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sollen nur dahin gehen, daß Krüger sich auf seiner Farm als Privatmann aufhalten soll. Wenn die Buren hiemit einverstanden seien, solle Krüger und den übrigen Burenvertretern ein Kreuzer zur Verfügung gestellt werden.

Brüssel, 5. Juni. Wie verlautet, werden die hier weilenden Burendelegierten vor dem hiesigen englischen Gesandten den Unterthaneneid leisten und dann nach Südafrika zurückkehren.

Der Burenkrieg.

11.

In diesem Kleinkriege entfalteten die Buren unter Führern wie Botha, de Wet, Delarcy, Kruitzinger, Hertzog, Scheepers und anderen alle ihre natürlichen Fähigkeiten. Sie nutzten die Schnelligkeit ihrer Reiterei aus uud beun­ruhigten die Engländer fortwährend, störten ihre Verbindungen und überfielen die britischen Ko­lonnen aus klug gewählten Hinterhalten. Es wurden bewundernswerte Streifzüge ausgeführt und die Engländer bis zur Verzweiflung ge- aepeinigt. Einen ganzen Winter katzbalkte man sich ohne entscheidende Erfolge herum. Den Engländern wurden riesige Verluste beigefügt, aber auch die Zahl der Buren minderte sich be­denklich. Sie vermochten frische Kräfte in die Lücken nicht zu stopfen.

Einen vollen Winterfeldzug hindurch wurde es den Engländern trotzdem nicht ermöglicht, Entscheidendes zu erreichen. Es trat ein bedenk­licher Stillstand in ihren Bewegungen ein, und Ende September 1901 war die Kriegslage fast genau dieselbe wie kurz nach dem großen Zu­sammenbruche des ersten Burenfeldzuges. Eine Wendung zum Besseren für die Engländer trat erst ein, als der Oberbefehlshaber Lord Kit- chener auf die geniale Idee verfiel, durch eine Linie von befestigten Blockhäusern, welche durch Stacheldrahtzäune und Alarmsignale mit ein­ander verbunden wurden, das in seinem Besitz befindliche Gebiet gegen die Streifscharen der Buren abzusperren und solche Vlockhauslinien zwischen die Hauptkolonnen der Buren zu schieben. An den Stacheldrahtzäuuen und Blockhäusern wurde die Reiterei der Buren zu Schanden. Einige Male gelang es zwar den Buren durch Vortreiben von Vieh, an einigen Stellen die Drahtabsperrung niedertrampeln zu lassen; das waren aber nur mehr Teilerfolge, welche an dem Gesamtergebnis der Idee Kitcheners; Absperrung des besetzten Gebietes und Trennung der ein­zelnen Kolonnen und dadurch Schaffung der Möglichkeit, mit überlegenen Streitkräften die einzelnen Kommandos der Buren abfangen zu können, nichts mehr änderten. In der That wurde eine Kolonne nach der anderen teils ab­gefangen, teils bei Durchbruchversuchen so arg mitgenommen, daß bei der Unmöglichkeit, den Rest an eine andere Kolonne anzugliedern, die Uebergabe folgen mußte oder die Kolonne einen Angriffswert nicht mehr besaß. So erschöpfte sich in langen, immer noch erbitterten Kämpfen endlich die Kampfmacht der Buren.

Der Burenkrieg ist einer der längsten der modernen Kämpfe und einer der interessantesten in Bezug auf die strategische und taktische Be­deutung. Die Eigenart des Landes, die Be­sonderheit der klimatischen Verhältnisse, die Art der Heeresverfasfung der beiden Krieg führenden Staaten werden bei einer Frage:Was lehrt uns der Burenkrieg?" für europäische Verhält­nisse nicht viel Neues zu finden gestatten. Das Hauptsächlichste ist der Einfluß der Wirkung der neuesten kleinkalibrigen Geschosse auf die Taktik. Es werden in Zukunft Wohl mehr als bisher die Feldbefestigung in Anwendung zu kommen haben und infolge der durch die erhöhte Feuer­wirkung der modernen Gewehre bedingten loseren Aufstellung der Schützenlinien usw. die Gefechts­fronten ausgedehnter werden. Die Ausnützung des Geländes wird in einem künftigen Kriege auch in Europa eine erhöhtere sein müssen als bisher. Doch das sind eigentlich keine neuen Lehren. Die Praxis des Burenkrieges hat die schon lange ausgestellten Theorieen unserer Tak­tiker eigentlich nur bewiesen.

Der Verlauf des Krieges zeigte bei den Buren und Engländern die Schäden ihrer Heeresorganisation. Bei den Buren fehlte es im Anfänge des Krieges an einem festen Willen, der sich in seiner rücksichtslosen Initiative zeigte und an einer strammen Disziplin. Die Buren wurden durch die Wirkung ihrer weittragenden Gewehre auch verführt, der Defensive allzusehr zu huldigen. Sie versäumten durch ihr an sich ganz kluges, aber nur in Verbindung mit einer sich daran anschließenden Offensive Erfolge zeitigendes Lauern hinter Kopsen und Fels­trümmern, den Sieg, der ihnen in den ersten Monaten winkte. Erst als die Not sich nach Kronjes Zusammenbruche aus den ihnen unge­wohnten großen Truppenverbänden löste und sie in kleinen Kommandos sich individuell freier fühlten, besannen sie sich auf die Stärke ihrer Tugend, nützten die Beweglichkeit der Reiterei aus und brachten die Engländer in schwere Ver­legenheiten. Aber auch die oft bewunderns­werten kühnen Streifzüge der großen Buren- männer Botha, de Wet, Steijn, Kruitzinger usw. konnten Entscheidendes nicht mehr erreichen, da eine einheitliche Führung unmöglich war. Nur von dem Standpunkte desdas Leben so teuer als möglich zu verkaufen- kann die Guirrilla der Buren beurteilt werden. Und die Buren verkauften es bei Gott teuer genug. Auffallend muß es bei einem Volke erscheinen, das an die Jagd, den Krieg von Jugend auf gewohnt war, daß der Spähedienst gar nicht ausgebildet war. Im ganzen Feldzug blieb dieser folgenschwere Mangel bestehen.

Den gleichen Fehler finden wir auch bei den Engländern. Vom Vorposten- und Aufklärungs­dienste hatten die Engländer keine Ahnung und lernten ihn überhaupt nicht. Aber auch in dem gesamten Felddienst zeigten sich die Engländer außerordentlich unerfahren. Sie mußten das mit wahnsinnigen Verlusten büßen. Die Un­kenntnis des Felddienstes ging bis in die höchsten Kommandostellen hinauf; es wurden von einigen hohen Truppenführern auch unglaubliche taktische Fehler gemacht, welche teils ein kriegsgerichtliches Nachspiel hatten, teils wohl noch finden dürften. Ein Nationalfehler der Briten zeigte sich auch in diesem Feldzuge wieder in seiner ganzen Stärke: Das Unterschätzen des Gegners. Neben den Schäden der Heeresorganisation, der mangel­haften Ausbildung der Truppen und der Offi­ziere weist die englische Armee aber auch hohe Tugenden auf: Sie erwies eine glänzende Tapferkeit und achtunggebietende Fähigkeit, Stra­pazen zu ertragen, die besonders in diesem Feld­zuge außerordentliche waren.

Die allgemeine menschliche Sympathie stand während des ganzen Feldzuges auf Seiten der Buren, teilweise aus Haß gegen das starke England, das seine Hände überall im Spiele hat und sich stets durch einen rücksichtslosen Egoismus auszeichnete. Dem Goliath hätte man überall gerne einen rötlichen Steinwurf aus der Schleuder Davids gegönnt. Die Fesselung des britischen Leuen, wie sie ein Mißerfolg in Süd­afrika in seinen Folgen mit sich gebracht hätte, hätte man überall gerne gesehen. So jubelte man auch in Europa und Amerika über jeden Burensieg, und die Stimmen, welche von einer Einbuße des Prestiges Englands sprachen, waren sehr laut. Man muß da gerecht sein! Wohl ist es wahr, daß sich im Heerwesen Großbritan­niens schwere Mängel zeigten, aber staunen muß man auch vor der Energie, mit der das englische Volk den Krieg durchführte. Selbst in England gibt es eine starke Partei, welche den Krieg als abscheuliche Maßnahme erachtete, aber alles war einig, daß er, einmal angefangen, auch durch­geführt werden müsse, koste es, was es wolle. Schwer hatte die englische Welt unter den Schlägen in Südafrika zu leiden, aber der eowmon 86N86 zeigte sich bei dem englischen Volke glänzend. Keine Niederlage entmutigte, nirgends zeigte sich Kleingeist. Der Krieg war angefangen, er mußte durchgeführt werden, und er wurde zähe durchgeführt. Mögen Englands Generäle in der und jener Schlacht ihren Ruf auch verloren haben, das englische Volk dürfte

! durch seine Beweise aufopferungsvoller Vater­landsliebe, Tapferkeit und Zähigkeit an seinem Prestige nichts verloren haben.

Mutmaßliches Wetter am 8. und 9. Juni.

Am Samstag und Sonntag wird sich das Wetter bei langsam steigender Temperatur zwar noch mehrfach bewölkt, aber in der Hauptsache trocken und auch zeit­weilig heiter gestalten.

Neueste Nachrichten ^ Telegramm?

Mannheim, 5. Jnni. Heute mittag 12 Uhr fand in Anwesenheit des Großherzogspaares, des Erbgroßherzogs und der Erbgroßherzogin, der Prinzen Max und Karl von Baden, sowie der Damen und Herren des Gefolges und zahlreicher geladener Gäste die feierliche Eröffnung der deut­schen landwirtschaftlichen Ausstellung statt.

London, 5. Juni. Unterhaus. In Er- widerung einer Anfrage setzt Chamberlain aus­einander, daß die Regierung nicht allen Buren, welche durch den Krieg Verluste erlitten haben, Ersatz und Hilfe versprochen habe, sondern die Regierung habe versprochen, daß denjenigen Unterstützung gewährt werden solle, die nicht im Stande seien, sich das zur Wiederaufnahme eines Handwerks nötige Werkzeuge anznschaffen. Die von der Regierung versprochene Unterstützung für die Wiedereinsetzung der Leute in ihre Heim­stätten solle allen in den neuen Kolonien domi­zilierten Unterthanen des Königs zu Teil werden. Der erste Lord des Schatzes Balfour beantragt hierauf die Bewilligung der Dotation von 50 000 Pfund Sterling für Kitchener. Redner betont die Verdienste Kitcheners und sagt, cs habe in der Geschichte Englands wenige Generale gegeben, die mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt haben und mit größeren Triumphen aus solchen Schwierigkeiten hervorgegangen seien. Der Antrag wird von Campbel-Bannerman in warmen Worten unterstützt, von Dillou dagegen bekämpft. William Redmond bekämpft den An­trag ebenfalls und sagt, Kitchener werde in der Geschichte als ein Mann dastehen, der gegen Frauen und Kinder Krieg führte. Diese Be­merkung gibt zu lauten Zwischenrufen von Seiten der Liberalen wie der konservativen Anlaß. W Redmond weiter sprechen wollte, wird der Lärm so groß, daß er sich nicht mehr verständlich machen kann. Nachdem der Lärm ungefähr 29 Minuten angedauert hat, wird ein Antrag auf Schluß der Debatte mit 273. gegen 138 Stimmen angenommen. Die Dotation wird sodann mit 380 gegen 24 Stimmen bewilligt.

London, 5. Juni. Oberhaus. Das Haus bewilligt die Dotation von 50000 Pfd. Sterling für Kitchener und nimmt das Dankesvotum für das Heer an. Lord Salisbury zollt den Leistungen des Heeres warme Anerkennung und fügt hinzu, mancher habe behauptet, es würde besser sein, die Mannschaften für das Heer durch Aushebung zu gewinnen. Wir sind aber stets damit zufrieden gewesen, daß wir unsere Truppen durch Gründe der Vaterlandsliebe und der Ehre heranziehen, und haben das noch niemals zu be­reuen gehabt. (Beifall.) Salisbury hebt dann die Loyalität der Kolonien hervor, die England in den Stand gesetzt haben, der Feindseligkeit und Bosheit aller seiner Gegner zum Trotz den Krieg zu Ende zu führen. In den Augen der Welt stehe England stärker da als je, und man habe sagen können, daß, obgleich das Land ganz von Truppen entblößt gewesen sei, Englands Suprematie zur See und seine Stellung in der Welt genügt hätten, das Land zu schützen. Eng­land sei nie stärker gewesen als in der Zeit der größten Gefahr.

London, 5. Juni. DieTimes- meldet aus Pretoria vom 2. d. M.: Die Buren in Vere- eniging sprechen ihre Niederlage in einer Erklärung offen aus. In dieser Bekanntgabe wird erklärt, daß sie eingewilligt hätten, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, weil die englische Regierung darauf bestanden habe, nicht mehr weiter zu verhandeln, sondern die Bedingungen zu diktiren; ferner m Anbetracht der Verluste, welche Buren und Eng­länder erlitten haben; ferner wegen der Unmög­lichkeit, die in Kriegsgefangenschaft Gefallenen wieder zurück zu erlangen, und endlich, um den Weiterbestand ihrer Rasse zu sichern.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg