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Fenster strömte die kühle Nachtluft herein und trug den Duft der Blumen auf ihren Schwingen in das friedliche Gemach.
Mit verschränkten Armen blieb die junge Frau am Fenster stehen, starr und unbeweglich waren die Züge ihres bleiches Antlitzes, nur die großen, dunklen Augen strahlten ein unheimliches Feuer aus.
Dann schüttelte ein Frost ihre Glieder, sie schloß hastig das Fenster und begann in dem geräumigen Gemach so unruhig umherzuwandeln, als wolle sie ihren eigenen Gedanken entfliehen.
Plötzlich eilte sie an einen Eckschrank, öffnete ein Fach desselben, zog es heraus und begann den Inhalt zu durchwühlen. Bunte Bänder, halb zerdrückte Ballblumen, ein zerbrochener Fächer, einige seltsam gestaltete Tanzordnungen, sogenannte „Damenspenden", wie sie auf den nobelsten Wiener Bällen der Besucherinnen überreicht werden, kamen zum Vorschein. Nach einer dieser letzteren griff Marie. Es war ein Andenken an den Ball der Land- und Forstwirte, eine allerliebste Spielerei. An vergoldeten Kettchen hing ein ausgehöhltcr Tamien- apfen, an dessen Außenseite ein winziges Büchein, das die Tanzordnung enthielt, befestigt war.
Mit starren, unheimlichen Blicken betrachtete Marie diesen harmlosen Gegenstand, und schleuderte ihn endlich mit einer Geberde des Abscheus wieder in den Schub zu dem übrigen Flitterkram zurück, während sie selbst, tief aufseufzend, auf einen Sessel sank.
Leise gemurmelte Worte entrangen sich ihren Lippen.
„Willfried — Willfried!"
Dann stürzte sie sich, Plötzlich aufspringend, wieder über die offene Lade, ihre zuckenden Finger wühlten darin umher, dann schlossen sich diese feinen, mageren Finger fest, gleich Krallen, um einen kleinen Gegenstand, den sie darauf in die Tasche des schwarzen Kleides, das Marie auch heute trug, versenkten.
War es eine Ballerinnerung, eine Gabe der Liebe, an deren Anblick sich die jugendlich fühlende Gattin des alternden, kränklichen Mannes heimlich ergötzte?
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„Beruhigen Sie sich doch, gnädige Frau, für den Moment ist die Gefahr vorüber — freilich, eine Garantie für die Genesung des armen Wallenberg kann ich nicht übernehmen."
Mit diesen Worten verabschiedete sich in den Nachmittazsstunden des nächsten Tages der alte Doktor Wilt von Frau Marie, die heute ihre so lange bewährte Selbstbeherrschung angesichts der drohenden Gefahr verloren zu haben schien.
Wirklich war der Krankheitsansall des Herrn von Wallenberg ein sehr bedenklicher gewesen, und dies um so mehr als Doktor Wilt erklärt hatte, daß er völlig im Dunkeln tappe, was die Heilkunde dieser seltsamsten aller Krankheiten betreffe.
Jetzt schlief der Leidende und der Arzt empfahl sich, um daheim seine Sprechstunden nicht gänzlich zu versäumen; wußte er doch, daß es da manche arme Kranken gab, welche sehnsüchtig seiner harrten.
Als Doktor Wilt durch den Borgarten der Ausgangsthür zuschritt, gewahrte er Katharine, die in einer dicht von wildem Wein umrahmten Laube saß.
Bei seiner Annäherung fuhr sie wild empor, ihre Augen rollten, die Züge ihres Antlitzes waren verzerrt.
„Ist der alte Mann tot?" rief sie mit sonderbar veränderter Stimme.
Der Arzt vergaß im Moment, daß er Eile gehabt, forzukommen, und daß seine Patienten daheim auf ihn warteten. Er blieb vor dem Mädchen stehen, ergriff ohne ein Wort zu sagen Katharines Hand und Prüfte den Puls, dann ließ er die kleine, fieberheiße Hand kopfschüttelnd los und fragte sanft:
„Fehlt Ihnen etwas, Fräulein Käthchen? Sagen Sie es Ihrem alten Freunde, ich möchte Ihnen so gern helfen.
„Mir kann niemand helfen!" entgegnete düster -aS MMHeu.
„Thorheit, das sind Phrasen, die Sie in irgend einem Roman gelesen haben. Ich rede jetzt nicht von ihrer kleinen Herzensaffaire, die wird schon ohnehin zu einem guten Abschluß kommen, nein, Ihre Gesundheit ist wichtiger. Sie zerrütten dieselbe durch leidenschaftliches Ungestüm und Unachtsamkeit, und wenn das so fort geht, stehe ich für nichts."
„So lassen Sie mich sterben", rief Katharine leidenschaftlich, „das wäre vielleicht das ibeste. Ich verdiene es nicht, im Lichte der Sonne zu wandeln, denn sie müssen wissen," fuhr sie flüsternd fort, daß ich eine Sünderin bin, — ja, eine große Sünderin!"
„Halten Sie ein! Wie können Sie solchen selbstquälerischen Einbildungen Raum geben?"
Katharina lächelte unheimlich, dann neigte sie sich dicht an das Ohr des alten Arztes und flüsterte ihm zu:
„Erschrecken Sie nicht und sagen Sie es nicht wieder, denn cs ist eine häßliche That, die ich begangen, . ich habe meinen Vater getötet."
„Sind Sie bei Sinnen?" ries der Doktor unwillkürlich aus, aber er erschrack, als die Worte seinen Lippen entflohen; zurücktretend verstummte er, und seine scharfen, forschenden Blicke ruhten beobachtend auf dem jungen Mädchen.
Katharine hatte sich indessen wieder auf der Bank niedergelassen, und den Kopf mit der Hand stützend, starrte sie, in finsteres Brüten versunken, vor sich hin und schien die Gegenwart des Arztes ganz vergessen zu haben.
Dieser entfernte sich ohne Gruß, doch wandte er sich nicht dem Ausgange zu, sondern zurück nach dem Wohnhause. Er hatte die Absicht, noch ein ernstes Wort mit Frau Marie zu sprechen. Da gewahrte er Willfried, der eben, ein Buch unter dem Arm, die Stufen der zur Veranda führenden Treppe hzrab kam.
Wie wir bereits gemeldet haben, sind für die Oeffnung der Kaisergräber im Dome zu Speyer einstimmig 120000 bewilligt worden. Der Dom wurde von Konrad II. als Grabstätte für sich und seine Nachfolger begründet, aber erst Heinrich III. erlebte die Vollendung des Baues. Der Dom brannte 1450 ab, wurde 1689 von den Franzosen verbrannt und nach Wiederherstellung 1794 abermals von den Franzosen zerstört. Lange als Magazin benutzt, wurde das Gotteshaus unter König Maximilian Joseph von Bayern erneuert und 1822 wieder dem Gottesdienste übergeben. Der Dom ist eine gewölbte Pfeilerbasilika; die Westtürme sind 73 in hoch, die gesamte Grundfläche des Domes beträgt 4470 qw.
Aus dem Oberamt Gerabronn, 4. März. Vergangenen Herbst kam eine Zigeunerin zu der Frau des Bauern Probst in Kleinbärenweiler, Gemeinde Lenzendorf, und offenbarte ihr, in dem nahegelegenen Wald sei ein großer Schatz verborgen, derselbe könne aber erst nach Lichtmeß gehoben werden. Wenn sie ihr, der Zigeunerin, 300 ^ bezahle, so werde sie zur bestimmten Zeit wiederkommen und den Schatz für sie heben. Niemand aber, am allerwenigsten ihrem Mann, dürfe sie etwas davon sagen. Die unerfahrene Frau ging auf den Vorschlag ein, weil sie aber nicht so viel bares Geld hatte, ging sie zu ihren Nachbarinnen und Freundinnen und entlehnte bei diesen Geld unter allerlei Vorwänden, bis sie die Summe zusammenbrachte. Sie händigte den Betrag der Landstreicherin ein, welche alsdann wohlgemut fürbaß schritt. — Lichtmeß kam und ging wieder. Die Zigeunerin aber kam nicht Erst nachdem die Nachbarn ihr Geld zurückverlangten, mußte die Frau ihrem Mann von ihrem Schatzgräberabenteuer erzählen und so ist es, vielleicht zum Nutzen anderer, in die Oeffentlich- lichkeit gedrungen. Zum Schaden aber darf nun die Geprellte auch noch ein gehöriges Maß Spott ernten.
Paris, 2. März. Wie man sich eines Liebhabers entledigt — das ist der Gegenstand einer Geschichte, die sich eben zugetragen. Der Sohn des fäiheren Besitzers eines des Cafes
von der Place du TheLtre Franyais, Fernand T., Student der Medizin, unterhielt ein Liebesverhältnis mit der Frau eines Familienfreundes Diese scheint eines Tages den guten Fernand überdrüssig bekommen zu haben, denn sie schrieb ihm Briefe, in denen Stellen vorkamen, wie- „. . . Töte Dich, um mir den größten Beweis von deiner Liebe zu geben . . . !" „. . . Ich werde mich ewig dein erinnern! Du wirst also nicht wirklich sterben, sondern im Gegenteil Wiederaufleben in meiner Seele, in meine« Herzen!" Der gute Fernand ging hin und that ihr die Liebe an . . . Sein unglücklicher Bater übergab die Briefe dem betrogenen Gatten, ach der wird nun auf Scheidung klagen.
sDie Renommier-Straße.s Fremder: „Eine recht nette Straße — das muß man sagen — die schönste im ganzen Ort!" — Einheimischer: „Ja, das ist auch unsre Ansichtskarten-Straße!'
sDas rechte Mittels Arzt: „Sie trinken doch den Thee nicht etwa zu stark?" — Patient: „O nein — ich Pflege ihn mit Run, zu verdünnen."
Nc»r-k Nachrichten ». Selegranim.
New-Jork, 9. März. Im Festsaal des Waldorf-Astoria-Hotels wurde gestern abend das 117. Stiftungsfest der „Deutschen Gesellschaft' gefeiert, woran Prinz Heinrich mit Gefolge teilnahm. An tausend Gäste waren erschienen. Der Vorsitzende G. H. Schwab hielt eine An- spräche, welche eine Menge Einzelheiten in der ruhmvollen Geschichte der Gesellschaft enthielt, s überreichte ein Gedenkblatt und schloß mit einem ^ Hoch auf den Prinzen Heinrich. Karl Schurz hielt eine Rede, in welcher er die alte Freund- schüft zwischen Amerika und Deutschland behandelte und ausführte, seit Amerika eine Großmacht ^ sei und auf festen Füßen stehe, habe es Freunde : überall. Als jedoch die Union in Not war, da sei das deutsche Volk sein bester Freund gewesen. Ebenso sei die Herstellung der deutschen Mw- nalen Einheit nirgends so sympathisch ausge- , nommen worden, wie von den Amerikaner». s Alle Preßhetzereien, welche darauf gerichtet seien, j die deutsch amerikanische Freundschaft zu zerstören, j seien nur kraftlose Giftmischereien und knaben-' Haftes Geschwätz gewesen. Ein Friedensbruch wäre ein Verbrechen gewesen, doch jei ein solches Verbrechen unmöglich. Des Kaisers herzgewinnender Freundschaftsbote sei mit einem so elementaren Ausbruch von Wärme begrüßt worden, daß alle Welt sich von der Aufrichtigkeit überzeugen mußte. Der Erfolg sei eine Freude für jeden Freund der Menschheit. Der Redner sprach alsdann die Bitte aus, der Prinz möge in Deutschland erzählen, wie hoch die Weisheit des Kaisers, des Urhebers dieses Freundschasts- und Friedensfestes, hier geschätzt werde. Dir deutsch-amerikanische Freundschaft verjünge die große Garantie des Weltfriedens. Der Präsident der Kolumbia-Universtty, Butler, feierte alsdann die deutsche Unterrichts- und Wissenschaftsmethode; der Fortschritt der Welt beruhe hierauf. Amerika habe sie adoptiert. Beide Länder stehen nunmehr in friedlicher geistiger Nebenbuhlerschaft. Rudolf Keppler sprach über das alte und neue Vaterland. Es sei sicher, daß Deutschland, ja der Kaiser selbst, das hohe Ansehen der Deutschen in Amerika freudig anerkenne. Prinz Heinrich hielt eine kurze Rede, in der er ausführte, der ihm bereitete Empfang sei ein weiterer Beweis der Freundlichkeit und des Enthusiasmus, womit er in allen von ih« besuchten Landesteilen ausgenommen worden sei. Wenn Stimmungen eines Volkes, eines Publikums, dem Ausdruck geben können oder die Gefühle, die ein Volk hegt, ausdrücken — und ich habe keine Ursache, an der Echtheit dieser Gefühle zu zweifeln -- so möchte ich glauben, daß der Wunsch des Kaisers in Erfüllung gegangen ist, dem die Mission seines Vertreters zwischen zwei Nationen zu Grunde gelegen hat. (Stürmischer Beifall.) Während des BankettS trug der Liederkranz mehrere Chöre vor.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in NeueubLrg