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Unterhaltender Heit.
Die Leiche im Tiergarten.
Bon Dr. L. Lange, geh. Kriminalrat.
1 (Nachdruck verboten.)
Die Klingel ans dem Gemach des „Alten" erscholl. „Ich lasse Kriminalkommissär Weien bitten!" lautete seine dem dienstthuenden Schutzmann gegebene Weisung. Wenige Minuten darauf erschien der Verlangte. „Das Polizeirevier 19 meldet, daß heute morgen im Tiergarten in-der Nähe der Zelte die Leiche einer augenscheinlich den höheren Ständen angehörenden Frauensperson gefunden worden sei, ohne Spuren äußerer Gewalt und ohne Erkennungszeichen. Es wird, aus welchem Grunde ist in der Meldung nicht angegeben, trotzdem vermutet, daß ein Verbrechen vorliege. Ich teile Ihnen die Sache zu und bitte, mir zu referieren, sobald Sie etwas Näheres in Erfahrung gebracht haben."
„Zu Befehl, Herr Geheimrat!"
Weien ging, einige unbedeutende Angelegenheiten vertagend, erst einige Straßen zu Fuß, statt eine der Droschken auf dem unmittelbar an dem Polizeipräsidium befindlichen Halteplatz zu benützen und nahm erst ein solches Gefährt, nachdem er sich durch unauffälliges Stehenbleiben und Umsehen überzeugt hatte, daß niemand ihm folge. Es war dies seine Gewohnheit, seit in einer anderen Angelegenheit, in der es sich um die Ermittlung einer großen Einbrecherbande handelte, die Gesuchten dem Präsidium schrägüber eine Wohnung gemietet hatten, von der aus sie alle dort Ein- und Ausgehenden observierten und je nach Bedarf ihnen nachspüren ließen, um sodann mit Hilfe des Telephons ihre Beobachtungen nach den etwa bedrohten Punkten zu übermitteln und zwar in vorher verabredet«», scheinbar ganz unverfänglichen Redewendungen. Erst in der Nähe der Schloßbrücke stieg er in eine Droschke erster Klasse und fuhr eilig nach dem neunzehnten Reviere. Man hatte die Leiche vorläufig in eine der Detentionszellen gelegt und der Arzt war mit der Autopsie beschäftigt Während derselben untersuchte Weien die bei der Leiche Vorgefundene Kleidung. Die Feinheit der Wäsche bewies klar, daß es sich um eine Dame höheren Standes handelte. Allein die Stellen, an welchen dieselben gezeichnet gewesen zu sein schienen, waren herausgeschnitten, um jede Erkennung der Leiche unmöglich zu machen und in den Taschen war nach Angabe der Schutzleute, welche die Leiche aufgefunden hatten, nichts vorhanden gewesen. Weien untersuchte dieselben nochmals und fand diese Angabe bestätigt. Dagegen fiel, als er das Korset der Toten Prüfend in die Höhe hielt, aus demselben ein abgebrochenes Stück eines ziemlich starken Nagels.
„Was veranlaßte Sie zu der Meinung, daß hier ein Verbrechen vorliege und nicht ein Un- glücksfall oder ein Selbstmord?" frug Weien den Polizeileutnant.
„Zwei Umstände, Herr Kriminalkommissär!" entgegnete dieser. „Einmal die Fußspuren, welche nach dem Bericht des Schutzmannes Seibert in dem vom Morgentau feuchten Sande ziemlich deutlich ausgeprägt, erkennen ließen, daß die Verstorbene von einem Manne bis zu der Stelle begleitet worden war, an der man die Leiche fand. Von dort aus wandten die Fußspuren sich wieder rückwärts. Dann aber das auffallende Kostüm der Leiche — Balltoilette fast, zum Mindesten Gesellschaftstoilette, nur mit einem leichten Ueberwurf. Wer geht jetzt, wo die Nächte schon herbstlich kühl sind, früh morgens 4 Uhr in solcher Kleidung spazieren?"
„Wie kommen Sie zu dieser Zeitbestimmung?"
„Sie ist nur eine annähernde. Die Dreiuhr- Patrouille fand nichts verdächtiges vor, die Fünfuhr-Patrouille stieß auf die Leiche."
„Wieviel Mann bildeten dieselbe?"
„Zwei, Hagemann und Seibert."
„Sind sie hier?"
„Ja, ich habe sie zurückbehalten."
„Lassen Sie die beiden Leute hereinkommen."
Hagemann besaß augenscheinlich wenig Observationstalent; er wußte nichts von Bedeutung
anzugebev. Seibert dagegen meldete, daß er die Fußspuren des Mannes bis zu den Zelten zurück verfolgt habe. Dort hätten sie aufgehört; an der Stelle, wo sie geendet, sei eine Wagenspur aus dem von den andern verfolgten Geleise ausbiegend dicht herangekommen.
„Das kann uns auf eine Spur bringen," meinte Weien und depeschierte sofort an das Präsidium das Ersuchen, eine Rundfrage bei den Droschkenbesitzern anstellen zu lassen, um festzustellen, wer morgens zwischen drei und fünf Uhr an den Zelten einen Passagier ausgenommen habe. Der Vorsicht halber bat er, die Recherchen auch auf die Charlottenburger Droschken auszudehnen, da die Stelle, an welcher die Leiche aufgefunden worden war, zwischen den Zelten und Schloß Bellevue, auf dem am südlichen Spreeufer entlang führenden Wege, auch von Charlottenburger Droschken oft befahren wird. Eine solche Rundfrage ist in Berlin in wenigen Stunden erledigt, indem jedes Polizeibureau die in seinem Bezirk wohnenden Droschkenhalter befragt und die Resultate dem Präsidium telegraphisch zurückmeldet. Inzwischen war der Polizeiarzt Dr. v. Seredinski mit der Autopsie fertig. Seine Diagnose lautete mit voller Bestimmtheit auf Arsenikvergiftung. „Die Vergiftungserscheinungen sind evident," erklärte er. „Dem Tode sind krampfhafte Konvulsionen mit Pupillendilatation vorausgegangen. Das Arsenik manifestiert sich nicht allein durch den für Arsenik charakteristischen Knoblauchgeruch bei Verbrennung eines kleinen Teiles des Mageninhaltes, sondern auch durch den sogenannten arsenikspiegeln den Beschlag auf einer in die Flamme gehaltenen kalten Porzellanschale."
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Die Taschendiebe haben während der Festtage in Karlsruhe reiche Ernte gehalten. So viel bis jetzt zur Anzeige gebracht wurde, sind gestohlen worden: goldene Uhren und Ketten im Gesamtwerte von 2300 und Geldbeutel mit einem Gesamtwerte von 600
(Eine der merkwürdigsten Vereinsbildungen) hat sich in Berlin vollzogen. An den Ställen am Bahnhof Zoologischer Garten liest man wörtlich: „Photographisches Atelier des Offizier- Pferde-Vereins". Bisher gab es in Berlin höchstens eine „reitende Artillerie-Kaserne." Daß sich aber jetzt auch die Pferde organisieren, ist sicher ein Höhepunkt der Kultur.
(Der Fluch des Goldes.) Aus Paris schreibt man: Vor einigen Monaten hatte der 24jährige Landwirt Jean Herry aus dem Pariser Vororte Saint-Mande von einem entfernten Verwandten ein Vermögen von 100000 Frks. geerbt. Dieser Glücksfall wirkte dermaßen auf den nervös veranlagten jungen Mann, daß seine geistigen Fähigkeiten sich verwirrten. Er schwebte in beständiger Furcht, man wolle ihm seinen Schatz stehlen und behielt den größten Teil seines Vermögens fortwährend in seinen Taschen. In der Nacht vom letzten Mittwoch zum Donnerstag begab er sich in das Haus seiner Eltern, häufte alle Banknoten und Wertpapiere, die er bei sich hatte, zusammen, und zündete sie an. Er sah zu, wie sein Vermögen aufflammte und schoß sich dann eine Kugel vor den Kopf, die ihm aber nur eine ungefährliche Verletzung beibrachte. Die Nachbarn eilten herbei und entrissen ihm die Waffe. Die Wertpapiere im Betrage von 75000 Frks. bildeten nur noch ein Aschenhäufchen. Herry wurde dann, da der Wahnsinn offen bei ihm ausgebrochen war, in ein Irrenhaus gebracht.
(Die Vernichtung der Bogelwelt und ihre Folgen.) Während eines einzigen Frühlings von einer Reihe von Jahren wurden — so schreibt ein französischer Gelehrter — in einer französischen Provinz nicht weniger als 1500 Vogelnester ausgenommen. Dies bedeutet den Verlust von von etwa 6000 Vögeln, welche ihrerseits annähernd 6 Millionen Insekten vertilgt haben würden. Im Jahre 1860 ging ein Transport von 100 Käfigen, gefüllt mit den verschiedensten Arten insektenfressender Vögel,
von Baden nach Neu-Süd-Wales, heutzutage ist ein zweiter derartiger Transport unmöglich weil die Vögel viel zu selten geworden sind Aber nicht nur das Verschwinden des Voaeb lebens und des Vogelgesanges aus Wald und Feld ist zu beklagen, auch die Landwirtschaft der Gartenbau und die Weinkultur haben evrl Pfindlich darunter zu leiden. Man hat berechnet' daß einzelne Vögel etwa 200000 Insekten während eines Sommers, andre gegen 600 täglich verzehren. Eine einzige insektenfressende Vogelart schützt auf diese Weise täglich 3200 Weizenkörner und 1150 Weinbeeren. In Hörault allein kostet die Vernichtung insektenfressender Vögel dem Departement jährlich 100 000 kl Ach Andre Gegenden Frankreichs sind aus deutsch, Grunde durch Insekten vollständig verwüstet.
(Die chinesische Bibelübersetzung), eins d« schwierigsten Probleme für die christlich«, Missionare im Reich der Mitte, hat einen wichtigen Fortschritt zu verzeichnen. . Bei der vor 12 Jahren in Shanghai gehaltenen Mii- sionskonferenz wurde die Krage einer einheitlichen chinesischen Bibelübersetzung als eine der brennendsten bezeichnet. Man kam überein, die Bibel gleichzeitig im hohen Literaturstil, im leichten Buchstil und im Mandarinenoialekt her- auszugeben. Für jede dieser drei Schreibweisen wurde eine besondere Kommission ernannt. Als die dringlichste Aufgabe wurde die Uebersetzung im leichten Buchstil bezeichnet. Gerade von dieser letzteren Ausgabe ist soeben die Revision des Neuen Testaments vollendet und als Probedruck erschienen. In der unter dem Vorsitz des anglikanischen Bischofs Burdon arbeitenden Kommission, die diese wertvolle Arbeit geleistet hat, sitzt auch ein Deutscher der rheinische Missionar Genähr.
(Kennzeichen.j „Also auf dem BetriebLM sind Sie; kennen Sie einen gewissen Meier?' — „Wir haben mindestens zwanzig „Meier', wie sieht er aus?" — „Ja, so genau kann ich ihn nicht beschreiben; er hat mir neulich 20 abgeborgt..." — „Den kenn' ich!" (Megg.st
(Auszeichnung.) Gast (dem wiederholt hartes! Fleisch vorgesetzt wurde): „Wenn Sie so sortmachen, Herr Wirt, werden Sie gewiß noch zum Ehrenmitglied des Vereins der Zahnärzte ernannt!"
(Guter Anfang.) „. . . Sie sind Musikei und wollen meine Tochter heiraten?" — „,Ss ist es!"" — „Was bringen Sie denn in die Ehe mit?" — „„ Nun — einen Hochzeitswalzer Hab' ich schon komponiert!""
Auflösung der Wortumwandluug in Nr. 65. Lanze, Ostern, Ulm, Iller, Sonne, Babel, Ohr, Taube, Horn, Auster.
„Louis Botha."
Richtig gelöst von Marie Toussaint in MM Leonie Harzer in Herrenatb und Friedrich Küsters Schwarzenberg.
Mutmaßliches Wetter am 30. April u. l. A
(Nachdruck verM).
Ueber der südlichen Hälfte Frankreichs, ganz SM» und ganz Italien liegt eine Depression von 7SS m und an der Rhone-Mündung ein Luttwirbe! von 7S0» Nordöstliche bis östliche Winde haben uns deSW» eine scharfe Abkühlung gebracht, die aber mÄ dtl baldigen Abflachung der Depressionen im Süden » Südwesten wieder einer etwas milderen TsmPKiM weichen wird. Für Mittwoch und Donnerstag W sortgesetzt trockenes und größtenteils heiteres Wckl in Aussicht.
Am 1. und 2. Mai.
Das barometrische Maximum liegt nunmehr r 770 mm über Irland und dem Georgskanal, liest Mittel- und Norddeutschland steht das Barometer o ca. 765 mm ebenso über Skandinavien und Finnl«-, über der südlichen Halste von Frankreich, dem badW Oberrheinkreis, Oberschwaben und Oberbayern steM wenig unter Mittel, an der Rhonemündung sowie^ Mittelitalien ist es auf 755 mm gestiegen. E Umstand weist daraus hin, daß die Temperas mehr und mehr milder gestalten wird. Für DoiE» und Freitag ist zwar zeitweilig bewölktes, ab«" immer trockenes Wetter zu erwarten.
Mil einer Beilage:
Plakat des
Eisenbahn-Fahrplans- und der PostverbinduG« für den Sommerdienst 1992.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.
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