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Aus Stadt, Bezirk uud Umgebung.
Neuenbürg, 10. April. Anläßlich des Turnhallebaues, mit dem nun seit kurzer Zeit begonnen wurde, stellte es sich heraus, daß eine schön gewachsene Eiche zum Opfer hätte fallen müssen. Dies wäre auch unbedenklich geschehen, wenn man sich nicht rechtzeitig erinnert hätte, daß der sragl. Eichbaum einer der drei Bäume ist welche im Jahr 1871 bei einer patriotischen Gedenkfeier gepflanzt und inzwischen von Hrn. Waldinspektor Gauß besonders gepflegt worden sind. Unter Würdigung dieser Thatsache beschloß die Stadtverwaltung, diesen Baum an anderer Stelle zu setzen, in gleicher Reihe mit den beiden anderen historischen Bäumen. Man Wollte nicht „mit einem Schwabenstreich" den stattlichen Baum fällen und scheute die immerhin beträchtlichen Kosten der Versetzung nicht, in der bestimmten Erwartung, daß der nun kunstgerecht unter Beobachtung aller Vorsicht verpflanzte Baum sich kräftig weiter entwickeln möge. Und dafür gebührt den maßgebenden Herren aufrichtiger Dank. Es wird ebenso allgemein dankbar begrüßt werden, wenn wir die Gedenkfeier vom 22. März 1871, bei welcher die 3 Bäume gepflanzt worden sind, nach der Erzählung des „Enzthälers" ins Gedächtnis zurückrufen. Dieser Bericht lautet: „Von der Oberschulbehörde war für die Schulen des Landes eine Friedensfeier angeordnet und dazu hier der 22. März, der Geburtstag des deutschen Kaisers, ausersehen worden. Der Tag war ein Prächtiger Frühlingstag, der so recht für eine Jugendfeier sich eignete. Vor dem Schulhause versammelten sich mittags 1 Uhr die Schüler und Schülerinnen der sämtlichen hiesigen Schulen in festlichem Gewände, sangen das Lied „Nun danket alle Gott" und bewegten sich in langem mit Fahnen reich geschmücktem Zuge durch die Stadt dem Turnplatz zu. Dort wurde Aufstellung genommen und es war ein gar freundlicher Anblick, diese große Kinderschar, zu der auch die Klein-Kinderschule ihr zahlreiches Kontingent gestellt hatte, beschienen von der herrlichen Frühlingssonne, auf dem großen Platze versammelt zu sehen. Hr. Reall. Weiffenbach hielt eine Ansprache an die Jugend, durch welche derselben die Bedeutung der Feier klar gemacht wurde. Ihr Inhalt schilderte, wie unser Vaterland seit vielen Jahren einen bösen Nachbar gehabt, der mit raubsüchtigen Blicken unser Eigentum betrachtet und stets gelauert habe, über uns herzufallen, wie ihm dies so manches Mal gelungen und wie ihm ein schönes Stück unseres Landes um das andere zur Beute geworden. Auch im vorigen Jahre, im ruhmreichen Jahre 1870, habe er das alte Spiel wieder probiert, sei aber diesmal gar bös angekommen. Die Rede schildert nun die gewaltige Erhebung Deutschlands, die Einigkeit seiner Kinder, die in der Geschichte noch nie dagewesenen Erfolge seiner Waffen und den errungenen glorreichen Frieden. Nachdem der fugend ans Herz gelegt worden war, wie auch sie ihren Dank und die Liebe zum Vaterland hauptsächlich dadurch bethätigen könne, daß sie sich in der Schule durch Fleiß und Strebsamkeit, durch Zucht und Gehorsam für die Werke des Medens, aber wenn es gälte, auch für die des Krieges vorbereite, wurde unserem Heldenkaiser und seinen Verdiensten um unser Vaterland ein dreifaches Hoch ausgebracht, in das die Kinder- jubelnd einfiel. Die drei Bäume, die zum stchtbaren Andenken an die große Zeit gepflanzt werden sollten, wurden vom Redner als „Reichs- eiche," „Friedenslinde" und „Kaiser- rastanie" getauft und dem Schutze der Jugend empfohlen, welche das Pflanzen derselben mit rostigen Hurras begleitete. Nach Absingen lnigtt patriotischer Lieder ging der Zug wieder ä"^^adt zurück, und gab es nun für die Kinder auch etwas zum Beißen, was sie mit fröhlichem empfingen und sofort in Arbeit nahmen. Alle Milchkuchen werden wohl nicht lange aus- geyalten haben, desto länger aber, das ist gewiß, oie Erinnerung an diese schöne Feier. Zu erwähnen ist noch, daß dem Festzug 3 älteste «urger, darunter der einzige noch lebende hiesige Veterane aus dem Jahr 1813, mit dem Stadt-
Banner vorangingen. Mögen die Bäume fröhlich gedeihen, ein getreues Sinnbild der Wohlfahrt des deutschen Reiches, unseres einigen und .großen Vaterlandes". — Auch aus weiteren Bezirksorten wurde damals dem „Enzthäler" über „Friedensfeiern" berichtet, wie aus den Kirchspielen Dobel, Feldrennach, Gräfenhausen und Langenbrand, wo zum bleibenden Gedächtnis an die große Zeit von 1870/71 Bäume gepflanzt wurden, so in Dobel eine „Kaisereiche", in Schwann (Kirchspiel: Feldrennach, mit Conweiler, Dennach) eine „Kaiserlinde", während in Gräfenhausen gleich mehrere Bäume an besonders geeigneten Plätzen gesetzt wurden. — Es ist als ein Mangel zu bezeichnen, daß solch „historische" Bäume meist nicht als solche durch entsprechende Aufschriften kenntlich gemacht wurden. Solche Gedenktafeln scheinen auch anderwärts zu fehlen, es hätte sonst nicht, wie wir uns erinnern, Vorkommen können, daß man in einem benachbarten bad. Ort sich eben erst an das Vorhandensein der „historischen" Baumgruppe erinnert hat, als dieselbe der Säge und Axt bereits zum Opfer gefallen war. Aehnlich hätte es diesmal hier unserer „Reichseiche" ergehen können, da die Bedeutung der 3 Bäume, weil nicht markiert, beinahe der Vergessenheit, sonderlich bei der jetzigen Jugend, verfallen sind. — Damit eine noch ältere Gruppe von Bäumen nicht ebenso der Beachtung entrissen werden möge, möchten wir beim heutigen Anlaß nicht verfehlen, auf ihre geschichtliche Bedeutung aufmerksam zu machen. Es sind dies die 3 Linden auf dem Sattel des Schloßbergs, dem sog. Münster (Anlage zwischen dem Schloßwäldchen und der Gartenwirtschaft zum Windhof). Diese 3 Bäume sind am 18. Oktober 1863 anläßlich des SOjähr. Gedenktages der Völkerschlacht bei Leipzig (18. Okt. 1813) zum bleibenden Gedächtnis an den großen Befreiungskrieg gepflanzt worden und treulich gepflegt zu stattlichen Bäumen heran - gewachsen. Dazu haben wir noch aus jüngster Zeit eine dem Gedächtnis des größten deutschen Mannes geweihte „Bismarck-Eiche" auf dem hübschen Punkte an der Waldrennacher Steige. Alle diese Wahrzeichen seien dem Schutze und der bleibenden Beachtung des Publikums empfohlen.
Neuenbürg, 11. April. Der hiesige Verschönerungs-Verein hielt am gestrigen Abend seine Jahresversammlung bei Karcher ab, welche diesmal erfreulicherweise zahlreicher besucht war. Der Vorstand und zugleich Kassier, Schull. Braun, erstattete Bericht über den Stand der Kasse, über die Thätigkeit im letzten, wie über die vorgesehenen Arbeiten in diesem Jahr. Zu erwähnen ist die Anlage am Kirch- platze, welche durch Setzen 3er Bäume eine Erweiterung und Verschönerung erfahren hat. Ferner hat sich der Verein verdient gemacht durch Neuanlage eines Fußpfads, der den durch die Marxenäcker laufenden Feldweg mit dem am Waldsaum sich hinziehenden Fahrweg im „roten Reisach" (bei der Happey) verbindet. Als Hauptaufgabe wird der Verein auch ferner das An- bringen von Sitzbänken an besonders geeigneten Punkten betrachten; insbesondere sollen demnächst weitere Bänke auf den ehemaligen Steinlagerplätzen an der Thalstraße zwischen Bahnhof und Schwarzlochfabrik erstellt werden. Zur dem- nächstigen Ausführung vorgesehen ist ferner eine neue Anlage mit Aufstellung einer Sitzbank am „Wiedofen"; die Ausbesserung des Hägleswegs u. s. w. Augeregt wurde auch die Säuberung des Schleifwegs, die Planierung und Anpflanzung des Schulhausplatzes rc. Ferner sollen die historischen Bäume auf dem Turn- und dem Lindenplatz mit Tafeln versehen werden. Die Schaffensfreudigkeit des rührigen Vereins-Vorstands bürgt dafür, daß die vorgesehenen Arbeiten auch wirklich ausgeführt werden. Möge jeder Spaziergänger und Freund der Natur in seinem Teil darüber wachen, daß all die mit viel Mühe und Geldopfern geschaffenen Anlagen rc. vor böser Zerstörungs- und Verunreinigungswut bewahrt bleiben.
In Ettlingen wurde das Gasthaus zum Erbprinzen versteigert. Der Anschlag betrug 90000 Da der höchste Bieter, die Huttenkreuzbrauerei, nur 81000 bot, kam es nicht zum Zuschlag.
Deutsches Keich.
Der Reichskanzler, Graf v. Bülow, hat auf seiner Rückreise nach Berlin von Innsbruck aus einen Abstecher nach Wien unternommen, um dort mit dem Leiter der auswärtigen Politik Oesterreich-Ungarns zu konferieren. Es ist kein Zweifel, daß diese Besprechungen ebenso wie die mit dem italienischen Minister Prinetti in Venedig der Erneuerung des Dreibund-Vertrages gelten. Graf v. Bülow hält offenbar solche persönlichen Begegnungen in wichtigen Fällen für zweckdienlicher und wirksamer als langen Schriftwechsel. Man braucht sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob der Besuch in Wien schon längere Zeit geplant war oder ob der Entschluß dazu erst während der venezianischen Reise gefaßt wEde. Daß es zur Erneuerung des Dreibund- Vertrages kommen wird, gilt in diplomatischen Kreisen für ausgemacht, so sehr auch französische Blätter sich bemühen, den Italienern vorzureden, daß sie auf gewissen Abänderungen des Vertrages bestehen sollten. Am Freitag Mittag war eine Audienz des Grafen Bülow beim Kaiser Franz Josef in der Hofburg angesetzt.
Berlin, 11. April. Die Audienz des Grafen Bülow bei Kaiser Franz Josef dauerte über eine Stunde, der Kanzler wurde sehr gnädig und wohlwollend empfangen; er gab auf die zahlreichen Fragen des Kaisers erschöpfende Auskunft.
Die Zolltarif-Kommission hat ihre Beratungen wieder ausgenommen. Bisher hat man von Seiten der Kommissions-Mehrheit vorwiegend betont, was man für notwendig hält; jetzt ist unerläßlich, daß man sich darüber vergewissert, was erreichbar ist. In dieser Be- ziehung hat die letzte Woche eine unverkennbare Klärung gebracht. Die Reise des Grafen Posa- dowskh ist vielfach dahin aufgefaßt worden, daß der zweithöchste Beamte im Reiche den Auftrag gehabt habe, die mittclstaatlichen Regierungen zu einem Entgegenkommen gegen die Wünsche der Kommissions-Mehrheit über die Getreide-Minimalzölle der Regierungs-Vorlage hinaus zu bewegen. Diese Auffassung hat sich als irrig erwiesen. Die verbündeten Regierungen sind vollständig einig darüber, daß die Minimalsätze des Entwurfs die äußerste Grenze bezeichnen, bis zu der sie gehen können, und sie verharren demgemäß unverrückbar auf der Linie ihrer Vorlage. Die Kommission dürfte in der zweiten Lesung Veranlassung nehmen, ihre Beschlüsse über die Getreidezölle einer Revision zu unterwerfen und sich auf dem Boden des Entwurfs mit der Regierung zu- sammenzufinden. In führenden Zentrumskreisen hofft man, die erste und zweite Lesung der Zolltarif-Vorlage in der Kommission bis Ende Juli zu erledigen.
Berlin, 10. April. Den „Berl. Polit. Nachr." zufolge dürste dem Reichstage ein weiterer Nachtragsetat zugehen, nach dem statt wie bisher 40000 künftig 60000 Veteranen eine Jahresunterstützuug von 120 c/ki zuzuwenden, ermöglicht werde.
Der Reichs-Jnvalidenfonds hatte nach einer dem Reichstag zugegangenen Mitteilung Ende Februar einen Bestand von 343 Millionen Nennwert von Schuld-Verschreibungen, wozu 2 Millionen Mark Schuld-Verschreibungen in Gulden süddeutscher Währung kommen. Dazu besaß der Fonds an Barwerten 12 Millionen Mark.
Leipzig, 10. April. Das Reichsgericht verwarf die Revision des Redakteurs der „Volksstimme" in Frankfurt a. M, Quarck, der am 13. Nov. vom dortigen Landgericht wegen Beleidigung des ostasiatischen Expeditionskorps, begangen durch Veröffentlichung eines sogenannten Hunnenbriefes, zu 3 Wochen Gefängnis verurteilt worden war.
Aus Hessen. Infolge des besonders milden Winters ist der Rebstock in vorzüglichem Stande. Das Holz ist kräftig entwickelt und sehr gut ausgereift. Das Schneiden der Reben ist in wenigen Lagen beendet. Es ist dies übrigens auch die schönste Zeit, denn bei den letzten Schnitten hat sich schon viel Saft gezeigt und der Weinstock „thränt" schon recht bedeutend.