Rosen", d. h. im Blute waten ließ, in dem 80 Prinzen von Geblüt erschlagen wurden und die altnormän- nische Aristokratie unterging.
Von Napoleon III. ist bekannt, daß er seinen Rosengarten zu Fontainebleau mit besonderer Vorliebe hegte und Pflegte. Kaiserin Josephine hatte neben ihren Veilchen-Lieblingen in ihrem Garten zu Malmaison auch die schönsten Rosen.
Als zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Preußen durch Napoleon I. aufs tiefste ge- demütigt worden war und alle Versuche, den ländergierigen Korsen bei den eingeleiteten Friedensunterhandlungen milder zu stimmen, sich als vergeblich erwiesen, erschien die unvergeßliche
Königin Luise, der „Stern Preußens in dunkler Zeit", selbst in Tilsit, um an die Ritterlichkeit Napoleons zu appellieren und eine mildere Behandlung ihres Landes zu erwirken. Napoleon empfing sie zwar mit allen Ehren, aber er konnte es doch nicht überwinden, ihr den Vorwurf zu machen: „Wie konnten sie es aber auch wagen, einen Krieg mit mir anzufangen?" Da gab ihm die Königin die treffende Antwort: „Es war uns durch den Ruhm Friedrichs des Großen erlaubt, uns über unsere Machtmittel zu täuschen, angenommen, daß wir uns getäuscht haben." Durch die gewinnende Erscheinung der Königin schien der Kaiser aber doch milder gestimmt zu sein; denn er lud das hohe Paar zur Tafel. Beim Abschiede versuchte die Königin noch einmal sein Herz zu rühren und als ihr Napoleon aus der auf dem Tische stehenden Blumenvase eine Rose überreichte, nahm sie, die Aufmerksamkeit des Siegers als günstiges Zeichen deutend, dieselbe mit der bittenden Frage entgegen: „Llai8 uvee LIuZäebourg?" (Aber mit Magdeburg), worauf Napoleon mit schneidender Kälte erwiderte: „Ich muß Eure Majestät darauf aufmerksam machen, daß ich es bin, der darbietet, und daß Sie nur anzunehmen haben."
Auch sonst ist die Rose im Preußischen Königshause noch mehrmals als geschichtliches Moment hervorgetreten. Ich erinnere nur an die Roseninsel Friedrich Wilhelms III., an das Zauberfest der weißen Rose zu Ehren der Kaiserin Charlotte von Rußland, der Schwester Kaiser Wilhelms I., an die Rose von Sedan und Gorze. Bon der Rose von Sedan, die ein Jäger der 3. Kompagnie des Gardejäger-Bataillons dem Magistrat von Berlin mit der Bitte übersandte, sie derjenigen Dame von Berlin zur gefälligen Annahme zuzustellen, die sich am meisten in der Hilfe für die Verwundeten ausgezeichnet habe, von dieser Rose, die man der Königin Augusta darbrachte, singt Robert Weiße:
„Die Rose,
Die dort ein Jägersmann gebrochen,
Dich, Königin, soll diese Rose zieren,
Froh hat's des Volkes Mund gesprochen:
Dort wird sie nie den Glanz verlieren.
Ein Schwert mit Rosen ward errungen Bei Sedans wildem Schlachtgetose —
Der König hat das Schwert errungen,
Die Königin die Schlachtenrose."
Vermischtes.
Vom Bodensee, 1. Juli. (Automobilwettfahrt.) Am Start von Champigny sind bekanntlich 147 Wagen abgegangen; in Bregenz waren es Samstag früh nur noch 97, die Zahl hat sich somit bedeutend reduziert und der Arlberg bezw. die Strecke Bregenz—Wien hat eine weitere Auslese vorgenommen. Die Kaltblütigkeit einzelner Fahrer illustriert folgender Fall: Auf der Durchfahrt durch St. Gallen begann gegen 4 Uhr nachmittags ein Fahrer zu brennen. Sofort brachte derselbe sein Vejikel zum Stillstehen, stieg ab, zog seinen Kautschukmantel, der durch den Motor Feuer gefangen hatte, aus, warf ihn zu Boden, stieg wieder auf und fuhr davon, den Mantel seinem Schicksal überlassend und das alles innerhalb weniger Minuten. — Das Benzin für die Motorfahrwagen wurde in 7 Waggons von Paris aus vorausgeführt. Der Eingangszoll nach Oesterreich betrug für dasselbe nicht weniger als gegen 12 000 Kronen.
Freudenstadt, 30. Juni. Daß es auch vorteilhaft ist, wenn ein Eisenbahnzug keine zu große Geschwindigkeit hat, beweist folgendes Ereignis. Vor einigen Tagen kam es auf dem Hauptbahnhof Freudenstadt vor, daß nach Abgang des Murgthalzuges die Frachtbriefe für eingeladene Güterstücke zurückgeblieben waren. Sofort wurde ein Bediensteter beauftragt, in Eile den Zug noch einzuholen und das Fehlende zu übergeben. Etwa halbwegs zwischen Haupt- und Stadtbahnhof erreichte er den Zug, schwang sich auf den Hinteren Wagen und die Papiere waren beigebracht.
Braunsbach. Ein hiesiger Kutscher verkaufte ein sehr altes Pferd an umherziehende Leute. Als diese eines morgens nach demselben sahen, war es verschwunden. Es hat sich von seinem Halfter losgemacht und in der Nacht den mehr als 20 Kilometer weiten Weg von Hessenthal, wo sich seine neuen Herren gerade auf
hielten, nach Braunsbach zurückgelegt. Der erste Besitzer wachte durch ein Geräusch, das er aus seinem Scheuerchen zu vernehmen glaubte, auf. Als er nachsah, fand er sein altes, treues Schimmelchen fressend am wohlbekannten Futter- trog stehend und ihm freudig entgegenwihernd. Er hätte es gern wieder behalten, aber bald naheten seine dermaligen Besitzer und führten es, besser verwahrt, seinem Los entgegen.
sGalgenhumor.j Dorfbarbier (der einen Fremden ordentlich geschnitten hat, beim Abschied): „Beehren Sie mich bald wieder!" — Fremder: „Jawohl, sobald wie ich wieder hergestellt bin."
Telegrapheurätsel.
Vorstehende Zeichen entsprechen den einzelnen Buchstaben in den unten aufgeführten Wörtern, Diese Wörter sind so zu ordnen, daß die auf die Punkte fallenden Buchstaben im Zusammenhang ein Sprichwort ergeben.
Bord, Hand, Halt, Haut, Ideal, Keim, Nelke, Niere, Note, Oder, Rad, That, Wehr, Werk.
Mutmaßliches Wetter am 2. und 3. Juli.
Für Mittwoch und Donnerstag ist noch immer vorwiegend heiteres, aber auch zu vereinzelten Gewitterstörungen geneigtes Wetter bei sehr warmer Temperatur in Aussicht zu nehmen.
Am 3. und 4. Juli.
Von Nordwesten her ist nun wieder ein Hochdruck von 765 mm, der wahrscheinlich auch über größere Reserven verfügt, gegen Nordirland und Nordschottland im Anzug. Infolgedessen wurde die jüngst« Depression, die sich inzwischen zu einem Lustwirbel von 750 mm vertieft hat, nach Nocdskandinavien ab- gedrängt. Dieselbe beherrscht ganz Skandinavien, fast die ganze Nordsee, sowie Mittel- und Norddeutschland, Böhmen, Mähren und die Umgebung von Wien. Da im Süden das Barometer auf ca. 763 mm steht, so verursachen warme südliche Winde bei uns fortgesetzt Gewitterwirbel, welche zu wiederholten kurzen Störungen führen. Hievon abgesehen, ist aber für Donnerstag und Freitag vorwiegend trockenes und auch zeit- weilig aufgeheitertes Wetter in Aussicht zu nehmen.
Neueste Nachrichten u. Telegramm. !
Berlin, 1. Juli. Wie die „Nationalztg." ! erfährt, hatte Staatssekretär Frhr. v. Richthofen in den letzten Tagen wiederholt Besprechungen mit dem englischen Geschäftsträger, die sich auf die beschleunigte Heimschaffung der Kriegsge- ! fangenen deutscher Nationalität aus dem Burenkriege bezogen.
München, I.Juli. Die Kammer der Reichsräte stimmte in ihrer Sitzung einstimmig dem Beschluß der Kammer der Abgeordneten zu, welcher die Regierung auffordert, in der nächsten Session ! einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die in- > direkten Landtagswahlen durch direkte Wahlen I ersetzt unter Erhöhung der Altersgrenze für das - aktive Wahlrecht vom 21. auf das 25. Lebensjahr. ,
Crossen (Brandenburg), 1. Juli, Auf der ^ benachbarten Feldmark Briesnitz ging heute früh ein schweres Gewitter mit Hagel nieder, wobei ' 2 Frauen durch Blitzschläge getötet wurden. In Rädnitz wurde eine Frau und ein Kind vom Blitz getroffen. !
Halberstadt, 1. Juli. Heute morgen ! ging hier ein heftiges Gewitter nieder. Zwei ! Menschen wurden vom Blitz getötet. Ueber 40 Fernsprechleitungen wurden zerstört.
London, 1. Juli. Der Krankenbericht von ! heute Vormittag 10 Uhr lautet: Der König ! verbrachte eine ausgezeichnete Nacht und hatte natürlichen Schlaf; die Kräfte haben sich gehoben. In jeder Beziehung sind wesentliche Fortschritte bemerkbar.
Mit dem 1. Juli ds. Js. hat ein neues Abonnement auf den
„Gnxthkler"
begonnen.
Es nehmen alle Postämter und Land» Postboten noch Bestellungen an.
Anzeigen ch»-»«
' "- dessen Leserkreis sich fortwährend
vergrößert, die größte und wirkungsvollste Verbreitung.
Red. «ud Verlag des Euzthälers.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meetz in Neuenbürg.