Deutsches Reich.

Die dreibundfreundlichen Erklärungen des Grafen Goluchowsky und noch mehr die letzte Dreibundrede des italienischen Ministers des Auswärtigen, Hrn. Prinetti, werden allgemein w der französischen Presse mit tiefer Enttäusch­ung besprochen. Man wirft die Frage auf, ob denn die Bemühungen Frankreichs um ein besseres Verhältnis zu Italien etwas gewirkt hätten, oder ob alles beim Alten geblieben sei. Und darauf antwortet z. B. derNadical", aus all den schönen Hoffnungen auf die Nichterncuerung des Drei­bundes, zu denen man berechtigten Grund zu haben glaubte, sei nichts geworden. Alles Ver­dienst an dem Wechsel der Situation habe man dem Zusammentreffen des deutschen Reichskanz­lers und Prinettis in Venedig zuzuschreibcn. Gras Bülow hat nach der Meinung dieses Blattes den italienischen Minister umgestimmt. Der Artikel schließt bitter:Macchiavell lebt noch immer in der italienischen Seele. Wenn nur nicht dieses ewige Schaukelspiel einmal der lateinischen Schwesternation böse ausschlägt . ." Aehnlich kritisch äußerten sich die meisten Pariser Blätter. Uns kann cs recht sein; Mißerfolge stimmen leicht zur Kritik, und die unveränderte Verlängerung des Dreibundes, die Graf von Bülow ins Werk zu setzen wußte, ist ein starker Mißerfolg der französischen Bestrebungen, das Gegenteil zu erreichen.

Karlsruhe, 4. Juni. Bei prachtvollem Wetter erfolgte heute nachmittag ^5 Uhr die Abfahrt des Großherzogs und der Großherzogin, sowie der Kronprinzessin von Schweden und Norwegen und des Prinzen Max von Baden nach Mannheim auf dem SchiffBadenia IX", aus welchem der Großherzog auch bei der Er­öffnung des Karlsruher Rheinhafens die Fest­fahrt mitgemacht hatte. Die Fahrt dauerte etwa 3 Stunden.

Berlin, 4. Juni. Der Schah von Persien übergab dem hiesigen Magistrat 5000 für die Armen der Stadt.

Durch die Blätter ging dieser Tage die Mit­teilung eines Briefes aus der Bleistiftfabrik vorm. Johann Faber, Aktiengesellschaft Nürnberg, worin in einer das deutsche Empfinden auf daS heftigste verletzenden Weise die Waren der Firma Polnischen Häusern angepriesen wurden. Es hieß darin, in Bayern trage man nicht nur keine Schuld an der Preußischen Polenpolitik, sondern man mißbillige sie in Bayern sogar auf das heftigste; man solle also bayerische Fabrikate die Preußische Polenpolitik nicht büßen lassen. Der Aufsichtsrat der Bleistiftfabrik veröffentlicht jetzt in den Blättern eine Erklärung, daß er, nachdem er durch die Presse von dem an Warschauer Schreibmaterialien Händler gerichteten Brief Kennt­nis erlangt hat, die Form und den Inhalt auf das entschiedenste mißbilligt und den für den Brief verantwortlichen Beamten seiner Stellung enthoben hat.

München, 4. Juni. Der Rentier Karl Faber in München, ein Sohn des verstorbenen Großindustriellen Johann Faber in Nürnberg hat für eine Stiftung zu Gunsten des bayerischen Nationalmuseums in München und des ger­manischen Museums in Nürnberg 1 Million geschenkt. Die Summe kann auch für Zwecke verwendet werden, durch welche das Kapital selbst angegriffen wird.

Dortmund, 4. Juni. In der gestrigen Strafkammer-Sitzung wurde der früher hoch­angesehene Kaufmann Pandrick in Camen wegen Wechselfälschungen zu 4 Jahren Zuchthaus ver­urteilt. Die Anklagebehörde hatte ermittelt, daß Pandrick etwa 500 Wechsel fälschte. Die Soester Spar- und Kreditbank erlitt einen Verlust von 103000 ^ Der Vorsitzende betonte, je­mand, der sich in solch frevelhafter Weise den Kredit schädige, verdiene keine Milde, deshalb sei auf diese exemplarische Strafe erkannt worden.

Der ehemalige Unteroffizier Marten ist, wie aus Gumbinnen gemeldet wird, nach Ab­büßung seiner 1jährigen Strafe wegen Fahnen­flucht aus dem Gefängnis in Danzig entlassen, dort eingetroffen. Er wurde von den Eltern und der Schwester empfangen. Zahlreiche Kinder und Erwachsene, von einem Schulausfluge zu­rückkehrend, begrüßten ihn mit Hurrarufen.

Plauen, 4. Juni. Die große Hartmannsche Papierfabrik in Ottendorf bei Annaberg wurde durch verheerendes Großfeuer total eingeäschert. Der Schaden beträgt über 300000 Württemberg.

Stuttgart, 4. Juni. Bei der Streikleit­ung lief heute Vormittag ein Schreiben der Di­rektion ein, in dem sie jede weiteren Verhand­lungen mit den Ausständigen ablehnt, da die auf Samstag Abend 11 Uhr versprochene Antwort der Streikenden nicht eingegangen und der Aus- staud am Sonntag fortgesetzt worden sei. Sie betrachte deshalb die Ausständigen als vertrags­brüchig und nicht mehr in ihren Diensten stehend. Die Streikleitung beschloß, diese Zuschrift zu veröffentlichen und dem Urteil des Publikums zu unterbreiten. Diese schroffe Ablehnung hat natürlich zu einer befriedigenden Lösung der ganzen verwickelten, für die gesamte Ocffentlichkeit in höchstem Maße bedeutungsvollen Angelegen­heit nicht beigetragen. In einer im Gewerk- schaflshaus gehaltenen Versammlung der aus­ständigen Straßenbahner wurde nun ein Beschluß gefaßt, der für die weitere Entwicklung der An­gelegenheit von großer Wichtigkeit sein dürfte. Die Versammlung hat nämlich den Beschluß gefaßt, die Arbeit jederzeit wieder aufzunehmen, falls die Direktion den Angestellten das Recht der Koalition zugesteht. Dieser Beschluß wurde sofort dem Gcmeinderat unterbreitet mit dem Ersuchen, möglichst bald alle geeignet erscheinenden Schritte zur Beilegung der bestehenden Differenzen zu unternehmen. Nach Erkundigungen bei der Straßenbahndirektion beantwortet diese das ihr gestellte Anerbieten dahin, daß sie auch jetzt noch die früheren Angestellten als nicht mehr in ihrem Dienst stehend betrachtet, somit auch die Zuge­ständnisse vom Samstag hinfällig seien. Zum andern habe sie seit Montag neues Personal eingestellt, das sie nicht mehr entlassen könne. Die Ansammlungen und Aufläufe in den Straßen haben sich gestern Mittag und auch abends wie­derholt, namentlich war der Schloßplatz, der Stöckach und die Silberburgftraße der Schauplatz derselben. Besonders tumultuarisch ging es in dev Mittagsstunden in der Gegend des Feuersees zu; die Polizeimannschaften kamen mehrfach hart ins Gedränge und mußten sich mit Gewalt freie Bahn verschaffen. Während der Diskussion im Gemeinderat regte Hr. Dr. Bauer an, ob nicht die Stadt bei einer Fortdauer oder bei einem Mißlingen des Streiks den Ausständigen ihrer­seits Beschäftigung verschaffen wolle. Auch be- zeichnete er das längere Verbleiben des Direktors Lipke im Amt als eine öffentliche Gefahr für die gesamte Bevölkerung. Die Residenz steht ganz unter dem Eindruck des Straßenbahner­streiks; wo man geht und steht, wird lebhaft über den Streik debattiert. Sehr bedauerlich sind die zunehmenden Demonstrationen und Aus­schreitungen auf der Straße. Auch an diesen trägt die Straßenbahndirektion ziemliche Schuld.

Stuttgart, 5. Juni. Ueber die Mittags­stunden entstand anläßlich des Streiks der Straßen­bahner an der Kreuzung der Rotebühl- und Silberburgstraße ein erneuter Menschenauflauf, der leider nicht glatt verlief. Einem vorbei­fahrenden elektrischen Wagen wurden beinahe sämtliche Fenster eingeworfen, wobei ein Schaffner einen Steinwurf an die Schläfe erhielt. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen, wodurch es schließlich dem starken Polizeiaufgebot gelang, den Platz zu säubern. Große Heiterkeit erregte es, als einer der Verhafteten Reißaus nahm und von Polizisten verfolgt, einen Dauerlauf um den Feuersee machte. Wie wir von glaub­würdiger Seite erfahren, hat der Gemeinderat heute vormittag in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen, beim Amtsgericht Stadt den Antrag zu stellen, eine rechtliche Entscheidung darüber zu treffen, ob wegen Nichteinhaltung des zwischen Stadt und Straßenbahndirektion geschlossenen Vertrags der betr. tz des gew. Vertrags in Geltung trete, wonach die Stadt befugt sei, die Straßenbahn in eigene Regie zu übernehmen.

Stuttgart, 3. Juni. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt, daß die eingeschriebene Hilfskasse Eiche", Allgemeine Deutsche Volkskrankenkasse in Berlin, die in Württemberg zahlreiche Mit­glieder hat, in allernächster Zeit in Liquidation treten wird.

Stuttgart, 5. Juni. Nach einer Mit­teilung der Zentralvermittlungsstelle für Obst- Verwertung sind die Kirschenernteausfichten in Württemberg dieses Jahr infolge des einge- trctenen Frostes nicht günstig, so daß im Durch­schnitt kaum '/g Ernte zu erwarten ist.

Stuttgart, 4. Juni. Eine Duellaffäre hat sich zwischen zwei hiesigen Studenten des Polytechnikums im Bopserwalde abgespielt. Sie hatten wegen eines Ehrenstreites gegenseitig eine Forderung auf Pistolen angenommen. Einer der Duellanten blieb denn auch beim Austrag der Sache tot auf dem Platze, während der andere nicht verletzt wurde. Er ist jedoch auch, nur an einer anderen Stelle, tot aufgefunden worden und soll sich selbst angesichts des trau­rigen Ausgangs des Duells erschossen haben.

Vom Bodensee, 5. Juni. Wie verlautet, ist gestern das Schloß Montfort bei Langen­argen am Bodensee durch Vermittlung der Firma Ehr. Pfeiffer in Stuttgart an den Geheim Rat Professor Dr. v. Leube in Würzburg verkauft worden. Der weltbekannte fürstliche Sitz wurde im Jahre 1858 von König Wilhelm I. von Württemberg erbaut und 1873 an die verstorbene Prinzessin Luise von Preußen verkauft. Vor ungefähr Jahresfrist ging das herrlich gelegene Schloß durch Erbschaft in den Besitz des Prinzen Friedrich Karl von Hessen (Schwager des Kaisers über.

Vom Hohenlohe'schen, 4. Juni. Das gegenwärtige ausgezeichnete Wetter hat in den Fluren wahre Wunder gewirkt. Was das naß­kalte Wetter im Mai hindurch im Wachstum zurückgehalten hat, das haben die letzten 8 Tage alles nachgeholt. Die Wiesen haben sich sehr gebessert und auch die verschiedenen Getreidesaaten. Die Kartoffeln sind überall schön aufgegange^.

Ausland.

Ende des Kriegs Englands gegen die Buren.

London, 5. Juni. Im Unterhause wurde mit 216 gegen 49 Stimmen in dritter Lesung der Gesetzentwurf angenommen, betreffend der Kriegsanleihe. Der Schatzkanzler erklärte, daß als erste Maßregel die Kriegssteuer festzusetzen sei, welche die Goldgruben in Zukunft zu ent­richten haben.

London, 5. Juni. Lord Kitchener, der bisher den Rang eines Generalleutnants be­kleidet, wurde zum General befördert. Außer­dem ist ihm die Würde eines Visconts ver­liehen worden.

P r ä toria , 4. Juni. Die Times" meldet: Unter den Buren in Vereeniging riefen die end- giltigen Vorschläge der englischen Regierung leb­hafte Erörterungen hervor. Obgleich die meisten Redner heftigen Widerspruch erhoben, wurde dem Vernehmen nach der Antrag, die Friedensbeding- ungen anzunehmen, fast einstimmig genehmigt.

Pretoria, 5. Juni. Nach den Berichte« aus dem Kapland gestaltet sich die Lage dort sehr befriedigend. Fouchö hat sich ergeben, täg­lich finden sich auch viele andere Kämpfer zur Uebergabe ein.

Pretoria, 4. Juni. Schalk Burger und Louis Botha haben einen offenen Brief an die Buren erlassen, in dem sie den hohen Mut, den die Buren gezeigt, und ihre tapferen Thaten im Felde würdigen und die Buren auffordern, jetzt allgemein mitzuarbeiten an der sozialen und geistigen Entwicklung des Landes und der neuen Regierung loyalen Gehorsam zu bezeigen.

Prätoria, 4. Juni. Bei der Friedens­abstimmung der Burenkonferenz in Vereeniging vom 31. Mai stimmten 54 Buren für die An­nahme der englischen Bedingungen und nur 6 dagegen.

Üeber die voraussichtlichen Schicksale der in Europa weilenden Buren-Staatsmänner wird von London, 4. Juni mitgeteilt, daß Sir Green, englischer Gesandter in Haag, gestern mit dem holländischen Kabinetschef eine Unterredung hatte, in welcher er Dr. Kuyper um seine Vermittelung ersuchte, um dem Präsidenten Krüger die offi­zielle Mitteilung über den Friedensschluß machen zu können. Man glaubt, daß die englische Re­gierung den Präsidenten Krüger und seinen Ratgebern, mit Ausnahme von Dr. Leyds, freies Geleit nach Südafrika geben wird. Die Be­dingungen, welche Krüger gestellt werden sollen,