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nahm einen sehr belebten Verlaus. Geh. Kom­merzienrat G. Benger toastete auf Prof. Jäger und verlas ein Schreiben des Ministeriums deS Innern, wonach Jäger die große Medaille für allg. Verdienste um Gewerbe und Handel ver­liehen worden ist. Prof. Jäger brachte sodann ein Hoch auf den König aus und ließ seine Geschäftsfreunde leben. Von Fabrikanten des Wollregimes wurde Jäger ein prachtvolles Album mit Photographien und Widmungen überreicht, von der Vertretung des Wollregimes in Eng­land ein silberner Humpen, aus Berlin war ein Lorbeerkranz gestiftet worden, aus Frankfurt a. M. ein Becher u. s. w. Außerdem kam eine große Zahl Glückwunschdepeschen aus aller Herren Länder zur Verlesung.

Ulm, 23. Juni. Konditor Bonz, der vor 5 Monaten sein künstliches Gebiß verschluckte, fühlte am Freitag Plötzlich solche Beschwerden, daß zu einer Operation geschritten werden mußte. Gestern früh erlag er seinem eigentümlichen Leiden. Das Gebiß fand sich 4 Finger breit über dem Magen, in der Speiseröhre steckend.

Bietigheim, 23. Juni. Die Tierärzte der Oberamtsbezirke Besigheim, Brackenheim, Maul­bronn und Vaihingen a. Enz versammelten sich am Sonntag im Hotel z. Post in Bietigheim zum Zweck der Beratung von Standesinteressen. Betreffs der Ausübung der tierärztlichen Privat­praxis wurde eine einheitliche Grundtaxe be­schlossen, die sofort in Kraft tritt.

Stuttgart. sLandesvroduktenbörse.j Bericht vom 23. Juni von dem Vorstand Fritz Kreglinger. Gegen Mitte der abgelausenen Woche sandte Amerika höhere Forderungen für Brotfrüchte, am Schluß wurden die Preise wieder zu Gunsten der Käufer ermäßigt. Die heut. Börsewar schwachbesuchtund ohne größere Kauflust. Mehl preise pr. lvv Kilogr. inkl.Sack: Mehl Nr. 0:29 «k bis 29 so ^ , Nr. 1: 27 -4t ^», bis 27 -4t

50 ^!, Nr. 2: 25 ^ SO ^ bis ^ Nr. 3:

24 ^t ^ bis 24 ^ so ^, Nr. 4: 21 ^ bis

21 50 Suppengries 29 ^t ^ bis 29 «kt SO

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Ausland.

London, 23. Juni. Der britische Feld­marschall Lord Roberts gab gestern abend zu Ehren des Preußischen Generalfeldmarschalls Grafen Waldersee und der hier eingetroffenen deutschen Offiziere ein Festmahl. Bei demselben brachte Graf Waldersee ein Hoch auf König Eduard aus und sagte:Ich habe die Ehre, an den gegenwärtigen Festlichkeiten teilzunehmen. Die Thatsachr, daß ich im letzten Jahre die Ehre hatte, britische Truppen zu befehligen, erhöht meine Freude und Genugthuung, heute der Gast eines so ausgezeichneten Oberbefehlshabers der britischen Armee, des stets siegreichen Feld- umrschalls, meines Wirtes, zu sein. Die deutschen Soldaten wissen alle sehr wohl, wie schwer und mühselig die Aufgabe war, welche die britische Armee in Südafrika zu bewältigen hatte. Wir wissen auch, daß Offiziere und Mannschaften ihre Aufgabe mit der äußersten Hingabe an ihr Land, mit Tapferkeit und Menschlichkeit, erfüllten. Lord Roberts hieß in seiner Erwiderung den Grafen Waldersee herzlich willkommen. Die britischen Soldaten seien dem Grafen Waldersee sehr dankbar für seine freundliche Gesinnung und die anerkennenden Worte. Er schloß mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser und das große deutsche Heer.

Der Gesamtverlust der englischen Armee im Burenkriege beträgt, wie derVoss. Ztg." aus London gemeldet wird, nach einer amtlichen Aufstellung des Kriegsamts 28434 Mann. Es starben 1042 Offiziere und 20870 Mann in Südafrika, sowie 8 Offiziere und 500 Mann nach der Rückkehr nach England. 105 Mann werden noch vermißt und 5879 Mann sind in­valide geworden.

Aus Pretoria wird gemeldet: General­gouverneur Miln er hat am Sonntag den Eid als Gouverneur von Transvaal und Höchstkomman­dierender der Kolonie geleistet. Ebenso sind ein gesetzgebender und ein ausführender Rat ein­gesetzt worden.

Die Deutschen in Johannesburg wählten aus ihrer Mitte eine Abordnung zur Teilnahme an den dortigen Festlichkeiten anläß­lich der Krönungsfeier. Zugleich richteten die leitenden Persönlichkeiten der deutschen Kolonie

eine Zuschrift an denLeader," in welcher sie von den Uebertreibungen einer schlecht unter­richteten. d. h. antienglischen, Presse sprechen und die neue britische Herrschaft in Transvaal be­grüßen. Die Johannesburger Deutschen scheinen demnach für die vergewaltigten Burenrepubliken nicht viel übrig zu haben!

Die Vereinigten Staaten von Nord­amerika rüsten sich allem Anscheine nach mit aller Energie für einen Krieg und zwar sowohl durch die Erbauung zahlreicher Kriegsschiffe, als auch durch die Verstärkung ihres Landes­heeres. Daß diese Rüstungen England gelten, darüber dürfte kaum ein Zweifel herrschen und zwar umso weniger, als die Engländer, so lange sie im Krieg mit den Buren lagen, ihre sonstige Zetteleien und Anmaßungen klugerweise unter­ließen, jetzr aber mit diesen wieder beginnen. Wegen einer Eisenbahnkonzession in China ist schon ein ziemlich scharfer diplomatischer Zwist zwischen Rußland und England ausgebrochen und man kann noch gar nicht wissen, ob nicht schon diese Angelegenheit zu einem russischen englischen Krieg führen könnte. Käme es zu einem solchen Krieg, so würden die Amerikaner ohne weiteres in Kanada zugreifen.

London, 23. Juni. Nach einem Telegramm aus Schanghai wurde der chinesische Kreuzer Kaichih" gestern bei Jangtse durch eine Explosion vernichtet. Das Schiff sank innerhalb 30 Se­kunden. Nur 2 Mann wurden gerettet. 150 Mannschaften und Offiziere kamen um.

Die chinesische Regierung beabsichtigt, wie dieTimes" aus Peking meldet, an die fremden Mächte die Bitte zu richten, ihr zu ge­statten, 3 bis 4 Jahre lang ihre Zahlungen in Silber zu leisten. Die Differenz zwischen dem zu zahlenden und dem wirklich gezahlten Gelde solle durch erhöhte Nachzahlungen ausgeglichen werden.

Kasan (Ural), 23. Juni. Gestern brach eine große Feuersbrunst in der Tartarenstadt aus, welche sich über 12 Stadtviertel verbreitete. Der Brand wurde erst heute gelöscht. Der Schaden wird auf mehrere Millionen geschätzt.

Neueste Nachrichten«. Telegramm.

Karlsruhe, 24. Juni. Die zweite Kammer hat die Rheinregulierungsvorlage nach dem Kom- misionsantrage angenommen, nachdem der Antrag Dresbach auf Vertagung mit allen gegen 10 Stimmen abgelehnt worden war.

London, 24. Juni. Das Krönungsfest ist wegen Unpäßlichkeit des Königs auf unbe­stimmte Zeit verschoben worden.

London, 24. Juni. Ein über die Erkrank­ung des Königs ausgegebenes amtliches Bulletin lautet: Der König leidet an Blinddarmentzünd­ung. Sein Befinden war am Samstag so be­friedigend, daß er hoffte, dank der ärztl. Be­handlungsich den Krönungszeremonien unterziehen zu können. Gestern abend verschlimmerte sich der Zustand des Königs so, daß heute eine Operation nötig wurde.

London, 24. Juni. Die Operation des Königs fand nachmittags 2 Uhr statt. Der Earlmarschall hat vom König den Befehl erhalten, das tiefe Bedauern des Königs bekannt zu geben, daß wegen seiner ernsten Erkrankungjdie Krönungs­zeremonien verschoben werden mußten. Alle in London geplanten Festlichkeiten werden infolge dessen ebenfalls aufgeschoben werden, aber der König hofft, daß die Festlichkeiten in den Pro­vinzen stattfinden werden, wie festgesetzt worden war. Der König hat dem Lordmajor den Wunsch aussprechen lassen, daß das Festessen für die Armen nicht verschoben werde.

London, 24. Juni. (Unterhaus.) Der erste Lord des Schatzes, Balfour, erklärt, die Operation des Königs sei vorgenommen und auf das erfolgreichste durchgeführt worden. Das Befinden des Königs sei den Umständen nach das denkbar günstigste. Die Krankheit des Königs sei Blinddarmentzündung.

London, 24. Juni. Das um 6.40 Min. ausgegebene Bulletin lautet: Das Befinden des Königs macht weiter befriedigende Fortschritte.

Er hat durch die Operation große Erleichterung erfahren.

London, 24. Juni. Das Reutersche Bureau erfährt, daß in der Regel ein an demselben Leiden Erkrankter, wie es der König habe, 4 bis 5 Wochen darniederliegt. Ueber die Abreise der ausländischen Gäste ist noch nichts entschieden. Es heißt indessen, die Rückreise werde erfolgen, sobald bestimmte Mitteilungen über die Operation vorliegen. In amtlichen Kreisen ist man der Ansicht, daß der Zustand des Königs ziemlich ernst sein muß; sonst würde die Operation nicht jetzt vorgenommen worden sein.

London, 24. Juni. Es fehlt an Worten, um die Bestürzung und den Schmerz auch nur anzudeuten, mit denen die Bevölkerung die Nach, richt von der Erkrankung des Königs und de« Aufschub der Krönung entgegengenommen hat. Das erste Anzeichen der kommenden Beunruhig­ung war die plötzliche Berufung der Vertreter der Presse nach dem Buckinghampalast, wo der Privatsekretär des Königs ihnen das von den ersten Aerzten des Landes Unterzeichnete Bulletin mitteilte. Mittlerweile war die Nachricht nach dem Unterhause und anderen Mittelpunkten ge­langt. Telegraph und Telephon verbreiteten sie auf das schnellste in ganz London. Die fest­täglich gestimmte Menschenmenge, die sich in den Straßen drängte, wurde wahrhaft in Bestürzung versetzt und von Entsetzen ergriffen, als die Abendblätter erschienen und große Plakate von den Erreignissen berichteten. An der Börse er­fuhren Konsols einen scharfen Kursrückgang. Die volle Bedeutung und Schwere der Nachricht kam jedermann sofort zum Bewußtsein. Der König erschien dem Auge des Laien gestern, als er im Buckinghampalast eintraf, wohl aussehend, aber das klar sehende Auge des Arztes, das ihn scharf beobachtete, bemerkte, daß er sehr krank war, Schon der bloße Name der Krankheit, an dem der König leidet, flößt Schrecken ein.

Paris, 24. Juni. Die durch Extrablätter verbreitete Nachricht von der schweren Erkrankung des Königs Eduard und die Aufschiebung der Krönung haben hier große Sensation hervorgerufen.

Berlin, 24. Juni. In den Kreisen unserer angesehensten medizinischen Autoritäten ist man auf den Grund der bisherigen Berichte über die Erkrankung König Eduards der Ueberzeugung, daß die heute vollzogene Operation keine Lebens­gefahr bedeutet. Hier in Berlin werden solche Operationen sehr häufig vorgenommen. Der chirurgische Direktor des städtischen Kranken­hauses, Geh. Medizinalrat Dr. Sonnenburg, hat solche Operationen bereits in Zahl von mindestens 1800 mit großem Erfolge ausgeführt. Die Kranken Pflegen meist innerhalb dreier Wochen wiederhergestellt zu sein. Es ist anzunehmen, daß die Blinddarmentzündung beim König Eduard nach der Operation den gleichen guten Verlauf nehmen wird. (Der Blinddarm mit seinem wurmförmigen Fortsatz bildet eine Art Sackgasse auf dem Verdauungswege und hält als solche Verdautes und Halbverdautes mitunter iu solcher Menge zurück, daß die heftigsten Entzündungen der Umgebung entstehen können. Sind auch in unserer Zeit der fäulnisfreien Wundbehandlung solche operativen Eingriffe nicht mehr so schreck­haft wie früher, so kann doch niemals vor der Operation die Größe der Entzündung festgestellt und auch nicht der günstige Erfolg des Eingriffs mit unabweislicher Sicherheit vorhergesagt werden. Die Gefahr für den König ist demnach sehr groß gewesen, die Abhaltung der Krönungsfeier aber vorderhand unmöglich. D. Red.j

Mutmaßliches Wetter am 25. und 26. Juni.

Für Mittwoch und Donnerstag ist noch immer mehrfach bewölktes, aber nur von ganz vereinzelten Gewitterstörungen unterbrochenes, trockenes Wetter in Aussicht zu nehmen.

Am 26. und 27. Juni.

Das barometrische Maximum liegt nunmehr mit 769 mm über Nordwestfrankreich, Belgien, England, der ganzen Nordsee und entlang der norwegischen Küste, sowie m Nordskandinavien. Der Luftwirbel über den russischen und südlichen Ostseeprovinzen ist auf 755 mm abgeflacht und weicht jetzt ostwärts zurück. Bei vor­herrschend westlichen Winden und mäßiger Gewitter­neigung ist für Donnerstag und Freitag warme Tem­peratur, sowie vorwiegend heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.