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Amts- und AnzeigeAlaLL für den Aezirk Kalw.
77. Jahrgang.
SrlchNu! Dienktagi, Dvnuirstagr und Sam «lag». Li« Si»rück»»gkgebühr dkirügt im Bezirk und in nächster r Big, di« Zeile, weiter eutsern! 12 Psg.
Donnerstag, den 31. August 1902.
Vierteljährlicher LbonnementSprei» in der Stadt Mi. 1.10 in» Hau» gebracht, ML. 1. IS durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1. 8b.
Sagesneuigkeiten.
X Calw. Seit einigen Tagen weilen der französischeConsulBaronPallu de la Barriere mit Gemahlin, sowie Baron Armand de la Barriere mit Gemahlin und Mr. Neltner, Attache des auswärtigen Amtes von Paris hier und haben im Hotel Waldhorn Wohnung genommen. Die hohen Herrschaften machen täglich Ausflüge mit 2 Motorwagen in die schöne Umgegend.
Salmbach, O.A. Neuenbürg, 18. August. Heute vormittag entstand im Gasthaus z. Ochsen Großfeuer, das das Gasthaus bis auf den Grund einäscherte. Alle Fahrnis des Besitzers und eines Goldarbeiters sind verbrannt. Bon hier aus griff das Feuer auf das Nebenhaus eines andern Goldarbeiters über, das ebenfalls vollständig eingeäschert wurde. Durch Flugfeuer entstand nun in dem gegenüberliegenden Anwesen ebenfalls Feuer, wodurch das Wohnhaus samt Scheuer und 2 weitere Anwesen ein Raub der Flammen wurden. So sind im Ganzen 5 Häuser niedergebrannt. Die Gebäude sind versichert. Die Entstehungsursache ist unbekannt.
Leonberg, 19. Aug. Vergangenen Samstag ist der in weiteren Kreisen bekannte Oekonom Friedrich Fritz von Münchingen das Opfer eines Unglücksfalls geworden. Beim Ausfahren mit dem Getreiderechen scheute das Pferd, wobei Fritz abgeworfen und so schwer verletzt wurde, daß er nach wenigen Stunden starb. Ein verheirateter Fuhrknecht der Bisstnger Kunstmühle wurde bei dem Versuch, das Pferd des Verunglückten aufzuhalten, von der Deichsel des Rechens so schwer getroffen, daß ihm der Brustkasten eingedrückt wurde und auch er am Tag darauf seinen Verletzungen erlag.
Cannstatt, 18. Aug. Die Daimler- Motoren-Gesellschaft läßt gegenwärtig auf ihrem hiesigen Grundstück mehrere Bauten ausführen, um für weitere Arbeitskräfte Raum zu
schaffen. Die Gesellschaft ist auf zwei Jahre mit Aufträgen versehen, besonders in Rennwagen.
Neckarsulm, 18. Aug. In den Weinbergen des Martin Fischel am Scheuerberg sind reife Frühtrauben anzutreffen.
Kirchheim u. T. Wie manchmal in der Hitze eines Abstreichs vorgegangen wird, zeigte sich hier dieser Tage. Die Arbeiten zu dem neuen Leichenhaus waren zu vergeben und da haben der Flaschner nicht weniger als 15'/-, der Maler aber gar 30'/-°/» vom Ueberschlag abgeboten. Entweder sind die Preise gut angesetzt oder aber arbeiten die Akkordanten sehr billig.
Ulm, 16. Aug. Daß sich alte Leute nicht mehr entsinnen können, an welchem Tage sie geboren sind, kommt häufig vor, daß sich aber jemand um ganze 4 Jahre verrechnet und noch dazu zu seinen Ungunsten, dürfte selten sein. Eine Fabrikarbeiterin erhob unter der Angabe, sie sei am 1. Mai 1832 geboren, Anspruch auf die Altersrente. Es stellte sich aber heraus, daß sie schon am 1. Mai 1828 geboren wurde. Vier Jahre der Altersrente gingen ihr durch diesen Irrtum verloren.
Tettnang, 18.Auz. Die Frühhopfen - ernte hat nunmehr begonnen. Der Ertrag ist reichlich. Ueber Preise verlautet noch nichts.
Pforzheim, 18. August. Ueber das finanzielle Ergebnis des Kreisturnfestes verlautet, daß dasselbe ein in jeder Hinsicht glänzendes zu nennen ist. Der Turnverein selbst soll trotz der feinen Ausstattung des Platzes einen namhaften Ueberschuß erzielt haben. Die Schaubudenbesitzer und Wirte re. wollten zwar für den gestrigen Sonntag nochmals Konzession haben, doch wurde ihnen dies vom Bezirksamt verweigert. Sie dürften angesichts des großen Besuchs an den Festtagen doch auf ihre Kosten gekommen sein. Die Arbeiten ander Enzkorrektion schreiten rüstig vorwärts.
Fast in jeder Sitzung des Bezirksrats stehen einschlägige Projekte auf der Tagesordnung. Auch hinsichtlich der Ausnützung der Wasserkraft zu Licht- und Gasanlagen macht sich ein lebhaftes Interesse bemerkbar. Gegenwärtig stehen die Gemeinden Pforzheim-Stadt und Dill-Weißenstein um. die staatliche Genehmigung für ein vorgelegtes Projekt im Wettbewerb.
Vom Gebiet, 17. Aug. Ein reicher Obstertrag, wie seit 2 Jahren nicht mehr, steht dieses Jahr wieder in unserer Gegend in Aussicht, trotz des schlechten Wetters, welches das Frühjahr uns brachte. Am besten sieht man dies daran, daß in einzelnen Orten in den Gemeindewäldern sehr viele Baumstützen gehauen werden, ebenso auch in Privatwaldungen. Besonders gibt es viele Aepfel; Birnen sind sortenweise weniger zahlreich geraten.
Karlsruhe, 18. Aug. Auf dem hiesigen Hauptbahnhof ereignete sich ein Eisenbahnzusammenstoß. Eine Güterzugmaschine fuhr dem um 10 Uhr 42 Minuten von hier abgehenden Schnellzug Stuttgart-München in die Seite. Zwei dicht besetzte Wagen dritter Klasse wurden aus dem Geleise gehoben, einer umgeworfen. Nur wenige Reisende wurden leicht, ein Schaffner schwer verletzt.
Ensisheim, 16. Aug. Ueber den Vorfall in dem hiesigen Zuchthaus, bei dem ein Sträfling erschossen wurde, berichtet der „Expreß": Der Sträfling gelangte auf seiner Flucht auf das Dach und bombardierte einen ihn verfolgenden Wächter mit den Dachziegeln, sodaß sich dieser ihm nicht nähern konnte. Der Wächter rief nun um Hilfe, und das Wachtkommando besetzte die Mauer. Der wachthabende Leutnant forderte den Flüchtling auf, sich zu ergeben. Dieser setzte aber sein Bombardement um so eifriger fort. Darauf erhielt ein Unteroffizier Befehl zum Schießen. Der Schuß traf und der Sträfling fiel herab. Ec hauchte bald seinen Geist aus. Der aufregende Vorfall hatte eine große Menschenmenge herbeigelockt.
Nachdruck verboten.
Waller (Larpenter's Nachlaß.
Original-Roman von Jos. Bai erlein.
(Fortsetzung.)
„Noch mehr," fuhr der junge Herr fort, „der Mann, um den es sich handelt, hieß also nicht nur Walter Zimmermann, sondern er hat auch bei seiner Auswanderung einen Bruder „Hermann" in Deutschland zurückgelassen. Dieser Hermann war unser seliger Vater. Die Zeit der Auswanderung, das Heimatland, der Name und der Bcudersname des ehemaligen Besitzers von C)esnut- Point im australischen Queensland weisen daher mit zwingender Notwendigkeit auf unseren verschollenen Onkel hin. Das hat auch dein Bräutigam gefunden."
„Entschuldige mich, Walter, wenn ich etwas hart von Begriffen bin," warf Marie ein; „allein ich komme nicht weg darüber, daß in der ganzen Aufforderung unser Familiennamen kein einziges Mal enthüllen ist Ware der Bruder des Australiers deutlich als Hermann Zimmecmann bezeichnet, würden auch meine Zweifel schnell gehoben sein. Allein so-"
„Du bist ein sehr verständiges Mädchen, und ich g'st.h: gerne, daß auch ich mich anfangs über diese Schwierigkeit leiht hinwegfand. Deutsche Notars und Rechtsanwälte hätten der fraglichen Bekanntmachung jedenfalls ein: bessere, allen Irrtum ausschließende Fassung gegeben. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß wir's im vorliegenden Fall mit einem australischen Sachoerwaller zu thun haben, der vielleicht nach deutschen Begriffen nicht einmal juristisch gebildet ist, wie denn Queensland überhaupt erst sei etwas über vier Jahrzehnten ein: Verfassung besitzt. Da mag in dem wilden, zumeist nur an der Käst: besieoellen Lands
manches noch unfertig sein, manches sich in Geleisen bewegen, über die ein Europäer den Kopf schütteln würde. Lassen wir aber den Umstand bei Seite, daß in der Aufforderung hinter dem Wort Hermann der Familienname unseres Vaters fehlt, so stimmt alles so gut zusammen, daß der Schluß, Walter Carpenter sei mit dem verschollenen Onkel identisch gewesen, seine volle Berechtigung findet."
„Julius, was hältst du von Allem?" wandte sich Marie an ihren Bräutigam
„Wie dir dein Bruder sagte, bin ich ganz seiner Meinun g, antwortete dieser mit vollklingender Stimme. „Es darf nicht das geringste versäumt werden und deshalb sind wir Beide hier."
„Darf ich um Erklärung bitten, wie ich das zu verstehen habe?"
„Das will sagen," ergriff Walter wiederum das Wort, „daß ich und Julius uns entschlossen haben, der Aufforderung des Rechtsanwalts Folge zu leisten und gemeinsam die Reise nach Australien zu unternehmen. Unser heutiger Besuch ist daher ein Abschied für längere Zeit."
„Um Gott!" rief Maris erschrocken, und Thcänen traten in ihre Augen.
„Nimm die Sache nicht schwerer, als sie ist", tröstete sie der Bruder, „sondern vernimm weiter! Als ich die Bekanntmachung des Brisbaner Blattes genugsam überdacht und mir meine Schlüsse zurechtgelegt hatte, forschte ich vor allem nach, ob ähnliche Mitteilungen auch in deutschen Blattern erschienen seien. Zu meiner Befriedigung fand ich, daß eine Anzahl namhafter preußischer und anderer Zeitungen die gleiche Aufforderung wortwörtlich enthielten. Dies gab mir die Gewißheit, daß Walter Crrpenters "Nachlaß einen bedeutenden Wert repräsentieren müsse; denn wegen Kleinigkeiten stellen dis Australier keine kostspieligen Erkundigungen in Europa an. Solcher Ansicht war ohne Zweifel auch ein süddeutsches Blatt, welches auf die Bekanntmachung in einem Leitartikel hin- ' wies, der die Ueberschrift führte: „E.ne australische Millionensrbschaft in Sicht!"