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liebenswürdige wie gebildete, unterrichtete und tadel­los unerschrockene Männer warm, persönlich in viel­fache, ja selbst nahe Berührung kam. Diese Bezieh­ungen waren selbst für einige Zeit gewissermaßen amtliche, da mir durch die Liebenswürdigkeit und das Vertrauen des türkischen Chefs des Stabes die erste Zensur vom militärischen Standpunkte aller Depeschen der Herren Kriegskorrespondenten des Hauptquartiers anvertraut worden war.

Durch diesen Umstand bekam ich nun Einblick in die Depeschen, die von jenen Herren mit Tausen­den von Worten und mit dem Aufwand ganz unge­heurer Geldmittel alltäglich nach England gesandt wurden. Da die englischen Herren nicht mehr und nicht weniger sahen und nicht mehr oder weniger er­fuhren als wie ich selbst, so war ich in der Lage, ge­nau beurteilen zu können, inwieweit deren Berichte mit der Wahrheit übereinstimmten. Das Ergebnis dieser Vergleichung war nun in der That häufig ein geradezu verblüffendes! lieber kriegerische Hand­lungen, die mit acht oder zehn Worten genügend klar­zustellen waren, wurden spaltenlange Telegramme ab­gesendet, in welchen eine Menge von Einzelheiten be­richtet wurden, die sich unserer Kenntnis naturgemäß durchaus entzogen. So wurden Schilderungen über den Zustand der gegnerischen Truppen gegeben, die Anzahl der Toten und Verwundeten derselben bis auf den Mann genau nach England telegraphiert, obwohl zur Zeit der Absendung dieser Depeschen, die während des Tages oft drei bis vier Mal durch be­rittene Boten nach der Telegraphenstation gesendet wurden, nicht einmal die eigene» auch nur annähernd richtig zu beurteilen waren. Dabei wurde aber säst immer dos Wesentliche, das Entscheidende, das den Gang der Operation Betreffende wegge­laffen oder durch eine wahre Flut erfundener De­tails verschleiert.

Ich hatte damals noch die naive Anjchauung, daß aus den Kriegsschauplatz entsendete Kriegsberichter­statter auch über eine derartige Menge militärischer Kenntnisse und Erfahrungen verfügen müßten, daß sie im Stande seien, der öffentlichen Meinung ihres Landes, welcher sie ja doch in letzter Linie zu dienen hatten, ei« wirklich klares und zutreffendes Bild der Berhältniffe ans dem Kriegsschau­plätze und den Fortgang der strategischen »nd taktischen Ereignisse z« geben. In dieser Auf­fassung konnte ich denn auch meine Verwunderung über den auffallenden Gegensatz der telegraphischen Berichte mit der objektiven Wahrheit jenen Herren gegenüber nicht zurückhalten, und erbat mir von einem derselben, zu dem ich inzwischen in engere persönliche Beziehungen getreten war, ganz offen Auskunft da­rüber, wie er denn Dinge zu melden wage, von denen er doch ebenso gut wüßte wie ich selbst, daß sie ent­weder einfach erfunden oder auf das Acußerste über­trieben seien. Daraus wurde mir etwa die folgende Antwort:Mein lieber Herr, wir mnffen melden, wie unser Boß es wünscht; thun wir das nicht, so verlieren wir unsere Stellung, und es finden sich Hunderte von Anderen die mit Vergnügen bereit sind so zu berichten, wie es dre Zeitung haben will. Diese aber will das englische Publikum vor allem Anderen unterhalten, und nichts ist für dieses packender und angenehmer, als wenn es in unseren Berichten bon Blutvergießen, explodierenden Granaten zerrissenen Menschen- und Tierkörpern recht viel zu lesen bekommt. Je mehrbloocksbeck", um so besser! Der Gang der Operationen, als die rein militärische Seite, ist dem englischen Publikum völlig gleichgiltig, denn es versteht wenig oder gar nichts von diesen Dingen und unterscheidet sich in dieser Beziehung selbstverständlich ganz wesentlich von Eurem deutschen Leserkreis, in dem die Einsicht und das Interesse für die rem fachmännische Seile des Krieges infolge der allgemeinen Wehrpflicht so überaus weit verbreitet ist."

Am schlimmsten waren die englischen Kriegsbe­richte aber immer am Sonntag. Da wurden ganze Gefechte schlankweg nnt allen Details und wiederum mit Hunderten von Toten und Tausenden von Ver- mundeten erfunden, während doch in Wirklichkeit nur wenige Schüsse gewechselt worden waren oder viel­leicht die beiderseitige Artillerie sich eine Stunde lang ergebnislos beschossen hatte. Auch für dieses Rätsel erhielt ich von nieinem englischen Freunde Auf­klärung:

Sehen Sie," sagte er,die Sache verhält sich so: Da Sonntags das englische Publikum ohne jede Zeitung bleibt, so muß es am Montag etwas zu lesen bekommen, was seinen blutigen Instinkten mög­lichst entspricht; es geht unbedingt nicht an, daß wir für den Montag unserem Blatte nichts Derartiges zu melden haben. Ein guter Kriegskorrespondent MNtz eben für diesen Tag etwas gesehen und erlebt haben! Thut er es nicht, so füllt er seinen Platz nicht aus, und da diese Thätigkeit nun einmal unser Beruf (our livingl ist, so setzen wir unsere Existenz einfach auf's Spiel, wenn wir strenge bei der Wahrheit bleiben wollten."

Als ich nach dem Kriege nach Deutschland zurück- gekehrt war, las ich mit höchstem Erstaunen von einer großen Schlacht bei Mali, die zwischen Türken und Griechen südlich des Melunapasies in der Gegend von Tyrnaos stattgefunden haben sollte. Es war dabei von heroischen Kämpfen der Griechen gegen eine überwältigende türkische Ucbermacht berichtet und diese Erzählung mit einer solchen Menge von Einzelheiten ausgeschmückt, daß wohl kein europäischer Leser über die Lhatsächlichkeit dieser griechisch-türkischenEnt­scheidungsschlacht" einen Zweifel haben konnte. Und doch war diese ganze grotze Kraftabmeffung

der beiderseitigen Armeen vollkommen er­funden! An dem Tage, an welchem die Schlacht von Mati geschlagen worden sein sollte, war nur Morgens zwischen 8 und 9 Uhr ein kleines Vorposten­gefecht von einigen Kompagnien, in welches aus etwa eine halbe Stunde einige türkische und griechische Batterien eingriffen. Sonst herrschte amSchlacht- tage Von Mali" absolute Ruhe, und vollzogen sich nur beiderseits Marschbewegungen; bei den Griechen der Rückzug, bei den Türken der Bormarsch aus den Gebirgspässen heraus und hinunter in die Ebene von Thessalien.

Die ganze Entscheidungsschlacht bei Mati

mar von den auf griechischer Seite befindlichen Kriegskorrespondenten der Engländer, und wohl auch der Franzosen und Italiener, welche damals starke Sympathien für die Griechen zur Schau trugen, schlankweg erfunden worden, um den eben nicht sehr rühmlichen Rückzug der Griechen nach und über Larissa mit dem Strahlenkränze heldenmütiger Tapfer­keit und zähesten Kämpsens gegen eine überwältigende Uebecmacht zu umweben.

Am unerklärlichsten aber war es für den deutschen Beobachter jederzeit, daß alle diese Herren, welche von der englischen Presse nach dem Kriegsschauplätze ent­sendet worden waren, ohne jede Ausnahme aber auch nicht über ein Mindestmaß von militärische» Kennt- nistcn, miltärischer Hinsicht und militärischem Urteil verfügte«. Jeder deutsche einjährig-sreiwillige Ge­freite wäre eher in der Lage gewesen, über die Operationen im Großen kritisch zu urteilen, als wie diese persönlich so überaus tapferen, ehrenwerten »nd liebenswürdigen englischen Herren, von denen auch nicht Hiner im gesellschaftlichen Umgänge je eine Lüge über die Lippen gebracht hätte. Und doch vermochten sie so besonders kräftig telegraphisch zu flunkern!

Auch aus ihrer Unkenntnis der elementarsten militärischen Dinge hatten vie Herren nie ein Hehl gemacht. Ja, es hatte sich allmählig die Gewohnheit herausgebildet, daß ich Morgens im Terrain ein kleines Privatissimum über die operative und taktische Lage an die Herren Kriegskorrespondenten Großbritanniens zu lesen ersucht wurde. Als ich dann später mit ein- zelnen dieser Herren in anderen Teilen der Welt wieder zusammeniras, haben wir uns jedesmal jener taktischen Frühkollegien in den Felstn des Meluna- paffes beiderietts mit besonderem Vergnügen erinnert.

Wenn ich heute über diese Dinge spreche, so ge­schieht dies gewiß nicht, um mein eigenes Licht leuchten zu lassen. Aber das soll es bezwecken: daß im großen Publikum alle englischen Hekegramme, alle englische» Berichte und insonderheit alle Wenter-Weldnngen mit jenem starken Koeffizienten des Unglaubens ge­lesen werden, der für deren Genießbarkeit in der That ganz unerläßlich ist. Dieser Zweiselscoesfizient muß aber in seiner Größe immer verdoppelt werden bei allen Meldungen an den Montagen und in den letzten Hagen eines jede« Monats, denn um diese Zeit sind fast alle Helegramme aus die Ultimoregu­lierung der Börse in London zugeschnilten!

Welchen Wert aber das Urteil jener brittischen Herren über die deutsche Armee gelegentlich der dies­jährigen deutschen Kaisermanöver nach der Danziger Zarenwoche gehabt hat, wodurch und von wem es in­spiriert wurde, kann sich der Leser aus dem hier Er­zählten unschwer selbst zurechtlegcn! Es giebt keine englische politische oder militärische Berichterstattung die um der Wahrheit willen wahr ist. Jede Depesche aus englischer Herkunst hat nur den einen Zweck: der englischen Sache zu dienen und zu nützen.

Trifft dies zufällig mit der Mitteilung des ob­jektiven Thalbestandes zusammen, dann hört die Welt die Wahrheit, im anderen Falle wird sie unbe­denklich, von jedem Orte der Welt aus, und von jedem englischen Agenten kaltblütig und systematisch belogen.

Und das müssen wir nun allerdings so lange tragen bis wir unsere eigenen Kabellinien haben; bis zu diesem leider noch fernen Zeitpunkte aber erübrigt nur: jede politische oder militärische Meldung eng­lischer Herkunft so lange als unglaubwürdig zu be­handeln, bis sie von anderer, verlässigerer Seite be­stätigt ist.

Vermischtes.

Aus Westpreußen, 20. Novbr. In einem Wirtshause in Marienburg hatte sich kürzlich ein Herr, der sich eines ungewöhnlich stattlichen Schnurrbartes erfreut, verpflichtet, diesen für 100 Mk. zu opfern und sich am nächsten Abend ohne Schnurrbart einzufinden. Die Gesellschaft war bereits erwartungsvoll versammelt, aber der Besitzer des verwetterten Schnurrbarts blieb aus. Nachdem die Stammgäste eine halbe Stunde vergeblich auf ihn gewartet hatten, brachte end­lich ein Bote einen Brief, dessen Aufschrift eine Damenhand verriet. Der Inhalt lautete, wie dieMarienb. Ztg." berichtet:Meine Herren! In einer Anwandlung unerklärlichen Leichtsinns hat mein Gatte sich gestern abend Ihnen gegen­über verpflichtet, gegen Zahlung von 100 Mk. für einen wohllhätigen Zweck seinen schönen Schnurrbart zu opfern, und Sie waren grausam genug, .diesen Vorschlag anzunehmen. Da ich nun aber nicht Lust habe, unter den wohlthätigen

Anwandlungen meines Gatten zu leiden, so sehe ich mich zu der Erklärung veranlaßt, daß mein Mann nud ich bei unserer Verheiratung die Gütergemeinschaft nicht ausgeschlossen haben. Infolge dessen ist sein Schnurrbart mein Schnurrbart; er hatte kein freies Verfügungs­recht darüber, und Ihre mit nur einem be­rechtigten Teile eingegangene Wette ist daher Null und nichtig! Sollten Sie die Berechtigung meines Einspruchs anzweifeln, so steht Ihnen das Beschreiten des Klageweges frei. Hoch­achtend ..." P. S.Mein Mann kann heute nicht bei Ihnen erscheinen, da ich einst­weilen den Hausschlüssel in Verwahrung ge­nommen habe. D. O." Die Mitglieder der Tafelrunde sollen nun grausam genug sein gegen Herrn klagbar Vorgehen zu wollen!

Auf dem Ettlinger Bahnhofe sollte um 7 Uhr ein Zug der Albthalbahn den Hauptbahn­hof verlassen, um nach der Stadt zu fahren. Die Lokomotive hatte aber anders disponiert. Sie war der Ansicht, daß es doch viel ange­nehmer ist, ohne Ballast ihren Weg zu wandeln und dampfte allein nach der Stadt ab, Passa­giere und Bahnbeamte mit etwas länglichen Ge­sichtern zurücklassend. Glücklicherweise gelang es einem sofort abgelassenen Haftbefehl, den Durch- gänger noch auf Station Erbprinz zu erwischen, und zu seiner Pflicht zurückzuführen.

(Kindermund.) Karlchen (im Garten): Vater, wie alt ist das Bäumchen?"Vater: Fünf Jahre." Karlchen:Dann kommt's wohl nächstes Jahr schon auf die Baumschule?"

Mutmaßliches Wetter am 27. u. 28. November.

(Nachdruck verboten.!

Bei vorherrschend nördlichen bis östlichen Winden und kalter Temperatur ist für Mittwoch und Donners- tag noch immer trockenes und heiteres Wetter in Aus­sicht zu nehmen.

Am 28. und 29. November.

Das Maximum bestehenden Hochdrucks liegt über Großbritannien mit 7^5 mm der auf 755 mm abge­flachte Lustwirbel ist von Nordskandinavien nach den Ladogasee herunter gewandert. Voraussichtlich ent- wickelt sich im hohen Norden ein neuer Lustwirbel.

Für Donnerstag und Freitag ist vielsach nebliges, aber noch immer vorwiegend trockenes Wetter zu er­warten, doch sind vereinzelte kurze Schneesälle nicht ausgeschlossen.

Telegramme.

Berlin, 26. Nov. (Reichstag.) Das Haus ist gut besetzt. Präsident Ballestrem er­öffnet die Sitzung um 2.20 und heißt die Ab­geordneten willkommen. Er gedenkt des Heim­gangs der Kaiserin Friedrich. Ihr Andenken werde im Volke als ein gesegnetes fortleben. Alle Abgeordneten, auch die Sozialdemokraten, haben sich erhoben. Präsident Ballestrem teilt sodann mit, daß er durch den Botschafter in Washington das Beileid des Reichstages anläß­lich des Todes Mac Kinleys habe aussprechen lassen, und gedenkt der seit der vorigen Tagung verstorbenen Abgeordneten. Er giebt bekannt, daß Vizepräsident Frege wegen schwerer Erkrank­ung sein Amt niedergelegt habe, und verliest die Eingänge, darunter eine Interpellation Basser­mann, betreffend das Duell. Das Haus tritt sodann in die Tagesordnung ein und genehmigte debattelos die Weiterberatung des Gesetzentwurfs betr. Abänderung der Strandordnung. Es folgt die zweite Beratung der Seemannsoronung nebst den ergänzenden Gesetzentwürfen.

Berlin, 26. Nov. Im Reichstag brachten Arendt und Genossen eine Interpellation ein, f ob dem Reichskanzler bekannt sei, daß den Kriegs­teilnehmern, denen auf Grund des Gesetzes vom 1. Juli 1899 eine jährliche Beihilfe von 120^ bewilligt sei, auch gegenwärtig wieder mangels finanzieller Mittel die Auszahlung verweigert werde?

Pest, 26. Nov. Der Großpächter Armin Straßburger ist seit zwei Tagen verschwunden. Straßburger hatte bedeutende Engagements an der hiesigen Börse. Seine ungedeckten Differ­enzen lind sonstigen Schulden dürfen eine Million Kronen übersteigen; außerdem schuldet Straßburger der hiesigen Sparkasse 500000 Kronen.

Redaktion, Druck und Verlag von L. Me eh m Neuenbürg.

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