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Aufforderung, den Schirm zu entfernen, anfänglich nicht Folge geleistet. Tie Strafe lautete auf 8 Wochen Gefängnis.
Karlsruhe, 6. Juni. Zwischen Eberbach, Mosbach, Wimpfen erfolgten Mittwoch Nacht große Wolkenbrüche. Brücken wurden fortgerissen, Felder und Wiesen verwüstet. In Gernsbach fiel nahezu eine Stunde Hagel. In Herrenwies, Amt Bühl, stürzten die Wasser von den Abhängen in Strömen, Felsblöcke und Baumstämme mit sich reißend. Die Straße zwischen Schulhaus und Kirche wurde völlig demoliert. Mit Not konnte das Vieh in Sicherheit gebracht werden.
Durlach, 5. Juni. Das gestrige Gewitter hat schweren Schaden angerichtet. Die Hagelkörner hatten die Größe von Nüssen. Viele Feldfrüchte sind total vernichtet. Das wenige Obst, das von dem Frost und der naßkalten Witterung noch übrig geblieben, ist jetzt durch das Hagelwetter vernichtet. Seit langen Jahren ist hier ein solches Unwetter nicht erlebt worden.
Freiburg, 5. Juni. In Kappel wurde der auf dem Felde beschäftigte Landwirt Tritschler vom Blitz getötet. Der Verunglückte hinterläßt 9 Kinder. — Desgleichen wurde bei Breisach der 32jährige Ziegler Gutmann beim Heumachen vom Blitz erschlagen. Seine ganz in der Nähe stehende Frau blieb unversehrt.
Mannheim, 7. Juni. Die nächste Wanderversammlung der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft im Jahre 1905 wird in München stattfinden.
Breslau, 7. Juni. Dem Breslauer Generalanzeiger wird ausSibyllenort geschrieben: Am Donnerstag hatte König Albert eine Stunde auf der Veranda zugebracht. Als der König sich nach 8 Uhr zur Ruhe begeben wollte und sich bereits im Schlafzimmer befand, stellte sich plötzlich ein Anfall von Herzschwäche und Athemnot ein, der zu den größten Besorgnissen Anlaß gab. Ein ähnlicher schwächerer Anfall, vermutlich durch eine Blutung veranlaßt, war bereits am Montag vorausgegangen. Die Königin, welche sich ebenfalls im Zimmer befand, ließ auf Wunsch des Königs einen Geistlichen herbeiholen. Mit Andacht empfing König Albert die Sterbesakramente. Am Freitag trat beim Könige eine Erholung ein, sodaß derselbe anordnete, die Umgebung, welche inzwischen das Zimmer angefüllt hatte, möchte sich zur Ruhe begeben. Der König verlangte wiederholt nach Zeitungen und nahm an Berichten aus der Residenz lebhaften Anteil. Der Tag verlief ohne wesentliche Störung. Die Nachtruhe war durch asthmatische Beschwerden vielfach unterbrochen. Am Samstag vormittag empfing der König den Besuch des Prinzen Georg, welcher längere Zeit im Gespräch am Krankenlager verweilte. Die Königin verläßt dasselbe nur auf kurze Augenblicke und während der Messe in der anstoßenden Kapelle.
Berlin, 7. Juni. Der Lokalanzeiger meldet aus Sibyllenort: Der Zustand König Alberts sei trotz der eingetretenen Besserung der Herzthätigkeit sehr bedenklich. Die Nahrungsaufnahme ist gering. Der Schwächezustand war gestern abend größer. Die gesamte königliche Familie ist im Schlosse anwesend. Der Anfall ist das Ergebnis von Erscheinungen des Greisenalters.
Berlin, 6. Juni. Zur zweiten Lesung des Süßstoffgesctzes der Zuckersteuerkommission des Reichstages ist von Abgeordneten der Konservativen, des Zentrums und der Nationalliberalen ein Antrag eingebracht worden, der ein grundsätzliches Verbot der Herstellung und des Vertriebes künstlicher Süßstoffe herbeiführen will. Zur Herstellung und Einführung von Saccharin bedarf es besonderer Ermächtigung des Bundesrats. Seine Abgabe soll nur Apothekern und Personen mit amtlicher Erlaubnis gestattet sein. Für Zuwiderhandlungen werden Gefängnisstrafen bis zu 6 Monaten und Geldstrafen bis zu 1500 festgesetzt. Die Inhaber solcher Süßstoff-Fabriken, welche bereits vor dem 1. Januar 1900 betrieben worden sind, sollen entschädigt werden.
Berlin, 7. Juni. (Deutscher Reichstag.) Die Uebereinkunft zum Schutz der für die Landwirtschaft nützlichen Vögel wird nach kurzer Debatte in dritter Beratung endgiltig genehmigt. Nach Erledigung einiger Rechnungssachen folgt die erste Lesung der Vorlage wegen Aufhebung des Diktatur- Paragraphen in Elsaß-Lothringen. Abg. Hiff (freie Ver.) heißt die Vorlage willkommen. Reichskanzler Graf Bülow dankt dem Vorredner für die entgegenkommende Art, wie er sich über die Vorlage ausgesprochen hat. Hoffentlich werde dieselbe ebenso wohlwollend vom Haus beurteilt wie vom Bundesrat. Der Reichskanzler gibt nunmehr einen historischen Ueberblick über die Entstehung des Diktatur- Paragraphen und betont dabei, um die Neuordnung der Dinge hätte man des Diktatur-Paragraphen bedurft. Der Kaiser und die Regierung seien jetzt der Meinung, daß fortan dieses Machtmittel entbehrt werden könnte. Als dauernde Einrichtung seien sie niemals gedacht worden. Er glaube, die Aufhebung des Diktatur-Paragraphen werde geeignet sein, mehr und mehr die Bevölkerung mit dem bestehenden Zustande zu versöhnen. In eine Wiederabreißung Elsaß-Lothringens werde Deutschland und die deutsche Regierung niemals willigen. Möchten die Elsaß- Lothringer die Aufhebung des Diktatur-Paragraphen mit derselben Gesinnung aufnehmen mit der sie gewährt werde, nämlich mit deutscher Treue. (Beifall.) Die Abgg. Röllinger (Elsäßer), Höffel (Rp.) und Bachem (Zentrum) begrüßen die Vorlage mit großer Genugthuung. Abg. Preiß (Elsäßer) meint, die Elsaß-Lothringer hätten hier nur bekommen, was ihnen schon vor 30 Jahren hätte gegeben werden müssen und was man ihnen zu Unrecht vorenthalten habe. Die Regierung habe das elsäßische Volk falsch beurteilt. Schon längst sei es Pflicht der Regierung
gewesen, den Diktatur-Paragraphen auszuheben. Abg. Bebel (Soz.) kritisiert das Verhalten der Regierung in dieser Sache und geht auf den Erlaß des Kaisers von der Hohkönigsburg ein. In dem Erlaß werde von dem Wohlwollen des Kaisers gesprochen. Die Bevölkerung verlange aber kein Wohlwollen, sie verlange nur ihr Recht. Um das Land vollständig glücklich zu machen bedürfe es auch eines anderen Wahlrechts zum Landesausschuß und dann müßten auch die Versammlungs- und vereinsrechtlichen Verhältnisse ganz anders werden. Reichskanzler Graf Bülow wendet sich gegen Bebel, der mehr Protestler sei als die Herren Protestler. Die Aufhebung habe der Ansicht aller beteiligten Behörden entsprochen, mit denen er persönlich über die Angelegenheit Rücksprache genommen habe. Wenn man auf den Ausbau der Hohkönigsburg Hinweise, so wolle er bemerken, daß zwischen den beiden Angelegenheiten nicht der mindeste Zusammenhang bestehe. Staatssekretär Köller bestreitet, daß in Elsaß-Lothringen eine unerhörte Bedrückung der Bevölkerung stattfinde. Redner polemisiert des weiteren gegen den Abg. Bebel und nimmt den elsaß-lothringischen Landesausschuß in Schutz. Das elsaß-lothringische Vereinsrecht gehe Herrn Bebel gar nichts an, das sei doch Landessache. Abg. Schlumberger (ntl.) giebt seiner Freude Ausdruck über die zur Beratung stehende Vorlage. Die reichsländische Bevölkerung werde diesen Beweis des Wohlwollens dem ganzen Reichstag gmschreiben. Nach weiterer Debatte wird die Vorlage schließlich angenommen. Montag 1 Uhr dritte Lesung der Vorlage betr. den Diktatur- Paragraphen, zweite Beratung der Zuckersteuer-Vorlage nebst Süßstoffgesetz, endlich Petitionen.
Berlin, 7. Juni. Kaiser Wilhelmwird, wie dem Lokalanzeiger aus Rotterdam depeschiert wird, am 18. ds. in Wesel eine Begegnung mit der Königin Wilhelmine haben, um sie persönlich zu ihrer Wiederherstellung zu beglückwünschen.
Haag, 7. Juni. Es kann als sicher gemeldet werden, daß Präsident Krüger in Holland bleiben wird. Wolmarans und die anderen Burendelegierten begeben sich sobald als möglich nach Südafrika zurück. Die Kinder derselben werden bereits in 14 Tagen dorthin abreisen.
Brüssel, 7. Juni. Fischer, Wolmarans und das Personal der Transvaal-Gesandtschaft teilen mit, daß sie dem englischen Gesandten in der nächsten Woche den Treueid leisten werden.
Rom, 7. Juni. Die Marineverwaltnng besteht darauf, daß die Ausgestaltung der Kriegsflotte in großem Stile erfolgt. Etwa 16 ältere Kriegsschiffe, die vollständig untauglich geworden sind, sollen durch neue ersetzt und Unterseeboote größeren Formats gebaut werden.
Paris, 7. Juni Die zukünftigen Minister haben sich gestern versammelt, um verschiedene Punkte des ministeriellen Programms zu beraten. Man kann das neue Kabinett als konstituiert betrachten. Tie Verteilung der Portefeuilles ist wie
„Wohin wolltest Du so eilig, Liselotte?" fragte der Freiherr mit sanfter Stimme. „Jürgen sagte mir, daß Du im Park seiest, ich wollte Dir nur Mitteilen, daß Eleonore mit mir über Deine Mama gesprochen hat. Selbstverständlich kommen Deine Mama und Deine Schwester hierher. Sie muffen doch Deine Verlobung mit Jürgen feiern ..."
„Onkel . . ." Sie wankte und wäre zu Boden gesunken, wenn Thiemo sie nicht aufgefangen hätte.
Sorgsam führte er sie zu einem Ruheplatz unter breitblättrigen Pflanzen in einem Winkel des Saales.
„Was ist Dir, meine kleine Liselotte?" fragte er unendlich gütig, indem er ihre Hand in die seinigen nahm und sanft streichelte. „Jürgen erzählte mir von Eurer Unterredung — Du willst Deine Mama um Rat fragen, ehe Du Dich entscheidest. Das ist gewiß richtig, aber ich glaube, unter den obwaltenden Verhältnissen kaum nötig. Ich werde für Dich sorgen, meine kleine Liselotte — gestatte es mir, wie Deinem älteren Bruder, dem es eine innige Freude bereitet. Dein Glück zu begründen . . ."
Sie stieß heftig seine Hand fort.
„Mein Glück?" Sie lachte schmerzlich auf. „Was wißt Ihr Alle von meinem Glück?"
Thiemo sah sie schmerzlich erstaunt an. Sie kam ihm so sonderbar vor, und seltsame Gedanken bewegten seine Seele.
„Bist Du nicht glücklich, Liselotte? Hast Du Jürgen nicht lieb? Er ist ein braver Mensch — ich bürge für ihn. Sprich Dich aus, Liselotte. Noch ist es Zeit. Denke, ich sei Dein Bruder — Dein Vater. Habe Vertrauen zu mir. Liebst Du Jürgen nicht — liebst Tu — einen anderen Mann?"
Sie hatte die Hände in ihren Schoß verschlungen und starrte wortlos.
thränenlos zu Boden. Durfte sie ihm das Geheimnis ihres Herzens verraten? Ihm, der sie wie eine Schwester liebte? Ein heißes Schamgefühl quoll in ihrem Herzen empor, tiefer senkte sich ihr Haupt und schmerzhaft brennende Thränen entrangen sich ihrem Herzen.
„Liselotte, sprich!"
Sie schüttelte traurig Las Haupt, wagte aber nicht, ihn anzusehen, sie wäre sonst zu seinen Füßen niedergesunken. O, daß er sie doch verstehen wollte!
„Hast Du an einen anderen Mann gedacht?"
Sie sank schweigend tiefer in sich zusammen.
„Ich werde auch dann für Dich sorgen," fuhr er milde fort, „und Dich nicht verurteilen. Ist es Walter Mansberg?"
Da fuhr sie empor, als wenn ein Schlag sie getroffen. Mit einem Male hatte sie ihre Selbstbeherrschung wiedergewonnen.
„Wie kommst Du auf den Namen, Onkel!" stieß sie heftig hervor.
„Nun — nun — Du kanntest den jungen Mann doch früher, es wäre ja nicht undenkbar . . . aber ich freue mich, daß es nicht der Fall ist; jetzt wird ja Alles gut werden. Sieh, ich habe es mir so schön gedacht, daß wir hier beisammen bleiben können — ich hier oben auf dem alten Diamantstein — Ihr jungen Leute drunten im Herrenhaus von Diamantstein. Ich komme jeden Tag zu Euch, mich Eures jungen Glückes zu freuen, wir pflegen unsere Kunst gemeinsam weiter, wir bilden eine glückliche Familie . . ."
Seine Stimme bebte und er schwieg plötzlich und blickte mit ernstem Auge in den grünen Park hinaus, auf dem der Helle Sonnenschein des Sommers schimmernd ruhte. Liselotte war tief bewegt, doch mit fester Stimme erwiderte sie: „Ich bin Dir von Herzen dankbar für Deine Güte, Onkel, aber ich kann Deine Großmut nicht annehmen, ich muß meinen eigenen Weg gehen." (Forts, folgt.)