454

Kapstadt, 24. Juni. Ueber den Kampf bei Reitz, der in der Wegnahme von Dewets Convoi gipfelte, liegen nunmehr nähere Mit­teilungen vor, aus welchen hervorgeht, daß die Engländer den Wagenzug überrumpelten. Die Buren flohen: als sie aber sahen, daß die Zahl der Engländer nur gering war, kehrten sie zu­rück und griffen mit großer Verve an. Da sie an Zahl überlegen waren, gelang es ihnen nach verzweifeltem Kampfe, die Wagen wieder zu nehmen. Inzwischen war aber der englische Oberst Delisle mit Verstärkungen eingetroffen. Das Gefecht begann von Neuem mit großer Heftigkeit. Die Buren lagen unter den Wagen und schossen unablässig zwischen den Rädern hindurch, während ein Teil der Kameraden schleunigst die weiter von den Engländern ent­fernt stehenden Wagen bespannte und fortschaffte. Die Engländer sprangen nunmehr zwischen die Stränge der Deichsel und vor die Wagen und machten nach Möglichkeit von dem Bajonet Ge­brauch. Geschossen wurde nur auf die kürzesten Entfernungen. Der Kommandant der Buren, Delarey, nahm selbst an dem Gefechte teil. Neben ihm wurde ein Bure getötet, sein Nach­bar auf der anderen Seite verwundet. Schließ­lich löste sich der Kampf in eine Reihe von Ge­fechten Mann gegen Mann auf, in deren Ver­lauf die Buren schließlich zurückgetrieben wurden. Auf allen Seiten wurde mit großer Tapferkeit gefochten.

London, 26. Juni. Eine Meldung aus Kapstadt besagt: Am Samstag engagierte eine Abteilung Buren eine Patrouille der Kappolizei und berittener Schutztruppen 10 englische Meilen westlich von Barcley-West. Eine kleine Ab­teilung Buren besetzte wieder Jamestown und nahm so viel Waffen und Munition mit, als sie fortschaffen konnte. Sie erließ eine Prokla­mation, die besagt, daß Jamestown vorläufig die Hauptstadt des Oranje-Freistaates sei.

London, 26. Juni. Nach einer Meldung aus Kapstadt fand ein Gefecht bei Fellcomm- boom statt, bei welchem die Buren 20 Tote und mehrere Gefangene verloren. Die Engländer zerstörten eine große Menge Proviant und eine Anzahl Wagen. Die Zahl der im Felde steh­enden Buren betrug 600 Mann.

Kapstadt, 25. Juni. Nach einer Meld­ung derCape Times" wurde das Parlaments­mitglied für Aliwalnorth, Botha, von den Buren gefangen genommen. Wegen seiner Haltung im Kapparlament bei der Abstimmung über das Hochverratsgesetz wurde er ausgepeitscht und seine Farm verbrannt.

London, 25. Juni. Chamberlain depe­schierte an den Vorstand der unionistischen Partei in Stratford on Avon, wo eine Parlamentarische Ersatzwahl stattfindet: Ich hoffe, die Wähler werden daran denken, daß ein der Regierung verlorener Sitz noch immer ein von den Buren gewonnener Sitz bedeutet.

Haag, 24. Juni. Der Burenkommandant Vanloo, Adjutant Christian Dewets, der hier mit einem ausführlichen Berichte dieses Generals eintraf, schildert die Lage der Buren als günstig und versichert, daß die Armee Kitcheners durch zunehmende Verpflegungsschwierigkeiten und Krankheiten fortwährend dezimiert werde. Vanloo bestätigt, die barbarische Behandlung der ge­fangenen Burenfrauen und Burenkinder durch die Engländer.

London, 25. Juni. Nach Telegrammen aus Virginia wurden dreißig Städte durch den Dammbruch vernichtet, dreißig Meilen Eisen­bahn weggefegt, zweihundert Meilen unbrauchbar gemacht und fünfundzwanzig Kohlenbergwerke zerstört. Der Schaden wird auf 5 Millionen Dollars geschätzt, der Verlust an Menschenleben vom Gouverneur auf ungefähr Tausend ange­geben. Andere erklären dies zwar für übertrieben. Der Schrecken der Katastrophe wurde dadurch erhöht, daß sie nachts eintrat, als die meisten im Bett lagen. Der Regen hatte 24 Stunden gedauert und endete mit Wolkenbruch, was die Fassungskraft des Elkhorner Wasserreservoirs übermäßig anspannte. Als der Damm brach, stürzte das Wasser mit furchtbarer Gewalt die enge Schlucht hinab. Sechstausend Menschen sind obdachlos. Das Rettungswerk geht nur

langsam vorwärts, da die Leichen schwer zugäng­lich sind. Die ganze Gegend ist verpestet. Die Regierung schickte zahlreiche Armeezelte.

New-Jork, 26. Juni. Einer Depesche aus St. Johns in New - Foundland zufolge ist der OzeandampferLusitania", der von Liver­pool nach Montreal mit 500 Passagieren unter­wegs war, gestern nacht auf der Höhe von Kap Balland gescheitert. Alle Passagiere des Dampfers wurden gerettet.

Indianapolis, 26. Juni. Ein Eisen­bahnunglück ereignete sich auf der Wobosch- Eisenbahn, 45 Meilen westlich von Peru. Die Bockbrücke war vom Hochwasser weggeschwemmt worden. Ein Personenzug, welcher mit großer Geschwindigkeit dahinfuhr, stürzte infolge hievon in die Tiefe. Die Lokomotive und 5 Wagen wurden zertrümmert. Es verlautet, 15 Personen seien umgekommen.

Unterhaltender Leit.

Haar und Bart.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Der Bart, dieses besondere Eigentum des männlichen Geschlechtes, war nicht weniger als das Kopfhaar den Edikten der Mode unterworfen, aber zu allen Zeiten wurde er hochgeschätzt und spielte eine große Rolle in den wichtigsten Lebens­verhältnissen. Bei den alten Völkern des Ostens wurde er mit abergläubischer Verehrung betrachtet, und noch heute beteuert der Araber seine eid­lichen Aussagen bei seinem Bart.

Die Aegypter, die übrigens durchaus nicht mit großer Bartfülle begab waren, rasierten alles bis auf die äußerste Spitze des Kinnes, aber dieses Ueberbleibsel wurde hochverehrt und zu seinem Schutz in eine Kapsel eingeschlossen.

Moses verbot den Juden, während der Ge­fangenschaft den Bart zu scheren (Leviticus XIX), dies hielt dieselben jedoch in späteren Zeiten nicht ab, Lippen und Kinn zu rasieren, dagegen unter dem Ohr einen kleinen Büschel Haare stehen zu lassen, der für heilig gehalten wurde und nicht mit dem Messer berührt werden durfte.

Alle anderen östlichen Völker mit Ausnahme der Aegypter, trugen den Vollbart, die Assyrer und Perser durchwanden ihn mit Goldfäden, und auch die Helden der griechischen Mythologie waren bebartet. Homer spricht oft genug von den Bärten der Götter, wie von denen des Aga­memnon, Ajax, Menelaus, Ulysses und beschreibt ausführlich den weißen Bart des Königs Pria- mus. Eigtntümlich gerug trägt Bacchus, der gewöhnlich als jugendlich dargestellt wird, in einer auf uns gekommenen Statue einen Vollbart.

Alexander der Große fand, daß der Bart dem Feinde in der Schlacht zu viel Gelegenheit gäbe, den Gegner zu erfassen, und befahl des­halb den Macedoniern, denselben zu scheren. Diese Sitte fand bald bei den anderen Völkern Nachahmung, zuletzt bei den Athenern. Plinius erzählt uns, daß etwa ums Jahr 300 vor Christus der erste Barbier von Sicilien nach Rom gebracht worden sei. Die römischen Phi­losophen bemächtigten sich des Bartes als Kenn­zeichen ihres Berufes, was zu dem Sprichwort Veranlassung gab:Der Bart macht keinen Phi­losophen."

Den Jünglingen in Rom war das Rasieren bis zu ihrem siebzehnten Jahre verboten, wo sie die Toga virilis anlegten. Es war dies ein großes Familienfest, und die abrasierten Haare wurden sorgfältigst in ein Kistchen verpackt und den Göttern, besonders dem Jupiter Capitolinus, geopfert.

Während der Endjahre der römischen Re­publik kam der Bart wieder mehr und mehr in die Mode, und Kaiser Hadrian retabilierte ihn durch seinen eigenen Vollbart. Auch Antonius Pius und Marcus Aurelius trugen solche.

Langwierige und sich durch Jahrhunderte fortsetzende Streitfragen für und gegen das Bart­tragen bewegte die christliche Geistlichkeit. Die alten Kirchenväter trugen Bärte und das Konzil von Barcelona im Jahre 540 ordnete kurzes Haar und langen Bart an. Die Päpste trugen Bärte bis zur Trennung der griechischen von der römischen Kirche, bei welcher Gelegenheit Leo III.

seinem Klerus als Unterscheidungszeichen das Rasieren anbefahl. Die griechischen Geistlichen behielten den Bart und tragen ihn heute noch.

Papst Johann XII. wurde im Jahre 963 abgesetzt, weil er neben anderen begangenen Ver­brechen einen Bart trug. Das Konzil in Limoges im Jahre 1031 nahm die Bartfrage wieder auf und erlaubte nach eigenem Ermessen zu handeln­schon 40 Jahre später jedoch- erließ Gregor VII) eine Bulle gegen das Barttragen der Geistlich­keit. Alles dies endete aber den Streit nicht und im 16. Jahrhundert erlaubte man stillschweig.' end den Mönchen, den Bart wachsen zu lassen.

Die alten Deutschen trugen fast sämtlich volle Bärte. Einige Stämme, wie z. B. die Sachsen, trugen dieselben in zwei Spitzen aus­laufend, die Dänen teilten ihn sogar in 3 Teile.

Rußland war von jeher ein Land der Bärte bis Peter der Große, wie er sagte, aus Rein­lichkeitsrücksichten das Tragen derselben streng untersagte; doch konnte man gegen eine Zahlung von 100 Rubeln die Erlaubnis zum Barttragen erkaufen.

Im mittelalterlichen Frankreich war der Bart hochgeachtet, und wer die Hand auf jemandes Bart legte, deutete damit an, daß er von ihm Schutz verlange. Für lange Zeit wurden in das königliche Siegel drei Haare aus dem Barte des Königs eingedrückt. Als Ludwig XIII. noch sehr jung und bartlos zur Regierung kam, hatten die Höflinge nichts Eiligeres zu thun, als ihre Bärte zu scheren, sie ließen aber unter der Lippe einen Haarbüschel stehen und diese Mode fand unter dem NamenImperial" allgemeinen An­klang. Der englische alsKalbskoteletten" be­kannte Backenbart rührt von Georg IV. her. Bis vor etwa 30 Jahren trug kein Engländer einen Vollbart, jetzt sieht man fast niemanden ohne einen solchen.

Obgleich der Bart vorzugsweise dem männ­lichen Geschlecht angehört, gefällt sich Mutter Natur manchmal darin, auch weibliche Wesen damit zu begaben. Bei Mädchen und Frauen mit schwarzem Haar ist ein Schnurrbart nichts Seltenes, aber ab und zu tauchen auch solche mit üppig entwickeltem Vollbarte auf. Karl XII. von Schweden hatte in seiner Armee einen weib­lichen Grenadier, der einen längeren Bart als die meisten Männer hatte. Sie war ihres großen Mutes wegen wohlbekannt. Bei Pultawa im Jahre 1724 gefangen genommen, wurde sie nach Petersburg gebracht und dem Zaren vorgestellt. Im Museum zu Stuttgart hängt das Portrait eines 25 jährigen Mädchens mit üppigem Barte. In neuerer Zeit lassen sich wohl einige dieser Abnormitäten für Geld sehen, bei manchen da­von dürfte aber der Bart wohl nur auf Trug beruhen.

Mutmaßliches Wetter am 28. und 29. Juni.

(Nachdruck verboten.

Ueber einen kleinen Teil von Schweden und Nor­wegen liegt nunmehr eine schwache Depression von wenig unter Mittel, die aber rasch ausgeglichen werden dürfte, da sich über Irland ein Hochdruck von 774 mm über dem übrigen Großbritannien, der nördlichen Hälfte von Frankreich, Belgien, Holland, Süd- und Mittel­deutschland, sowie fast ganz Deutsch-Oesterreich, ein solcher von 770 mm und darüber behauptet. Die Ge­witterneigung in Süd- und Mitteldeutschland hat nahe­zu ganz ausgehört. Für Freitag und Samstag ist dem­gemäß größtenteils trockenes und heiteres Wetter bei allmählich steigender Temperatur in Aussicht zu nehmen.

Am 29. und 30. Juni.

Für Samstag und Sonntag ist noch allenthalben trockenes und heiteres Wetter bei weiterhin steigender Temperatur in Aussicht zu nehmen.

Telegramme.

Leipzig, 27. Juni. Das Reichsgericht verwarf die Revision des Eisenbahnexpedienten Weipert, der das Unglück am Heidelberger Karls­thor am 17. Oktober 1900 verschuldet hatte und deshalb vom Landgericht Heidelberg zu acht Monaten Gefängnis verurteilt Wochen war. In der Begründung heißt es, daß das Urteil der Vorinstanz einen Rechtsirrtum nicht erkennen lasse.

Pest, 27. Juni. In Bruck an der Leitha, wo der Kaiser gestern Truppenschau abhielt, wurde ein italienischer Arbeiter verhaftet, der verdächtig ist, einen Anschlag gegen den Kaiser geplant zu haben.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.