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„Nein, sofort auf der Stelle wollen sie vorgelassen werden und die Beiden sehen nicht danach aus, als lassen sie sich abweisen."
„Zum Henker, ich bin doch Herr meiner Zeit und empfange, wen und wann ich will," fuhr Häuslinger gereizt auf und doch wurde es ihm mit einem Male ganz seltsam zu Mute.
Die beiden Herren, die ihn zu sprechen wünschten, mochten wohl seine letzten Worte gehört haben; der Angestellte wurde Plötzlich bei Seite geschoben und im Rahmen der Thüre erschienen die Beiden.
„Nein, gegenwärtig sind sie nicht mehr Herr Ihrer Zeit," klang scharf die Stimme des einen, des älteren der beiden eingetretenen Männer. „Machen Sie sich sofort bereit, uns zu folgen."
„Was wollen Sie von mir?" stotterte der Buchhalter verlegen.
„Hier dieser Verhaftungsbefehl wird es Ihnen zur Genüge sagen," mit diesen Worten hielt der Sprecher dem Buchhalter ein Schriftstück vor.
„Unmöglich!" das war alles, was Erich Häuslinger herauszubringen vermochte und sein Blick irrte wie hilfesuchend im Zimmer umher. Der Boden, auf dem er stand, schien ihm unter den Füßen zu Wanken und alles um ihn her sich wie toll im Kreise zu drehen.
„Nun, wollen Sie uns folgen?" fragt der Kriminal-Komissar, denn ein solcher war es, und sein Begleiter ein Schutzmann in Zivil. „Lebendig nicht!" schrie der Buchhalter, über den mit einem Male wieder Leben gekommen zu sein schien, nachdem er im ersten Augenblick, Wie von einem schweren Schlag getroffen, dagestanden hatte. Mit einem Satze sprang er zu einer zweiten Ausgangsthür — riß dieselbe auf und hinaus war er. Die beiden Beamten, die sich dessen Wohl nicht versehen haben mochten, waren zwar sofort hinter ihm her und der eine hatte ihn auch schon glücklich am Rockschooß erfaßt — aber ein Ruck und er hielt nur ein Stück abgerissenen Stoff — die Verzweiflung mußte dem Buchhalter außergewöhnliche Kraft verliehen haben.
Hinaus war er; seine beiden Verfolger, die ihm Nacheilen wollten, konnten ihm nicht auf demselben Wege folgen — die Thür war verschlossen, der Flüchtling hatte draußen den Schlüssel umgedreht.
„Eine schöne Geschichte!" wetterte der Kriminalkomissar. „Aber noch ist er nicht aus dem Hause und wir werden ihn doch noch einholen."
Diese Hoffnnng. sollte sich aber nicht erfüllen, denn ehe sie den Umweg durch die andere Thüre zurückgelegt, war der mit den Oertlich- keiten Wohl vertraute Buchhalter bereits verschwunden — Niemand konnte angeben, wohin er sich begeben hatte, und wenn auch innerlich ergrimmt — sie mußten doch mit leeren Händen wieder abziehen — selbst in dem Augenblick, als sich die Maschen des Netzes so eng nm ihn verstrickt hatten, war es Erich Häuslinger noch gelungen, sich aus den Schlingen zu befreien und der gerechten Strafe zu entgehen.
Wie war es nun gekommen, daß das Gebäude von Lug und Trug über dem Verschwundenen schließlich zusammengebrochen war und er sein Heil nur in der Flucht fand? Durch Arthur Buchheim, der vom ersten Tag an, wo er sein Vaterhaus verlassen mußte, nichts unversucht ließ, um den Spuren Erich Häus- lingers nachzugehen und sein falsches Spiel aufzudecken. Freilich, so leicht sollte es ihm nicht werden, denn der Ränkeschmied hatte alles gar schlau eingefädelt und so leicht war ihm nicht beizukommen, lieber die Vorgänge im Hause seines Vaters suchte er sich immer heimlicher Weise zu unterrichten und so erfuhr er auch, daß der Buchhalter im Begriff war, sich mit seiner Schwester zu verheiraten — nun wurde ihm klar, warum er von demselben ins Verderben geführt worden — er war ihm im Wege. Wie er nur so plump in die Falle gehen konnte und er schlug sich unwillkürlich
vor die Stirne. Nunmehr galt es, diese Heirat zu verhindern — aber wie. Offen vor seinen Vater hintreten und ihm sagen, der Mann, den er in sein Haus ausgenommen, sei ein Unwürdiger, dies konnte er nicht wagen. Wo waren die Beweise dafür! Ohne diese würde ihn der Buchhalter nur auslachen und doch seinen Zweck erreichen, denn auch sein Vater mußte seine Worte nur als Ausfluß seines Uebelwollens gegen den Buchhalter betrachten — wer verdiente mehr Glauben — der Ehrenmann, auf dessen Namen nach allseitiger Meinung nicht der geringste Makel haftete oder der Wechselfälscher. Mußte er nicht viel mehr befürchten, der Buchhalter drehte den Spieß um und bezichtigte ihn der begangenen Wechselfälschung.
Je näher der Tag der Hochzeit im Hause seines Vaters heranrückte, der ihm bekannt war, desto unruhiger wurde Arthur Buchheim — sollte er ruhig mit ansehen müssen, wie seine Schwester an die Seite dieses Mannes gekettet wurde, der kein Herz besaß und dessen Sinnen und Trachten nur auf Geld gerichtet war. Da sollte ihm der Zufall zu Hilfe kommen und dieses war jenes Gespräch, welches sich auf die Erfindung des ehemaligen Obermeisters bezogen hatte. Arthur Buchheim fand seine Vermutung vollauf bestätigt — von dem deutschen Vertreter der englischen Firma erfuhr er, daß dieselbe einen weit höheren Kaufpreis gezahlt hatte — der Buchhalter hatte das Geld einfach unterschlagen. Der Beweis ließ sich mit Leichtigkeit erbringen und wer einen solchen schändlichen Verrat, einen solchen Schurkenstreich an einem armen, unglücklichen Freunde zu begehen im Stande ist, ist auch noch zu viel schlimmerem fähig.
(Schluß folgt.)
Berlin, 8. August. Der Sarg, in dem Kaiserin Friedrich zur letzten Ruhe gebettet werden wird, stammt aus der Fabrik von F. O. Kersten Nachfolger in Berlin. Der Sarg besteht aus zwei Teilen: dem aus Eichenholz hergestellten und mit kupfer-bronziertem Zinkblech überzogenen Einsatz, dem eigentlichen Sarge, und dem die äußere Umhüllung bildenden Paradesarge. Der Einsatz enthält ein mit schwerem Weißen Atlas überzogenes Kissen und ist mit weißem Atlas ausgeschlagen. Die Decke, welche über die Leiche gebreitet werden wird, ist mit seidener Kurbelstickerei und Spitzen verziert. Der Paradesarg besteht ebenfalls aus Eichenholz uud ist mit rotem Purpursammet überzogen. Auf dem Deckel ruht auf einem violett- sammetnen Kissen die echt vergoldete Kaiserkrone. An den Seiten sind zehn schwere, fener- vergoldete Bronzegriffe angebracht, und der Deckel ist geziert mit Rosetten, deren Entwurf von der Kaiserin Friedrich herrührt. Sie stellen die englische Rose dar. Der Sarg selbst, der ebenfalls von der Kaiserin entworfen wurde, hat die flache englische Form.
Göttingen. Das Gesprächsthema in unserer Stadt bildet der Tod des Rentners Schilling und das Geschick einer irrsinnig gewordenen Schwester. Das Haus an der Wählerstraße wird von Neugierigen umlagert; im Garten haben allerlei Dunkelmänner nächtliche Nachgrabungen nach versteckten Schätzen angestellt, sodaß die Polizei energisch hat einschreiten müssen. Es hat sich herausgestellt, daß die beiden wunderlichen Leute ein mobiles Vermögen von weit über 100000 ^ besessen, dieses aber auf die sonderbarste Weise untergebracht haben. Bei den Aufräumungsarbeiten im Hause fanden Arbeiter die Summe von 43000 die teils in einem alten, rostigen Blechkasten lagen, teils in alte Strümpfe und andere Lumpen eingewickelt waren. In einer alten, am Boden liegenden Zeitung fanden sich sieben Hundertmarkscheine, ebenso in Büchern, die auf einem Regal standen, Kassenscheine über verschiedene Beträge. Tags darauf wurden in einem Gefüsse noch 40 000 gefunden. Die Hauptmasse des Vermögens besteht in Wertpapieren. Die Reinigung und Desinfizierung der Schilling'schen Villa, die auch
einen stattlichen Wert darstellt, ist noch nicht beendet. Es stehen vielleicht noch allerlei interessante Funde in Aussicht.
Telegramme.
Homburg v. d. H., 11. Aug. Um 9 . 1 g vorm, trafen mittels Sonderzugs das Königs- Paar von England, die Prinzessin Viktoria Prinz Nikolaus von Griechenland, sowie das Gefolge und der englische Botschafter ein. Auf dem Bahnhofe war als Ehrenwache eine Kompagnie des 80. Regiments mit der Fahne aufgestellt. Zum Empfang waren anwesend: Das Kaiserpaar, der Kronprinz, die Prinzen Eitel Friedrich und Adalbert, alle Damen und Herren der Umgebung und des Hauptquartiers, der Reichskanzler und Graf Waldersee.
Homburg v. d. H., 11. August. Das Kaiserpaar empfing im Laufe des Vormittags den Gegenbesuch des Königspaares von England.
Kronberg, 13. Aug. Große Menschen- mengen erwarteten schweigend die Anfahrt der Fürstlichkeiten zu der Trauerfeierlichkeit. Vom Schlosse Friedrichshof bis zur Kirche in Krön- berg bildete Militär Spalier. An der Nische des Altars steht, von Kränzen bedeckt, der Sarg. Unbeweglich stehen die Offiziere der verschiedenen Regimenter der Kaiserin, welche Ehrenwache halten, sowie die Unteroffiziere mit den Fahnen, des 80. Regiments. Die Deputationen der Regimenter der Kaiserin mit umflorten Schärpen und Goldstickereien trafen ein. Dann folgte der Hofstaat der Kaiserin Friedrich, die Spitzen der Behörden, der Reichskanzler von Bülow, der Justizminister Schönstedt, der englische Botschafter; sodann traf der Hof ein; der Kaiser und die Kaiserin, das Königspaar von England, der Großherzog und die Großherzogin von Baden, der Kronprinz, die Prinzen, sowie die übrigen Fürstlichkeiten. Dieselben nahmen hinter dem Sarge an der Altarnische Platz, während die Orgel leise spielte. Der Berliner Domchor intonierte darauf das Lied: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt." Dann folgte der Gesang der Gemeinde. Oberhofprediger Dr. Dryander sprach ein Gebet. Alsdann begann wieder der Gesang des Domchors, worauf der Geistliche die Einsegnung vornahm. In diesem Augenblick präsentierten draußen die Truppen. Trommelwirbel und Trompetenklänge der Trauerparade drangen in die Kirche hinein. Mit abermaligem Gesang schloß die Feier.
Kiel, 11. Aug. Das Schiff der vom deutschen Reich entsandten Südpolarexpedition „Gauß" hat heute vormittag seine Ausreise angetreten. Zur amtlichen Entlassung der Expedition begaben sich früh 7 Uhr als Vertreter des Reichs der Unterstaatssekretär Rothe und Geh. Regierungsrat Lewald, sowie ein kleiner Kreis Geladener und der Rektor der Kieler Universität mittels des Dampfers „Hollmann" an Bord des „Gauß". Hier hielt Unterstaatssekretär Rothe eine längere Ansprache, in der er betonte, daß der Kaiser den Gelehrten und der Besatzung für ihr mutiges Unternehmen Dank und den Wunsch ausspreche, es möge der Expedition vergönnt sein, die deutsche Flagge zu hissen. Er schloß mit dem Wunsche zu glücklicher Fahrt und auf glückliches Wiedersehen.
Brunsbückelkoop, 11. August. Das Flaggschiff der ersten Division des ersten Geschwaders „Kaiser Wilhelm der Große" mit dem Geschwaderchef, dem Prinzen Heinrich, an Bord, hat auf der Fahrt nach Kiel heute vormittag 9*/s Uhr Brunsbüttelkoop Passiert. Die übrigen Schiffe der Division werden im Laufe des Vormittags in den Kanal einlaufen.
Brüssel, 11. Aug. Von der Entwendung einer Summe von 500 000 Frs. wurde dem Gericht Anzeige erstattet. Der Diebstahl ist zum Schaden der Stahlwerke in Terneuzen von deren Kassierer unter Mitschuld des Verwalters verübt worden. Der Kassierer hatte die Summe bei einer Bank hinterlegen sollen, hatte sich dieselbe jedoch angeeignet und eine falsche Quittung ausgefertigt.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.