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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 28. Juni. Die Heuernte ist nun seit einigen Tagen, da wir die denkbar günstigste Sommerwitternng dazu haben, allge­mein in lebhaftem Gang. Die Aussichten^ auf einen befriedigenden Futterertrag waren auf die frostige Witterung des diesjährigen Maimonats sehr gering, der Graswuchs hat sich aber in den letzten Wochen so erholt, daß man jetzt allgemein über den Ausfall auch in qualitativer Hinsicht zufrieden sein kann. Schon bei Tagesgrauen ziehen die fleißigen Mähder hinaus, um das in einzelnen Lagen schon überreise Futter mit scharf­gewetzter Sense niederzulegen. Die nun endlich gekommenen Sommertage werden den günstigsten Einstuß auf die übrige Vegetation ausüben; sonderlich werden auch die Weinreben profitieren, die jetzt zur Blüte gelangen sollen. Die Obst­aussichten sind in den hohen und höchsten Lagen recht günstige, während in den Thalmulden strichweise mit Ausnahme der Birnen, nur geringe Ernte zu erwarten steht.

Wildbad, 28. Juni. Die General­versammlung der Bezirkskraukenkasse Neuenbürg findet am morgigen Sonntag, nachm. 3 Uhr auf dem Rathaus dahier statt.

Wildbad, 27. Juni. Gestern konnten wir die Thatsache mitteilen, daß das Hotel Bellevue in den Besitz des Hrn. Kapitän Ferguson über­gegangen ist. Heute hört man weiter, daß nun auch das Hotel Klumpp von demselben Herrn angekauft worden sei. Als Kaufpreis wird die Summe von 1300000 ^ genannt.

Wildbad, 27. Juni. (Korresp.) Herr Kapitän George Ferguson aus New-Uork hat das Hotel Bellevue um 600000 und das Hotel Klumpp um 1300 000 käuflich erworben.

Unterreichenbach, 26. Juni. Ein schreck­licher Unglücksfall ereignete sich gestern nachmittag gegen 3 Uhr auf dem hiesigen Bahnhof. Der seit 10 Jahren dort beschäftigte Stationswärter Baier geriet auf bis jetzt noch unaufgeklärte Weise unter die Maschine, woselbst er seinen Tod fand. Der Verunglückte war allgemein beliebt, weil er ein gefälliger und liebenswürdiger Mann war.

Teinach, 24. Juni. Ein hochinteressantes Gemälde in der Art eines Altarschrankes mit Flügelthüren versehen birgt die Kirche in Teinach, welche 166265 unter der Regierung des Herzogs Eberhard UI. erbaut wurde. Dessen Schwester, Prinzessin Antonia, wollte auch das Ihrige zur Ausschmückung der Kirche beitragen und stiftete eine sogen. Kabbalistische Lehrtafel, in welcher sie die tiefen Geheimnissen der Gottseligkeit in Bildern darzustellen bestrebt war. Außen ist die Prinzessin Antonia selbst gemalt, wie sie als Braut von Christus gekrönt wird. Innen erblickt man einen Tempel und einen Garten, welche das Alte und das Neue Testament vorstellen. Oben sieht man jubilierende Engel mit den 24 Aeltesten um den Thron Gottes und das Lamm auf dem Berg Zion als den Zielpunkt des NeuenTestaments, wovon das Heerlager Israels und die Stadt Jerusalem , links und rechts vom Tempel, nur Schattenbilder sind. Außerdem gewahrt man, da die Kabbala alle Begriffe in Persönliche Gestalt rinzukleiden und als wirkliche Personen vorzustellen suchte, auf und unten am Tempel 10 Gestalten, welche die sogen. Sephiroth oder Abglänze Gottes bedeuten, d. h. 10 Vollkommenheiten, die mitein­ander die Natur des göttlichen Wesens, das in sich Eins und die Summe aller Vollkommen­heiten ist, bilden. Dis Bild wurde I°urris.Antonia genannt nach einem Turm gleichen Namens, welcher zur Beschützung des Tempels in Jerusalem erbaut wurde und heute noch steht. Da dieses Gemälde bisher vielen unverständlich war, hat sich Hr. Regierungsrat Voelter in Calw der Mühe unterzogen, eine Beschreibung hierüber zu verfassen, welcher eine Abbildung beigegeben ist. Angehängt ist die Uebersetzung eines lateinischen Gedichts des Pfarrers Schmidlin in Sindelfingen, aus dem ersehen werden kann, welche Hochschätzung diesem Bild der Prinzessin von ihren Zeitgenossen gezollt wurde. Daß heute noch der Name der Prin­zessin Antonia in der jüdischen Wissenschaft ge­feiert wird, zeigt ein Artikel, welcher sich in der neuesten in Amerika 1901 erschienen jüdischen Encyklopädie über die Geschichte, Religion und Litteratur des jüdischen Volkes findet. Diese

Beschreibung kann von Buchhändler Georgii und Häußler in Calw oder von der Gemeinde Teinach zum Preise von 50 bezogen werden; der Rein­ertrag ist für die Kirchengemeinde Teinach bestimmt.

Die Höhenkommission des Württ. Schwarzwaldvereins hielt eine Sitzung ab, um zu dem Bezirksverein Stuttgart in Anregung gebrachten Höhenweg III (PforzheimTeinach AltensteigFreudenstadtAlpirsbachSchram­berg KönigsfeldSchwenningenTuttlingen) Stellung zu nehmen. In dreistündiger Beratung gelangte das an neuen Aufgaben sehr umfang­reiche Projekt mit geringen Abweichungen zur Annahme.

Neuenbürg, 28. Juni. Auf den heutigen Schweinemarkt wurden 75 Stück Milchschweine zugeführt und das Paar zu 2942 verkauft.

Deutsches Weich.

Die deutsche Marine hat wieder einen schweren Unglücksfall zu verzeichnen, welchen der vor der Elbemündung infolge Zusammen­stoßes mit einem englischen Dampfer erfolgte Untergang des Torpedoobotes8 42" darstellt; leider haben der Kommandant und 4 Mann des verunglückten Kriegsfahrzeuges hierbei den Tod gefunden.

Cuxhaven, 26. Juni. Der Kapitän des englischen Schiffes, das das Torpedoboot 8 42 in den Grund rannte, wurde verhaftet.

Noch immer gehen die Riesenprozesse in Berlin und in Leipzig weiter, dort die nun schon die vierte Woche hinein dauernde Gerichts­verhandlung in Sachen der Spielhagen-Banken, (Prozeß Sanden), hier der nun auch schon die zweite Woche dauernde Prozeß gegen die Di­rektoren und Aufsichtsräte der verkrachten Leip­ziger-Bank. Dazwischen hat seit Mittwoch ein weiterer, den beiden genannten Prozessen ähn­licher Sensationsprozeß begonnen, der vor dem Breslauer Landgericht spielt und sich gegen den Rhedereidirektor Breslauer und Genossen wegen Betrugs, Urkundenfälschung usw. richtet.

Vom Germanischen National-Museum. Dem Feste des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg widmet auch das WienerFremden- blatt" einen längern Artikel, an dessen Schluffe es heißt:Im Museum verkörpert sich alles, was wir Germanen mit Stolz als germanische Kultur bezeichnen," hat Kaiser Wilhelm II. aus­gerufen, und solch kaiserliches Wort ist eine schöne Bestätigung für die durchmesfenc Bahn; zu einem nationalen Heiligtum gleichsam ist das Nürnberger Geburtstagskind emporgewachsen, zärtlich gehegt und geliebt und geehrt von jeder­mann. Von allen Weltgegenden kamen Grüße, Glückwünsche und Deputationen; unsere Reichs­hauptstadt, unsere Universitäten Wien, Prag und Graz waren bei dem Feste vertreten, und mit herzlichen Worten grüßte unser kunsthistorisches Museum aus der Ferne die Schwester an der Peg­nitz. In der einstigen Reichsstadt aber, in der Albrecht Dürer geschaffen und Hans Sachs ge­sungen und die der größte Tonkünstler unserer Tage zum prächtigsten Schauplatz für sein sonstiges Werk sich ausgewählt, klang durch alle Reden und Trinksprüche die Freude und das Hochgefühl an dem wieder erwachten nationalen Leben und der Stolz auf die selbstlose großartige Arbeit, die in fünf Jahrzehnten vollendet worden, ein würdiges Denkmal deutscher Wissenschaft. Und sie alle, die Nachfolgen, sie sollen derer gedenken, auf deren Schultern sie stehen, die ausgeharrt in harten, finstern Tagen und rastlos sich fort­gemüht, nie verzagend an dem ferne winkenden Ziel und vertrauend auf die zur Stunde ver­sagende Teilnahme des Volkes, so daß es endlich zur Wahrheit geworden, was in goldenen Lettern über dem Eingang zu lesen:Eigentum der deutschen Nation!"

Türk he im, 24. Juni. Die Aussichten auf ein gutes Weinjahr sind hier und in der Um­gegend, namentlich in dem benachbarten Ingers- Heim, durch Hagelschlag, noch mehr aber durch die anhaltend kühle Witterung stark herabge­mindert worden. Vollständig erfroren sind aller­dings nur einige Striche, dagegen hat die Kälte die Gescheine in der Entwicklung aufgehalten und teilweise zum Abfallen gebracht. Die gesund gebliebenen Gescheine sind im Vergleich zu den Vorjahren um mindestens 2 Wochen zurück.

Die Rebleute blicken daher etwas trübe in die Zukunft. Einen gewissen Trost finden sie darin, daß der 1901er, nach welchem bis jetzt wenig Nachfrage vorhanden war, zu steigenden Preisen Absatz findet. Vom Jahrgang 1900 ist nur wenig mehr auf Lager. Großen Schaden richtet der zahlreich auftretende Dröschelkäfer oder Rebenstichler an, der die jungen Blüten und Samen frißt und durch Anbohren der Rebschösse zigarrenförmige Wickel herstellt, in die er seine Eier legt. Aus diesen entwickelt sich im Herbst eine zweite Generation. In dem benachbarten Zimmerbach mußten zum Einfangen der Käfer und zur Vernichtung der korbweise eingesammelten Wickel die Schulkinder aufgeboten werden. Die Blattfallkrankheit hat sich bis jetzt noch nicht gezeigt.

Württemberg.

Stuttgart, 27. Juni. Die württemb. Kammer der Abgeordneten hat sich in einer langen Debatte mit der Personen tarif­frage der württ. Eisenbahnen beschäftigt. Vom Regierungstisch aus wurden recht verblüffende Mitteilungen über die Wirkungen der Herabsetz­ung der Personentarife III. Klasse, resp. Ein­führung einer IV. Klasse gemacht, woraus auf Grund alter Erfahrungen in Oesterreich, Frank­reich, Dänemark rc. mit absoluter Sicherheit her­vorging, daß der Personenverkehr zwar durch eine Verbilligung der Taxen gesteigert werden könne, daß aber die Betriebsausgaben noch viel größer würden, als die Mehreinnahmen aus- machen, so daß noch ein gewaltiges Defizit herauskäme, das man zu Gunsten der Reisenden in Württemberg auf alle Nichtreisenden im all­gemeinen Steuerverfahren umlegen müßte, was angesichts unserer nichts weniger als glänzenden Finanzlage doch ein sehr gefährliches Unter­nehmen wäre. Mit einer recht winzigen Majo­rität hat dann die Kammer beschlossen, die Re­gierung möge die Herabsetzung der Personentarife ins Auge fassen", wenn me Finanzlage eine bessere geworden sei. Bei Licht betrachtet ist es nun so weit gekommen, mit diesen Kammer­reden einzelner Abgeordneter, wie Herr Staatsrat v. Balz sagte, nämlich genau so weit, wie bei der letzten Konferenz der süddeutschen Eisenbahn­verwaltungen, die auch resultatlos verlief. Mit beißender Ironie zitierte Staatsrat v. Balz noch die Ehrentitel, welche den süddeutschen Eisenbahn­verwaltungen zu Beginn dieses Jahres von einer gewissen Presse gewidmet wurden, wieBremser" undStaatsschreiber". Mit dem neuesten Be­schluß der Kammer der Abgeordneten weiß natürlich kein Mensch etwas anzufangen, doch hat die Kammermehrheit wenigstens den Schein gewahrt, daß sie eine Art von Beschluß zu­stande brachte, wenn er auch in der That gar nichts besagt. Die Kammer der Standesherren zum Beitritt einzuladen wurde wohl weislich unterlassen. Eine große Anzahl von Kommissions- sitzungen, sowie die betr. Plenarsitzungen der Kammer der Abgeordneten bedeuten also nichts mehr und nichts weniger als nutzlos ausge­gebenes Geld.

Stuttgart, 27. Juni. In der Kammer der Abgeordneten wurden heute die Art. 39 bis 83 des Einkommensteuergesetzes ohne wesentliche Debatten in rascher Folge erledigt, lieber den Zeitpunkt, wann das Gesetz in Kraft treten soll, äußerte sich der Finanzminister, es werde kaum möglich sein, den ins Auge gefaßten Termin: 1. April 1903 beizubehalten. Die Kammer beschloß aber trotzdem, an diesem Termin fest­zuhalten. Nunmehr wurde auf den Art. 19 (Budgetrecht der I. Kammer) zurückgegriffen. Der Berichterstatter Gröber teilte mit, daß die Kommission mit 9 gegen 6 Stimmen (Privile­gierte und Zentrum) beschlossen habe, den ent­scheidenden Absatz 2 des Art. 19 abzulehnen. Haußmann-Balingen begründete das ablehnende Verhalten seiner Freunde in längeren, scharfe Ausfälle gegen die I. Kammer enthaltenden Darlegungen, ebenso Keil. Der Fiuanzminifter rechtfertigte das Verhalten der Regierung, die mit der Wieder-Einbringung der Reform nur dem Beschlüsse der Abgeordnetenkammer vom 16. Januar 1899 entsprochen habe. Liesching trat ebenfalls mit Schärfe den Forderungen der I. Kammer entgegen und stellte fest, daß die Bedeutung der 1. Kammer im Lande durchaus»