Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
X Wilddad, 9. April. Gestern verließ der in den Ruhestand getretene Vorstand des hiesigen Postamts, Hr. Postmeister Kiefer, unsere Stadt, um nach Tübingen überzusiedeln. 2 ? Jahre lang hat er seines Amtes am hiesigen Platze gewaltet und sich in dieser Zeit als Mensch und als Beamter in allen Kreisen viele freunde erworben, die den allbeliebten Postmeister nur ungern scheiden sahen. Unsere Stadt verliert in ihm einen liebenswürdigen, entgegenkommenden Beamten, der, ein Feind alles Bürokratismus, nicht in der verkehrten Anschauung befangen war, der Beamte sei eine höhere Gattung Mensch. Durch seine wahrhaft bürgerliche Gesinnung und sein leutseliges Wesen hat er sich besonders in „bürgerlichen Kreisen" großer Beliebtheit erfreut. Den ihm unterstellten Beamten war er stets ein milder, wohlwollender Vorgesetzter. Möge ihm im Kreise seiner Familie ein langer und schöner Lebensabend beschieden sein!
Calw, 9. April. Heute vormittag Vs 12 Uhr kam Generalleutnant Herzog Albrecht mit dem fahrplanmäßigen Zug in Begleitung eines Adjutanten hier an. Der Herzog wurde am Bahnhof von dem Bezirkskommandeur Oberstleutnant v. Ziegesar, empfangen und auf das Bezirkskommando geleitet, das einer eingehenden Be- sicbtigung unterworfen wurde. Nachdem die Herrschaften im Gasthof zum Waldhorn das Mittagsmahl eingenommen hatten, begab sich der Herzog mit dem 4 Uhr-Zug wieder nach Stuttgart zurück.
In Pfalzgrafenweiler fand am letzten Sonntag die Frühjahrsausschußsitzung des Württ. Schwarzwaldvereins statt, bei der von 22 Bezirksvereinen 19 vertreten waren. Aus den Beratungen mag hier angeführt werden, daß von 8 Bezirksvereinen die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um den 2. Höhenweg Pforzheim-Waldshut in seinem ersten Teil, d. h. von Pforzheim bis St. Georgen markieren zu können. Mit den Arbeiten ist bereits begonnen. An die mehrstündigen Beratungen schloß sich rin gemeinschaftliches Mittagessen an, bei welchem Oberförster Nördlinger die Erschienenen herzlich begrüßte. Launige Tischreden wechselten mit musikalischen Vorträgen und nur zu rasch verstrich die Zeit in dem mit Tannenreis u. Jagdtrophäen schön geschmückten Schwanensaal.
^ Li eben zell, 9. April. In der Nacht von Sonntag auf Montag ertränkte sich in der Nagold zwischen hier und Unterreichenbach der in den Wer Jahren stehende verwitwete Fuhrmann Keppler von hier. Keppler war in letzter Zeit hochgradig schwermütig.
In Schützingen wurde der Kassier des Darlehenskassenvereins, Gemeinderat R., gegen Welchen bei der K. Staatsanwaltschaft Heilbronn eine Anzeige eingelaufen war, wegen Unterschlagung von Äereinsgeldern verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis Maulbronn eingeliefert. Die veruntreuten Summen übersteigen den Betrag von 1000 -/E, doch wird der Abmangel aus dem Vermögen des Rechners wohl gedeckt werden können. R. ist geständig.
Calw, 9. April. Auf dem heute stattge- habten Vieh mar kt waren zugeführt: 16 Pferde, ,^Stilck Rindvieh, 42 Körbe Milchschweine, ^,L>t. Läufer. In Großvieh zeigte sich wenig Neigung zum Handel. Ochsen wurden verkauft A SW ^ Verkauf insgesamt 168 Stück Rmdvleh. Auf dem Schweinemarkt war der Handel belebt. Milchschweine wurden zu 24—42 -E verkauft, Läufer zu 45—80 ^
Deutsches Weich.
Der Preußische Kultusminister Dr. St M eine Verfügung an die preußischen Un watm erlassen, welche sich auf das jurisi tudmm bezieht. Laut derselben ist deiner studierenden der Rechte, welche das Reifer ms emer Realanstalt besitzen, zu eröffnen, e sich auf eigene Verantwortung die zum qr ^"Studium des römischen Rechtes notweni !p schlichen und sachlichen Vorkenntniffe a ergnen und sich eventuell über deren Besitz zuweisin haben. Außerdem soll die gleiche °Isnung Men Studierenden der Rechte gen
werden, welche zwar das Reifezeugnis eines humanistischen Gymnasiums erworben haben, aber in der Zensur für Latein nicht wenigstens „genügend" aufzuweisen vermögen. Wie die „National-Ztg." betreffs dieses ministeriellen Erlasses mitzuteilen weiß, werden an den preuß. Universitäten bereits im anhebenden Sommersemester Ergänzungskurse im Lateinischen und Griechischen für die Abiturienten der Realanstalten eingerichtet werden, mit der Maßgabe, daß der griechische Ergänzungskursus nicht nur den Juristen sondern auch den Medizinern und Philologen unter den Realabiturienten zugänglich gemacht werden soll.
München, 9. April. Anläßlich der heutigen Beratung des Etats der Pfälzischen Eisenbahnen in der Abgeordnetenkammer erklärte der Ministerpräsident, Graf Crailsheim, er wolle an dieser Stelle entschieden betonen, daß von einer Angliederung der pfälzischen Bahnen an das Reich oder die preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft keine Rede sein könne und daß alle darauf abzielenden Bestrebungen aussichtslos seien.
Karlsruhe, 10. April. Die II. Kammer genehmigte in ihrer heutigen Sitzung mit allen gegen 7 Stimmen (der Abgeordneten Eichhorn, Geck (Soz.), Frühauf (Freist), Heimburger, Hofmann, Muser, Vorderer (Dem.)) den Staats- Vertrag betreffend die Main-Neckarbahn. In der Beratung sprach sich Professor Dr. Gold- schmit (natlib.) für den Anschluß an Preußen aus; Dr. Willens (natlib.) sprach für die Auf- rechterhaltung der Selbständigkeit der badischen Bahnen.
Würzburg, 5. April. Heute wurde Kaufmann Goldbach von hier wegen Betrugs verhaftet. G. hatte die Zuckerlieferung für ein hiesiges Kaffeehaus und soll seit Jahren ein solches Mindergewicht geliefert haben, daß dem Abnehmer ein Schaden von ca. 15 000 entstanden ist.
Mülheim a. d. Ruhr. 10. April. Auf der Straßenbahnstrecke Mülheim-Heisfen wurde ein in voller Fahrt befindlicher Wagen zurückgeschleudert; die Bremse versagte, der Wagen stürzte um. 9 Personen wurden schwer verletzt, eine davon, ein Lehrer aus Oberhausen erlitt einen Schädelbrnch und starb.
Mannheim, 5. April. Vom Holzmarkt. Durch das Hochwasser war die Rundholzzufuhr auf dem Neckar gehemmt. Die Ankunft einer Anzahl Flöße in nächsten Tagen ist dagegen angezeigt. Vom Rheinland und Westphalen machte sich Begehr nach Rundholz geltend. Im Vordergrund der Beachtung stand Kleinholz und Meßholz, wovon etwa 7000 Stämme Absatz fanden. Erzielte Preise für Kleinholz 19, Mittelholz 21, Meßholz 23, und Holländerholz 25 ^ das Festmeter ab hiesigem Hafen. Bei ununterbrochenem Absatz aber geringer Zufuhr haben die hier befindlichen verfügbaren Rohholzbestände beträchtlich abgenommen. Infolgedessen befestigte sich die Stimmung neuerdings weiter. Der Langholzhandel verlangt heute für Kleinholz 19,50 Mittelholz 21,50, Meßholz 23,50 und Holländerholz 25,50 ^ das Festmeter. Auch in Mainz war die Rohholzzufuhr wegen des Hochwassers des Mains eingestellt. Die Nachfrage rheinischer Sägewerke war befriedigend.
Württemberg.
Die Novelle zum württ. Volksschulgesetz, die im Staatsanzeiger veröffentlicht wurde, stellt sich nicht, wie man vielfach erwartet hat, als eine durchgreifende Reform unseres Volksschulwesens dar, sondern sie enthält lediglich, wie dies auch in der Ueberschrift des Gesetzentwurfs gesagt ist, die Abänderung „einiger" Bestimmungen der bisherigen Gesetze über das württb. Volksschulwesen. Es kann jetzt schon gesagt werden, daß das, was die Novelle bringen will, hinter den Wünschen der Volksschullehrer, die im vergangenen Jahre in einer eingehend begründeten Denkschrift der Regierung und den Ständen unterbreitet worden sind, weit zurückbleibt. Aber auch in parlamentarischen Kreisen dürfte der Entwurf in seiner vorliegenden Gestalt wenig Freunde finden. Noch in der letzten Tagung des Landtags hat der Abgeordnete Hieber
namens der Deutschen Partei in sehr nachdrücklicher Weise die fachmännische Bezirksschulaufsicht gefordert und es ist bekannt, daß die Forderungen der Volkspartei und der Sozialdemokratie eher noch weiter gehen. Dieser Forderung ist im Entwurf keineswegs Rechnung getragen, während andererseits das Zentrum schon die Bestimmung, daß in größeren Bezirken auch Nicht-Geistliche als Aufsichtsbeamte sollen angestellt werden können, mit Entschiedenheit bekämpfen wird. Der Gesetzentwurf besagt in der Hauptsache, daß sowohl die geistliche Orts- als auch die geistliche Bezirksschulaufsicht weiter bestehen bleibt; außerdem können für größere, nach Bedarf neu zu bildende Bezirke Bezirksschulaufseher im Hauptamt ernannt werden, die mit dem Oberamtmann das gemeinschaftliche Oberamt in Schulsachen bilden. Als Bezirksschulaufseher können sowohl Geistliche als auch Schulmänner, die der Konfession der ihnen untergebenen Schullehrer angehören, ernannt werden. Die übrigen Bestimmungen betreffen die Einteilung der Unter- richtsgegenstände, die Anzahl der Schüler und die Anstellung ständiger Lehrer.
Stuttgart, 9. April. Die Theaterangelegenheit ist nunmehr so weit gefördert, daß in einer gestrigen Sitzung der Kommission deren Mehrheitsmeinung sich dahin aussprach, das Jnterimstheater auf dem Platz hinter dem Residenzschloß zwischen der Hofwaschküche und dem K. Privatgarten erstellen zu lassen. Ueber diesen Kommissionsbeschluß stehe jetzt die Entscheidung zunächst dem König zu. Es werde nicht anders angenommen, als daß sie zustimmend ausfallen werde. Alle übrigen Pläne, z. B. über das künftige Hoftheater, seien zur Zeit zurückgestellt.
In der letzten Präsidialsitzung des Württ. Kriegerbundes wurde mitgeteilt, daß die Eingabe des Präsidiums um Verwilligung von Militärfahrkarten zum Jubiläumsbundestag abschlägig beschieden, dagegen wiederum die Benützung einfacher Fahrkarten 3. Kl. zur Hin- und Rückfahrt verwilligt worden sei.
Heilbronn, 10. April. Das Gebäude, der in Konkurs befindlichen Gewerbebank Heilbronn in der Kaiserstraße wurde heute vormittag zur öffentlichen Versteigerung im Aufträge der Konkursverwaltung gebracht. Hiebei wurde auf das Gebäude, welches amtlich zu 155 000 ^ veranschlagt war, ein Höchstangebot von 131000 ^ gemacht. Der Zuschlag ist noch nicht erfolgt.
Heilbronn, 7. April. Die Firma S. Löwengart, Branntwein- und Liqueurfabrik, hat seit einiger Zeit, an ihre Kundschaft Fässer zum Versand gebracht, welche seit Jahren nicht mehr nachgeeicht waren und welche teilweise weniger Eichgehalt hatten, als auf den Fässern angegeben war, was der Firma bekannt gewesen sein soll. Gegen die beiden Teilhaber der Firma wurde wegen Betrugs Anklage erhoben und das K. Schöffengericht erkannte gegen sie Geldstrafen in Höhe von 500 bezw. 600 -/L
Anstand
Brüssel, 10. April. Der Generalrat der Arbeiterpartei beschloß, einen Aufruf zu erlassen, in dem empfohlen wird, kommenden Montag den allgemeinen Ausstand zu beginnen. — Der Bürgermeister von Lüttich verlangt Artillerie. Die Bürgergarde und alle Truppen sind kon- signiert.
Während in Frankreich die verschiedenen Parteien eifrig mit Wahlvorbereitungen bezw. mit Wahlreden beschäftigt sind, brechen in immer mehr Jndustrieorten Streiks aus, die nachgerade sehr bedenklich werden, weil die Streikenden ge- walithätig gegen die Arbeitswilligen Vorgehen. Während aber auf der einen Seite viele Tausende von Arbeitern feiern um (größtenteils unmögliche) Lohnaufbesserungen und Arbeitszeitverminderung zu erzielen, verlangen andererseits ca. 10000 Arbeitslose in Paris von der Regierung die sofortige Vornahme von Notslandsarbeiten und drohen mit ihrer Abreise ins Ausland, wenn ihnen kein Verdienst möglich gemacht werde.
Die beiden Rivalen Chile und Argentinien achten eifersüchtig darauf, daß keiner