Deutsches Aeich
Der Kaiser hat im Rathause zu Aachen eine hochbedeutsame Rede gehalten. Er kennzeichnete darin in geistvoller Weise die Aufgaben, die dem neuen deutschen Kaisertum gestellt sind. Zur Lösung dieser Aufgaben aber sei vor allem die Aufrechterhaltung der Religion im Volke erforderlich. Geistliche wie Laien ermahnte der Kaiser hierauf in bewegten Worten, ihm bei Aufrechterhaltung der Religion ihre Hilfe zu gewähren. Bei dieser Gelegenheit teilte er einen Ausspruch des Papstes mit, den dieser zu General Lob gethan hat, und der dahin lautet, daß dank dem Wirken Kaiser Wilhelms das Land in Europa, wo noch Zucht, Ordnung und Disziplin herrsche, Respekt vor der Obrigkeit, Achtung vor der Kirche, und wo jeder Katholik ungestört und frei seinem Glauben leben könne, das deutsche Reich sei. Der Kaiser schloß mit dem Bekenntnis zu Christus und dem Gelöbnis religiöser Treue. — Zwei Wochen vor dem Bekanntwerden dieser päpstlichen Aeußeruug. die in dem stark protestantischen Deutschland den ort für religiöse Toleranz erblickt und dieses eich gewissermaßen als einzige Zufluchtsstätte des überall bedrängten katholischen Glaubens hinstellt, erließ die Konferenz der deutschen bayerischen Bischöfe einen gemeinsamen Hirtenbrief, drr die Sachlage im feierlichen Schlußwort folgendermaßen darstellt: „Wir Katholiken sind in unserem bisherigen ruhigen Besttztume widerrechtlich durch zahllose und freche Angriffe gestört und können nicht mehr wie bisher nur für den Ausbau und die Ausschmückung unseres Hauses Sorge tragen, sondern sehen uns, da wir von keiner Seite den genügenden Schutz erhalten, gezwungen, das Schwert aus der Scheide zu ziehen, um unser Heiligtum gegen die anstürmenden Feinde zu verteidigen. Wir werden uns hüten, jemand persönlich zu verwunden, aber wir werden das Schwert führen für die Wahrheit gegen den Irrtum und am Schlüsse des Kampfes triumphierend verkünden: Voritns vielt!" — Was ist Wahrheit?! — Eine bemerkenswerte Stimme aus Wien s^t: lieber die Aachener Rede des deutschen Kaisers äußert sich das konservative „Vaterland" folgendermaßen: Viele und freudige Zustimmung erheischen die Schlußworte des deutschen Kaisers, in welchen die Bedeutung der christlichen Religion eine so nachdrückliche Anerkennung findet. Dieses freimütige Bekenntnis des Kaisers Wilhelm wird ihm die Sympathien der gesamten gesitteten Welt sichern.
Berlin, 21. Juni. Das „Reichsgesetzblatt" veröffentlicht das Gesetz betreffend Aufhebung der außerordentlichen Gewalten des Statthalters in Elsaß-Lothringen vom 28. Juni 1902.
Wie Sachsen König Albert sein erfolgreiches Schaffen für des Landes - Wohlfahrt niemals vergessen wird, so gedenkt das gesamte deutsche Volk an der Bahre des erlauchten Fürsten in Dankbarkeit seines Wirkens in Rat und Thal, als es galt, das neue deutsche Reich zu begründe». In den Reihen der ersten, die sich damals, als die Würfel fielen, durch hervorragende Mitarbeit auszeichneten, stand König Albert, und seit das Werk vollendet, blieb der Monarch ein eifriger Wahrer und Mehrer des nationalen Gutes. Emen nimmer welkenden Lorbeerkranz legt das deutsche Vaterland auf den Sarg des Königs Albert.
Das Leiden des verstorbenen Königs Albert war Blasenkrebs. Geh. Rat v. Bergmann hatte s. Zt. die Krankheit diagnostiziert und damals noch eine Lebensdauer von etwa ö Jahren erwartet. Die Prognose ist ziemlich genau in Erfüllung gegangen.
Dresden, 21. Juni. Die Vereidigung der Truppen der sächsischen Armee ist heute Vormittag 9^2 Uhr erfolgt. Die Eröffnung des Testaments des verstorbenen Königs ist bis nach der Beisetzung verschoben. König Georg hat heute mittag das gesamte Staatsministerium im Amte bestätigt und demselben drahtlich sein königliches Vertrauen ausgesprochen.
Sibyllenort, 20. Juni. Die „Köln.Ztg." berichtet als Kuriosum vom königlichen Hoflager, daß das gesamte Hoflager dauernd in jedem Sommer sein ganzes Trinkwasser von Dresden aus bezieht. Das Sibyllenorter Wasser ist
nämlich schlecht. Das Wasser kommt von Dresden täglich mit der Bahn in mehreren kupfernen Behältern, in denen schon vor 2 Jahrhunderten die sächsischen Kurfürsten und Könige von Polen ihr Trinkwasser von Dresden sogar bis nach Warschau Mitnahmen oder sich kommen ließen.
Karlsruhe, 22. Juni. Das Schauspiel- Ensemble des Stuttgarter Hoftheaters begann heute im hiesigen Hoftheater einen Gastspielcyklus von 4 Vorstellungen mit der Aufführung des Dramas „Die rote Robe" von Brieux. Das vollbesetzte Haus spendete den Künstlern wiederholt reichen Beifall.
Berlin, 21. Juni. Die Firma A. Borsig beging heute in einem Festakt die Uebergabe ihrer 5000. Lokomotive. Eine Anzahl Minister, Vertreter der Stadtbehörde, der technischen Hochschule usw. wohnten der Feier bei. Der Gründer der jetzigen Weltfirma war bekanntlich ein einfacher Zimmermann.
E m s, 18. Juni. Die diesjährige, am 13. Juli stattfindende Kaiser Regatte wird dadurch noch ein erhöhtes Interesse beanspruchen können, als diesmal ein französischer Ruderverein erstmalig an derselben Teil nimmt. Es hat nämlich der „Rovingklub" in Paris zwei Meldungen ergehen lassen, eine in Senioren-Einser und eine Doppelvierer.
Schwarzseherei.
Der Reichskanzler Graf Bülow hat sich kürzlich vom allgemeinen deutschen Standpunkte aus gegen die politische Schwarzseherei ausgesprochen. Den Anlaß dazu bot der Umstand, daß er auf den Pessimismus hingewiesen wurde, der in einigen Blättern bei der Beurteilung der innern und auswärtigen Verhältnisse Deutschlands zum Ausdruck gekommen ist. Bei einem Teile der nationalen Presse — so etwa sagte der Reichskanzler — bestehe ein Hang zu künstlicher Schwarzseherei, den er nicht als berechtigt anerkennen könne. Gerade die nüchterne Beurteilung des allgemeinen Zustandes der einzelnen Großmächte müsse doch feststeüen, daß keine Mit dem Gange ihrer öffentlichen Angelegenheiten, im Innern wie nach außen, so zufrieden sein könne, wie gerade Deutschland. Der vorteilhafte Abstand gegen die Verhältnisse in andern Staaten sei doch so bedeutend, daß ein Vergleich ernstlich kaum in Frage komme.
Das ist ohne Frage richtig. Sogar von ausländischen Blättern wird anerkannt, daß der Reichskanzler hier einen wunden Punkt in unserm öffentlichen Leben berührt hat. Ein von den Deutschen in Amerika viel gelesenes Blatt, die „NewIorker Staatszeitung," schreibt unter anderm: Genörgelt muß werden, das gehört einmal zum deutschen Nationalcharakter und mit zum täglichen Brot. Wenn man die verschiedenen deutschen Zeitungen und ihre Klagen über der Zeiten schwere Not liest, müßte man denken, daß das alte Vaterland am Rande des Verderbens stehe- Die Konservativen jammern, daß die Regierung sich mit Haut und Haaren dem Liberalismus verschrieben habe. Die Liberalen seufzen, daß der Brotwucher, die Verteuerung der Lebensmittel des armen Mannes das Programm der Regierung bilde und die ärgste Reaktion vor der Thür stehe. Was Wunder, wenn im Ausland, das nicht weiß, daß die Klagen gar nicht so ernst gemeint sind, bei jedem Zusammenbruch eines schwindelhaften Privatunternehmens, bei jeder amtlichen Ankündigung eines bevorstehenden Defizits der wirtschaftliche Ruin Deutschlands mit Bestimmtheit voraus gesagt wird. Es sind ja die deutschen „maßgebenden" Blätter selbst, welche als Beweis für diese Ansicht herangezogen werden. Da ist das mahnende Wort des Reichskanzlers wohl am Platze.
In der That ist der Gang der öffentlichen Angelegenheiten in Deutschland heute durchaus zufriedenstellend. Und daß dies der Fall ist, ist in erster Linie der langen Friedens-Periode zu verdanken, in welcher Deutschland Gelegenheit gehabt hat, wirtschaftlich und auch politisch die Glieder zu recken. Die letzte Rede des Kaisers bei seinem Besuche der Reichslande ist wohl nicht gehörig gewürdigt worden. Andre große Ereignisse, so das Unglück von Martinique, überschatten den Kaiserbesuch. Kaiser Wilhelm hat
das Wort Talleyrands, daß die Sprache dazu da sei, um die Gedanken zu verbergen, zu Schanden gemacht. Seine Worte geben stets seine Gedanken wieder und wenn da der Mund manchmal auch überströmt von dem, dessen das Herz voll ist, so bildet gerade die Offenheit, mit welcher der Kaiser seiner Ansicht Ausdruck gibt, eine Eigenheit, welche untrennbar ist von der ganzen Persönlichkeit Wilhelms II.
Friedensworte von eminenter Bedeutung waren es, welche der deutsche Kaiser an die Delegation der Reichsländer gerichtet hat, die gekommen war, um für die Aufhebung des Diktatur-Paragraphen zu danken. Auch diese Aufhebung, welche, wie es heißt, gleichfalls auf den eigensten Impuls des Kaisers zurückzuführen ist, beweist, daß der Gang der öffentlichen Geschäfte in Deutschland zufriedenstellend ist und es ist anzunehmen, daß die Reichsländer das Vertrauen, welches in ihre Loyalität gesetzt wird, rechtfertigen werden. Ob die Worte des Reichskanzlers viel helfen werden, erscheint allerdings zweifelhaft. Die Nörgelei wird fortgesetzt werden. Aber es ist immerhin gut, daß auch das Ausland einmal aus berufenem Munde erfährt, daß es um Deutschland denn doch nicht so schlimm steht, als jene gewohnheitsmäßige Nörgelei und Schwarzseherei es darstellt.
Württemberg.
Stuttgart, 21. Juni. Die heutige Sitzung der Abgeordnetenkammer wurde durch die Beratung und Beschlußfassung über 7 Eingaben, Beschwerden u. s. w. des Frhrn. v. Münch ausgefüllt, in denen er verschiedenen hohen Justiz- beamten des Landes bis hinauf zum Juftizmimster die schwersten Vorwürfe macht. Berichterstatter Nieder beantragte namens der Petitions-Kommission Uebergang zur Tagesordnung über sämtliche 7 Eingaben, welche eine Reche der schwersten Beschuldigungen gegen eine Reihe hoher württ. Staatsbeamten, insbesondere gegen den Minister v. Pischek, enthalten. Im Lauf der Sitzung lief noch telegraphisch eine achte Eingabe des Frhrn. v. Münch ein. Haußmann Balingen regte an, wenigstens die 7. Eingabe der Regierung zur Kenntnisnahme oder Erwägung zu übergeben, und bemängelte in verschiedenen Punkten das Vorgehen der württ. Behörden, v. Geß erklärte sich mildem Kommissionsantrag einverstanden. Minister v. Pischek rechtfertigte in allen Punkten das Verhalten des Ministeriums und verteidigte dasselbe auch nachdrücklich gegen die Vorwürfe des Abg. Keil. Der Komunssions- antrag wurde hierauf angenommen. Am nächsten Mittwoch beginnt die Beratung des Einkommensteuergesetzes.
Ueber die Erntezeit finden, wie in früheren Jahren, auch diesmal mit Genehmigung des K. Generalkommandos zur Unterstützung der Angehörigen größere Beurlaubungen von Mannschaften statt, soweit es das dienstliche Interesse gestattet. Diese Gesuche sind von den Angehörigen nur an den Truppenteil, bei welchem der zu Beurlaubende steht, einzureichen, aber nicht bei einer höheren Dienststelle.
Stuttgart, 21. Juni. Im Aufträge des Königs nimmt Herzog Robert an der Beisetzung des Königs von Sachsen teil, ebenso eine Abordnung des Regiments Alt-Württemberg (3. württ.) Nr. 121, dessen Chef der König war. Die Hoftrauer dauert vier Wochen.
Heilbronn, 21. Juni. Im Pfarrhause zu Möckmühl fand gestern die feierliche Einweihung der Gedenktafel für Schillers Schwester, Luise, Gattin des Stadtpfarrers Frank, unter zahlreicher Beteiligung statt, wobei Professor Müller-Palm - Stuttgart die Festrede hielt und die Tafel an die Stadtgemeinde übergab. Stadtschultheiß Dolde dankte bei Uebernahme der Tafel dem Vertreter des Stuttgarter Neuen Tagblatts, der die öffentlichen Sammlungen für diese Stiftung veranlaßt hatte. Stadtpfarrer Schwarz schilderte, was Schillers Schwester Luise insbesondere ihrer Mutter, die in des Dichters Leben so tief ein gegriffen hat, gewesen ist. Luisens Urenkel, Kaufmann Krieger und Frau Amalie Kießling-Krieger, dankten im Namen der Schiller'schen Verwandten und stifteten einen jährlichen Schillerpreis für fleißige Schüler. Chorgesang eröffnete und beschloß die würdige Feier.